DLG-Expertenwissen 01/2025
1. Auflage, Stand 07/2025
Autorinnen:
- Dr. Sonja Schwarz
Fachbereichsleitung arotop sensory insights, Limbach Analytics GmbH – Arotop Laboratorien Mainz
Vorstandsmitglied der DGSens (Deutsche Gesellschaft für Sensorik e. V.)
S.Schwarz@analytics-mainz.de - Laura Bohley (B. Sc. Lebensmitteltechnologie)
Studentin im Studiengang Lebensmittelsicherheit (M. Sc.) an der Hochschule Geisenheim
Laura.Bohley@kabelmail.de - Dr. Désirée Schneider
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Lebensmitteltechnologie, Hochschule Fulda
Vorsitzende des DLG-Ausschusses Lebensmittelqualität
desiree.schneider@lt.hs-fulda.de
Kontakt:
DLG-Ausschuss Lebensmittelqualität und Sensorik
Bianca Schneider-Häder (Projektleiterin)
sensorik@DLG.org
1. Einleitung und Fragestellungen
Die steigende Zahl von Lebensmitteln führt zu einem stetig größer werdenden und vielfältigeren Markt. Grund ist vor allem der starke Innovationswille der Unternehmen und die bedeutungsvolle Produktentwicklung. Umso wichtiger ist es, dass sich die Lebensmittel in diesem Umfeld differenzieren können. Hierbei kommen Sensory Claims eine zentrale Rolle zu, denn sie können die sensorischen Eigenschaften eines Produktes, wie Geschmack, Textur oder Mundgefühl, verbal kommunizieren, obwohl sie vor dem Kauf nicht direkt erlebbar sind.
Sensorische Aussagen wie „extra knusprig“, „cremig“ oder „voller Geschmack“ ermöglichen es, Produktqualitäten gezielt hervorzuheben und Verbraucher emotional anzusprechen. Sie tragen damit wesentlich zur Produktprofilierung und Kaufentscheidung bei. Gleichzeitig müssen sie wissenschaftlich fundiert, nachvollziehbar und rechtlich sowie inhaltlich belastbar sein, um das Vertrauen der Konsumenten zu stärken und regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Dieses Expertenwissen soll Unternehmen dabei unterstützen, die Vorteile und den Nutzen von Sensory Claims zu verstehen und die Bedeutung für das eigene Produkt bzw. Unternehmen zu sehen. Es zeigt, wie gezielt, marktwirksam und normgerecht Sensory Claims eingesetzt werden können, aber auch welche Fallstricke lauern und wie diese gelöst werden können. Insbesondere sollen Antworten auf folgende Fragestellungen gegeben werden, die u. a. auf den Ergebnissen eigener Forschungsarbeiten basieren:
- Was sind die neuesten Erkenntnisse zu den Sensory Claims?
- Wie werden Sensory Claims genutzt?
- Welche Inhalte vermitteln die entsprechenden DIN- und ISO-Normen zu Sensory Claims?
- Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten weisen die beiden Normen auf?
- Wie hat sich die Häufigkeit der Verwendung sensorischer Produktbeschreibungen (Sensory Claims) auf Lebensmittelverpackungen seit der Einführung der DIN- und ISO-Normen entwickelt?
- Welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus für die Praxis ableiten?
- Wie können Hersteller und Handel die Sensory Claims valide testen und nutzen?
2. Definition, Einteilung und Bedeutung
Bereits im Jahr 2015 ist ein Expertenwissen zum Thema „Sensory Claims“ mit dem Titel „Sensory Claims – Methodische Vorgehensweise zur Entwicklung und Untermauerung“ erschienen. Dieses Expertenwissen hatte insbesondere folgende Fragestellungen beleuchtet:
- Welche Arten von Sensory Claims gibt es?
- Welche Möglichkeiten zur Entwicklung von Sensory Claims bieten die Methoden der Lebensmittelsensorik?
- Wie findet man das richtige Wording, sodass Verbraucher und Produktexperten gleichermaßen die definierten sensorischen
Produkteigenschaften verstehen? - Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren für Sensory Claims und welche Erfahrungen bestehen im europäischen Ausland?
Diese Fragestellungen werden deshalb im Folgenden nicht erneut vertieft. Wir verweisen auf das oben genannte Expertenwissen: DLG-Expertenwissen 15/2015: Sensory Claims
Hier sei lediglich noch einmal die Definition des Claims aus oben genanntem Expertenwissen aufgegriffen:
„Ein „Claim“ wird definiert als eine Kommunikationsform von Produkteigenschaften, die seitens der Verbraucher als glaubwürdige Tatsachen wahrgenommen werden. Unter „Sensory Claims“ versteht man Aussagen über sensorische Wahrnehmungen und Produktcharakteristika das Aussehen, den Geschmack, die Textur oder das Aroma betreffend, die zur Produktbewerbung seitens des Herstellers kommuniziert werden.“
Die DIN 10977:2021-02 definiert den Begriff „Sensory Claim“ folgendermaßen: „Aussage über ein Produkt mit Bezug auf dessen sensorische Eigenschaft(en)“, wobei der Sensory Claim auf „die Hervorhebung des Produktes, beispielsweise gegenüber einem direkten Wettbewerbsprodukt, oder um besondere Produkteigenschaften als verkaufsförderndes Argument
herauszustellen“ abzielt.
Sensory Claims werden in nicht-vergleichende und vergleichende Claims unterteilt, wie in Abbildung 1 dargestellt. Beispiele für die einzelnen Claims sind dem oben genanten Expertenwissen zu entnehmen.
Hinzu kommt die Unterscheidung in affektive/hedonische Claims und auf Produkteigenschaften bezogene Claims. Unter affektiv/hedonischen Claims versteht man Aussagen, die sich auf die Beliebtheit des Produktes beziehen und daher nur von Konsumenten/Verbrauchern beurteilt werden können, z. B. „lecker“, „großartig“ oder „jetzt noch besser“. „Cremig“, „schokoladiger“ oder „jetzt noch knuspriger“ fallen unter die Kategorie der auf Produkteigenschaften bezogenen Claims. Sie können auch von geschulten Sensorikern untersucht und belegt werden.
3. Vergleich: DIN-Norm und ISO-Standard
Eine spezifische Regelung für sensorische Auslobungen von Lebensmitteln existierte bis 2021 auf deutscher Ebene nicht. Dennoch waren bei der Verwendung sogenannter „Sensory Claims“ die allgemeinen Vorgaben des EU-Lebensmittelrechts zu beachten, insbesondere jene zum Schutz vor Täuschung und zur Vermeidung irreführender Angaben (gemäß § 11 LFGB und Art. 7 LMIV). Als früher Standard gilt der US-amerikanische „Standard Guide for Sensory Claim Substantiation“ (ASTM E1958-22) der ASTM International, der unterschiedliche Claim-Typen definiert und methodische Verfahren zu Konzeption, Validierung und Verifizierung beschreibt. Nach entsprechender Anpassung an nationales Recht fand dieser Leitfaden auch international Anwendung, etwa im Vereinigten Königreich. Ergänzend formuliert die Food Standards Agency (FSA) dort spezifische Kriterien für Begriffe wie „fresh“, „pure“ oder „natural“.
Eine valide Absicherung bei der Verwendung von Sensory Claims ist für Unternehmen jedoch unabdingbar unter anderem aus folgenden Gründen:
- Die wissenschaftliche Fundierung dient als Schutz gegenüber Wettbewerbern im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen.
- Validierte Claims können im Falle von Abmahnungen durch Kontrollbehörden als Nachweis für die Zulässigkeit der Werbeaussagen herangezogen werden.
- Durch belegte Aussagen lassen sich Verbraucherenttäuschungen vermeiden, die aus unangemessenen Erwartungen resultieren.
Insbesondere der letzte Grund wird häufig bei der Sensory-Claim-Nutzung wenig beachtet, sollte aber im Fokus der Verwendung stehen. Nur ein passender und valider Claim hat einen positiven Effekt auf den Verbraucher; im Gegenzug wird ein unpassender Claim zu einer Verbraucherenttäuschung führen. Dies resultiert in einer Produktenttäuschung, die häufig in einer Markenenttäuschung mündet und insgesamt einen negativen Effekt hat.
Um eine einheitliche Grundlage für die Nutzung von Sensory Claims zu schaffen, wurden im Jahr 2021 von der International Organization of Standardization (ISO) die ISO 20784 „Sensory analysis – Guidance on substantiation for sensory and consumer claims“ veröffentlicht. Ebenso im Jahr 2021 erschien ergänzend dazu eine nationale Norm vom Deutschen Institut für Normung (DIN): die DIN 10977:2021 „Sensorische Analyse – Sensorische Claims – Überprüfung produktbezogener und vergleichender Claims“. Bei den ISO- und DIN-Normen handelt es sich, solange deren Geltung nicht in Gesetzen festgelegt ist, um keine rechtlich bindenden Dokumente, sondern um technische Standards. Diese können unterstützend verwendet werden, wenn rechtliche Vorgaben nicht im Detail definiert sind. Die rechtliche Basis durch § 11 LFGB und Art. 7 LMIV bleiben davon unberührt. Eine Gegenüberstellung der wesentlichen Inhalte der Normen ist Tabelle 1 zu entnehmen:
Tabelle 1: Vergleich der Normen ISO 20784:2021 und DIN 10977:2021-02
Kriterium | ISO 20784:2021 | DIN 10977:2021-02 |
---|---|---|
Titel | Guidance on substantiation for sensory and consumer claims | Sensorische Analyse – Sensorische Claims – Überprüfung produktbezogener und vergleichender Claims |
Veröffentlichung | März 2021 | Februar 2021 |
Anwendungsbereich | Leitfaden zur Begründung und Substantiierung von sensorischen Claims | Anforderungen zur Überprüfung produktbezogener und vergleichender Claims, die mittels sensorischer Methoden und quantitativer Auswertung belegt werden |
Geltungsbereich | International – allgemeine Anforderungen an Sensory Claims | National (Deutschland) |
Aufbau | 1. Scope 2. Normative references 3. Terms and definitions 4. General considerations 5. Guiding principles for sensory claims substantiation 6. Classification of sensory claims 7. Methods | 1. Anwendungsbereich 2. Normative Verweisungen 3. Begriffe 4. Methoden 5. Produkte 6. Prüfraum und Prüfgeräte 7. Vorbereitung der Prüfproben 8. Statistische Auswertung und Anforderungen 9. Prüfbericht |
Fokus | Grundlagen, erste Konzeptentwicklung und Klassifikation | Durchführung sensorischer Prüfungen und statistische Auswertung |
Claim-Typen | Definition und Klassifikation unterschiedlicher Arten von Sensory Claims | Definition und Klassifikation unterschiedlicher Arten von Sensory Claims mit Bezugnahme auf Claim-Typen der ISO |
Definitionen | Ausführliche Beschreibung von Fachbegriffen und Definitionen | Grundlegende Fachbegriffe und Definitionen werden erläutert |
Prüfmethoden | Allgemeine Empfehlung zur Erstellung eines geeigneten Testdesigns (nach Claim-Typ) Allgemeine Aussagen zu Sensory Claims | Konkrete Vorschläge und detaillierte Beschreibung von Methoden (Anzahl Testpersonen und Vergleichsprodukte) |
Statistische Anforderungen | Basisangaben zur genauen statistischen Auswertung | Konkrete Vorgaben zur Auswertung (inkl. Tabellen für die Auswertung) |
Normativer Charakter | Leitlinie (Guideline) – wenig verpflichtende Prüfvorgaben | Standard mit prüfbaren Anforderungen – direkte Anwendung in der Praxis |
Bezug zur Produktauslobung | Unterstützung bei der Formulierung valider Claims | Nachweisführung zur Validierung bestehender Claims |
Die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind im Folgenden zusammengefasst:
Gemeinsamkeiten:
- Beide Normen bieten wissenschaftliche Grundlagen zur Absicherung sensorischer Aussagen.
Beide Normen sollen Verbraucher vor irreführenden Claims schützen.
Beide greifen zentrale sensorische Methoden und Begriffe (Definitionen) auf und fördern eine Standardisierung im Umgang mit sensorischen Auslobungen.
Unterschiede:
- Die ISO 20784 ist konzeptionell orientiert, während sich die DIN 10977 auf die praktische Umsetzung sensorischer Prüfungen fokussiert.
- Die DIN-Norm liefert konkrete Prüfprotokolle und statistische Kriterien, während die ISO eher als übergeordnetes Rahmenwerk fungiert.
- ISO setzt den Schwerpunkt auf die Schritte, welche zur Entwicklung oder zur Auswahl des geeigneten Textdesigns nötig sind.
- DIN fokussiert Angaben zu den Prüfmethoden und deren statistische Auswertung.
- Entsprechend legt die DIN 10977 den Schwerpunkt auf die Nachweisführung, während die ISO die Entwicklung der verschiedenen Sensory Claims betrachtet.
4. Anwendung von Sensory Claims auf Produkten in 2020 und 2024 – ein Vergleich
Um die Verwendung von Sensory Claims auf Verpackungen vor und nach der Einführung der DIN 10977 und ISO 20784 zu vergleichen, wird eine Untersuchung aus dem Jahr 2020 mit einer Untersuchung aus dem Jahr 2024 verglichen. Folgende Datensätze liegen dem Vergleich zugrunde (vgl. Abbildung 2):

Zwischen 2020 und 2024 stieg der Anteil an Verpackungen mit Sensory Claims von 17 % auf 45 % – eine deutliche Zunahme (s. Abbildung 3). Die Steigerung beruhte sowohl auf den neu auf dem Markt eingeführten Produkten als auch auf den bestehenden Lebensmitteln. Bei neuen Produkten lag der Anteil allerdings besonders hoch mit 69 %. Dieser Trend fällt zeitlich mit der Einführung der DIN- und ISO-Normen zusammen.
Auch die Zahl der Produkte mit mehreren Claims nahm zu – von 4 % (2020) auf 11 % (2024). Während im Jahr 2020 maximal zwei Claims pro Produkt genutzt wurden (v. a. bei Molkereiprodukten und Speisekammer-Artikeln), fanden sich 2024 bis zu vier Claims pro Verpackung – besonders bei Desserts und Süßwaren. Auffällig: Drei oder mehr Claims wurden ausschließlich bei neu eingeführten Produkten eingesetzt.
Ein kategorialer Vergleich zeigt, dass die Verwendung von Sensory Claims produktspezifisch variiert. 2020 lag der Anteil bei Molkereiprodukten und Aufschnitt mit jeweils 29 % am höchsten, während Fisch und Fleisch, Gewürze sowie Obst und Gemüse kaum oder gar keine Claims aufwiesen.

2024 zeigte sich ein starker Anstieg von Sensory Claims über fast alle Produktkategorien hinweg, auch wenn die Anzahl der untersuchten Produkte je Kategorie unterschiedlich groß war. Tiefkühlprodukte (58 %), Getränke (50 %) sowie Desserts und Süßwaren (48 %) führten tendenziell das Ranking an. Aufschnitt bildete mit 28 % das Schlusslicht – trotz nahezu unverändertem Niveau seit 2020. Aufgrund schwankender Anzahl der Produkte je Kategorie können diese Aussagen jedoch nur als Tendenzen gesehen werden (vgl. Abbildung 4).
5. Verwendung der verschiedenen Sensory-Claim-Arten
Die im Datensatz identifizierten Sensory Claims aus 2020 und 2024 wurden gemäß DIN 10977 in vergleichende und nicht-vergleichende sowie in hedonische und auf Produkteigenschaften bezogene Claims unterteilt. Der Großteil bezog sich auf Produkteigenschaften (2020: 84 %, 2024: 72 %), während hedonische Claims von 9 % (2020) auf 17 % (2024) zunahmen (Abbildung 6). Dies zeigt die wachsende Bedeutung emotionaler Produktkommunikation in der Sprache der Konsumenten. Kombinierte Claims (hedonisch und auf Produkteigenschaften bezogen), wie zum Beispiel Aussagen wie „luftig, knusprig und so lecker“ verzeichneten einen geringen Anstieg (2020: 8 %; 2024: 11 %). Auffallend war, dass in den Kategorien Aufschnitt sowie Obst und Gemüse ausschließlich auf Produkteigenschaften bezogene Claims verwendet wurden. Den höchsten Anteil an hedonischen Claims zeigte die Kategorie vegetarische/vegane Ersatzprodukte.
Prinzipiell war die überwiegende Mehrheit der Sensory Claims nicht auf einen Vergleich ausgelegt, sondern beschrieb nur das jeweilige Produkt selbst. Bei den vergleichenden Claims fanden sich am häufigsten die Claims auf Überlegenheit, wobei über die Hälfte dieser Claims Begriffe wie „besonders“ oder „einzigartig“ nutzte. Rund ein Drittel verwendete komparative/superlative Claims, 17 % bezogen sich auf Vorgängerprodukte. Diese Verwendung war relativ gesehen überwiegend konstant, 2020 mit 14 % (von 79 Claims), 2024 mit 12 % (von 297 Claims). Claims auf Gleichheit waren selten (2020: 1 %, 2024: 3 %) und dienten z. B. der Kommunikation gleichbleibender Geschmacksmerkmale trotz Rezepturänderung („weniger Zucker, gleicher Geschmack“) oder knüpften an Alltagserlebnisse an („Feuriges wie vom Imbiss“). Auffällig war, dass vergleichende Claims nie konkrete Wettbewerber nannten, sondern sich auf eigene Produkte oder die Branche bezogen. Claims auf Nicht-Unterlegenheit wurden in keiner Produktkategorie gefunden (vgl. Abbildung 7).
6. Sensory Claims als Erfolgsfaktor
Die Sensorik ist entscheidend für den Erfolg eines Lebensmittels – nur ein sensorisch überzeugendes Produkt kann langfristig bestehen. Sensory Claims bieten eine effektive Möglichkeit, Konsumenten bereits vor dem Probieren von der sensorischen Qualität zu überzeugen. Im Folgenden werden einige Gründe aufgeführt, die für die Verwendung von Sensory Claims sprechen:
Durch gezielte sensorische Auslobungen wie „würzig, knusprig, lecker“ wird ein Produkt informativer, als auch emotional ansprechender wahrgenommen und hebt sich deutlich von generischen Bezeichnungen ab. Dies steigert die Kaufwahrscheinlichkeit, insbesondere bei Erstkäufen, da Konsumenten gezielt auf besondere sensorische Eigenschaften aufmerksam gemacht werden und diese emotional wirken können.
Tabelle 2: Empfehlungen zur Nutzung von Sensory Claims und strategischer Nutzen
Empfehlung | Erläuterung | Strategischer Nutzen |
---|---|---|
Sensorische Claims gezielt zur Differenzierung einsetzen, v. a. in gesättigten Märkten „Klar fokussierte, belegte Claims zur Markenprofilierung“ | In stark innovationsgetriebenen Märkten, wie im Bereich Desserts und Süßwaren, sind Sensory Claims weit verbreitet. Um sich dennoch abzuheben, sollten Claims zur Markenprofilierung klar belegbar, präzise formuliert und auf zentrale Produkteigenschaften fokussiert sein. | Erhöhung der Markenwahrnehmung und Abgrenzung bei hoher Produktvielfalt |
Absicherung hedonischer Claims mit Normen und professionellen Dienstleistern „Verbrauchervertrauen durch valide Testdaten stärken“ | Mit der Einführung der DIN- und ISO-Norm lassen sich hedonische Aussagen wie „besonders lecker“ durch Verbrauchertests valide absichern. Dies schafft Vertrauen – besonders bei Marken, die regelmäßig neue Produkte einführen. Durch die erforderlichen hohen Fallzahlen und den entsprechenden Aufwand ist die Unterstützung durch externe Marktforschungsagenturen sinnvoll. | Aufbau von Vertrauen durch nachvollziehbare, verbraucherbasierte Aussagen |
Absicherung beschreibender Claims mit Normen und akkreditierten Sensorikpanels „Verbrauchervertrauen durch treffende Beschreibungen stärken“ | Mit der Einführung der DIN- und ISO-Norm lassen sich beschreibende Claims wie „knusprig, nussig“ durch geschulte Sensorikpanels valide absichern. Diese Schulung gemäß DIN EN ISO 8586:2023-09 bedeutet, dass die Sensoriker valide testen und beschreiben können. Entsprechend treffend sind die durch sie generierten Claims. Die Ausbildung und Überprüfung der Sensoriker stellt einen enormen Aufwand dar. Auch hier kann es sinnvoll sein, die Unterstützung durch externe Partner mit akkreditierten Sensorikpanels in Anspruch zu nehmen. | Entwicklung und Bestätigung von treffenden beschreibenden Claims, die zum Produkt passen |
Sorgfältiger Umgang mit vergleichenden Claims „Rechtskonformität und Imageschutz beachten“ | Claims auf Überlegenheit oder Gleichheit bergen besondere rechtliche Risiken und erfordern hohen Begründungsaufwand. Wenn eingesetzt, sollten sie sorgfältig geprüft und normgerecht belegt sein. | Minimierung rechtlicher Risiken, Erhalt des Markenimages |
Normen als Chance für Glaubwürdigkeit nutzen „Transparente und strukturierte Claim-Entwicklung und Validierung“ | Die DIN 10977 und ISO 20784 bieten klare Leitlinien zur Begründung sensorischer Aussagen. Hersteller sollten diese Standards aktiv nutzen, um ihre Claims transparent, glaubwürdig und valide zu gestalten. | Erhöhung der Rechtssicherheit und Glaubwürdigkeit sensorischer Aussagen |
Verbraucherbedürfnisse (Konsumtrends) im Kontext berücksichtigen „Sensorische Kommunikation auf Alltagssituationen abstimmen“ | Der Anstieg sensorischer Auslobungen bei Tiefkühlprodukten zeigt: Auch wenn es schnell gehen muss (z. B. im Homeoffice) sind Qualität, Komfort und Genuss zentrale Kaufmotive. Hersteller sollten ihre Claims gezielt auf solche Bedürfnisse ausrichten. | Stärkere Relevanz beim Konsumenten durch Bezug auf Alltagssituationen und Bedürfnisse |
Fokus auf Qualität statt Quantität „Konzentration auf sensorisch belegbare Produktvorteile“ | Statt viele generische Claims zu verwenden, ist es ratsam, wenige, gut begründete Aussagen einzusetzen, die echte sensorische Stärken des Produkts widerspiegeln. Nur passende Claims führen zu einem positiven Erlebnis bei Kunden nach dem Erstkauf. Wenn der Claim und das Produkterlebnis nicht zusammenpassen, ist der Verbraucher enttäuscht und wird es nicht wieder kaufen. | Klarere Kommunikation der Produktvorteile, höhere Wirkung auf Kaufentscheidung |
- Untersuchungen von der TU Aschaffenburg und der Firma arotop GmbH haben bestätigt: Verbraucher empfinden Sensory Claims als hilfreich und entscheiden sich signifikant häufiger für Produkte mit sensorischen Werbeaussagen im Vergleich zu solchen ohne. Eine gezielte Nutzung dieser Claims kann somit maßgeblich zur Absatzsteigerung beitragen.
- Auch in stark beworbenen Produktkategorien bieten Sensory Claims eine wertvolle Orientierung. Am Beispiel Kaffee: Begriffe wie „mild“ oder „kräftig-aromatisch“ erleichtern die gezielte Produktauswahl und minimieren Produktenttäuschungen. Da sich Produktenttäuschungen in Markenenttäuschungen niederschlagen können, tragen klare sensorische Angaben zur Kundenzufriedenheit und Markenbindung bei.
- Ein präziser und treffender Sensory Claim bietet eine wertvolle Differenzierung in einem stark umkämpften Markt. Angesichts des großen Angebots an Lebensmitteln erleichtern sensorische Auslobungen die Verbraucherorientierung und fördern eine gezielte Kaufentscheidung. Unternehmen sollten diese Chance nutzen, um die sensorischen Qualitäten ihres Produkts klar zu kommunizieren.
- Sensory Claims unterstützen sowohl Hersteller und Handel durch die absatzfördernde Wirkung als auch Konsumenten bei der Kaufentscheidung. Zudem erzeugen sie Erwartungen an das Produkterlebnis, deren Erfüllung entscheidend für Zufriedenheit, Wiederkauf und Kundenbindung ist.
7. Empfehlungen für Hersteller zur Nutzung von Sensory Claims
Auf Basis der analysierten Entwicklungen und Normen zur Verwendung sensorischer Werbeaussagen lassen sich folgende praxisorientierte Empfehlungen für Hersteller ableiten, die sowohl die strategische Wirkung als auch die normativen Anforderungen berücksichtigen. Diese sind in Tabelle 2 zusammengefasst:
Durch die beiden Normen ISO 20784 und DIN 10997 gibt es inzwischen eine Grundlage zur Generierung von Sensory Claims, sodass die Vorteile der Sensory Claims in vielfältiger Weise angewendet werden können. Dies bedeutet aber auch, dass Hersteller bzw. Inverkehrbringer der Lebensmittel angehalten sind, die verwendeten Sensory Claims auch zu testen bzw. zu validieren, egal ob beschreibende Claims oder hedonische Claims.
Zu beiden Typen nennt die DIN konkrete Vorgaben und Testmethoden, mit denen die jeweiligen Claims statistisch valide belegt werden können und auch sollten. Es ist allen Sensory-Claim-Verwendern daher angeraten, diese auch zu testen.
Dabei sollte beachtet werden, dass die Untersuchung der beschreibenden Claims durch nach DIN EN ISO 8586 ausgebildete Sensoriker erfolgen und hedonische Claims durch Konsumentenstudien mit mindestens 60 Verbrauchern erfolgen müssen. Wer diese Anforderungen selbst im Unternehmen nicht stellen kann oder möchte, braucht aber nicht auf die Nutzung von Sensory Claim verzichten, sondern kann sich durch externe Agenturen und Dienstleister Unterstützung holen. Gerade die treffende Auswahl eines Sensory Claims und die Auswahl des Testdesigns inkl. Vergleichsprodukten sowie die statistische Analyse der Untersuchung bedürfen Erfahrung und genauer Themenkenntnis. Auch hierbei helfen Sensory-Claim-Experten sicher und unterstützend weiter.
8. Zusammenfassung und Ausblick
Sensory Claims beschreiben sensorische Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Textur oder Aussehen und werden zu Marketingzwecken insbesondere auf Produktverpackungen eingesetzt. Die Normen DIN 10977 und ISO 20784 dienen seit 2021 als Leitlinien zur wissenschaftlichen Absicherung solcher Aussagen. Insgesamt zeigt sich ein deutlicher Anstieg sensorischer Auslobungen seit Einführung der Normen, jedoch ist dies stark abhängig von der Produktkategorie.
Die steigende Nutzung lässt sich u. a. durch erhöhten Innovationsdruck, differenzierte Einsatzmöglichkeiten in einzelnen Produktsparten sowie möglicherweise durch die Einführung der Normen erklären. Ob die Normen zur tatsächlichen Begründung der Claims herangezogen wurden, konnte mangels Transparenz nicht ermittelt werden. Aufgrund geringer Fallzahlen in einzelnen Kategorien (z. B. Fisch und Fleisch) sind nicht alle Ergebnisse generalisierbar.
Abschließend ist anzumerken, dass Sensory Claims ein relevantes Marketinginstrument darstellen, deren Bedeutung mit wachsendem Verbraucherinteresse an Produkterlebnissen zunimmt. Neben regulatorischen Einflüssen spielen auch externe Faktoren wie Ernährungsverhalten, Pandemie, Verpackungstrends und Konsumentenansprüche eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Sensory Claims. Die Normen DIN 10977 und ISO 20784 haben die Sichtbarkeit und Strukturierung sensorischer Aussagen erhöht. Durch die Definition und Begründungsanforderungen unterstützen sie Hersteller dabei, valide und konsumentenwirksame Claims zu formulieren. Gleichzeitig zeigen sie aber auch die Grenzen auf – insbesondere im Hinblick auf Aufwand, Risiko und Nachweispflicht. Durch valide Untersuchungen und Unterstützung durch erfahrene Dienstleister und Sensory-Claim-Experten sind diese Herausforderungen aber erfolgreich zu meistern.
Literaturverzeichnis
- ASTM E1958, Standard Guide for Sensory Claim Substantiation
- Bohley, L: Die Bedeutung der Sensory Claims für Lebensmittelprodukte nach der Einführung der DIN- und ISO-Standards.
Bachelorarbeit, Hochschule Fulda, 2025. - DIN 10977 (2021): Sensorische Analyse – Sensorische Claims – Überprüfung produktbezogener und vergleichender Claims.
Beuth Verlag GmbH - Hasallari, G./ Schwarz, S./ Bertels, V. (2020): Sensory Claims, Arbeitspapier an der TH Aschaffenburg in Zusammenarbeit mit
arotop GmbH - Igumnow, L./ Schwarz, S./ Bertels, V. (2020): Sensory Claims, Arbeitspapier an der TH Aschaffenburg in Zusammenarbeit mit
arotop GmbH - Inderbitzin, J./ Popp, M. (2016): Sensory Claims – zwischen Fantasie und Fakten. In: Schweizer Zeitschrift für Obst- und
Weinbau, 2016, 19, S. 8-11. - ISO 20784 (2021): Guidance on substantiation for sensory and consumer claims.
- Mörixbauer, A./ Gruber, M./ Derndorfer, E. (2019): Health und Sensory Claims. In: Mörixbauer, A./ Gruber, M./ Derndorfer, E.
(Hrsg.): Handbuch Ernährungskommunikation. Berlin: Springer, 2019, S. 163-175. URL: https://doi.org/10.1007/978-3-662-59125-3_7 [zuletzt abgerufen am 02.02.25] - Mörixbauer, A./ Gruber, M./ Derndorfer, E. (2019): Sensorische Lebensmittelkommunikation. In: Mörixbauer, A./ Gruber,
M./ Derndorfer, E. (Hrsg.): Handbuch Ernährungskommunikation. Berlin: Springer, 2019, S. 145-161. URL: https://doi.org/10.1007/978-3-662-59125-3_6 [zuletzt abgerufen am 02.02.25] - Schneider-Häder, B./ Hamacher, E./ Beeren, C. (2015): Sensory Claims – Methodische Vorgehensweise zur Entwicklung
und Untermauerung. In: DLG-Expertenwissen 15/2015. Frankfurt am Main: DLG e.V., 2015. URL: https://www.dlg.org/mediacenter/alle-publikationen/dlg-expertenwissen/lebensmittelsensorik/dlg-expertenwissen-15-2015-sensory-claims [zuletzt abgerufen am 02.02.25] - Schwarz, S. (2022): Sensory Claims – eine echte Hilfe für Verbraucher*innen oder doch nur ein Beitrag zur Informationsflut
von Fertigverpackungen? In: Handelsblatt Live. URL: https://live.handelsblatt.com/sensory-claims-eine-echte-hilfe-fuerverbraucherinnen-oder-doch-nur-ein-beitrag-zur-informationsflut-von-fertigverpackungen/ [zuletzt abgerufen am 02.02.25] - Weckwert, S. (2018): Verpackungsdesign als Mittel der Verkaufsförderung. In: Schmidt, C. M. (Hrsg.): Werbekommunikation in der Wirtschaft. Wiesbaden: Springer Fachmedien GmbH, 2018, S. 211-241. URL: https://doi.org/10.1007/978-3-658-20815-8_8 [zuletzt abgerufen am 02.02.25]
- Wegmann, C. (2020): Werbung für Lebensmittel. In: Wegmann, C.: Lebensmittelmarketing. Wiesbaden: Springer Fachmedien GmbH, 2020, S.199-261. URL: https://doi.org/10.1007/978-3-658-26038-5 [zuletzt abgerufen am 02.02.25]