Pflanzenbau
Wirkstoffverlust gefährdet rentablen Anbau
Regional erzeugte Lebensmittel liegen in der Gunst der Verbraucher weit vorne. Was passiert aber, wenn klimatische Risiken zunehmen und immer mehr Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in der EU und
in Deutschland ihre Zulassung verlieren? Dann gerät die Nahrungsmittelsouveränität unter Druck und 
der Anbau einiger Kulturen wird unrentabel. Der folgende Beitrag ist im Getreidemagazin # 06/2025 erschienen. 
Schon heute ist Deutschland nicht in der Lage, sich vollständig selbst zu versorgen: Der durchschnittliche Selbstversorgungsgrad
liegt bei rund 83 %. Während wir bei Weizen, Kartoffeln und Zucker deutlich mehr produzieren, als wir verbrauchen, sieht es bei Obst, Gemüse und Ölsaaten ganz anders aus. Hier deckt die Eigenproduktion nur 20 bis 37 % des Bedarfs. Selbst bei den Kulturen, die in
Deutschland häufig angebaut werden, beträgt die Selbstversorgung weit unter 100 %: bei Möhren sind es 77 %, bei Zwiebeln
69 % und bei Äpfeln 51 %. Klimatische und bürokratische Veränderungen könnten diese Zahlen noch einmal reduzieren, wie eine aktuelle Studie der HFFA Research GmbH im Auftrag des Industrieverbandes Agrar (IVA) zeigt. Ihr zufolge können die Folgen von klimatischen Veränderungen wie Dürre, Extremwetter oder erhöhter Schädlingsdruck erhebliche Ertragsverluste verursachen.
Dann könnte die Selbstversorgung mit Weizen in einzelnen Jahren von bisher 117 % auf 101 % sinken, die bei Möhren auf 54 % und bei Äpfeln auf 30 % (Abb. 1). Die Studie ergab, dass in einzelnen Jahren Rückgänge von durchschnittlich 20 % zu befürchten wären, bei Obst sogar bis zu 46 %.
Immer weniger Wirkstoffe im Pflanzenschutz
Ein weiterer Faktor, der die Nahrungsmittelsouveränität beeinflussen kann, ist die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen (Abb. 2 und Tabelle). In der EU und damit auch in Deutschland gehen immer mehr Wirkstoffe verloren, weil sie als potenziell gefährdend eingestuft werden.
Viele Wirkstoffe erhalten nach Ablauf ihrer Zulassungsfrist keine Wiederzulassung – von aktuell noch 216 Wirkstoffen sollen bis 2030 noch einmal 30 % wegfallen. Zusätzlich werden nur wenig neue Wirkstoffe zugelassen: Seit 2020 ist kein neuer chemischer Wirkstoff mehr genehmigt worden. Dafür werden immer mehr Notfallzulassungen erlassen, damit Pflanzenschutz vor allem in Sonderkulturen noch möglich ist.
Auf der diesjährigen Pressekonferenz der BASF in Ludwigshafen wurde die Studie der Presse vorgestellt und das Thema Wirkstoffverluste aufgegriffen. „Ohne Innovationen wird unsere Landwirtschaft langfristig enorm an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und ohne Innovationen werden künftig weniger regional produzierte Lebensmittel in den Supermarktregalen liegen. Das kann nicht das Ziel sein“, betonte Markus Röser, Leiter Nachhaltigkeit Nordeuropa bei der BASF. Es brauche einen ideologiefreien, wissenschaftsbasierten Regulierungsrahmen, der Innovation ermöglicht und gleichzeitig höchste Sicherheitsstandards wahrt. „Für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft ist es zwingend notwendig, dass Innovationen ohne die im Moment immense zeitliche Verzögerungen zugelassen werden“, betonte Röser außerdem vor der Fachpresse. Die Zulassung von neuen
Pflanzenschutzmitteln in der EU und in Deutschland ist für die Pflanzenschutzmittel- Industrie kein einfacher Prozess, es dauert in der Regel einige Jahre, bis neue Mittel zugelassen sind.
Studie zu Auswirkungen der Wirkstoffverluste
In einer weiteren, von BASF beauftragen Studie hat die HFFA Research GmbH zudem untersucht, welche Wirkstoffe in Kulturen wie Karotte, Salat, Hopfen, Apfel, Kartoffel, Zwiebel, Wein und Weizen in den kommenden Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen könnten und was dies konkret bedeutet. Zunächst wurden 13 Betriebe in dem Werkstattbericht berücksichtigt, weitere Betriebe mit unterschiedlichen ackerbaulichen Herausforderungen sollen folgen.
Der Fokus liegt auf der Wirtschaftlichkeit der Kulturen, es wurden Ertrag, Deckungsbeitrag und Gewinn der Betriebe unter dem Szenario weniger verfügbarer Pflanzenschutzmittel betrachtet.
„Bei allen Betrieben war in diesem Szenario ein Gewinnrückgang auszumachen“, erklärte Steffen Noleppa, Managing Director von HFFA. Stehen weniger Wirkstoffe zur Verfügung, sinke der Ertrag und der Pflanzenschutz wird teurer, weil mehr der verbliebenen Wirkstoffe eingesetzt werden müssen. Die Studie ergab einen durchschnittlichen Gewinnrückgang von 50 % bei Ackerkulturen und von 90 % bei Sonderkulturen (Abb. 3). Bei Weizen waren die Änderungen im Gewinn zwischen den Betrieben sehr unterschiedlich. Standorteffekte spielen dabei eine große Rolle, etwa, wie stark resistenter bzw. schwer zu bekämpfender Ackerfuchsschwanz vorhanden ist. „Regional werden große Drücke entstehen, zumal neue Probleme wie die Schilf-Glasflügelzikade hinzukommen“, sagte Noleppa. Es stehe zu befürchten, dass einige Kulturen wie Karotten und Kopfsalat nicht mehr wirtschaftlich angebaut werden können.
Die beiden Studien kommen zu dem Ergebnis, dass beim Wegfall wichtiger Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe der wirtschaftliche Anbau einiger Kulturen zumindest lokal nicht mehr gegeben ist und der Selbstversorgungsgrad in Deutschland sinkt. „Gerade von den Lebensmitteln, bei denen Verbrauchern Regionalität wichtig ist, würde in Zukunft weniger in Deutschland produziert werden“, erklärte Röser. Hinzu kommt, so ist es in der Studie zur Wirtschaftlichkeit zu lesen, dass die dann noch verbleibenden Wirkstoffe vermehrt genutzt werden müssten, was Resistenzentwicklungen beschleunigt.