Tierhaltung braucht ein Gesamtkonzept

Tierhaltungskennzeichnungsgesetz steht in der Kritik

Ein Evaluierungsteam unter Mitwirkung der DLG untersucht die Wirkungsweise der Förderung für die Tierhaltung. Foto: DLG

Das Aufatmen in der Agrarwirtschaft ist groß. Die staatlich vorgeschriebene Kennzeichnung zur Tierhaltung tritt nicht wie geplant im August 2025 in Kraft, sondern wird um sieben Monate auf März 2026 verschoben. Damit erhalten alle Marktbeteiligten sowie die Behörden mehr Zeit, die fünf verschiedenen Haltungsformen – von „Stall“ bis „Bio“ – als Siegel auf den Verpackungen von Schweinefrischfleisch umzusetzen. Notwendig ist auch eine Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf die Außer-Haus-Verpflegung und auf weiterverarbeitetes Fleisch. Auch sollte das Gesetz auf andere Tierarten ausgeweitet werden und mit praxistauglichen Vorgaben Downgrading ermöglicht werden. 

Das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zur Nutztierhaltung kommt in der Landwirtschaft gut an. Für den Umbau der Schweinehaltung steht 1 Mrd. € über den Bundeshaushalt zur Verfügung. Um herauszufinden, wie sich die Förderung auf schweinehaltende Betriebe, die Agrarwirtschaft, das Tierwohl und die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung auswirkt, hat vor Kurzem ein Evaluierungsteam unter Mitwirkung der DLG seine Arbeit aufgenommen. Betriebsbefragungen und repräsentative Umfragen sollen wichtige Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Förderung liefern.

Damit lassen sich noch während der Laufzeit bis 2030 bürokratische Hindernisse ausräumen und Hinweise aus der Praxis in das Bundesprogramm aufnehmen. Nur mit solchen Signalen lassen sich junge Betriebsleiter für einen Neu- und Umbau von Ställen in höhere Haltungsstufen gewinnen.

 „Um herauszufinden, wie sich die Förderung auf schweinehaltende Betriebe, die Agrarwirtschaft, das Tierwohl und die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung auswirkt, hat vor Kurzem ein Evaluierungsteam unter Mitwirkung der DLG seine Arbeit aufgenommen."

 20 Jahre Bestandschutz 

Denn bisher fehlt den Bauherren der Mut, ihre Zukunftspläne umzusetzen. Zu groß ist die Unsicherheit, dass sich nach wenigen Jahren die politischen Vorgaben wieder ändern. Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) hat deshalb einen Bestandschutz von 20 Jahren in Aussicht gestellt. Der Investitionsstau auf den Betrieben muss sich auflösen. Dabei ist weniger die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen zu klären. Vielmehr muss die Politik ein schlüssiges Gesamtkonzept nach Vorlage der Nutztierstrategie liefern. Nur so lässt sich auch die anhaltend hohe Zahl an Betriebsaufgaben in der Schweinehaltung - trotz gegenwärtig guter Erlöslage – stoppen.

Tierhaltungslabel kommt im März 2026

Wenig Zuspruch bekommt das von der Vorgängerregierung übernommene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) in der Branche. Anfang Juni 2025 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den Start für das das staatlich verpflichtende Label zur Haltungsform auf März 2026 zu verschieben. Die Kennzeichnung informiert Verbraucher darüber, wie die Tiere, deren Fleisch sie kaufen möchten, gehalten wurden – etwa wie viel Platz und Komfort sie im Stall hatten oder ob sie einen Auslauf oder eine Weide zur Verfügung hatten. Die fünf Haltungsstufen reichen von „Stall“, wie es die gesetzlichen Mindestanforderungen vorsehen, bis „Bio“ gemäß EU-Öko-Verordnung. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) will bis 2030 das Sortiment auf Haltungsstufe 3 – mehr Platz und Außenklima“ – umstellen. 

Der Neustart gibt dem LEH mehr Zeit, die Vorgaben des THKG umzusetzen. Lebensmittel, die vor dem 1. August 2025 in Verkehr gebracht oder gekennzeichnet wurden und den Anforderungen des Gesetzes nicht entsprechen, dürfen weiterhin verkauft werden, bis die jeweiligen Bestände aufgebraucht sind.

Eine Umsetzung zum 1. August 2025 wäre nicht möglich gewesen. Weniger als 50 Prozent der Schweinemastbetriebe verfügen derzeit über eine gültige Kennnummer. In vielen Bundesländern fehlen zudem die notwendigen Strukturen zur Umsetzung des Gesetzes. So obliegt die amtliche Kontrolle den Behörden, die sicherstellen müssen, dass die angegebenen Haltungsbedingungen auch tatsächlich zutreffen. Zudem, so berichtete die Lebensmittelzeitung, setzt sich beispielsweise der Discounter Lidl zusätzlich für eine Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf die Außer-Haus-Verpflegung und auf weiterverarbeitetes Fleisch ein. Auch sollte das Gesetz auf andere Tierarten ausgeweitet und mit praxistauglichen Vorgaben Downgrading ermöglicht werden.

Wechsel in der Agrarpolitik

Die Vorbehalte in der Branche gegenüber einer weiteren Kennzeichnung sind groß. Minister Rainer tut gut daran, das Gesetz gemeinsam mit allen Beteiligten auf den Prüfstand zu stellen – und falls die Bedenken überwiegen, den Mut zu haben, es im Sinne des versprochenen Bürokratieabbaus wieder zurückzunehmen. Schließlich existieren mit der Initiative Tierwohl (ITW), QS und weiteren bereits etablierte und funktionierende Systeme, die Verbraucher über die Haltungsform der Nutztiere informieren. Diese vorhandenen Strukturen und Datenbanken müssen in das staatliche System einfließen, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und effiziente Kontrollen zu gewährleisten. Reform des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes angehen und einen Gesetzentwurf dazu vorlegen soll.  So sollten die staatlichen Förderungskriterien für Stallumbauten hin zu Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio dahingehend formuliert werden, dass sie auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Schließlich soll sich die Regierung auf europäischer Ebene für die Etablierung eines vergleichbaren Systems einsetzen, um eine Benachteiligung der heimischen Landwirtschaft auf dem europäischen Binnenmarkt zu vermeiden.

Rainer steht in der Pflicht, das THKG – wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben – inhaltlich und praxistauglich im Sinne der Borchert-Kommission weiterzuentwickeln. Die bisher vorgesehenen Registrierungs- und Nachweispflichten sind kontraproduktiv. Eine zusätzliche Dokumentation würde das Vertrauen in den angekündigten Bürokratieabbau und den Wechsel in der Agrarpolitik untergraben. „Eine verpflichtende Kennzeichnung muss vom ersten Tag an funktionieren“, betonte der Bundesagrarminister.

Anschlussfinanzierung ungewiss

Die neue schwarz-rote Bundesregierung bekennt sich zu dem von der Vorgängerregierung beschlossenen Umbau der Tierhaltung für mehr Tierwohl. Doch ob die in Aussicht gestellten 1,5 Mrd. € im Jahr wegen des Finanzierungsvorbehalts im Bundeshalt wirklich fließen, ist ungewiss. Rainer verspricht jedenfalls, für Milliardeninvestitionen in die Tierhaltung am Kabinettstisch zu werben und zu kämpfen. 

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