Regenerative Landwirtschaft

Der Boden im Mittelpunkt

Klimawandel und Anpassung an Extremwetterereignisse, steigende Weltbevölkerung und schwindende natürliche Ressourcen, Ernährungssicherung im Rahmen der planetaren Grenzen: diese Herausforderungen will der Systemansatz der Regenerativen Landwirtschaft leisten. Dieses vergleichsweise junge Konzept stellt die Bodengesundheit in den Mittelpunkt; eine verbindliche Definition gibt es noch nicht. 

Die neue Veröffentlichung „DLG kompakt: Regenerative Landwirtschaft – eine Einordnung“ beleuchtet den Ansatz aus fachlicher Sicht. 

Es folgt ein Kurzüberblick über die zentralen Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft:

DLG kompakt 02/24 

Regenerative Landwirtschaft - eine Einordnung

Das DLG kompakt 02/2024 Regenerative Landwirtschaft - eine Einordnung gibt einen schnellen Überblick über den viel diskutierten Systemansatz. 

Das komplette DLG kompakt (auch zum Download) finden Sie in hier

DLG kompakt 02/24

Bodenprobe in Detailansicht.
Der Systemansatz der Regenerativen Landwirtschaft stellt den Boden in den Mittelpunkt. Foto: Landpixel
Grüne Pflanzreihen, dazwischen Stroh.
Ganzjährige Bodenbedeckung gehört zu den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft. Foto: Landpixel

Die fünf Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft

Die Regenerative Landwirtschaft fußt auf fünf Prinzipien
Ihr gemeinsames Ziel innerhalb des Systemansatzes ist, 
die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit zu stärken und aufzubauen, 
Biodiversität zu schützen und mit der Reduktion fossiler Inputs 
die Treibhausgasbilanz der Lebensmittelerzeugung zu verbessern.

„DLG kompakt: Regenerative Landwirtschaft – eine Einordnung“ steht hier zum Download bereit. 

Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom 

Mähdrescher in reifem Bestand, der von Bäumen umsäumt ist.
Agroforst ist ein gern genutztes Element im Ansatz der Regenerativen Landwirtschaft. Foto: Landpixel

Die Vielfalt geeint: Regenerative Landwirtschaft

Systemische oder auch ganzheitliche Ansätze wie die Regenerative Landwirtschaft verbinden das Beste aus verschiedenen Anbausystemen. Dazu zählen die ökologische und konventionelle Landwirtschaft. Konzeptionelle Anschlussfähigkeit besteht aber auch zum Integrierten Pflanzenschutz und zu Precision Farming. Der Fokus in dem vielfältigen neuen Anbaukonzept liegt auf Bodenstruktur und Bodengesundheit. 
 

Warum Landwirt Jan Große-Kleimann mit einer Tradition bricht

Landwirt Jan Große-Kleimann von einem konventionellen Schweinemast- und Ackerbaubetrieb aus dem Münsterland hat mit einer Tradition gebrochen und seinen Pflug verkauft. Bodenbearbeitung macht er nur, wenn es unbedingt erforderlich ist. Wenn möglich, setzt er auf Direktsaat. Seine Überzeugung: Pflügen zerstöre die Bodenstruktur wie Regenwurmgänge innerhalb der Pflugkrume, reduziere die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens und fördere Erosion sowie Unkrautbildung. In seinem Kopf stehe bei seinem Ansatz, der Regenerativen Landwirtschaft, zuvorderst die Frage: „Was kann ich heute unterstützen“ und nicht, was könne er heute bekämpfen. Das wichtigste Prinzip der regenerativen Landwirtschaft ist, den Boden- und Ökosystemaufbau in den Fokus des Handels zu stellen.

Regenerative Landwirtschaft: Auf Pflanzenschutz ganz verzichten?

Die Regenerative Landwirtschaft biete für Große-Kleimann die vielversprechendsten Lösungsansätze für die großen Herausforderungen unserer Zeit: Klimaschutz und -anpassung, Artensterben, Einbezug der Gesellschaft und Ernährungssicherheit. Doch dafür müsse man „den vollen Werkzeugkoffer inklusive Glyphosat und Strip-Till nutzen dürfen - wenn es die Witterungsbedingungen nicht anders zulassen“. Das Ziel dabei sei es, den Bodeneingriff komplett einzustellen und die Abhängigkeit von fossilbasierten, externen Inputs auf ein Minimum zu reduzieren.

Wie gesunde Bodenstruktur Pflanzen stärkt

Die Überzeugung des Landwirts: Je gesünder Bodenleben und Bodenstruktur, desto weniger krank würden seine Pflanzen. Sie könnten sich bedarfsgerecht ernähren und Nährstoffe aufnehmen, wenn sie sie bräuchten. Über die Wurzelausscheidungen, die Exsudate, sorgten die Kulturen selbst dafür, dass die Bodenlebewesen ihnen die notwendigen Nährstoffe zur Verfügung stellten. Er müsse dann weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen. Damit schließt sich für Große-Kleimann ein Kreis, der vor einigen Jahren begann, als er sich die Frage stellte, was er angesichts stagnierender Erträge, immer weniger effektiver Spritzmittel und steil anwachsender Auflagen tun könne: Regenerative Landwirtschaft ist seine Antwort.

Weshalb Agroforst fester Teil der Lösung ist

Auf zehn Hektar hat Große-Kleimann mit seinen Erfahrungen regenerativer Landwirtschaft einen weiteren Versuch unternommen: Agroforst mit Apfelbäumen, zwischen denen er auf 30 Meter breiten Streifen Ackerbau betreibt. Der riesen Vorteil dieser Landnutzungsform liegt für ihn in der Multifunktionalität: Die Synergieeffekte zwischen den Bäumen und der Ackerkultur sorgen für Erosionsschutz, Klimaschutz und Resilienz, Förderung der Artenvielfalt, Erhöhung der Flächenproduktivität sowie Grundwasserschutz. Darüber hinaus werde die Bevölkerung miteingebunden und der ländliche Raum strukturell aufgewertet.

Große-Kleimanns Traum und Herausforderungen

Das langfristige Ziel sei es, die Wertschöpfung durch regionale Direktvermarktung im Betrieb zu halten. Die Vermarktung von Brotgetreide mit einer regionalen Bäckerei sei ein erster Schritt, in zwei Jahren gelte es dann, die Direktvermarktung der Äpfel umzusetzen. Die Herausforderung sei für ihn und den Betrieb die „Mitnahme“ der lokalen Bevölkerung, damit diese Form der Vermarktung nachhaltig funktionieren kann. Daher sollen auch Bildung und Kultur zukünftig eine Rolle im Betrieb spielen. Der Erfolg hängt letztlich auch davon ab, ob die Gesellschaft bereit ist, für Gemeinwohlleistungen zu bezahlen. Dann hätten Landnutzungsformen wie Agroforst, die nachweislich den Zielkonflikt aus Naturschutz und Produktivität auflösen, auch die verdiente ökonomische Perspektive. 

Konzept gewinnt seit rund zehn Jahren an Bedeutung

Nach den Beobachtungen von PD Dr. Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur in Wien ist indes gegenwärtig noch offen, inwieweit auch Markterwartungen ein Treiber für die weitere Verbreitung der Regenerativen Landwirtschaft sein können. Das sagte Bodner auf dem DLG-Kolloquium im Dezember 2023. Das Konzept hat nach seinen Beobachtungen vor allem in den vergangenen zehn Jahren an Bedeutung gewonnen.

Weiterentwicklung der konservierenden Landwirtschaft

So zeige sich in vielen europäischen Ländern ein Trend zur konservierenden Landwirtschaft, deren Ansätze in der Regenerativen Landwirtschaft weiterentwickelt würden. Während die konservierende Landwirtschaft laut Bodner auf minimale Bodenbewegung, permanente Bodenbedeckung, sowie vielfältige Fruchtfolgen setze, lege die Regenerative Landwirtschaft zusätzlichen Fokus auf verbessertes Wurzelwachstum, Artenvielfalt über Mischkulturen oder Agroforstsysteme und, im Idealfall, eine Integration von Tieren. 
 

Mann mit Mikrofon.
Jan Große-Kleimann setzt auf Agroforst und minimale Bodeneingriffe. Foto: DLG

Starker Effekt auf Humusaufbau

Fortschritte in der Landtechnik, wie etwa durch Systeme zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung, würden außerdem ihren Teil zur wachsenden Bedeutung des Konzeptes beitragen. Wissenschaftlicher Konsens bestehe bereits darüber, dass die Regenerative Landwirtschaft durch ihren Fokus auf Immergrün-Systeme einen stärkeren Effekt auf den Humusaufbau im Boden habe als der Ökolandbau oder die konservierende Landwirtschaft.

Anknüpfungspunkte an den Integrierten Pflanzenschutz

Prof. Dr. Verena Haberlah-Korr von der Fachhochschule Südwestfalen in Soest ging auf dem DLG-Kolloquium der Frage nach, welche Anknüpfungspunkte der Integrierte Pflanzenschutz an das Konzept der Regenerativen Landwirtschaft bietet. Wie der Integrierte Pflanzenschutz auch, setze die Regenerative Landwirtschaft stark auf vorbeugende Maßnahmen, um den Boden gesund zu halten. Dazu zählten eine maximale Bodenbedeckung sowie eine „maßvolle, angepasste Bearbeitung des Bodens.“ 

Konzeptionelle Überschneidungen mit Spotspraying

Als eine potenziell regenerative landwirtschaftliche Praxis stufte Haberlah-Korr zudem Spotspraying ein. Diese Precision-Farming-Technik erlaube beispielsweise eine gezielte und somit reduzierte Ausbringung von Herbiziden nur auf die Unkräuter, betonte die Expertin. Der „Instrumentenkasten“ des Integrierten Pflanzenschutzes zeige also durchaus Überschneidung zu den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft, folgerte sie. Allerdings bleibe Pflanzenschutz auch zukünftig als „Medizin“ unverzichtbar, unterstrich die Professorin.
 

Text: Agnes Michel-Berger (freie Autorin), Stefanie Pionke (DLG-Newsroom)

 

Regenwürmer in Boden in der Nahansicht.
Bodenleben fördern ist eines der wichtigsten Ziele der Regenerativen Landwirtschaft. Foto: Landpixel