DLG-Wintertagung 2025: Landwirtschaftliche Praxis zwischen Herausforderungen, Markt und Hightech
DLG-Wintertagung 2025 am 18. und 19. Februar in der Halle Münsterland in Münster – Leitthema „Produktivität reloaded – Erträge wieder gefragt?“ – Praxiswissen für Ackerbauern und Tierhalter von „A“ wie ASP über „H“ wie „Haltungsform-Kennzeichnung“ bis hin zu „S“ wie SBR und Stolbur
Die DLG-Wintertagung 2025 mit dem Leitthema „Produktivität reloaded – Erträge wieder gefragt“ zog rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Münster. Am zweiten Veranstaltungstag, Mittwoch, dem 19. Februar, bot das Fachprogramm mit 18 Impulsforen unter anderem Orientierung in vielfältigen fachlichen Fragen für Ackerbauern und Tierhalter und zeigte so Wege des nachhaltigen Produktivitätsfortschritts auf. Wie der Stand der Dinge bei SBR und Stolbur in Zuckerrüben oder die Perspektiven der Gräserbekämpfung ohne Flufenacet sind, war dabei ebenso Thema wie Nutzen und Grenzen von Wettervorhersagen und Prognosemodellen in der Schädlingsbekämpfung. Im Themenbereich Schweinehaltung diskutierten Expertinnen und Experten die Marktrelevanz und wirtschaftlichen Potenziale der Haltungsform-Kennzeichnung sowie Lehren aus dem Umgang mit der Afrikanischen Schweinepest. Erstmalig richtete sich ein Impulsforum zur optimalen Pferdefütterung an Pferdehalter und -besitzer.
Ein drängendes Thema, das im Impulsforen-Programm zur DLG-Wintertagung 2025 aufgegriffen wurde, war das bevorstehende Ende des herbiziden Wirkstoffs Flufenacet. Diese Zäsur wirft bei Pflanzenbauern viele Fragen auf. Nach Einschätzung der Experten im Impulsforum „Gräserbekämpfung ohne Flufenacet?!“ (DLG-Ausschuss Pflanzenschutz & Ackerbau) ist mit einem alternativen Mittel, das derzeit in Großbritannien zugelassen ist, frühestens in zwei bis drei Jahren auf dem deutschen Markt zu rechnen. Zudem zeigten Versuche in Sommergerste eine gewisse Unverträglichkeit, was die Einsatzgebiete reduzieren würde.
Einigkeit bestand unter den Expertinnen und Experten im Impulsforum indessen darüber, dass es in Zukunft nicht den einen Wirkstoff als „Allheilsbringer“ mehr geben wird, der Ungräser im Getreideanbau in Schach hält. Ein neuer Wirkstoff könne daher nur ein weiteres Instrument im Werkzeugkasten der Praktiker sein.
Stärkere Rückbesinnung auf pflanzenbauliche Maßnahmen zur Bestandspflege
Landwirte müssten sich noch stärker auf pflanzenbauliche Maßnahmen rückbesinnen und diese standortbezogen anwenden, lautete eine Schlussfolgerung in der Expertenrunde. Berater und Wissenschaftler setzen dabei auf eine Kombination von Fruchtfolge, später Aussaat, Bodenbearbeitung oder Standortwahl. Eine unter hygienischen Aspekten viel versprechende Vorgehensweise könnte folgendermaßen aussehen: Landwirte tauschen beispielsweise mit Kollegen ihre Getreideflächen gegen Futteranbauflächen und bauen fünf Jahre auf den Flächen kein Getreide an. Diese Maßnahme sei sehr erfolgsversprechend, um beispielsweise Ackerfuchsschwanz-Probleme in den Griff zu bekommen.
Die Schäden und Verbreitung der gefürchteten Krankheiten SBR und Stolbur in Zuckerrüben und Kartoffeln nehmen unterdessen rasant zu. Mit der Tragweite dieses Geschehens setzte sich das Impulsforum „SBR und Stolbur – Situationsbericht aus Forschung und Praxis“ (DLG-Ausschuss Zuckerrübe) auseinander. Beide Erreger werden durch erwachsene Schilf-Glasflügelzikaden übertragen. Bei befallenen Pflanzen kann sowohl SBR, als auch Stolbur, als auch beides in Kombination auftreten. Nach Einschätzung von Dr. Christian Lang, Geschäftsführer des Verbands der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V., dürfte es bald keine befallsfreien Regionen in Deutschland mehr geben. Diese Befürchtung untermauern die von ihm präsentierten Zahlen zur Reproduktionsrate der Zikade deutlich. Die Einwanderung einer Zikade in einen Rübenbestand kann innerhalb von drei bis vier Jahren unter optimalen Bedingungen eine Populationsgröße von bis zu 1,8 Millionen erreichen. Neue Wirtspflanzen wie Rote Beete und Karotten kommen hinzu. Dr. Julia Wießner, Mitglied der Geschäftsführung des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer e.V., berichtete aus ersten Feldversuchen. Momentan sei der Verzicht auf eine Winterung wie Weizen als Folgefrucht die beste Maßnahme zur Bekämpfung. Eine Brache im Winter führe dazu, dass die Nachkommen der Zikaden durch fehlendes Wurzelwerk im Boden verhungern würden. Man sei aber noch am Anfang der Untersuchungen, sagte Wießner.
Rasante Ausbreitung – Erlösminderung bei Kartoffeln bis zu 5.200 €/ha
Das wirtschaftliche Ausmaß der Schäden ist indessen noch nicht genau erfasst. Derzeit wird bei Kartoffeln durch Minderungen beim Ertrag und Qualität mit höheren Einbußen gerechnet als bei geschädigten Zuckerrüben. Die Erlösminderung bei Kartoffeln dürfte in einer Spanne von 2.200 bis 5.200 €/ha liegen, bei einem Verkaufspreis von 15 bis 35 €/100 kg, so die Einschätzung. Die Datenbasis sei noch gering, führte Lang weiter aus. Die in diesem Jahr angelegten Projekte würden neue Erkenntnisse bringen, zeigte sich der Geschäftsführer des Verbands der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer zuversichtlich.
Eine weitere Stellschraube in der Bestandspflege sind unterdessen wetterbasierte Prognosemodelle und digitale Entscheidungshilfen. In der Agrarmeteorologie etwa, die speziell die Wechselwirkung zwischen Wetter, Pflanzen und Boden untersucht, kommt Fernerkundung, beispielsweise durch Satelliten, eine herausragende Bedeutung zu. Das ging aus dem Vortrag von Falk Böttcher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) im Impulsforum „Heute kann es regnen, stürmen oder schneien – Verlässlichkeit und Nutzen von Wettervorhersagen“ (DLG-Ausschuss Pflanzenschutz, Pflanzenernährung & Ackerbau) hervor. Demnach stammen rund 75 Prozent der Daten für die spezialisierten Wettervorhersagen aus der Fernerkundung. Wetterstationen in situ dagegen seien in Deutschland regional ungleichmäßig verteilt. Größere Abstände zwischen einzelnen Stationen könnten aber durch Modellierung der Daten kompensiert werden, so der DWD-Experte weiter. Generell sei die Genauigkeit der Wetterprognosen bei länger anhaltenden Niederschlagsereignissen in einem kurzfristigen Vorhersage-Zeitraum recht hoch; Extremwetterereignisse wie kurzfristig auftretender Starkregen seien dagegen eine Herausforderung in der Vorhersage. Generell hätten moderne Technologien wie eben zur Modellierung der Daten aber die Treffsicherheit der Prognosen deutlich verbessert.
Wetterbasierte Prognosemodelle ermöglichen höhere Wirkungsgrade
Juliane Schmitt von der Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP) ging auf die Bedeutung von wetterbasierten Prognosemodellen und Entscheidungshilfesystemen (EHS) für den Umgang mit Schädlingen und Krankheiten in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen ein. Der potenzielle Nutzen der EHS bestehe zukünftig unter anderem in der besseren Planung von Feldkontrollen sowie einem effektiveren Mitteleinsatz durch die Bestimmung eines optimalen Zeitpunkts der Anwendung und höhere Wirkungsgrade. Zudem könnten EHS das Expertenwissen aus der Offizialberatung unterstützen und ergänzen. Die wetterbasierten Prognosemodelle und Entscheidungshilfesysteme könnten zudem einen wichtigen Beitrag zur Resistenzvermeidung und zum Umweltschutz leisten. Bei allem Nutzen gebe es aber auch Grenzen der EHS, so Schmitt weiter: Fehlinterpretationen seien möglich. Außerdem sei die Aussagekraft der Wetterdaten mit Blick auf deren Lückenlosigkeit, etwaige Messfehler oder Extreme mitentscheidend für den Nutzen der EHS.
Das Publikum zogen die drei Tierhalter mit ihren Ausführungen in ihren Bann, die im Impulsforum „1, 2, 3, oder 4: Wieviel Transformation erlaubt der Markt?“ (DLG-Ausschuss Schwein) ihre Einschätzung zu den Marktchancen hinter der Haltungsstufen-Kennzeichnung vorstellten. Christian Dohrmann etwa, Schweinemäster aus Niedersachsen, wird aus wirtschaftlichen Gründen wieder von Haltungsstufe 2 auf 1 umstellen, da er die Ferkel aus Dänemark beziehe und damit die Vorgabe „5xD“ nicht erfüllt. Der Tierhalter bezeichnete sich gegenüber Haltungsformen als „leidenschaftslos“. Auf jeden Fall sollte die Vermarktung vor der Umstellung gesichert sein, riet er seinen Berufskollegen.
Umstellung auf höhere Haltungsformen bei aufnahmefähigem Markt
Sobald der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ernstmache, ausschließlich Frischfleisch und verarbeitete Produkte der Haltungsstufen 3 und 4 anzubieten, und sich der Markt als ausreichend aufnahmefähig und stabil erweise, werde er seine Ställe umbauen, so Dohrmann. Aktuelle Studien zeigten, dass 40 Prozent des Fleisches über den LEH vermarktet werden und davon nur ein Drittel als Frischfleisch über die Theke an den Kunden verkauft wird, ordnete er die Marktrelevanz weiter ein.
Dohrmanns Berufskollege Dr. Jochen Meyer hält seit 30 Jahren Schweine und hat vor einigen Jahren seinen Stall auf Haltungsstufe 4 umgebaut. Seine Motivation ist die Wirtschaftlichkeit, weil er mit dem Produktionsverfahren eine höhere Rentabilität erzielen will. Der Alleinunternehmer liebt Zahlen und Daten und hat ein Faible für digitale Technik im Stall. Um die Ringelschwanz-Kontrolle zu vereinfachen und zu objektivieren, hat er zusammen mit seiner Tochter in der Sortierschleuse ein Kamerasystem installiert. Bei einem Datensatz von 96.000 Bildern erkennt das KI basierte System die Ringelschwänze der Schweine mit einer Genauigkeit von 96,6 Prozent und erlaubt so guten Rückschluss über deren Unversehrtheit. Um die attraktive Ringelschwanzprämie in Niedersachsen zu erhalten, müssen 70 Prozent der Schwänze intakt sein.
Entscheidung für den Stallumbau auch Standortfrage
Nach den Worten von Beraterin Dr. Veronika Drexl spielen Haltungsformen bei der Ferkelerzeugung eine untergeordnete Rolle. Ferkelerzeuger haben meist in regionalen Programmen die Möglichkeit, an höheren Haltungsformen teilzunehmen. Sie begeisterte das Publikum mit ihren Ausführungen über unterschiedliche Einstellungen von Menschen dahingehend, ob für sie ein Stallumbau in Frage kommt oder nicht. So würden ältere Betriebsleiter weniger dazu tendieren, umzustellen. Hingegen seien Landwirte, die sich „trauen“, häufig jung und haben „Bock auf Schweine“. Für eine positive Entscheidung müssten aber auch die baulichen Voraussetzungen und der Standort stimmen. Eine Innerortslage oder am Rande von Gewässern seien bei einer Baugenehmigung eher Hindernisgründe. Auf jeden Fall müsse die Einstellung zum Stroh stimmen, betont die Landwirtin. Viele ältere Schweinehalter hätten aus früheren Erfahrungen eine negative Einstellung zum Stroh.
Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Geschehen rund um die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Hessen, teilten die Ferkelerzeugerin Susanne Ries und der Schweinemäster Hartwig Jourdan, deren Betriebe sich in Südhessen befinden, mit den Teilnehmenden des Impulsforums „ASP in Hessen: Erfahrungen und Lehren für die Praxis“ (DLG-Ausschuss Schwein). Folgende Anforderungen im Umgang mit der ASP forderten Ries und Jourdan: Mehr Flexibilität bei der begründeten Verkürzung der Geltungsdauer einer ASP-Sperrzone sowie mehr Flexibilität in der begründeten Verringerung des Mindestradius einer ASP-Sperrzone. Zudem sei aus fachlicher Sicht zu erwägen, die Möglichkeiten der Vermarktung von frischem Fleisch aus der Schutz und Überwachungszone zu prüfen. Zudem kritisierten die beiden Praktiker, dass derzeit rechtlich kein „Freitesten“ von Fleisch am Schlachthof möglich sei.
Erstmalig richtete in diesem Jahr der DLG-Arbeitskreis Pferd und der DLG-Arbeitskreis Futter & Fütterung ein Impulsforum auf der DLG-Wintertagung aus. „Wir haben circa 1,3 Millionen Pferde in Deutschland und 200.000 Pferdehaltungen“, eröffnete Dr. Christiane Müller, ö.b.v. Sachverständige für Pferdehaltung, -zucht und -sport, Mitglied im DLG-Arbeitskreis Pferd und Vorsitzende des Ausschusses für Tiergerechtheit, das Impulsforum „Pferdefütterung mit Sinn und Verstand“. Hier erfuhren die Zuhörer, wann und wie Tierhalter und Tierbesitzer Sorge dafür tragen müssen, dass das Tier artgerecht gehalten, gefüttert und bewegt wird. „Halten Sie die Verantwortlichkeiten am besten vertraglich fest“, so die Empfehlung von Müller, wenn Aufgaben wie das Füttern vom Tierhalter auf den Tierbesitzer übertragen werden.
Den „Ist-Zustand“ des Pferdes bestimmen
Wie eine gute Rationsgestaltung aussieht, erklärte Dr. Jochen Krieg, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Mitglied im DLG-Arbeitskreis Futter & Fütterung. „Definieren Sie zuerst den Ist-Zustand Ihres Pferdes: Wie alt und wie groß ist es? Welcher Belastung ist es ausgesetzt? Ist es über- oder unterversorgt? Dann beschäftigen Sie sich mit der Frage, welches Futter gefüttert werden soll und wann.“ Wichtig sei, darauf zu achten, strukturwirksames Grobfutter in ausreichender Menge und Qualität zu verfüttern, mit dem sich die Tiere lange beschäftigen können. Thomas Lammerding, Betriebsleiter Pensionsstall Lammerding in Reken (Nordrhein-Westfalen) und ehemaliger Teilnehmer am DLG/FN-Seminar Pferdemanager, strich heraus, wie wichtig eine fachgerechte Ernte, aber auch die richtige Lagerung des Futters sei, um insbesondere ein hygienisch einwandfreies Futter zu gewährleisten. „Wir lagern unser Heu nicht nur auf Paletten, sondern stellen auch zwischen die Ballen Paletten, damit das Heu vernünftig abtrocknen kann und eine gute Luftzirkulation besteht.“
Mehr Informationen zur DLG-Wintertagung 2025 unter dem Leitthema „Produktivität reloaded – Erträge wieder gefragt“ finden Sie hier: DLG-Wintertagung 2025.
Fotos: ©DLG
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