DLG-MERKBLATT 384

Arbeitsorganisation in Milchviehställen - Hinweise zur Einführung einer strukturierten Arbeitsorganisation

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DLG-Merkblatt 384
2. Auflage, Stand 10/2016

Autoren:

  • DLG-Ausschusses Milchproduktion und Rinderhaltung
  • Dr. Friederike Buschsieweke, agro prax Gesellschaft für Tiermedizin und Betriebsbegleitung mbH
  • Dr. Jürgen Rothert, agro prax Gesellschaft für Tiermedizin und Betriebsbegleitung mbH, Ankum
  • Ulrich Westrup, Westrup-Koch GbR Bissendorf,Mitglied im DLG-Ausschuss Milchproduktion und Rinderhaltung, Vorsitzender Fachzentrum Landwirtschaft und DLG-Vizepräsident

1. Einleitung

Unter Arbeitsorganisation im Milchviehbetrieb kann die eindeutige Abgrenzung von Zuständigkeiten, die klare Definition von Aufgaben, die Strukturierung und Standardisierung von Arbeitsprozessen, das aufeinander abstimmen von betrieblichen Abläufen sowie eine klare Kommunikation verstanden werden. Während die strukturierte Arbeitsorganisation in der Industrie bereits fest etabliert ist, hat sie in der Milchproduktion erst durch die Spezialisierung der Betriebe, die wachsenden Bestandsgrößen sowie die zunehmende Beschäftigung von Lohnarbeitskräften zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Ergebnisse von Arbeitszeitauswertungen in Milchviehbetrieben unterschiedlichster Größe zeigen, dass große Unterschiede im Arbeitszeitbedarf zwischen den Betrieben bestehen. So schwanken die Ergebnisse der Auswertungen zwischen 35 AKh bis hin zu 65 AKh je Kuh und Jahr inklusive Nachzucht (DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung 2012).

Wird eine Bestandsgröße von 150 Kühen und ein Stundenlohn von 15,– Euro (DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung 2012) zugrunde gelegt, ergibt sich zwischen Betrieben mit einem Arbeitszeitbedarf von 35 AKh und 65 AKh je Kuh und Jahr eine Differenz von 67.500,– Euro! Anhand des vereinfachten Rechenbeispiels wird ersichtlich, dass der effiziente Einsatz von Arbeitskräften Lohnkosten deutlich reduziert, was insbesondere bei zunehmend schwankenden Milchauszahlungs- und steigenden Futtermittelpreisen entscheidend ist, und zudem Freiräume für andere Tätigkeiten im Betrieb oder Freizeit schafft. Bei den Arbeitszeituntersuchungen fällt neben der großen Streuung des Arbeitszeitbedarfs zudem auf, dass viele Betriebsleiter den eigenen betrieblichen Arbeitsaufwand oftmals zu niedrig ansetzen. Insbesondere in Betrieben, in denen keine Arbeitszeiterfassung erfolgt, werden zu niedrige Werte angesetzt.

Die Spezialisierung der Milchproduktion und die wachsenden Bestandsgrößen ziehen nach sich, dass sowohl eine steigende Nachfrage nach Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt als auch ein verändertes Anforderungsprofil an die Bewerber zu beobachten sind. Betriebe suchen zum einen gut ausgebildete Fachkräfte, die die komplexen Zusammenhänge der Milchproduktion verstehen und im Betrieb umsetzen sowie darüber hinaus Mitarbeiter führen und anleiten können. Als Oberbegriff hat sich hier zunehmend die Bezeichnung des Herdenmanagers etabliert. Zum anderen werden Mitarbeiter gesucht, die nach einer entsprechenden Einarbeitung („einfache“) Routinearbeiten, wie beispielsweise das Melken oder Treiben der Kühe, durchführen. Für Routinearbeiten werden zunehmend auch fachfremde oder ungelernte Personen eingestellt. Insbesondere beim Einsatz fachfremder und ungelernter Personen kommt der strukturierten Arbeitsorganisation und der Anwendung von standardisierten Arbeitsprozessen eine wichtige Aufgabe zu, um die Arbeits- und Produktqualität im Betrieb sicherstellen und die Mitarbeiter optimal einarbeiten zu können.

Um eine strukturierte Arbeitsorganisation im Milchviehbetrieb einzuführen und umzusetzen, können Instrumente aus der Unternehmensführung (Industrie) zugrunde gelegt werden. Dies sind das Organigramm, die Arbeitsplatzbeschreibung, Arbeits- und Schichtpläne sowie Standardarbeitsanweisungen. Darüber hinaus muss der Betriebsleiter eine betriebliche Kommunikation aufbauen, die den Informationsaustausch innerhalb des Unternehmens sowie mit Dritten (Berater, Tierarzt, Besamer) standardisiert und die maßgeblich zum Betriebserfolg beiträgt. Aufgrund der großen strukturellen Unterschiede zwischen den Milchviehbetrieben – betriebliche Ziele, technische Ausstattung, Grundfutterherstellung, Jungviehaufzucht, Management – bleibt die Einführung und Umsetzung der Arbeitsorganisation jedoch immer eine einzelbetriebliche Lösung, die betriebsindividuell aufgestellt werden muss.
Für „große Betriebe“, die den Wachstumsschritt bereits vollzogen haben oder diesen planen sollte eine strukturierte Arbeitsorganisation eine hohe Priorität haben. Während der Stall, die „Hardware“, bis ins letzte Detail geplant und die Investitionskosten mit unterschiedlichen Milchpreisen kalkuliert werden, fehlt oftmals die „Betriebs-Software“, die Anleitung für die Betriebs- und Arbeitsorganisation für die neuen betrieblichen Rahmenbedingungen. Das eigentlich „Offensichtliche“, das 400 Kühe andere Anforderungen an die Betriebsorganisation stellen als 150 Kühe, wird oft unterschätzt und schließlich durch Überstunden kompensiert und mit unbefriedigenden Ergebnissen bezahlt. Aber auch Familienbetriebe, die häufig von der Arbeitsfalle betroffen sind, können ihre Ziele mit einer strukturierten Arbeitsorganisation besser erreichen und Freizeit schaffen. Die Einführung der Arbeitsorganisation ist daher von der Betriebsgröße unabhängig und hängt vielmehr von der Aufgeschlossenheit des Betriebsleiters ab, sich und seinen Mitarbeitern eine neue effizientere Struktur zu geben. Darüber hinaus trägt die Auseinandersetzung mit der eigenen betrieblichen Arbeitsorganisation oftmals dazu bei, Schwachstellen aufzudecken und Potentiale zur Steigerung der Effizienz zu entwickeln. Auch kann eine strukturierte Arbeitsorganisation zur Motivation der Mitarbeiter führen, wenn sie geregelte Arbeitszeiten (Work-Life-Balance) und klare Aufgaben schafft.

2. Das Organigramm – Zuständigkeiten im Betrieb klar definieren und der Kommunikation eine Struktur geben

Das Organigramm stellt grafisch die Aufbauorganisation des Unternehmens dar und grenzt die Zuständigkeiten der beschäftigten Personen klar voneinander ab. Betriebsindividuell werden die Geschäftsführung, die Leitung der Betriebszweige sowie die Funktionsbereiche des Unternehmens, wie das Füttern und Melken im Bereich der Milchproduktion, im Organigramm dargestellt sowie Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zugeordnet. Neben den Verantwortungsbereichen und der Aufgabenverteilung werden zeitgleich die Kommunikationswege im Betrieb sowie die Hierarchie dargestellt. Während die Weisungsbefugnis ausschließlich von oben nach unten festgelegt ist, erfolgt der Informationsfluss sowohl von der Betriebsleitung zu den einzelnen Mitarbeitern, als auch von den Mitarbeitern zur Betriebsführung und somit in beide Richtungen des Organigramms.

Der nachstehenden Abbildung ist ein Organigramm für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu entnehmen, der mehrere Betriebszweige umfasst.

Abbildung 1: Organigramm eines landwirtschaftlichen Betriebes mit mehreren Betriebszweigen (eigene Darstellung Buschsieweke)

Das hier dargestellte Organigramm stellt das gesamte Unternehmen mit all seinen Betriebszweigen dar. Ab der dritten Hierarchieebene wurde der Schwerpunkt auf den Betriebszweig der Milchviehhaltung gesetzt. Bei der hier zugrunde gelegten Darstellung wurde ein Organigramm gewählt, dass sowohl die einzelnen Verantwortungsbereiche des Unternehmens darstellt, als auch die jeweiligen Personen aufführt, die für den jeweiligen Bereich verantwortlich sind. Sollten für einen Bereich mehrere Personen, auch in Vertretung, zuständig sein, so können diese entsprechend im Organigramm aufgeführt werden.

In der nachstehenden Abbildung wurde der Betriebszweig der Milchproduktion aus dem Organigramm herausgegriffen und detaillierter dargestellt, um beispielhaft zu veranschaulichen, wie die Zuständigkeiten im Milchviehbereich gegliedert werden können.

Abbildung 2: Organigramm für den Betriebszweig Milchproduktion (eigene Darstellung Buschsieweke)

„Work at your company – not only in it“

Das Organigramm stellt exemplarisch dar, welche Verantwortungsbereiche im Betriebszweig Milchproduktion untergliedert werden können. Die Aufteilung der Verantwortungsbereiche sollte dabei in Abhängigkeit der Betriebsgröße und der Anzahl der Personen gewählt werden. Sind beispielsweise der Betriebsleiter sowie ein weiterer Mitarbeiter für den Bereich der Milchproduktion zuständig, kann es entsprechend der Aufgabenverteilung ausreichen, lediglich zwei Hierarchiestufen darzustellen, um die Zuständigkeiten voneinander abzugrenzen.

Entscheidend ist, dass der Bedarf eines Organigramms für ein Unternehmen nicht abhängig ist von der Betriebsgröße. Sowohl in Familienbetrieben – mit und ohne Fremdarbeitskräfte – als auch für Lohnbetriebe ist das Organigramm von entscheidender Bedeutung, um klare Zuständigkeiten zu definieren. Ein Organigramm kann Aussagen wie: „Das wusste ich nicht“, „Dafür bin ich nicht zuständig“ oder „Ich dachte, das macht jemand anders“ vermeiden helfen.

3. Die Arbeitsplatzbeschreibung – Grundlage für Stellenausschreibungen und eine klare Zuordnung von Aufgaben im Betrieb

Ziel der Arbeitsplatzbeschreibung ist es, eine genaue Auflistung aller Aufgaben und Verantwortlichkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters des Unternehmens schriftlich zu dokumentieren. Dadurch erhält jeder Mitarbeiter ein klares Aufgabenprofil und einen abgegrenzten und klar definierten Arbeitsbereich. Für den Betrieb ergibt sich bei Vorhandensein von Arbeitsplatzbeschreibungen für alle Verantwortungsbereiche ein Gesamtbild und eine Übersicht, ob alle Aufgaben zugeteilt sind. Darüber hinaus stellt die Arbeitsplatzbeschreibung die Grundlage für die Stellenausschreibung und das Einstellungsgespräch, den Arbeitsvertrag sowie die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiter und Betriebsleitung dar und kann zur Bewertung der erbrachten Leistungen des Mitarbeiters herangezogen werden.

Eine Arbeitsplatzbeschreibung sollte folgende Informationen enthalten:

  1. Bezeichnung des Arbeitsplatzes
  2. Aufgaben und Tätigkeiten
  3. Weisungsbefugnisse – nach oben und unten
  4. Vertretung im Falle von Urlaub oder Krankheit

Der nachstehenden Abbildung ist eine Arbeitsplatzbeschreibung eines Herdenmanagers zu entnehmen. Da aufgrund der betrieblichen Unterschiede die Aufgaben des Herdenmanagers von Betrieb zu Betrieb stark variieren, müssen die Arbeitsplatzbeschreibungen betriebsindividuell erstellt werden. Die hier vorliegende Arbeitsplatzbeschreibung kann demnach nur als Beispiel zugrunde gelegt werden.

Aufgabengebiet Herdenmanager

Dokumentation

  • Tierärztliches Bestandsbuch
  • Bestandsregister
  • Milchkontrolle

Herdenbetreuung

  • Tiergesundheit, Tierüberwachung/-beobachtung
  • Tierärztliche Behandlungen
  • Brunstbeobachtung/Besamung
  • Kuhkomfort: Liegen, Luft, Wasser, Futter

Fütterungs­management

  • Füttern
  • Überwachung des Anmischens der Rationen (Mengen, Zusammensetzung, Futterqualität, Futtervorlage)
  • Futtertrogmanagement
  • Ermittlung der TS-Aufnahmen

Melken/Melkbeobachtung

  • Melken
  • Nachkontrolle
  • Überwachung der Melkanlage / Kühlung
  • Milchmengen pro Kuh / pro Liegebox / pro Stall

Vorrats-/Bestandsmanagement

  • Futtermittel
  • Ersatzteile
  • Reinigungsmittel
  • Kleinmaterialien

Arbeitseinteilung in Absprache mit Betriebsleiter

  • Arbeitskräfte
  • Arbeitszeiten: täglich, wöchentlich
  • Urlaubsplanung
  • Arbeitsbedarf

Arbeitsplatzbeschreibungen sollen vom Betriebsleiter erstellt werden. Sie müssen mit dem Inhaber dieser Position beim Einstellungsgespräch besprochen werden. Sie sollen zentral abgelegt sowie dem jeweiligen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Da die betrieblichen Rahmenbedingungen nicht statisch, sondern dynamisch sind – Anzahl der Mitarbeiter, Ausbildungsstand der Mitarbeiter, Anzahl der Kühe, betriebliche Ziele – sollten die Arbeitsplatzbeschreibungen in regelmäßigen Abständen überprüft und den aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es hilfreich erscheint, in Anlehnung an die amerikanische Vorgehensweise, eine Unterscheidung zwischen einem Herdenmanager und einem Herdsman vorzunehmen. Während der Herdsman direkt und ausschließlich an und mit den Kühen arbeitet, übernimmt der Herdenmanager zusätzliche Aufgaben im Bereich der Mitarbeiterführung und des Controllings. Diese Abgrenzung erleichtert dem Betrieb die Mitarbeiterauswahl und grenzt das Aufgabengebiet des Mitarbeiters von vornherein ein.

4. Arbeitspläne für die einzelnen Funktionsbereiche – „Operative Hektik ist ein Zeichen geistiger Windstille“

Das Ziel von Arbeitsplänen ist es, die zu erledigenden Aufgaben im Betrieb aufeinander abzustimmen und ihnen nach Möglichkeit feste Zeiten zuzuordnen. In Abhängigkeit des betrieblichen Managements werden die Aufgaben in Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahrespläne eingetragen. Die Aufgabe „Melken“ wird beispielsweise in einen Tagesplan eingetragen. Bei zweimaligem Melken des Betriebes werden morgens und abends feste Melkzeiten in den Tagesplan eingetragen. Um die Dauer von der Vorbereitung der Melkanalage bis zum Ende des Melkvorgangs einschließlich der Reinigung des Melkstandes in den Tagesplan einordnen zu können, sollte zunächst eine Zeitmessung erfolgen. Dabei sollten die einzelnen Aufgaben wie das Vorbereiten des Melkens, die Melkarbeit sowie die Reinigung des Melkstandes separat erfasst und dokumentiert werden, um gegebenenfalls mehrere Mitarbeiter zeitversetzt einplanen zu können. Auch das Füttern, das ein bis mehrmals täglich erfolgt, sollte als feste Aufgabe zu festen Zeiten in einem Tagesplan erfasst werden. Da in der Regel angestrebt wird, dass den Tieren nach der Rückkehr aus dem Melkstand frisches Futter zur Verfügung steht, sollten die beiden Aufgaben „Melken“ und „Füttern“ in Abstimmung zueinander geplant und zeitlich auf einander abgestimmt werden.

Die Aufgaben „Trächtigkeitsuntersuchung“, „Trockenstellen“, „Reinigen und Desinfizieren der Kälberiglus“, „Klauenpflege“ sowie die „Durchführung eines Klauenbades“ beispielsweise sind Aufgaben, die in einen Wochenarbeitsplan eingetragen werden können. Auch hier sind wieder die innerbetrieblichen Abläufe zu berücksichtigen und die Aufgaben aufeinander abzustimmen. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, mittwochs Klauenpflege durchzuführen und am Donnerstag Tiere trockenzustellen. So können die Trockensteher vor Beginn der Trockenstehzeit nochmals geschnitten werden und gehen mit einer guten Klauengesundheit in die Trockenstehzeit. Auch Zeiten für den Tierarztbesuch oder das Umstellen von Gruppen sollten in einem Wochenarbeitsplan berücksichtigt werden.

Aufgaben, wie beispielsweise das Wechseln der Zitzengummis, können in einen Jahresarbeitsplan eingetragen werden.

Der nachstehenden Abbildung ist ein Beispiel für einen Tagesarbeitsplan zu entnehmen. In den jeweiligen Zeilen sind die jeweilig zuständigen Mitarbeiter und die Zeitspanne einzutragen.

Die Zuordnung der Aufgaben auf die entsprechenden Mitarbeiter ergibt sich auf Grundlage des Organigramms sowie der Arbeitsplatzbeschreibungen. Alternativ können zu den sachbezogenen Arbeitsplänen auch personenbezogene Arbeitspläne (Abbildung 5) erstellt werden. In diesen werden den jeweiligen Mitarbeitern klare Aufgaben zugeteilt.

Abbildung 4: Schema für einen Tagesarbeitsplan (Quelle: agro pax)
Abbildung 5: Personenbezogener Arbeitsplan (Quelle: agro prax)

5. Der Schichtplan – jeder Mitarbeiter kennt seine Arbeitszeiten

Um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu planen und Urlaubswünsche berücksichtigen zu können, sollte für jeden Monat ein Schichtplan erstellt werden. Spätestens im letzten Drittel des Monats sollte der Schichtplan für den darauf folgenden Monat an die Mitarbeiter ausgehändigt bzw. im Betrieb zentral ausgehängt werden. Die Urlaubsplanung kann betriebs­individuell am Anfang des Jahres oder monatlich erfasst und entsprechend berücksichtigt werden. Sollte ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen, sollte kurzfristig ein Ersatz eingesetzt werden können. Hier kann es sich anbieten, sogenannte „Springer“ einzusetzen.

Abbildung 6: Schema für einen Schichtplan (Quelle: Müller)

6. Standardarbeitsanweisungen – Arbeitsprozesse detailliert beschreiben, um eine einheitliche Arbeitsqualität zu erreichen

Abbildung 7: Beispielhafter Aufbau einer Standardarbeitsanweisung (Quelle: agro pax)

Als entscheidende Stufe der Arbeitsorganisation können die Standardarbeitsanweisungen, standard operating procedures (SOP), angesehen werden. Standardarbeitsanweisungen definieren die detaillierte Vorgehensweise der einzelnen Aufgaben im Betrieb. Sie stellen den Kern der eigentlichen Arbeitserledigung dar und bestimmen deren Qualität. Arbeitsanweisungen entstehen immer aus der täglichen Arbeit des Betriebes heraus. Grundsätzlich können Standardarbeitsanweisungen für Systeme (Melken, Fütterung), für Prozeduren (Melkanlage vorbereiten, Melken, Reinigen) und für Arbeitsschritte (Reinigen, Vormelken, Ansetzen, Dippen) unterschieden werden. Unabhängig für welche Aufgabe sie erstellt werden, sollten sie die folgenden Informationen enthalten (Abb. 7).

Standardarbeitsanweisungen werden immer vom Betriebsleiter erstellt. Er definiert die Ziele sowie die einzelnen Arbeitsschritte und bestimmt die Detailtiefe, die im jeweiligen Arbeitsprozess umgesetzt werden soll. Generell kann festgehalten werden: je detaillierter eine SOP ausgearbeitet ist, umso einheitlicher können die Arbeiten durch die Mitarbeiter erledigt und die Vorgaben des Betriebsleiters umgesetzt werden. Im besten Fall hat der Betriebsleiter die Aufgaben selber bereits durchgeführt und kann Umsetzung und Zeitbedarf der einzelnen Arbeitsschritte realistisch einschätzen. Gut ausgearbeitete Standardarbeitsanweisungen stellen die Grundlage für die Erstellung der Arbeitspläne dar.

Um eine Standardarbeitsanweisung zu erstellen, kann die folgende Vorgehensweise zugrunde gelegt werden:

  1. Ziele festlegen. Welche Ziele sollen mit der SOP erreicht werden, z. B. höhere Milchleistung; Richtwerte ­festlegen; messbare Kenngrößen und Ziele definieren 
  2. Arbeitsprozess in Teilschritten dokumentieren und beschreiben, vorzugsweise beim Beobachten des Prozesses. Dokumentation schriftlich durchführen; Auswahl des Formats treffen (Einzelschrittformat, ­hierarchisches Format, grafisches Format – siehe folgende Ausführungen)
  3. SOP-Entwurf zur Beurteilung an die Mitarbeiter geben. Mitarbeiter sollen ihre Erfahrungen einbringen
  4. SOP-Entwurf zur Beurteilung an Berater/Externe geben. Externe sollten den Entwurf der SOP auf fachliche Richtigkeit überprüfen
  5. SOP im Praxiseinsatz testen und gegebenenfalls anpassen. Dritte/Unbeteiligte/Fachfremde oder Mitarbeiter sollten als erste die SOP anwenden, um die Umsetzbarkeit objektiv überprüfen zu können
  6. SOP am Ort des Arbeitsprozesses aushängen und zentral ablegen nur wenn die SOP aushängt, kann sie gelebt werden; immer aktuell halten
  7. Mitarbeiter in die jeweiligen Prozesse einweisen. Einarbeitung und Erklärung für das „warum“; auf Grundlage der SOP Mitarbeiterschulungen durchführen
  8. Jährliche Überprüfung und Evaluierung. Die SOP sollten mindestens jährlich auf ihre Aktualität überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden

Abbildung 8: Vorgehensweise zur Erstellung einer Standardarbeitsanweisung

Die Erstellung von Standardarbeitsanweisungen erfordert Knowhow und, insbesondere bei den ersten Umsetzungen, Zeit. Man sollte sich davon jedoch nicht abschrecken lassen, denn die Zeit, die die Erstellung in Anspruch nimmt, kann bei der späteren Umsetzung im Betrieb täglich Zeit einsparen und die Arbeitsqualität dauerhaft verbessern.

Nicht alle Arbeiten der Milchviehhaltung lassen sich leicht in eine Standardarbeitsanweisung umsetzen. Folgende Aufgabenbereiche sind jedoch mit ein wenig Übung gut umzusetzen: Behandlungspläne, Arbeitsschritte beim Melken, Kälber- und Jungviehaufzucht, Abkalbebereich, Füttern, Treiben, Besamen und Klauen schneiden.

Für die Erstellung einer SOP werden drei unterschiedliche Formate unterschieden – das Einzelschrittformat, das hierarchische und das grafische Format (Flowchart). Die grafische Darstellung einer SOP beispielsweise, stellt die auszuführenden Tätigkeiten visuell gut dar und ist meist leicht verständlich, sie wird jedoch bei zunehmender Verästelung unübersichtlich. Die Wahl des Formates sollte insbesondere nach der Anzahl der Entscheidungen gewählt werden, die während eines Arbeitsprozesses getroffen werden müssen. Man sollte daher zunächst die Arbeitsschritte dokumentieren und die Entscheidung für das Format in Abhängigkeit der gewünschten Detailtiefe wählen.

Den nachstehenden Abbildungen sind drei unterschiedliche Standardarbeitsanweisungen zu entnehmen, die die unterschiedlichen Formate darstellen.

Abbildung 9: Standardarbeitsanweisung „Euterkranke Kühe selektieren“ – grafisches Format (Flowchart) (Quelle: agro prax)
Abbildung 10: Standardarbeitsanweisung „Melkroutine“ – hierarchisches Format (Quelle: agro prax)
Abbildung 11: Standardarbeitsanweisung „Vorbereitung des Melkstandes“ – Einzelschrittformat (Quelle: Westrup-Koch GbR)

Positionierung der SOP

Da Standardarbeitsanweisungen für die tägliche Arbeit erstellt werden, müssen sie am jeweiligen Arbeitsplatz der auszuführenden Aufgabe ausgehängt werden. Nur so werden die Mitarbeiter regelmäßig die SOP lesen und die Arbeit nach den Zielvorgaben des Betriebsleiters umsetzen. Zudem sind SOP keine statischen Dokumente, sondern leben davon, dass sie ständig weiter entwickelt werden. Zusätzlich werden alle Standardarbeitsanweisungen zentral im Büro abgelegt.

Abbildung 12: Standardarbeitsanweisung im Stall (Quelle: Westrup-Koch GbR)

Einarbeitung und Mitarbeiterschulung

Die Standardarbeitsanweisungen erleichtern insbesondere die Einarbeitung fachfremder oder ungelernter Mitarbeiter. Neue Mitarbeiter sollten zunächst die SOP durcharbeiten, verstanden und verinnerlicht haben, bevor sie die praktischen Tätigkeiten im Betrieb aufnehmen und die SOP anwenden.

Standardarbeitsanweisungen dienen darüber hinaus als Grundlage für Mitarbeiterschulungen. So bietet es sich an, dass Mitarbeiterschulungen sowohl die wiederholte Erläuterung der Ziele und die Umsetzung der SOP im Betrieb umfassen, darüber hinaus zusätzlich weiterführende Fachinformationen für den jeweiligen Arbeitsbereich. Die Intervalle zwischen den Mitarbeiterschulungen sollten in Abhängigkeit der jeweiligen Arbeiten gewählt werden.

Kontrolle

Getreu nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, sollte die konsequente Umsetzung der SOP im Betrieb regelmäßig kontrolliert werden. Für die Kontrolle bieten sich unterschiedliche Maßnahmen an. An erster Stelle sollten die Tiergesundheit und das Tierverhalten beobachtet und die SOP auf ihre Zielstellung kontrolliert werden. Neben Mitarbeitergesprächen und unangekündigten Besuchen des Betriebsleiters in den jeweiligen Funktionsbereichen, können auch feste Kontrollpunkte in den einzelnen Bereichen etabliert werden, wie beispielsweise die Kontrolle des Milchfilters, die Überprüfung der Melkzeiten der Einzeltiere über das Herdenmanagementprogramm oder die Fütterung über die Waage am Futtermischwagen.

7. Kommunikation – „Nicht informierte Mitarbeiter treffen die teuersten Entscheidungen“

Neben der Strukturierung der Arbeitsorganisation und der konsequenten Umsetzung im Betrieb, ist die Kommunikation von entscheidender Bedeutung für den Betriebserfolg. Der Betriebsleiter sollte einmal jährlich sogenannte Mitarbeitergespräche führen, in denen persönliche Ziele für den Mitarbeiter definiert, Probleme besprochen und Fragen und Wünsche diskutiert werden können. Der Betriebsleiter muss das Mitarbeitergespräch gut vorbereiten und ohne Hektik in das Gespräch reingehen. Die Ergebnisse müssen schriftlich dokumentiert und durch beide Seiten unterzeichnet werden.

Ideen für das Mitarbeitergespräch

  1. Bestandsaufnahme (IST)
  2. Aufgabenbereiche
  3. Selbsteinschätzung
  4. Veränderungswunsch?
  5. Verhältnis zu Kollegen/Mitarbeitern und zum Betriebsleiter
  6. Informationsfluss und Betriebsklima
  7. Anerkennung und Kritik (zu viel/zu wenig)
  8. Verbesserungsvorschläge und Perspektiven
  9. Zielvereinbarung (SOLL)
  10. Was kann/soll verändert werden in Bezug auf die einzelnen Punkte der Bestandsaufnahme

In Abhängigkeit des Aufgabenbereiches sollten tägliche, wöchentliche oder monatliche Teambesprechungen durchgeführt werden. Entscheidend ist, dass sowohl ein klarer Zeitrahmen als auch eine effiziente Gesprächsführung umgesetzt werden. Als Hilfsmittel können schriftliche Stichpunkte oder eine Tagesordnung helfen, einen roten Leitfaden zu finden.

Leitfaden für eine erfolgreiche Teambesprechung

  1. Pünktlicher Start – zu spät Kommende ignorieren
  2. Motivierende Begrüßung – Bedanken für das pünktliche Erscheinen, Zeitrahmen und Organisatorisches der Besprechung vorstellen
  3. Part des Betriebsleiter – Ergebnisse vorstellen, Probleme ansprechen, Ziele vereinbaren
  4. Part der Mitarbeiter – Ergebnisse vorstellen, Probleme ansprechen, Ziele dokumentieren
  5. Abschluss – Vereinbarungen und Zuständigkeiten schriftlich festhalten

8. Fazit

Durch die Einführung einer strukturierten Arbeitsorganisation kann die Arbeitsqualität im Milchviehbetrieb sichergestellt werden. Dies ist Voraussetzung für eine gute Tiergesundheit, ein hohes Leistungsniveau, den effizienten Einsatz der Arbeitskräfte sowie die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Darüber hinaus wird die Einführung der strukturierten Arbeitsorganisation Potentiale für Effizienzsteigerungen aufdecken und Freiräume für andere Tätigkeiten oder Freizeit schaffen. Eine gute Arbeitsorganisation kann Schicht- und Wochenenddienste zwar nicht unterbinden, sie kann aber geregelte Arbeitszeiten und klare Aufgaben bieten und den Milchviehbetrieb zu einem interessanten Arbeitgeber machen.

Die Einführung und erfolgreiche Umsetzung einer strukturierten Arbeitsorganisation lebt davon, dass der Betriebsleiter seine betrieblichen Ziele kennt und kontinuierlich weiterentwickelt und sich und seine Mitarbeiter täglich diszipliniert, die eingeführten Strukturen mit Leben zu füllen.

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