DLG-Expertenwissen 01/2026

Sensorik in Spezifikationen: 
Die stille Kraft hinter dem Produkt

Teil 1: Die Bedeutung sensorischer Produktbeschreibungen für Marketing, Produktentwicklung und Qualitätssicherung in Lebensmittelindustrie und Handel

DLG-Expertenwissen 01/2026
1. Auflage, Stand 12/2026

Autoren:

Kontakt:

DLG-Ausschuss Lebensmittelqualität und Sensorik
Dr. Désirée Schneider (Vorsitzende)
Bianca Schneider-Häder (Projektleiterin), 
sensorik@dlg.org  

1. Hintergrund und Zielsetzung

Produktbeschreibungen sind im allgemeinen Texte, die Informationen über einen bestimmten Artikel einer Warengruppe liefern. Im Lebensmittelbereich sind sie Teil von Produktspezifikationen, in denen quasi als detaillierter Plan bzw. als kompaktes Produktportrait sämtliche Daten über den jeweiligen Artikel zusammengeführt und dokumentiert werden. Sie enthalten beispielsweise Informationen zur Zielgruppe, Anforderungen an Herkunft, Art und Zusammensetzung der Rohstoffe und Zutaten, technische Informationen zur Verarbeitung und detaillierte Rezepturen, Laborparameter zur Qualitätsbewertung und zum -monitoring, Lagerbedingungen und Haltbarkeiten sowie Nährwerte, Zubereitungshinweise, ggf. Informationen für Allergiker sowie Angaben zum Aussehen und Geschmack. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass gerade bei den Informationen zu den sensorischen Produkteigenschaften noch Verbesserungspotenzial besteht. 

In Form von Expertenwissen werden daher die Herausforderungen, Chancen und Best Practices im Umgang mit Produktspezifikationen und sensorischen Beschreibungen näher betrachtet. Ziel ist es, Fach- und Führungskräfte der Branche dabei zu unterstützen, dieses kraftvolle Instrument strategisch einzusetzen, um sowohl die Qualitätssicherung und interne Prozesse zu optimieren als auch im Marketing und der Produktentwicklung eine langfristige Kundenbindung aufzubauen.

Im ersten Teil werden Chancen und Nutzen sensorischer Produktbeschreibungen betrachtet und ein exemplarisches Beispiel einer Produktspezifikation in Form eines öffentlich zugänglichen Produktpasses dargestellt. Betriebliche Spezifikationen sind als „geistiges Kapital“ in der Regel detaillierter und individueller und fallen unter das Betriebsgeheimnis. 

Im zweiten Teil des Expertenwissens werden am Beispiel Weizenbrot die Entwicklung von sensorischen Beschreibungen und zugehörigen Intensitäten bzw. Merkmalsausprägungen aufgezeigt, die dann in der QS eingesetzt werden können. Elementar ist hierbei und bei Lebensmitteln generell die Berücksichtigung natürlicher Qualitätsschwankungen bedingt durch Naturprodukte und die damit verbundenen Variationen. 

2. Sensorische Beschreibungen – Licence to Delight

In einer zunehmend gesättigten und von intensivem Wettbewerb geprägten Märktelandschaft stellt die sensorische Produktbeschreibung weit mehr als nur eine ästhetische Randnotiz dar. Sie ist ein zentrales strategisches Instrument, um Produktdifferenzierung zu schaffen, Verbrauchererwartungen zu steuern und letztlich den Kaufentscheid maßgeblich zu beeinflussen. Während technische Daten in Spezifikationen die Grundvoraussetzungen für Qualität und Sicherheit definieren – die Licence to Produce –, sind es die sensorischen Beschreibungen, die die emotionale und erlebnishafte Brücke zum Konsumenten schlagen – die Licence to Delight.

Für die Lebensmittelindustrie selbst fungiert die präzise sensorische Sprache als unverzichtbare Kommunikationsbasis entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Von der Produktentwicklung über die Qualitätssicherung bis zum Marketing ermöglicht sie eine objektivierte Diskussion über Geschmack, Textur und Geruch und damit das holistische Konsum­erlebnis. Sie transformiert subjektive Eindrücke u.a. aus Konsumententest der Marktforschung in messbare und vergleichbare Parameter und schafft so unternehmensintern die Voraussetzung für reproduzierbare Spitzenqualität und gezielte Produktoptimierung. 

Extern können sie Ausdruck in Sensory Claims – sensorische Angaben oder sensorische Werbeaussagen – über die Sinneswahrnehmung eines Produkts, also wie es schmeckt, riecht, aussieht, sich anfühlt oder klingt, finden und so das Marketing und die Produktkommunikation unterstützen. Im Lebensmittel-Einzelhandel wird die sensorische Beschreibung zur kritischen Schnittstelle zum Endverbraucher. Auf Verpackungen, in Online-Shops oder auf Point-of-Sale-Materialien muss sie innerhalb von Sekunden eine multisensorische Erfahrung antizipieren lassen und ein spezifisches Genuss-Versprechen geben. In Abwesenheit einer Probierprobe übernimmt die sensorische Beschreibung die Rolle des geschmacklichen Advokaten. Sie muss Vertrauen aufbauen, Neugier wecken und gleichzeitig authentisch bleiben, um Enttäuschungen und Retouren vorzubeugen, aber Wiederholungskäufe zu stimulieren.

Die größte Herausforderung liegt heute in der Übersetzung komplexer sensorischer Analysen in eine für den Verbraucher zugängliche und doch präzise Sprache. Der Spagat zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und emotionaler Ansprache ist die Königsdisziplin. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung neue Chancen: Datengetriebene Analysen von Kundenbewertungen können helfen, eine gemeinsame, verbrauchernahe Sensorik-Sprache zu entwickeln.


1 Siehe auch DLG Expertenwissen „Sensory Claims

3. Relevanz für Qualitätssicherung, Produktentwicklung und Markterfolg

Die strategische Integration von Produktspezifikationen und sensorischen Beschreibungen ist kein administrativer Aufwand, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Sie schafft eine durchgängige Daten- und Informationspipeline, die es Unternehmen ermöglicht, nicht nur konstante Qualität zu liefern, sondern auch zielgenau Produkte zu entwickeln, die Verbraucher begeistern und damit nachhaltigen Markterfolg zu sichern.

Die präzise Verknüpfung von produktspezifischen Spezifikationen und sensorischen Beschreibungen bildet das strategische Fundament, auf dem Qualitätssicherung, Produktentwicklung und Markterfolg in der Lebensmittelindustrie synergistisch aufbauen. Sie ist die integrale Klammer, die folgende drei Kernbereiche von einer rein reaktiven zu einer prospektiv-agilen Einheit verbindet.

Qualitätssicherung: Vom Soll-Ist-Vergleich zur prädiktiven Sensorik

In der Qualitätssicherung (QS) geht die Bedeutung sensorischer Beschreibungen weit über die traditionelle beschreibende Fehlererkennung wie beispielsweise „ranzig“, „faulig“, „nicht arteigen“ oder „nicht arttypisch“ hinaus. Die sensorische Produktbeschreibung definiert den sensorischen Soll-Zustand, den „Golden-Standard (GS)“ eines Produktes, als verbindlichen Qualitätsstandard. Sie stellt das entscheidende Bindeglied zwischen physikalisch-chemischen Parametern und dem tatsächlichen Verbrauchererlebnis dar.

Die weitgehende Objektivierung des Subjektiven, also standardisierte Deskriptoren und dazugehörende Intensitätsausprägungen ermöglichen es QS-Teams, sensorische Abweichungen frühzeitig und objektiv zu quantifizieren. Eine beginnende Veränderung der „sahnigen Textur“ hin zu einer „körnigen Textur“ kann mit Prozessparametern in Verbindung gebracht werden, bevor das Produkt als nicht-konform ausgeschleust werden muss oder reklamiert wird.  Im Rahmen der Qualitätskontrolle kann die QS durch die Korrelation sensorischer Daten mit analytischen Messwerten prädiktive Modelle entwickeln. Dies ermöglicht es, proaktiv gegenzusteuern, bevor eine Charge außerhalb der Spezifikation liegt, aussortiert und ggf. verworfen oder alternativ verwertet werden muss.

Produktentwicklung: Vom Briefing zur zielgerichteten Kreation

In der Produktentwicklung (F&E) sind sensorische Beschreibungen die essentielle Sprache für Briefing, Kreation und Optimierung von Produkteigenschaften und letztlich dann von den Rezepturen. Sie transformieren marketingseitige Zielvorstellungen der Konsumenten („ein intensives, aber ausgewogenes Schokoladenerlebnis mit milder Süße und zurückhaltender Bitterkeit “) in konkrete, technologisch umsetzbare Entwicklungsaufträge.

Ein „Präzises Target Setting“, also eine detaillierte sensorische Zielbeschreibung legt den qualitativen Maßstab für das gesamte Projekt fest und reduziert Iterationsschleifen. Sie ist für Lebensmitteltechnologen und Produktentwickler ein unverrückbarer Orientierungspunkt.

Bei der „Systematischen Optimierung“ von Rezepturen (z. B. Zucker-, Fett- und Salzreduzierung) dienen sensorische Profile als Vergleichs-Baseline. Unterschiedliche Prototypen können systematisch anhand definierter sensorischer Attribute und Deskriptoren (z. B. „Süße“, „Salzigkeit“, „Mundgefühl“, „metallisch minzig-bittere Nachnote“) bewertet werden, um die beste Alternative zum Zielprofil zu identifizieren.

Sensorische Beschreibungen bilden folglich die „Brücke zwischen Technologie und Geschmacksprofil“, denn sie ermöglichen eine zielgerichtete Auswahl von Zutaten und Technologien (z. B. die Auswahl eines bestimmten Aromas oder Texturgebers), um spezifische sensorische Produkteigenschaften gezielt zu modellieren.

Marketing und Markterfolg: Vom Produktfeature zum konsumentenrelevanten Nutzenversprechen

Der eigentliche Hebel für den Markterfolg liegt in der konsistenten Übersetzung der technischen und sensorischen Produkteigenschaften in ein klares Nutzenversprechen (Benefit). Was in der Spezifikation als „hohe Löslichkeit“ steht und sensorisch als „cremig-samtiger Abgang“ beschrieben wird, wird im Versprechen an die Konsumentenwelt zum „luxuriösen unvergleichlichen Kaffeemoment“.

In einer homogenen Produktkategorie kann eine prägnante sensorische Beschreibung („knackig-frisch“ vs. „weich-saftig“) das entscheidende „Differenzierungsmerkmal im Regal“ sein und die eigene (gewünschte) Positionierung gezielt kommunizieren.

Eine akkurate sensorische Beschreibung auf der Verpackung unterstützt die „Steuerung der Verbrauchererwartung“, denn sie sorgt für Deckungsgleichheit (Kongruenz) zwischen Erwartung und Erlebnis. Dies ist fundamental wichtig für die Vermeidung von Produktrückläufen aufgrund von Enttäuschung und für den Aufbau einer langfristigen Markenloyalität und hoher Wiederkaufraten. Denn die Nicht-Erfüllung sensorischer Erwartungen ist eine der Hauptursachen für Kundenunzufriedenheit. Die Konformität mit den Regulatorien – die Verkehrsfähigkeit – wird von Konsumenten immer und zu Recht vorausgesetzt.

Eine zukunftsorientierte „Data-Driven Innovation“, also die Analyse und Parametrisierung von Kundenfeedback und Bewertungen, die mit den internen sensorischen Profilen abgeglichen werden, bietet eine Wissensbasis für zukünftige Innovationsprojekte. Solche Auswertungen zeigen auf, welche sensorischen Attribute tatsächlich wertgeschätzt werden und wo Potenziale für Produkt- und Geschmacks-Verbesserungen oder neue Produktvarianten liegen.

Interessante praktische Beispiele finden sich auf der Website der arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen eG, einem Produzenten und Vertreiber von Olivenölen. 

Ausgehend von einem Aromarad, also einer Zusammenstellung der für die Produktkategorie Oliven und Olivenöle relevanten sensorischen Begriffe bzw. Deskriptoren, wurden für die jeweiligen Öle sensorische Profile definiert, neben anderen Informationen in Spezifikationen abgebildet und als Auszüge daraus in Form von „Produktpässen“ öffentlich zugänglich gemacht. Das jeweilige sensorische Profil des Produktes wird ergänzt um Angaben zu Herkünften, zur Verarbeitung, zur weiteren Analytik und zur Lagerung bzw. Produktverwendung. Auszüge daraus sind in den Abbildungen 1 „Aromarad Oliven und Olivenöle“ und Abbildung 2 „Produktpass Olivenöl“ dargestellt.

Abbildung 1: Aromarad Oliven und Olivenöle
Abbildung 2: Produktpass Olivenöl

4. Sensorik als gemeinsame Sprache: Anforderungen von Handel,  Gastronomie und Verbrauchern – die Trias der Zielgruppen im  kommunikativen Spannungsfeld 

Die Kunst der produktspezifischen und sensorischen Beschreibung liegt in der Fähigkeit, eine Brücke zwischen drei unterschiedlichen, aber interdependenten Anspruchsgruppen zu schlagen. Jede dieser Gruppen verfügt über eigene, teils divergierende Zielsetzungen, Informationsbedürfnisse und eigene Terminologien. Ein tiefgreifendes Verständnis dieser Anforderungen ist die Grundvoraussetzung für eine effektive und wertschöpfende Kommunikation, für welche die Sensorik ein wesentliches Element ist.

Der Handel (B2B): Effizienz, Logistik und Vermarktbarkeit – Überbrückung von Raum, Zeit und Menge

Für den Lebensmitteleinzelhandel als Schnittstelle zum Verbraucher steht die wirtschaftliche Rationalität der Distribution im Vordergrund. Seine Anforderungen sind geprägt von Skalierbarkeit, Risikominimierung und Umschlaggeschwindigkeit.

Der Handel benötigt eine „Liefer- und Qualitätskonstanz (Consistency)“, das heißt, klare, messbare Spezifikationen, die über Chargen hinweg garantieren, dass das Produkt immer den gleichen physikalisch-chemischen und sensorischen Standards entspricht. Abweichungen führen zu Reklamationen, disruptiven Lieferketten und Imageschäden.

Die sensorische Beschreibung muss dem Handel konkrete Verkaufsargumente an die Hand geben und damit die „Vermarktbarkeit und Regalpräsenz (Sell-Through)“ unterstützen. Sie muss sich in knappen, werblichen Sensory Claims („zartschmelzend“, „aromatisch-würzig“) verdichten lassen, die am Point-of-Sale wirken und den Produkt-Mehrwert bzw. dessen Genussprofil unmittelbar kommunizieren.
Spezifikationen zu Haltbarkeit, Lagerbedingungen und Verpackungsstabilität sind entscheidend für die „Logistische Kompatibilität“, also die Planung der Lieferkette und die Vermeidung von Verlusten.

Die Gastronomie (B2B2C): Inszenierung und kulinarische Integrierbarkeit

Die Gastronomie als Mittler zwischen Hersteller und Gast hat einen hybriden Anspruch: Sie benötigt einerseits die Verlässlichkeit eines Industrieprodukts und andererseits die Einzigartigkeit einer kulinarischen Zutat.

Wichtig ist hier die „Sensorische Integrität“ unter (ggf. saisonal schwankenden) Anwendungsbedingungen: Wie verhält sich das Produkt in der finalen Zubereitung? Eine verzehrfertige Sauce muss nicht nur im Glas „cremig“ sein, sondern auch unter längerer Warmhaltung stabil bleiben und u. U. Minuten bis zum Transport zum Gast überstehen. Die Beschreibung muss diese Anwendungs-Sensorik antizipieren lassen.

Gastronomen nutzen hochwertige Produkte als Teil ihres kulinarischen Narrativs im Zuge von „Inspiration und Storytelling“. Die sensorische Beschreibung muss über einfache Adjektive hinausgehen und eine Herkunfts- und Qualitätsgeschichte liefern (z. B. „geräuchert über Buchenholz“, „mit einer dezenten Zitrusnote“), die der Gastronom in seine Menübeschreibung und Kommunikation gegenüber dem Gast integrieren kann.

Ähnlich dem Handel ist die Konstanz und Wiederholbarkeit, also die „Reproduzierbarkeit des Geschmackserlebnisses“ sehr wichtig. Der Gast erwartet bei jedem Besuch das gleiche Geschmackserlebnis, das der Gastronom durch das verwendete Produkt in der Rezeptur garantieren muss.

Der Verbraucher (B2C): Emotion, Vertrauen und intuitive Verständlichkeit

Auf der Endverbraucherebene wird die technische Spezifikation zur emotionalen Entscheidungshilfe. Die Anforderungen sind weniger rational, sondern vielmehr von Vertrauen, Heuristiken und dem Streben nach Genuss geprägt.

Der Verbraucher denkt nicht in Deskriptoren, sondern in Genussversprechen. Eine „Intuitive Verständlichkeit und emotionale Ansprache“ sind hier essentiell. Aus „hohem Umami-Anteil“ wird „herzhaft-würziger Geschmack“. Die Sprache muss alltagstauglich, bildhaft und positiv besetzt sein. Sie muss eine sensorische Vorwegnahme des Verzehrerlebnisses liefern. Der Konsument wird durch persönliche Präferenzen gesteuert, er bewertet mit subjektiven Eindrücken. 

Produktinformationen aus Spezifikationen zu Inhaltsstoffen, Herkunft und Herstellungsweise (z. B. „ohne Zusatzstoffe“, „aus kontrolliertem Anbau“, „aus Direktsaft“) schaffen „Vertrauen und Transparenz“. Sie müssen klar, wahrhaftig und leicht zugänglich sein.

Die Produktbeschreibung deutet darüber hinaus an, für welche Gelegenheit oder Verwendungsart das Produkt ideal ist („perfekt für das schnelle Abendessen“, „der besondere Genuss für Feiertage“). Diese „Passgenauigkeit zur Lebenswirklichkeit (Usage Occasion)“ hilft bei der emotionalen Einordnung des Produkts und unterstützt eine Kaufentscheidung („purchase trigger“).

Das Spannungsfeld und der Weg zur Integration von Sensorik und Spezifikation

Wie die zuvor genannten Ausführungen über die jeweiligen Unternehmen zeigen, besteht die größte Herausforderung in der Harmonisierung dieser unterschiedlichen Anforderungen. Was der Handel als „standardisierte Rezeptur“ benötigt, muss für den Verbraucher als „traditionell und authentisch“ kommuniziert werden. Die Lösung liegt in einer abgestuften Kommunikationsarchitektur:

  • Eine zentrale, objektive Datenbasis (die detaillierte Produktspezifikation mit analytischer und sensorischer Deskription) für Industrie und Handel.
  • Abgeleitete, zielgruppenspezifische Übersetzungen: Technische Dokumente für den Einkauf des Handels, inspirierende Produktstorys für die Gastronomie und emotionalisierende, vereinfachte Claims für den Endverbraucher.

Nur durch diese differenzierte Betrachtung kann ein Lebensmittelunternehmen allen drei Anspruchsgruppen gerecht werden und so die Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum konsumierenden Gast lückenlos und gewinnbringend gestalten.

5. Einsatzbereiche sensorischer Spezifikationen im QM-Bereich und Herausforderungen

Aufdeckung von Food Fraud

Wenn man über die einfach beschreibende Sensorik „Geruch-Geschmack-Aussehen-Textur-Haptik = arteigen/nicht arteigen“ hinausgeht, kann die Organoleptik zudem ein mächtiges Instrument für Screening Aufgaben werden und auch die inhaltliche Ausgestaltung von Produktspezifikationen unterstützen. Hierfür ist die Zerlegung eines organoleptischen Gesamterlebnisses in geeignete Komponenten und deren Intensitäten notwendig. Ein spezifisches, der Lebensmittelmatrix angepasstes Vokabular und eine geeignete Notation zur Darstellung der Ausprägungen – etwa in Form der Radar-Plot- oder Spider-Web-Darstellung – ermöglichen nicht nur eine präzise Dokumentation, sondern auch eine spätere Synthese einer sensorischen Erwartung anhand der Dokumentation.
Abbildung 3 zeigt beispielhaft die sensorische Referenz für einen besonderen Frischkäse. Das sensorische Gesamterlebnis wurde in 26 einzelne Komponenten (Deskriptoren/Attribute) mit geeignetem Vokabular zerlegt. Die Ausprägungen werden über eine Prozentskala dargestellt. Das Vokabular wurde angelehnt an eine DLG-Ausarbeitung im „Fachvokabular Sensorik – Praxisleitfaden zur Beschreibung von Lebensmitteln mit allen Sinnen.“ – DLG-Verlag GmbH, 2015, entwickelt.

Die Referenzrezeptur wurde nun absichtlich (und in streng kontrollierter Umgebung) verändert, um Food Fraud zu simulieren und die Leistungsfähigkeit der Sensorik zu demonstrieren. Folglich zeigt die Abbildung 4 außerhalb von Toleranzen, dass eine Substitution eines Viertels des natürlichen Proteins mit günstigeren Pflanzenproteinen eine signifikante Änderung der sensorischen Wahrnehmung bewirkt.(2) Das Ergebnis ist blind wiederholbar und statistisch abgesichert.

Es kann umgekehrt genutzt werden, um bei von der Referenz abweichender Sensorik die Laboranalytik gezielt in Richtung des Nachweises von pflanzlichen Fremdproteinen zu lenken.
Um die Organoleptik zu einem „Messinstrument“ werden zu lassen, müssen, im Rahmen der „sensorischen Analyse“ wie in der Laboranalytik auch, bestimmte Routinen und Standards eingehalten werden.


2 Die Referenz hat einen natürlichen Proteingehalt von 20 Gramm Protein pro 100 Gramm Produkt. Diese 20 Gramm wurden auf 15 Gramm reduziert und mit Leguminosen-Protein auf 20 Gramm aufgefüllt. Bei üblichen Produktionsmengen ist dies bereits eine finanziell lohnende Verfälschung.

Abbildung 3: Gesalzener Frischkäse aus Schafsmilch – Referenz
Abbildung 4:Gesalzener Frischkäse aus Schafsmilch – gestreckt mit Pflanzenprotein

A) Konditionierung auf die Zielmatrix

  • Definition der Attribute für die Zielmatrix = „Vokabular“
  • Schulung der Prüfungsteilnehmer – Zerlegung des Gesamteindrucks in die Attribute mit distinkten Intensitäten
  • Kalibrierung der Prüfungsteilnehmer und der Prüfer-Gruppe durch Verkostung und Bewertung geeigneter Standards (auch hausintern mit Anleitung zur reproduzierbaren Herstellung)
  • Skalentraining bezüglich der Intensitäten und Ausprägungen der unterschiedlichen Attribute

B) „Mehrfachbestimmung“ – zur statistischen Absicherung

  • Untersuchung im qualifizierten Prüferpanel – typisch zehn Personen oder mehr (Bezug der Tätigkeit im Unternehmen zum Lebensmittel ist nicht zwingend erforderlich, wichtig sind organoleptische Fähigkeiten und Fertigkeit erfasste Produkteindrücke sensorisch zu beschreiben)
  • elementare Statistik – über Office-Anwendungen einfach abzubilden

C) Qualitätssicherung und -überprüfung der Prüfer-/Panelleistungen

  • regelmäßige Validierung– beispielsweise durch hausinterne „Verfälschungsreihen“
  • regelmäßige Rekalibrierung mit Standards

Mit ausreichenden Ressourcen (und Ausdauer) ausgestattet, ist die Humansensorik ein mächtiges Instrument zum Aufspüren von Abweichungen in Rohwaren und auch in Endprodukten. Sie dient dem unternehmensinternen Pre-Screening, kann (teure) Laboranalytik gezielt lenken, erlaubt die Präzisierung von Produktspezifikationen und wird Teil des warenkundlichen Wissensschatzes.
 

Die Möglichkeiten des Einsatzes humansensorischer Methoden sind also:

Systematische Studien

  • Einfluss (zu Studienzwecken) beabsichtigter Rezepturänderungen/ Verfälschungen auf die resultierende Sensorik - hierbei unbedingt sicherstellen, dass „gefälschte“ Proben das Betriebsgelände nicht verlassen
  • Synchronisation der sensorischen Abweichung mit möglichen laboranalytischen Methoden und Ergebnissen

Erstellung einer dokumentierten sensorischen und synthesefähigen Referenz

  • Objektive umfassende Beschreibung und Charakterisierung der Referenz (gleichwertig mit einer Spezifikation auf Basis technischer Parameter oder von Laborwerten)
  • Aufnahme der Referenz in die Produktspezifikation (siehe auch Degree-of-Difference-Testing-Sensorik (DOD))

Prozessschärfung

  • Detektion von Abweichungen im untersuchten Produkt
  • gezielte Lenkung von Laboranalytik
  • Einbettung in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und Ausweitung der Wissensdatenbank zu möglichen Verfälschungen 

DOD-Testing oder auch Difference-from-Control (DfC) ist eine mächtige Erweiterung des traditionellen beschreibenden Ansatzes in der Sensorik. DOD ermittelt das Vorhandensein einer Abweichung zur Referenz, beurteilt die Stärke der Abweichung und kann in Verbindung mit dem geeigneten beschreibenden Vokabular den Charakter und die Herkunft der Abweichung genau erfassen. 

Es ermöglicht, erlaubte Schwankungskorridore bei Produktvariabilitäten genau festzulegen und mehrere Produkte gemeinsam zu vergleichen. „Fehlalarme“ werden durch statistische Absicherung vermieden. Die kleinste nachweisbare Abweichung kann genau bestimmt werden, ist aber nicht primäres Ziel der DOD-Sensorik.

Typische Anwendungsfälle für den Einsatz von Sensorik als der Laboranalytik vorgeschaltetes oder auch eigenständiges Instrument zur Enttarnung von Food Fraud sind (Auswahl):

  • Olivenöl: falsche Güteklasse, Streckung mit neutralen Fremdölen, Streckung mit Lampantöl, arteigenes Strecken mit minderwertigen Güteklassen oder gealtertem Olivenöl
  • größere Abweichungen im Fettgehalt von standardisierter Milch
  • stark abweichende Reifezeiten bei Hartkäse
  • Abreicherung von wertgebenden (und pharmakologisch interessanten) Bestandteilen in sortenreinen Gewürzen, z. B. Piperin/Pfeffer

Qualitätssicherung durch sensorische Spezifikationen und Standards trotz natürlicher Variationen: Flexibilität vs. Standardisierung 

Im Kontext der Entwicklung von Produktspezifikationen unter Einsatz von Naturprodukten, i.S.v. natürlichen Rohstoffen und Zutaten ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen der notwendigen Standardisierung für Qualität und Effizienz und der unvermeidlichen natürlichen Variation von Rohstoffen, welches eine der grundlegendsten Herausforderungen im Qualitätsmanagement darstellt. Die Lösung liegt nicht in der starren Fixierung auf einen einzigen sensorischen Punkt, sondern in der gleichermaßen intelligenten wie pragmatischen Definition von Spielräumen und Toleranzkorridoren. Dies erfordert in konservativ umgesetzten Qualitätsmanagement-Systemen einen Paradigmenwechsel von einer defizitorientierten hin zu einer variationsorientierten Steuerung. Für die Praxis bedeutet das die Berücksichtigung der nachfolgend angeführten Aspekte.

Vom Sollwert zum Sollkorridor: Die Etablierung von Akzeptanzzonen

Anstelle eines einzigen, starren Sollwerts („Fruchtigkeit = 8,5 auf einer 10-Punkte-Skala“) gilt es, einen sensorischen Sollkorridor zu definieren. Dieser Korridor wird durch eine untere und eine obere Grenze beschrieben, die das akzeptable Spektrum der sensorischen Eigenschaften abbildet. Dieses Vorgehen kennt man aus anderen Disziplinen der Lebensmittelproduktion – hier insbesondere bei der Dosierung von Füllmengen – mit den Begriffen „Sollwert“, „Warngrenzen“ und „Eingriffsgrenzen“. 

Ein sensorischer Qualitätsrahmen (Sensory Quality Framework) wird in dieser Metrik in drei Zonen unterteilt:

  • Zielzone (Green Zone): Der ideale Bereich, der die gewünschte Produktcharakteristik exakt trifft oder übertrifft. Alle Produkte in dieser Zone erfüllen die hohen Erwartungen vollständig.
  • Akzeptanzzone (Yellow Zone): Ein definierter Bereich um die Zielzone, in dem leichte, natürliche Schwankungen liegen. Produkte in dieser Zone weichen sensorisch erkennbar ab, bleiben aber für den durchschnittlichen Verbraucher akzeptabel und werden nicht als Fehler oder Reklamationsgrund wahrgenommen. Dies ist der Spielraum für Rohstoffvariationen und auch Produktkonditionierungen (beispielsweise Kohlensäuregehalt in Erfrischungsgetränken).
  • Ablehnungszone (Red Zone): Alle sensorischen Profile außerhalb der Akzeptanzzone. Hier liegt ein echter Qualitätsmangel vor, der zu Reklamationen führen würde. Unabhängig von einer durchaus möglichen rechtlichen Konformität des Produkts führt ein solches sensorisches Ergebnis zur Ausschleusung und Ursachenanalyse.

Korrelation sensorischer und analytischer Daten: Die quantitative Fundierung 

Die Definition dieser Korridore darf nicht willkürlich erfolgen. Sie muss auf einer robusten Datenbasis aufbauen. Folglich gilt als „Best Practice“ die Durchführung von Korrelationsstudien zwischen sensorischen Analysen (durch geschulte Panels) und instrumentellen/analytischen Messdaten (z. B. Brix-Grad, Säuregehalt, Festigkeit, Farbmessung). Ergeben sich stabile Korrelationen (z. B. eine bestimmte Kombination aus Brix und Säure korreliert hoch mit der sensorischen Wahrnehmung „ausgewogene Fruchtigkeit“), können die analytischen Messwerte als robuste Proxy-Parameter für die schnelle Überprüfung des sensorischen Korridors im Produktionsalltag dienen.

Consumer Insights als Entscheidungsgrundlage

Die Grenzen der Akzeptanzzone müssen letztlich durch den Verbraucher definiert werden – wenngleich dies nur indirekt erfolgen kann. Was ist für Konsumenten noch die „gleiche“ sensorische Erfahrung, und wann beginnt eine als negativ empfundene Abweichung? Best Practice sind hier regelmäßige Hedonische Testing-Studien mit repräsentativen Verbrauchergruppen. Dabei werden gezielt Produktproben aus verschiedenen Chargen, die leichte sensorische Variationen aufweisen, auf ihre Akzeptanz und Präferenz getestet. Die Ergebnisse fließen direkt in die Kalibrierung der Akzeptanzkorridore ein.

Transparente Kommunikation entlang der Lieferkette

Definierte Spielräume müssen für alle Beteiligten – vom Rohstofflieferanten über die Produktion bis zum Qualitätsmanagement – transparent und verbindlich kommuniziert werden. Als „Best Practice“ ist hier die Erstellung einer sensorischen Landkarte (Sensory Map) für das Produkt zu nennen. Diese visuelle Darstellung (z. B. ein Spider-Web-Diagramm) zeigt klar die Zielzone und die Akzeptanzzone für die wesentlichen sensorischen Attribute (z. B. Süße, Säure, Bitterkeit, Aromaintensität und warengruppenspezifische zahllose weitere Attribute, wie in Abbildung 3 angewendet). Diese Landkarte wird zum zentralen Kommunikationsinstrument in Lieferantenverträgen und internen Qualitätsdokumenten.
 

©georgejmclittle - stock.adobe.com

Dynamische Anpassung und kontinuierliche Verbesserung

Sensorische Toleranzen sind kein statisches Konstrukt. Sie können sich durch veränderte Konsumentenwahrnehmung „changing consumer preferences“, neue Rohstoffquellen oder Rezepturanpassungen verändern. Als „Best Practice“ gilt diesbezüglich die Etablierung eines gelenkten Review-Prozesses für den „Sensorischen Qualitätsrahmen“. In festgelegten Intervallen (z. B. jährlich) oder bei signifikanten Veränderungen (neue Rohstofflieferanten) werden die Korridore anhand neuer Daten und Verbraucherfeedback überprüft und gegebenenfalls angepasst. 

Zusammenfassend dazu lässt sich festhalten, dass die Definition von Spielräumen für sensorische Variation kein Eingeständnis von mangelnder Kontrolle ist, sondern Ausweis einer modernen, datengestützten und verbraucherzentrierten Qualitätsphilosophie. 

Sie ermöglicht:

  • Rohstoffflexibilität: Reagieren auf Marktverfügbarkeit und Preisschwankungen, ohne die Qualität gerade im Hinblick auf das Konsumentenerlebnis zu gefährden. 
  • Prozessstabilität: Vermeidung von Charge-zu-Charge-Ausschuss aufgrund insignifikanter Abweichungen.
  • Verbraucherzentrierung: Sicherstellung, dass das produktspezifische Versprechen immer dann erfüllt wird, wenn es für den Verbraucher relevant ist.

Durch diesen Ansatz wird der vermeintliche Widerspruch zwischen Flexibilität und Standardisierung aufgelöst und in eine strategische Stärke verwandelt. Eine defizit-fokussierte Überwachung wirkt der Einführung in der Praxis mitunter entgegen, weil „betriebliche Werte“ in Gefahr scheinen. Hier kann Sparring mit erfahrenen Experten die Transition in ein modernes Management erleichtern, wie im Folgekapitel erläutert. 

6. Zusammenarbeit mit externen Organisationen und Experten zur Optimierung von Spezifikationen 

Die Überführung traditioneller Methoden in der innerbetrieblichen Qualitätssicherung, die häufig auch defizitorientierte Überwachungsarchitekturen aufweisen, in moderne, prädiktive und wertschöpfende Systeme erfordert spezialisiertes Wissen. Die strategische Kollaboration mit externen Organisationen und Expertengremien wie Hochschulinstituten, Laboren oder neutralen Dienstleistern, wie der DLG e.V., ist hierbei kein Outsourcing von Kernkompetenzen, sondern vielmehr ein Katalysator für interne Exzellenz. Denn diese fachlichen Partnerschaften bieten Zugang zu objektiver Bewertung, wissenschaftlicher Methodik und branchenweiten Benchmarks in den folgenden Bereichen:

a. Externe Validierung und Objektivierung: Die Rolle der DLG-Qualitätsprüfungen als anerkannte Instanz

Die Qualitätsprüfungen der DLG bilden eine Möglichkeit einer neutralen externen „Auditierung“. DLG-Qualitätsprüfungen basieren auf definierten Produktgruppen-spezifischen Qualitätsstandards, die in den DLG-5-Punkte-Prüfschemata® abgebildet sind und fortlaufend unter Einbindung von Wissenschaft und Praxis aktualisiert werden. DLG-Prüfer sind über praktisches Produktwissen und Sensorikschulungen qualifiziert und die Qualitätsauszeichnung „DLG-prämiert“ ist ein bekanntes Instrument in der Qualitäts- und Verbraucherkommunikation von Herstellern und Handel.
Praxisempfehlung: Durchführung von unabhängigen DLG-Sensorikanalysen als externe Auditierung. Die Prüfung durch geschulte DLG-Prüfer dient als ergänzende  Validierungsstufe für die intern definierten sensorischen Sollkorridore, deren Prüfberichte eine unvoreingenommene Bewertung bieten und Abweichungen aufdecken können, die dem betriebsinternen, an die Produkte gewöhnten Panel möglicherweise entgehen („Betriebsblindheit“).

Optimierung von Spezifikationen: Die von DLG-Expertengremien entwickelten und bei der Qualitätsprüfung verwendeten deskriptiven DLG-5-Punkte-Prüfschemata® bzw. Bewertungsschemata sind standardisiert und bieten eine exzellente Referenz für die eigene Sprachregelung. Unternehmen können ihre internen Deskriptoren und Bewertungsskalen an diesen anerkannten Standards schärfen, um eine präzisere und vergleichbarere Terminologie zu etablieren. Hervorzuheben ist diesbezüglich auch, dass hierbei unterschiedliche Akzeptanzzonen Berücksichtigung finden und damit dem zuvor genannten Anspruch der „Flexibilität vs. Standardisierung“ und den Spielräumen für sensorische Variationen gerecht werden.

b. Wissenschaftliche Fundierung und Methodenentwicklung: Die Kooperation mit Hochschulen

Hochschulen und Forschungsinstitute sind zusätzliche Impulsgeber für die methodische Weiterentwicklung. Sie forschen an der Schnittstelle von Lebensmitteltechnologie, Sensorik und Data Science und sind universell an Kooperationen mit der Wirtschaft interessiert.

Praxisempfehlung: Initiierung von angewandten Forschungsprojekten. Gemeinsame Projekte können darauf abzielen, prädiktive Modelle zu entwickeln. Ein Beispiel wäre die Korrelation von spezifischen, schnell messbaren Spektraldaten (z. B. NIR oder Niederfrequenz-NMR) mit komplexen sensorischen Profilen, um eine Echtzeit-Qualitätskontrolle zu ermöglichen. Kooperationen mit Praxisrelevanz zwischen Hochschulen und wirtschaftlich kleinen Wirtschaftsbeteiligten können in vielen Bundesländern auch mit finanziellen Mitteln gefördert werden.
Überleitung defizitorientierter Architekturen: Akademische Partner können bei der statistischen Neukalibrierung von Qualitätsgrenzen unterstützen. Anstelle von Grenzwerten, die auf historischen Minimalanforderungen basieren (defizitorientiert), können mit Hilfe von Methoden wie der Risikoanalyse und Verbraucherdaten toleranzorientierte Spezifikationskorridore wissenschaftlich abgeleitet werden.

c. Wissenstransfer und Kompetenzaufbau

Die Zusammenarbeit mit Experten ist ein zentrales Instrument für die kontinuierliche Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter. Praxisempfehlung: Durchführung von Workshops und Zertifizierungen. Externe Experten können interne Sensorikpanels schulen, zertifizieren und deren objektive Urteilsfähigkeit regelmäßig überprüfen. Dies stellt die langfristige Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der intern erhobenen sensorischen Daten sicher – die Grundlage jeder modernen Qualitätsarchitektur.

Best Practice ist die Einrichtung eines „Sensorik-Beirats“. Die Bildung eines Gremiums aus ausgewählten externen Experten (z. B. DLG, Hochschulen, Labore), das in regelmäßigen Abständen die strategische Ausrichtung der eigenen Sensorik- und Spezifikationspolitik kritisch begleitet und berät.

Die Zusammenarbeit mit externen Fachorganisationen, Fachkräften und Experten ist eine strategische Investition in die Zukunftsfähigkeit des Qualitätsmanagements. 

Sie ermöglicht:

  • Glaubwürdigkeit und Reputation: Durch unabhängige Validierung.
  • Innovation und Effizienz: Durch Zugang zu neuesten Forschungsmethoden und prädiktiven Ansätzen.
  • Kompetenzerhalt und -ausbau: Durch kontinuierlichen Wissenstransfer.

Indem Unternehmen diese Partnerschaften aktiv gestalten, transformieren sie ihre Qualitätssicherung von einer rein kostenorientierten Kontrollinstanz zu einer wertschöpfenden, strategischen Einheit, die aktiv zur Produktoptimierung und zum Markterfolg beiträgt.

7. Fazit und Ausblick

Sensorische Produktspezifikationen als Schlüssel zur Qualitätssicherung

Sensorische Produktbeschreibungen stellen in der Lebensmittelindustrie ein zentrales strategisches Instrument dar, das weit über die rein technischen Spezifikationen hinausgeht. Sie bilden die essentielle Brücke zwischen der internen Qualitätssicherung und Produktentwicklung sowie dem externen Markterfolg, indem sie die Erwartungen von Handel, Gastronomie und Verbrauchern gezielt steuern. Um dem Spannungsfeld zwischen der notwendigen Standardisierung und unvermeidbaren natürlichen Schwankungen zu begegnen, sind moderne Lösungsansätze wie die Definition sensorischer Toleranzkorridore und Akzeptanzzonen erforderlich. Die strategische Zusammenarbeit mit externen Experten wie bspw. der DLG, Hochschulen oder vergleichbaren Institutionen bietet hierfür die notwendige Objektivität, wissenschaftliche Fundierung und Methodenkompetenz, um diese qualitative Evolution von einer defizitorientierten zu einer wertschöpfenden Qualitätsarchitektur erfolgreich zu gestalten.

Zukunft: KI-gestützte Sensorik, datenbasierte Qualitätssicherung, individualisierte Spezifikationen für Handwerksprodukte

Die Zukunft der Produktspezifikation liegt in der intelligenten Vernetzung von Daten. Künstliche Intelligenz wird sensorische Profile nicht nur analysieren, sondern vorhersagen und optimieren, basierend auf Echtzeitdaten aus der Produktion. Die Qualitätssicherung entwickelt sich von einer stichprobenbasierten Kontrolle zu einem durchgängigen, prädiktiven Monitoring. 

Für handwerklich arbeitende Manufakturen liegt die Zukunft nicht in der Anpassung an industrielle Standardisierung, sondern in der intelligenten Nutzung ihrer natürlichen Produktvariation. Moderne, datengetriebene Werkzeuge ermöglichen es, jede Charge nicht als Abweichung, sondern als einzigartige „Edition“ zu begreifen. Durch die präzise Erfassung von Rohstoffherkunft, Verarbeitungsparametern und sensorischem Profil entstehen individualisierte Spezifikationen, die die authentische Geschichte des Produkts erzählen. Diese Transparenz transformiert die vermeintliche Schwäche der Variabilität in das stärkste Vermarktungsargument: Sie begründet Einzigartigkeit, schafft absolutes Vertrauen und eröffnet neue Geschäftsmodelle wie limitierte Chargen oder eine hyperpräzise Kundenansprache. So wird die individuelle Spezifikation zum Echtheitszertifikat und zum entscheidenden Qualitätsversprechen besonders im Premiumsegment.