HVO, E-Mobilität oder Brennstoffzelle – was treibt die Landwirtschaft zukünftig an?

Agritechnica 2025

Im Rahmen des vielfältigen Fachprogramms der Agritechnica, die in diesem Jahr unter dem Motto „Touch Smart Efficiency“ vom 9. bis 15. November in Hannover stattfand, diskutierten Experten aus Praxis, Versuchswesen, Forschung und Industrie am 9. November auf der DLG-Expert Stage „Smart Efficiency“ zum Thema Alternative Antriebskonzepte. 

Diskussionsrunde auf der Agritechnica 2025: Fünf Personen sitzen auf einer Bühne in Sesseln und sprechen über ein Thema, im Hintergrund ist eine Leinwand mit Präsentationsinhalten zu sehen.
Die Diskussionsrunde: Moderator Dr. Edgar Remmele vom TFZ, Marius Hofmann von AGCO Power Oy, Anton Dippold von den Bayerischen Staatsgütern, Martin Hanstein von der DLG TestService GmbH und Prof. Roger Stirnimann von der HAFL, Zollikofen.

„Worauf kommt es an, wenn wir künftig auf erneuerbare Antriebe in der Landwirtschaft setzen wollen?“ 
Dr. Edgar Remmele
 

Seine Frage richtete Dr. Edgar Remmele an Martin Hanstein, Bereichsleiter Leistungsmessung bei der DLG TestService GmbH in Groß Umstadt. „In der Landwirtschaft kommt es auf verschiedene Dinge an: Zum einen muss die Maschine zuverlässig starten, zum anderen darf der erneuerbare Antrieb aber nicht mehr kosten als der herkömmliche. Dann gibt es Fahrzeuge, die sind nur auf dem Hof unterwegs und müssen keine großen Lasten bewegen – ich denke da beispielsweise an den klassischen Hoflader. Andere wiederum sind darauf ausgelegt, große Lasten zu ziehen und viele Stunden am Stück im Einsatz zu sehen, hinzu kommen Belastungen durch Staub und Feuchtigkeit. Und am Ende muss die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgehen“, erläuterte Hanstein.

HVO – schöne Idee oder echte Alternative?

„Aus Sicht der Industrie wäre die erste Wahl wohl HVO (Hydrotreated Vegetable Oil, also hydriertes Pflanzenöl), ein dieselähnlicher Kraftstoff, der aus Anbaumasse von Ölfrüchten sowie aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen wird. An zweiter Stelle käme am ehesten Ethanol bzw. Biomethan infrage: Mit diesem Kraftstoff laufen bereits die ersten Versuche mit Zuckerrohranbauern in Südamerika. Auch elektronische Traktoren sind im Kommen – am wenigsten wahrscheinlich aus meiner Sicht ist, dass sich die Brennstoffzelle durchsetzen wird“, beantwortete Marius Hofmann, AGCO Power Oy, Remmeles Frage nach der ersten Wahl aus Sicht der Fahrzeugindustrie, wenn es um alternative Antriebe geht.
 

„Zuerst einmal lässt sich dazu sagen, dass das Thema HVO grundsätzlich nicht neu ist  – neu ist es in der Diskussion um die Einsatzfähigkeit in der Landwirtschaft." 

Martin Hanstein
 

Ob es bereits Erfahrungen aus Groß Umstadt hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Maschinen mit HVO gäbe, erkundigte sich der Moderator daraufhin bei Martin Hanstein: „Zuerst einmal lässt sich dazu sagen, dass das Thema HVO grundsätzlich nicht neu ist – neu ist es in der Diskussion um die Einsatzfähigkeit in der Landwirtschaft. Wir brauchen hier eine Lösung besonders für schwere Maschinen“, berichtete der Bereichsleiter. „Im vergangenen Jahr haben wir einen Traktor bei uns im Testzentrum hinsichtlich der Fragestellung getestet, wie sich Motorleistung und Kraftstoffverbrauch beim Einsatz von HVO gegenüber Diesel als herkömmlichem Kraftstoff verändern. Die Ergebnisse: Auf die Motorleistung wirkte sich der Wechsel des Kraftstoffs nicht aus, da konnten wir keine Veränderung feststellen. Den Verbrauch haben wir im DLG-Powermix im Rollenprüfstand getestet: Dort wird der Traktor 14 verschiedenen Testzyklen ausgesetzt, die verschiedene Lasten am Traktor simulieren. Der Verbrauch mit HVO war nur minimal, also nicht signifikant höher als beim Test mit Diesel.“ Anton Dippold, Geschäftsführer Bayerische Staatsgüter, ging auf Remmeles nachfolgende Frage ein: „Was verlangen Sie von erneuerbaren Antrieben und welche Erfahrungen haben Sie damit bei sich auf den Versuchsbetrieben gemacht?“

Zuverlässiger Praxiseinsatz muss garantiert sein

„Die Maschinen müssen robust sein und der verfügbare Kraftstoff braucht eine hohe Energiedichte – vor allem im oberen Leistungsbereich. Zudem muss gewährleistet sein, dass die entsprechende Maschine im Praxiseinsatz zuverlässig funktioniert, dass unsere Maschinen emissionsarm, lange Zeit am Stück und dabei effizient fahren. Erneuerbare Kraftstoffe müssen wir auch aus meiner Sicht definitiv im Blick behalten und dafür sorgen, dass sie mehr und mehr in den Köpfen der Praktikerinnen und Praktiker ankommen. Hinsichtlich der Umrüstung von Altmaschinen auf alternative Antriebe wäre mir zukünftig wichtig, dass es zertifizierte Umrüstsysteme gäbe“, beschrieb Dippold die Ansprüche aus Sicht einer Versuchsanstalt. 

„Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass es auch in Zukunft einen Kraftstoff oder eine Antriebstechnologie für alle verfügbaren Maschinentypen gibt…"

Prof. Roger Stirnimann
 

Weiterer Diskussionsteilnehmer war Prof. Roger Stirnimann, Dozent für Agrartechnik an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen, Schweiz. Er beschrieb auf Remmeles Frage hin aus Sicht der Wissenschaft die Hintergründe, warum es bisher nicht mehr Angebote aus der Wirtschaft für alternative Antriebe gibt: „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass es auch in Zukunft einen Kraftstoff oder eine Antriebstechnologie für alle verfügbaren Maschinentypen gibt – aus dem einfachen Grund, weil wir sehr viele verschiedene Maschinentypen haben, an die grundverschiedene Anforderungen gestellt werden. Es gibt die kleinen Maschinen wie Hoflader, große Maschinen wie Mähdrescher oder Häcksler und zahlreiche irgendwo dazwischen. Ethanol könnte für Regionen wie Südamerika interessant werden, da es aus Biomasse wie Mais, Getreide oder Zuckerrohr gewonnen wird, und die Brennstoffzelle hat beispielsweise den Nachteil, dass sie Ammoniakbelastung nicht verträgt“, umriss der Schweizer Dozent die gegenwärtige Situation. Hanstein ergänzte: „Wir haben einen bunten Blumenstrauß an Technologien, die im unteren bis mittleren Leistungsbereich gut funktionieren – im oberen Leistungsbereich bleibt der Diesel bisher unersetzlich.“ Hofmann und Stirnimann bewerteten außerdem, inwiefern alternative Antriebe in der Ausbildung – Lehre wie Studium – derzeit bereits berücksichtigt werden. Beide waren sich einig: Es ist bereits Thema, der Umfang ist aber noch ausbaufähig. 

Alternativen müssen auch in den Köpfen der Praktiker ankommen

Remmele gab zu bedenken: „Undichtigkeiten und Leckagen, verursacht durch den Einsatz von Biodiesel, sind immer noch in den Köpfen der Praktikerinnen und Praktiker verankert. Da brauchen wir ein Umdenken, und das erreichen wir auch, indem wir alternative Antriebe verstärkt thematisieren.“ Dippold unterstrich Remmeles Aussage, indem er ergänzte: „Wir haben ein Klimawandelproblem und wir müssen Emissionen reduzieren. Dafür sind die Rahmenbedingungen der CO2-Bepreisung so zu schaffen, dass die Wirtschaft die Technologie entwickeln kann und der Landwirt sie auch nachfragt. Die Industrie braucht eine Perspektive, die sich lohnt.“ Stirnimann erklärte: „Dass der Rohölpreis und damit auch der Diesel die vergangenen Jahre relativ billig war, hat die Entwicklungen hinsichtlich erneuerbarer Energien bzw. Kraftstoffe stagnieren lassen. Erklärtes Ziel ist es, dass die alternativen Technologien irgendwann zum Selbstläufer werden. So lange die Preise für alternativ angetriebene Fahrzeuge so hoch bleiben, wie sie jetzt sind, werden sie von den Praktikerinnen und Praktikern nicht nachgefragt.“ Hoffmann bekräftigte: „Langfristige, planbare sowie realistische Ziele, die sich nicht alle drei bis vier Jahre wieder ändern und klare Vorgaben – das ist es, was die Industrie braucht, um wirkliche Alternativen entwickeln zu können.“

Eine weitere Ergänzung dazu kam von Hanstein: „HVO kostet noch 10 Cent mehr pro Liter gegenüber Diesel. Hinzu kommt, dass die Tankstellen dafür rar sind. Mein Appell ans Publikum: Wenn Sie selbst HVO tanken, dann erzählen Sie es Ihrem Nachbarn, erzählen Sie es in der nächsten Vereinssitzung oder bei der nächsten Scheunenfete. Nicht nur über Subventionen kann man diesbezüglich sicher viel erreichen, sondern auch, indem mehr Menschen darüber sprechen und die Aufmerksamkeit auf diese Kraftstoffart zu lenken.“
 

Wenn plötzlich vermehrt Landwirtinnen und Landwirte auf HVO umsteigen wollten, dann wäre nicht genug für alle da. 
Prof. Roger Stirnimann
 

Passend dazu beantwortete Stirnimann die Publikumsfrage zur Produktionskapazität von HVO: „Das ist ein echtes Thema. Wenn plötzlich vermehrt Landwirtinnen und Landwirte auf HVO umsteigen wollten, dann wäre nicht genug für alle da. Palmöl ist nicht mehr zugelassen für die HVO- oder Biodieselherstellung, und hinzu kommt, dass HVO zu 100% importiert wird – wir haben also keine in Deutschland hergestellten Reserven.“ Eine weitere Publikumsfrage zu Dichtungen, die bei Biodieseleinsatz brüchig wurden, konnte Remmele teilweise relativieren: „Bei den neuen Maschinen haben wir damit keine Probleme mehr, hier sind Bestandsmaschinen ein Thema, wenn man auf HVO umstellen würde. Dort müsste verstärkt auf die Dichtungen geachtet werden.“

Fazit: Alternative Antriebe sind ein Gemeinschaftsziel

Abschließend durfte jeder der Diskussionsteilnehmer noch einen Wunsch bzw. ein Angebot in die Runde geben. Stirnimann machte den Anfang: „Mein Wunsch ist an die Industrie im Gesamten gerichtet: Ich wünsche mir, dass sie etwas mehr ausprobiert, etwas mehr wagt. Die Forschung würde das definitiv unterstützen und aktiv mitarbeiten.“

Hanstein folgte: „Mein Wunsch aus Sicht des Testzentrums: Um absehen zu können, welche Technik wirklich relevant wird, muss sie auch für die Praxis getestet werden. So schaffen wir Akzeptanz für den Anwender. Im Gegenzug helfen wir dabei, die Maschinen zu testen und effizient weiterzuentwickeln“, und Dippold ergänzte: „Wir bieten den Praxiseinsatz, der muss wieder viel mehr passieren.“ Hoffmann schloss mit den Worten: „Und aus Herstellerperspektive wünsche uns garantierte Abnahmemengen – dann können wir Ihren Wünschen ganz problemlos nachkommen.“

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