Zur Person:
Alois Keutmann ist staatlich geprüfter Landwirt und bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Sohn einen rund 100 Hektar großen Betrieb im Rheinland, Nordrhein-Westfalen.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Anbau von Speise- und Industriekartoffeln sowie Getreide und Zuckerrüben.
Seit 2002 engagiert sich der Landwirt im Vorstand der REKA – Rheinische Erzeugergemeinschaft für Kartoffeln –, deren Vorsitz er seit rund fünf Jahren innehat.
Herr Keutmann, wie beurteilen Sie den aktuellen Markt?
Alois Keutmann: Die Frühkartoffeln sind deutschlandweit unter guten Bedingungen gewachsen. Im Gegensatz zu 2024, als es sehr nass war, war in diesem Jahr frühes Pflanzen möglich. Dadurch sind alle Anbauregionen ungefähr gleichzeitig am Markt. Normalerweise ist der Südwesten zwei bis drei Wochen früher dran. Jetzt kann der Markt zeitig und in größerem Umfang mit festschaligen Kartoffeln versorgt werden. Das wirkt sich auch auf die Preise aus. Die ersten Notierungen aus der Pfalz und aus der Region Burgdorf bei Hannover liegen deutlich unter dem Vorjahr. Letztes Jahr war der Markt leer gefegt, das waren völlig andere Voraussetzungen. Deshalb ist der Preiseinstieg in diesem Jahr niedriger, und auch für Verbraucher dürften die Kartoffeln etwas günstiger sein – nach heutigem Stand der Dinge.
Welche Auswirkungen hatte das trockene Frühjahr 2025 auf Ertrag und Qualität?
Keutmann: Die Erträge und Qualität scheinen gut zu sein, auch wenn der letzte Überblick noch fehlt. Trockene Phasen lassen sich in den Frühkartoffelregionen meist überbrücken, weil in der Regel bewässert werden kann. Problematisch wird es eher bei anhaltender Hitze – damit kommt die Kartoffel, als Nachtschattengewächs, schlechter zurecht. Hier im Rheinland wurden die Beregnungskapazitäten in den vergangenen Jahren bereits ausgebaut, und dank zweier sehr nasser Jahre sind die Grundwasserstände derzeit auf Rekordhöhe. Wie sich die Situation zur Haupternte entwickelt, lässt sich heute noch nicht sagen. Oft deutet sich eine Trockenheit an, und dann kommt doch noch Regen. Jetzt schon Prognosen abzugeben nach dem Motto ‚trocken-heiß gleich Problemernte‘, bringt nichts.
Rechnen Sie mit einem Preisdruck am Markt?
Keutmann: Es hat in diesem Jahr eine Ausweitung der Anbauflächen gegeben. Ob es dadurch zu einem echten Preisdruck kommt, hängt aber stark vom Wetter ab – also davon, wie viel tatsächlich geerntet werden kann. Die Voraussetzungen für ein reichliches Angebot sind da, aber wie sich das am Markt auswirkt, lässt sich jetzt noch nicht sicher sagen.
Wie steht es um den Importdruck aus dem Mittelmeerraum?
Keutmann: Die Importe aus Ägypten und Israel laufen jetzt aus. Es wurden keine zusätzlichen Mengen mehr nachgeordert, weil klar war, dass die eigene Versorgung in Deutschland rechtzeitig verfügbar sein würde. Die Spanier sind derzeit noch mit Ware am Markt, aber dort gab es in diesem Jahr – ähnlich wie bei uns im letzten Jahr – starke Regenfälle, was zu Qualitätsproblemen geführt hat: grüne Knollen, Wachstumsrisse. Ich gehe davon aus, dass der Lebensmitteleinzelhandel darauf achtet, dass die deutschen Qualitäten, die wir dieses Jahr glücklicherweise haben, in die Regale kommen.
Preise geben zum Verkaufsstart nach
Die Ernte von Frühkartoffeln ist in diesem Jahr reichlich. Wegen der Trockenheit gibt es kaum Probleme mit der Kraut- und Knollenfäule. Seit Anfang Juni liegen die neuen schalenfesten Kartoffeln in den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Preise enttäuschen. Innerhalb einer Woche sind im Juni die Kurse für Speisefrühkartoffeln in Rheinland-Pfalz nach Angaben der Rheinischen Erzeugergemeinschaft Reka um 10 €/100 kg auf 49,00 €/t für vorwiegend festkochende ovale Sorten gesunken. In Niedersachsen sind es zum Redaktionsschluss dieser Zeitschrift Ende Juni für die gleichen Qualitäten 44,00 €/100 kg, rund 8 €/100 kg weniger als Mitte Juni. Die Kurse an der Leipziger Börse EEX notieren zur Lieferung im November bei 14,10 €/100 kg (siehe Abbildung). (agrarticker.de)
Wie dürfte sich die Nachfrage entwickeln?
Keutmann: In den letzten Jahren hat sich die Nachfrage im Speisekartoffelbereich stabilisiert. Ob diese Entwicklung auf die Arbeit der Kartoffelmarketinggesellschaft zurückzuführen ist – an der wir als Mitglied der Bundesvereinigung Erzeugergemeinschaft Kartoffeln beteiligt sind – oder darauf, dass während der Corona-Zeit wieder mehr zu Hause gekocht wurde, lässt sich nicht genau sagen. Fakt ist: Der Aufschwung hat sich gehalten, und das ist erfreulich. Im Inland haben wir derzeit einen stabilen Absatz.
Wie reagiert die REKA auf die Volatilitäten?
Keutmann: Der Kartoffelmarkt war schon immer volatil – das war zu D-Mark-Zeiten nicht anders. Besonders extrem war es zuletzt auf dem Markt für Pommes-Ware. Dort gibt es Vertragspreise für eine bestimmte Menge pro Hektar – was darüber hinaus geerntet wird, läuft zum freien Marktpreis. Diese Saison gab es Steigerungen bis auf 30 Euro im Februar. Anschließend ist der Preis auf aktuell 5 Euro regelrecht „abgeschmiert“. Ein Grund dafür war der unerwartete Rückgang beim Absatz der Frittenfabriken – nicht allein das Kartoffelangebot war schuld. Das hat alle Marktteilnehmer überrascht. Inzwischen gibt es Partien, die sich kaum noch vermarkten lassen – die müssen eventuell anderweitig verwertet werden.
Wie kann der Kartoffelanbau wettbewerbsfähig bleiben?
Keutmann: Der Bürokratieabbau spielt natürlich eine Rolle. Was uns aber wirklich unter Druck setzt, ist die Zulassungssituation beim Pflanzenschutz. Früher wurde nach Risiko beurteilt, heute nach Gefahren. Mittlerweile reicht es, dass ein Mittel theoretisch gefährlich sein könnte – und schon wird es verboten. Ich bin kein Chemiker, aber was wir ganz klar sehen: Seit die insektizide Beizen verboten wurden, haben tierische Schädlinge wie die Schilf-Glasflügelzikade massiv zugenommen. Im Rheinland sind wir glücklicherweise von der Problematik noch nicht betroffen. Und man muss es so krass sagen: Gibt es da keine Lösung – keine Bekämpfung, keine züchterische Antwort –, dann ist Kartoffelanbau in den Hotspot-Regionen nicht mehr möglich.
Was bleibt Landwirten dann noch als Alternative?
Keutmann: Ehrlich gesagt: kaum etwas. Möhren, Rote Bete, Zuckerrüben – viele Alternativen sind ebenfalls Wirtspflanzen der Zikade. Am Ende bliebe vielleicht nur noch, Solaranlagen aufzustellen. Getreide allein bringt kein Geld, und auch für die Fruchtfolge wäre das langfristig fatal. Die Lösung wird am Ende nur über die Züchtung kommen. Aber das geht nicht von heute auf morgen. CRISPR-Cas wäre eine schnellere Methode – ich rede in dem Zusammenhang ausdrücklich nicht von klassischer Gentechnik. CRISPR-Cas könnte differenzierter bewertet werden, aber das wird es nicht. Und wenn sich das nicht ändert, stehen wir vor einem Riesenproblem. Wir brauchen einen gewissen Werkzeugkasten, um im Notfall eingreifen zu können. Umweltschutz ist selbstverständlich wichtig. Aber genauso notwendig ist ein funktionierender Pflanzenschutz. Wie beim Menschen auch: Ohne Medikamente würden wir heute nicht so alt werden.
Lohnt sich der Einstieg in den Frühkartoffelanbau?
Keutmann: Aus heutiger Sicht: nein. Viele Landwirte haben auf Frühkartoffeln umgestellt, weil die Schilf-Glasflügelzikade ab Mai fliegt. Wer sehr früh erntet – etwa durch verfrühten Anbau unter Folie – kann der Zikade theoretisch aus dem Weg gehen. Aber das haben inzwischen zu viele gemacht. Deshalb ist eine weitere Ausdehnung im Frühkartoffelanbau nicht mehr der richtige Weg.