DLG-MERKBLATT 401

Tierwohl in der Aquakultur

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DLG-Merkblatt 401
2. Auflage, Stand: 10/2018

Forellensetzlinge FGD Sachsen
FGD Sachsen

1. Einleitung

Die Haltung von Fischen und anderen Wasserorganismen ist ein Teilbereich der Landwirtschaft. Im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Nutztieren (Rind, Schwein und Geflügel) findet diese Form der Tierhaltung im Wasser statt. Die kontrollierte Aufzucht und Haltung von Fischen und anderen Gewässerlebewesen nennt man Aquakultur. Die Aquakultur in Salzwasser wird auch „Marikultur“ bezeichnet. In Abgrenzung zur Fischerei in freien Gewässern kann der Aquakulturbestand einem Besitzer zugeordnet werden, der die Nutztiere hegt, pflegt (z. B. Futter) und vor Schadorganismen (z. B. Kormoran) schützt. In Deutschland wirtschafteten im Jahr 2017 laut Statistischem Bundesamt 2.706 Aquakulturbetriebe (Pressemitteilung Nr. 186 Statistisches Bundesamt (Destatis) vom 28. 05. 2018) und produzierten eine Reihe verschiedener Fischarten in unterschiedlichen Haltungssystemen. Mengenmäßig bestimmend sind dabei Forelle und Karpfen in der Teichwirtschaft und Welse in der geschlossenen Aquakultur. Die Anforderungen, die die einzelnen Fischarten und Entwicklungsstadien an ihre Haltungsumwelt stellen, sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist Welfare oder „Tierwohl“ in der Aquakultur ein sehr komplexes Thema. Das Merkblatt soll dazu beitragen, zunächst grundlegende Fakten der Fischhaltung darzustellen, ohne die Muscheln, Krebstiere und Wasserpflanzen zu berücksichtigen. Auf spezifische Erfordernisse der einzelnen Fischarten wird nicht eingegangen.

2. Physiologische Besonderheiten und allgemeine Haltungs- und Umweltanforderungen

Fische stellen mit über 30.000 Arten die größte Wirbeltiergruppe. Sie haben alle Klimazonen und Gewässerarten besiedelt.

2.1 Lebensraum

Der Wasserkörper ist der Lebensraum für die Fische, in dem sie atmen, Nahrung aufnehmen und in den sie die Stoffwechselprodukte in fester und gelöster Form abgeben. Die Wasserqualität bestimmt dadurch maßgeblich die Lebensqualität der Fische. Im Gegensatz zu anderen landwirtschaftlichen Nutztieren, können die Fische aus ihrer Haltungsumgebung Wasser nicht entweichen und sind somit der Wasserqualität ausgesetzt.

Der Lebensraum Wasser unterliegt vielen physikalischen und chemischen Einflüssen, wodurch die Lebensbedingungen der Fische direkt beeinflusst werden. Der Sauerstoffgehalt des Wassers und verschiedene weitere Parameter stellen somit limitierende Faktoren für die Fischhaltung dar. Fische beziehen den lebensnotwendigen Sauerstoff über die Kiemen aus dem Wasser und geben das im Körper entstandene Kohlendioxid über diese wieder ab.

 

Abbildung 5: Optimierung der Sauerstoffversorgung für die Fische
Abbildung 5: Optimierung der Sauerstoffversorgung für die Fische

2.2 Temperatur

Fische sind wechselwarm (poikilotherm). Die Körpertemperatur entspricht daher immer der Wassertemperatur. Auf Grund dessen müssen Fische im Gegensatz zu Säugetieren und Vögeln keine Energie aufwenden, um Ihre Körpertemperatur zu kontrollieren. Diese Eigenschaft verschafft den Fischen einen energetischen Vorteil und erklärt die gute Futterverwertung im Vergleich zu Rindern, Schweinen und Geflügel. Die einzelnen Fischarten besitzen unterschiedliche optimale Temperaturbereiche. Die Anpassung an veränderte Temperaturen ist von Fischart zu Fischart sehr unterschiedlich.

2.3 Besatzdichte

Bei der Nutztierhaltung der Warmblüter ist die Tierzahl pro Flächeneinheit ein besonders wichtiger Haltungsparameter. Fische sind im Gegensatz dazu nicht direkt flächengebunden, sondern leben in einem dreidimensionalen Raum. So ist bei Fischen bis zu einer bestimmten Dichte nicht der Platz die limitierende Größe, sondern die Wasserqualität entscheidet, wie viele Fische in einem bestimmten Volumen gehalten werden können.

3. Wie erkennt man Wohlbefinden beim Fisch

Grundsatz: Nur Fische, denen es gut geht, zeigen eine gute Futteraufnahme und ein gutes Wachstum.

Die Beurteilung der Einzelfische und des gesamten Fischbestandes ist verglichen mit Rindern, Schweinen und Geflügel durch die Haltungsumgebung Wasser erheblich erschwert und erfordert Erfahrung im Umgang mit Fischen. Wohlbefinden der Fische kann man an verschiedenen Kriterien festmachen. Beispiele sind:

3.1 Futteraufnahme

Nur Fische, die sich wohlfühlen und unter angemessenen Haltungsbedingungen leben, zeigen eine adäquate Futteraufnahme. Gesunde, gut gehaltene Fische nehmen verabreichtes Futter ohne zu zögern auf. Fische, die ein normales Verhalten zeigen, orientieren sich bei der Fütterung in der Regel direkt zum fütternden Fischhalter oder zum Fütterungsautomaten.

3.2 Wachstum, Futterverwertung und Verluste

Nur Fische, die sich wohlfühlen, wachsen gut und haben eine gute Futterverwertung. Nicht optimal gehaltene Fische zeigen dagegen häufig ein verringertes Wachstum und eine ungünstige Futterverwertung. Als wechselwarme Tiere können Fische sehr lange hungern und ihr Wachstum einstellen – auch das ist ein wesentlicher Unterschied zu den warmblütigen landwirtschaftlichen Nutztieren. Turnusmäßige Kontrollwiegungen zur Ermittlung der Wachstumsraten sind daher unerlässlich und ein besonders guter Indikator für die Beurteilung des Tierwohls. Erhöhte Verluste sind ein deutlicher Hinweis auf ungünstige Haltungsbedingungen oder Fischkrankheiten.

3.3 Verhalten und Schwimmweise

Je nach Fischart und Alter zeigen die Fische ein unterschiedlich reges Schwimmverhalten. Fische zeigen das Phänomen der Schwarmbildung: Wenn sie in größerer Anzahl zusammen gehalten werden, nehmen sich die Tiere gegenseitig nicht als Einzelindividuum mit den daraus resultierenden Aggressionen und Revierverteidigung wahr, sondern sehen sich als untergeordneter Teil des ganzen Schwarmverbandes. Sofern die Besatzdichte ausreichend hoch ist und die Fische nicht geschlechtsreif sind, herrscht ein sogenannter anonymisierter Verband vor, in dem alle Mitglieder des Schwarms gleichberechtigt sind. Geht es Fischen schlecht, kann sich das in ungewöhnlichem Verhalten äußern. Beispiele hierfür sind:

  • Abrupte Schwimmbewegungen, Scheuern am Boden oder an Gegenständen
  • Springen, Herumschießen einzelner Fische
  • Flossenanlegen, das sogenannte „Flossenklemmen“
  • Schnelle oder apathische Atmung, Schnappatmung, Spucken
  • Absondern vom Schwarm/geringe Aktivität (Apathie)
  • Übermäßige Aggression gegen Artgenossen.

3.4 Aussehen

Fische, denen es gut geht, sind artspezifisch gefärbt, wobei die Färbung des Untergrundes bzw. die Helligkeit der Umgebung großen Einfluss haben. Weiterhin zeigt die Normalfärbung einer Fischart meist eine große Variabilität. Fische, die sich nicht wohlfühlen, weisen häufig Verfärbungen (Dunkelfärbung oder Aufhellung) auf. Nicht optimal gehaltene bzw. erkrankte Fische können unter Anderem Beeinträchtigungen im äußeren Erscheinungsbild (Haut oder Flossen) zeigen.
Beispiele sind:

  • atypische Verfärbung (Dunkelfärbung, z. T. aufgehellte Hautpartien, Blutungen)
  • Augen- und Hauttrübung, Hautveränderungen, Schleimhautverlust
  • Eingefallene oder hervorstehende Augen
  • eingerissene, ausgefranste, verkleinerte, verletzte, missgebildete oder fehlende Flossen, Flos­sen­fäule.
Abbildung 10: Bachforelle (Quelle: LAZBW, Fischereiforschungsstelle)
Abbildung 10: Bachforelle (Quelle: LAZBW, Fischereiforschungsstelle)

3.5 Physiologische Parameter

Mittlerweile werden auch viele verschiedene fischartspezifische physiologische Parameter diskutiert, die prinzipiell herangezogen werden könnten, um festzustellen, ob ein Fisch tiergerecht gehalten wird. Genannt werden z. B. Veränderungen im Blutbild, Stresshormone und die Konzentration von Hitzeschockproteinen. Diese Untersuchungen sind jedoch bei weitem nicht abgeschlossen und somit derzeit noch nicht geeignet, in der Praxis verwendet zu werden.

4. Maßnahmen zur Sicherstellung des Tierwohls in der Aquakultur

Das Fischwohl kann sehr viele verschiedene Bereiche umfassen. Vorrangige Maßnahmen zur Sicher­stellung des Tierwohls in der Aquakultur sind:

  • Optimale Wasserqualität (O2, pH-Wert, NH4, NO2, NO3, Gesamtgasdruck, CO2-Gehalt, absetzbare Stoffe, Eisen u. a. m.) entsprechend den physiologischen Anforderungen der jewei­ligen Fischart.
  • Farmmanagement: Alarmabsicherung und redundante Technik bei Anlagen, die von funktionierender Technik abhängig sind; regelmäßige Kontrolle bei konventioneller Haltung.
  • Fischartspezifisches Futter in ausreichender Menge und Qualität und Kontrolle der Futteraufnahme in bestimmten zeitlichen Abständen.
  • Bewirtschaftung der Fischbestände auf der Grundlage der „guten fachlichen Praxis“ der Fischproduktion sowie Dokumentation der Bestandsentwicklung und der technologischen Maßnahmen (siehe FEAP – Code of Conduct: http://www.feap.info/shortcut.asp?FILE=1200 ).
  • Gute Ausbildung des für die Betreuung der Fische zuständigen Personals und ständige Weiterbildung.
  • Prophylaktische Hygienemaßnahmen, die das Einschleppen und Verbreiten von Fischkrankheitserregern verhindern.
  • Sorgfältiges Handling der Fische bei Besatz und Abfischung sowie Sortieren, Wiegen und ­Zählen.
  • Tierschutzgerechter Transport sowie Betäubung und Schlachtung.
  • Schutz vor und Abwehr  von Prädatoren.

Definition Tiergerechtheit aus dem DLG-Ausschuss für Tiergerechtheit:

„Mit dem Kriterium der Tiergerechtheit wird beschrieben, in welchem Maße bestimmte Haltungsbedingungen dem Tier die Voraussetzung zur Vermeidung von Schmerzen, Leiden oder Schäden, sowie zur Sicherung von Wohlbefinden bieten.“

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