Sensorische Bierstilkarte

Qualitätskontrolle

aus: DLG-Lebensmittel 6/2020

Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben sich Wissenschaftler der technische Universität München damit beschäftigt, ein einfaches Schema zu entwickeln, um die sensorische Vielfalt ausgewählter Bierstile abzubilden und damit sowohl die Qualitätssicherung als auch die Prüferschulung und -auswahl zu unterstützen.

Bier

Adaptives, multisensorisches Profilschema

Einen Lösungsweg stellt ein adaptives, multisensorisches Profilschema dar (vgl. Abb. 1), das sich je nach Verkoster und Produkt modifizieren lässt, so dass Verkoster nicht mit speziellen Schemata für jeden Bierstil und für jede Fragestellung vertraut sein müssen. Der Aufbau des Schemas ist an den Aufbau von Aromarädern angelehnt, so geht das Schema von Überbegriffen (Kategorien) hin zu spezifischen Deskriptoren (Attribute). Zunächst müssen 8 Kategorien nach ihrer Intensität (0 = nicht wahrnehmbar; 5 = sehr stark ausgeprägt) bewertet werden. Dabei ist zu beachten, dass die Gesamtheit aller Bierstile die jeweiligen Extreme der Skalen absteckt. Diese umfassen 1. Farbe und 2. Trübung (visuell), 3. Malz-, 4. Hopfen-, 5. Hefe- und 6. Fehlaromen (olfaktorisch), 7. Vollmundigkeit, Mundgefühl und Geschmack sowie 8. Bittere (gustatorisch und haptisch). Abschließend wird als einziges hedonisches Merkmal die Beliebtheit bewertet. Sofern die vorliegenden Kategorien nicht ausreichen, haben die Verkoster ergänzend die Möglichkeit, die Proben zu kommentieren.

Falls eine Kategorie eine bestimmte Bedingung bzw. Kondition erfüllt, ist diese anhand von weiteren Attributen weiter nach Intensität (0 bis 5) zu spezifizieren. In diesem Fall sind die Attribute weiter zu bewerten, wenn die Intensität einer Kategorie höher ist als 2.

Schema Bierkategorien
Abb. 1: Adaptives Schema mit 8 Kategorien und dem hedonischen Merkmal Beliebtheit sowie weiteren zu bewertenden Attributen, wenn ein Produkt eine bestimmte Bedingung erfüllt.

Versuchsaufbau und Validierung

Zur Validierung dieses Schemas wurden in einer Versuchsreihe über einen Zeitraum von 14 Monaten insgesamt 105 deutsche und internationale Biere durch je durchschnittlich 15 Verkoster analysiert. Das Panel setzte sich aus 31 trainierten, von der DLG zertifizierten Prüfpersonen, 15 eingeführten Prüfpersonen und mehreren Laien zusammen. Die Verkostungen fanden im Rahmen einer wöchentlichen In-House-Verkostung statt. Die Schulung und Prüferauswahl erfolgte mittels der Feedback Calibration Methode mittels Principal component analysis (Hauptkomponentenanalyse, PCA).

Zur Auswertung der Ergebnisse wurden ebenfalls multivariate Analysen, v. a. die PCA gewählt. Dadurch kann man, wie in Abb. 2 dargestellt, das sensorische Profil einer Vielzahl von nationalen und internationalen Bierstilen visualisieren und differenzieren. Die PCA reduziert die Dimensionalität, indem sie voneinander abhängige Variablen in unabhängigen Hauptkomponenten ausdrückt. Mit den ersten 3 Hauptkomponenten (PCs) lassen sich 69 % der gesamten Varianz in diesem Datensatz erklären. Entlang PC1 (30,8 %) unterscheiden sich Hopfen- und Malzaroma, entlang PC2 (22,4 %) Fehl- und Hefearomen von Hopfen- und Malzaromen. Helle Vollbiere können damit gut von hopfen- oder malzbetonten Bieren, aber auch von Weizenbieren unterschieden werden. Zur weiteren Differenzierung von obergärigen Produkten kann PC3 (15,8 %) herangezogen werden. Hier lassen sich Hefearomen von Geschmacks- bzw. Mundgefühlsattributen und Malzaromen trennen.

 Sensorische Bierstilkarte
Abb. 2: Sensorische Bierstilkarte von 105 nationalen und internationalen Produkten. Dargestellt sind die ersten beiden Hauptkomponenten (PC1: 30,8 %; PC2: 22,4 %); links: Score-Plot der untersuchten Produkte; rechts: Loading-Plot der Katego­rien und Attribute

Indem man die PCA auch auf die Daten einzelner Verkoster anwendet, wird eine konstante Überprüfung der Prüfer- und Panelleistung möglich. Panelisten lassen sich über Ausreißeranalysen wie Hotelling-T-Test gezielt auswählen und im Sinne einer Feedback Calibration Method (FCM) entsprechend schulen. Mittels Clustertechniken wie k-Means Clustering kann man in diesem spezifischen Datensatz 11 sensorische Cluster (vgl. Abb. 3 links), wie malzbetonte Biere (1), Weizenbiere (2), Helle Vollbiere (5, 9, 11), mit Fehler (3), hopfenbetonte Biere (4), Dunkle Biere (6), Pilsbiere (7), hefebetonte Biere (8) und internationale Lagerbiere (10) identifizieren.

Vergleicht man diese Cluster mit definierten Spezifikationen des Bierstils oder der genauen Marke, so erkennt man den Grad der Qualitätserfüllung. In Abb. 3 sind 7 Pilsbiere (A-G) der gleichen Marke unterschiedlicher Abfüllungen zu sehen. Das erwünschte Profil bzw. die Spezifikation dieses Produktes zeichnet sich durch ein blumiges, hopfenwürziges Aroma und eine moderat ausgeprägte Bittere aus.

Probe B weist malzige, getreideartige Eindrücke auf, Probe E eine wenig ausgeprägte Rezenz sowie verminderte Vollmundigkeit und Probe G zeigt Zeichen von Fehlaromen, genauer von Alterung. Diese 3 Proben weichen somit von den sensorischen Spezifikationen dieses Produktes ab. Im Parallel-Plot (Abb. 3 rechts) sind dieselben Abweichungen zu erkennen, jedoch weniger übersichtlich.

Abb. 3: Links: k-Means Clustering der analysierten Proben (Loading-Plot analog zu Abbildung 1), in Cluster 7 wurden 7 Abfüllungen des gleichen Produktes mit A-G markiert; rechts: Parallel-Plots aller Kategorien und Attribute derselben Proben.

Zusammenfassung

Das adaptive, multisensorische Profilschema für vielfältige Bierstile wurde entwickelt, um die deskriptive sensorische Analyse zu erleichtern. Durch seinen Aufbau und die Anpassungsfähigkeit an den Verkoster, werden nur tatsächlich relevante Attribute bewertet. Diese Schemaart ist variabel erweiterbar, so dass eine weitere Kategorie wie Schaum hinzugefügt oder auch zusätzliche Attribute für Kategorien wie z. B. Farbe oder Bittere integriert werden könnten. Die Visualisierung mittels multivariaten Methoden erlaubt ein schnelles Feedback für die Verkoster und das Einordnen von Produkten in die Gesamtheit aller Produkte. Der Hauptvorteil liegt darin, dass die Bewertung nicht vom sensorischen Gedächtnis einzelner Verkoster abhängig ist, so dass eine entsprechende Qualitätskontrolle über lange Zeiträume und bei fluktuierender Panelzusammensetzung stattfinden kann.