Die Lebensmittelindustrie ist ein wichtiger Industriezweig in Deutschland, dem drittgrößten Exporteur am Weltmarkt. Die Herausforderungen, vor denen die Unternehmen der Branche stehen, sind enorm: Zu einer gleichbleibend hohen Qualität und Kosteneffizienz in der Produktion kommen unter anderem der hohe Preisdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel und das aktuelle Verbot von Werkverträgen, das weitere Steigerungen bei den Arbeitskosten erwarten lässt. Automatisierungslösungen, die in der Vergangenheit nicht wirtschaftlich genug waren, weil manuelle Arbeit preiswerter und Automatisierung in der Regel kapitalintensiv war, geraten wieder verstärkt in den Fokus der Lebensmittelproduzenten, da sie auch unter erschwerten Rahmenbedingungen weiteres Wachstum realisieren müssen.
Automatisierung durch Stabilisierung
Aber Automatisierungstechnik muss in der Lebensmittelbranche vielen Ansprüchen und Normen gerecht werden: Sie soll geringe Investitionskosten verursachen, ein schonendes Produkt-Handling garantieren, aber auch schnelle Durchlaufzeiten und hohe Hygienestandards mit sich bringen. Lebensmittel sollen wie gerade frisch zubereitet zum Kunden kommen – Form, Farbe und Konsistenz müssen höchsten Qualitätsansprüchen genügen.
Vorteile des Frostens
Was der Arbeit mit Lebensmitteln von Natur aus innewohnt, sind Produkte, die sich sowohl in ihren Formen als auch in ihrer Beschaffenheit unterscheiden. Sie können weich und instabil sein, aber zusätzlich auch heiß, feucht und paniert, was das Handling zu einer komplexen Angelegenheit macht.
Hier kann es eine Lösung sein, die Produkte durch Kälte zu stabilisieren, um so ein automatisches Handling zu ermöglichen. Manchmal reicht es schon, unter ein bestimmtes Temperaturniveau zu kühlen, um die entsprechende Stabilität zu erreichen. Manchmal ist hierzu aber auch ein Frosten der Oberfläche des Produktes notwendig.
Um diesen Prozessschritt innerhalb einer Produktionslinie bei hoher Leistung zu realisieren, muss dem Produkt innerhalb kurzer Zeit sehr viel Kälteenergie zugefügt werden. Das ist häufig nur möglich, indem man kryogene Kälte einsetzt. Air Liquide hat für diesen Einsatz verschiedene Froster und Verfahren entwickelt, die sich für diesen Anwendungsfall sehr gut eignen. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis.
Verpacken von Hacksteaks
Das Produkt wurde bisher manuell verpackt, weil durch die marinierte und haftende Oberfläche kein automatisches Greifen möglich war. Auch konnte ein Verschmutzen der Verpackungsmaschine sowie insbesondere der Siegelränder der Verpackung durch herabtropfende Marinade nicht verhindert werden. Erst durch ein „Anhärten” der Marinade auf der Produktoberfläche wurde es möglich, einen Pick-Roboter mit einem Vakuumgreifer einzusetzen.
Für die Anwendung wurde der Crust Flow P eingesetzt. Dieser besitzt ein spezielles Polyesterband, das mit flüssigem Stickstoff getränkt wird. Zusätzlich wird das Produkt von oben mit flüssigem Stickstoff besprüht. Dadurch wird die komplette Oberfläche angehärtet und das Hacksteak kann automatisch weiter verpackt werden. Die Linienleistung konnte dadurch mehr als verdoppelt werden, bei gleichzeitiger Verringerung des Linienpersonals. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass dieses spezielle Produkt keine Tiefkühlware ist, sondern nur gekühlt (2 °C bis 7 °C) vertrieben wird.
Schnelles Abkühlen heißer Produkte
Viele Produkte der Lebensmittelindustrie werden in der Regel bereits fertig gegart verkauft oder sie erfordern für die Verarbeitung zwingend eine vorherige Erwärmung. Häufig kann der nächste Prozessschritt erst dann stattfinden, wenn das Produkt wieder abgekühlt ist. Hierzu sind oft lange Kühlstrecken oder zusätzliche Kühlräume notwendig, welche oft mit weiteren Handlungsschritten verbunden sind. Lange Kühlzeiten sind nicht selten mit erheblichen Qualitätseinbußen verbunden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Sushi-Produktion. Der Reis muss vor der Verarbeitung gekocht, dann aber wieder auf die optimale Verarbeitungstemperatur heruntergekühlt werden. Das Kochen geschieht in der Regel in einem Batchprozess, nach dem der Reis in einem Kühlraum abgekühlt wird. Für die Reiszubereitung bedeutet dies einen erheblichen Aufwand, wobei oft hinzukommt, dass der Reis durch den Kühlprozess leider eine matschige Konsistenz erhält.
Eine Lösung ist in diesem Falle die Installation eines kryogenen Frosters, welcher den Reis inline mit einer Leistung von 1000 kg/h von ca. 90 °C auf unter 20 °C abzukühlen vermag. Das bedeutet für den Kunden weniger Handlungsaufwand, womit auch eine deutliche Kostensenkung einhergeht. Außerdem kann der Platz im Kühlhaus anderweitig genutzt werden. Für diesen Anwendungsfall wurde
eine speziell für den Kunden entwickelte Variante des Crust Flow P eingesetzt.
Mehrkopfwaage
Mit einer Mehrkopfwaage kann man lose rollende Produkte grammgenau und automatisch verpacken. Das funktioniert sehr gut bei Produkten, die keine klebrige oder feuchte Oberfläche haben. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist der Einsatz einer Mehrkopfwaage nicht möglich. Durch Anhärten der Oberfläche mit Hilfe von Kälte kann man das Einsatzspektrum der Mehrkopfwaage deutlich erweitern. Das Konzept wurde bereits bei vielen Produkten erfolgreich eingesetzt, wie z. B. bei Hähnchenfiletstreifen, geschnittener Bratwurst, Thunfisch und Mozzarella-Kugeln.
Auch hierfür hat Air Liquide spezielle Froster wie den Zip Roll im Portfolio, die speziell für das Kühlen oder Frosten von lose rollenden Produkten entwickelt wurden und die aufgrund ihrer geringen Größen problemlos in bestehende Produktionslinien integriert werden können.
Fazit
Mit der richtigen Technologie und der hohen Kälteleistung von kryogenen Gasen ergeben sich zusätzliche Automatisierungspotenziale und damit verbunden auch Kostensenkungen. Allerdings, so sagen es die Experten von Air Liquide, sind dies keine Lösungen von der Stange, sondern es bedarf hier immer individueller, auf die Produkte des Kunden zugeschnittener Konzepte.