„Kleinvieh macht auch Mist!“

Nachgefragt bei Lutz Wildermann von Klim zur CO2-Reduktion in der Landwirtschaft

Agrarökonom Lutz Wildermann unterstützt mit seinem Start-up Klim landwirtschaftliche Betriebe beim Umstieg auf regenerative Maßnahmen wie Decarbonisierung. Auf der VGMS-Getreidetagung vor Kurzem in Weihenstephan erläuterte Wildermann, wie viel Einsparpotential in der Landwirtschaft steckt und ob Verbraucher überhaupt bereit sind, mehr für Klimaschutz zu bezahlen. Dabei ist sich Wildermann sicher: „Klimaschutz kann sich vom Kostenfaktor in ein attraktives Geschäftsmodell wandeln!“

Wie groß ist der Beitrag der Landwirtschaft am Gesamtausstoß von CO2?

Lutz Wildermann: Der Beitrag der Landwirtschaft am Gesamtausstoß beträgt in Deutschland rund sieben Prozent, global ist er mit 24 Prozent deutlich größer. Besonders spannend wird es, wenn wir uns den CO2-Fußabdruck der Lebensmittel ansehen: Knapp 80 Prozent aller Emissionen stammen aus der Primärproduktion. Beim Weizenmehl aus Deutschland kommen beispielsweise 82 Prozent direkt aus dem Getreidekorn. Somit ist der Hebel in der Landwirtschaft besonders groß, den CO2-Fußabdruck von Lebensmitteln zu reduzieren.

Einen Lösungsansatz zur CO2-Speicherung bietet die regenerative Landwirtschaft. Wie sieht der Lösungsansatz konkret aus?

Wildermann: Für die regenerative Landwirtschaft gibt es keine einheitliche Definition. Im Wesentlichen geht es darum, das System Boden-Pflanze zu stärken. Darüber gelangen wir zu einer effizienteren Lebensmittelproduktion, die mit weniger Inputs auskommt und langfristig stabilere Erträge liefert. Die Prinzipien dahinter sind nicht neu. Sie ähneln stark der guten fachlichen Praxis, werden aber sehr konsequent angewendet.

Wie viel CO2 lässt sich durch Maßnahmen der regenerativen Landwirtschaft speichern?

Wildermann: Wir unterscheiden stark zwischen CO2-Reduktionen durch einen verminderten Einsatz von Betriebsmitteln wie zum Beispiel Düngemittel oder Diesel und der CO2-Speicherung durch die langfristige Bindung von organischem Kohlenstoff im Boden. Bei Ersterem gehen wir von möglichen 20 bis 30 Prozent Einsparungs- und Effizienzsteigerungspotenzial aus.

Bei Letzterem rechnet das Thünen-Institut mit rund 3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, die durch Humusaufbau in deutschen Ackerböden gespeichert werden können. Verglichen mit den Gesamtemissionen Deutschlands, die laut Umweltbundesamt 2022 bei knapp 670 Millionen Tonnen CO2 lagen, mag das nicht viel erscheinen, aber auch „Kleinvieh macht Mist“. Diese Klimaschutzleistung müsste andernfalls über Carbon-Capture and Storage (CCS) in Bergstollen verpresst werden. Verflüssigt und in Kesselwagen verladen, ergäbe das jährlich einen Zug, der mit 600 km Länge so lang wäre, wie die Strecke München-Berlin.

Klim will Klimaschutz wirtschaftlich attraktiv machen. Wie funktioniert das?

Wildermann: Klim will zuvorderst die regenerative Landwirtschaft verbreiten. Um das zu erreichen, vergüten wir den landwirtschaftlichen Betrieben die schönste Nebensache der regenerativen Landwirtschaft: Nämlich den verminderten Ausstoß von CO2 und die CO2-Speicherleistung. Landwirte können dabei betriebs- und flächenindividuell entscheiden, in welchen Bereichen von Fruchtfolge bis Pflanzenschutz sie aktiv werden wollen.

Die finanziellen Mittel für die Vergütung stammen zum überwiegenden Teil von Lebensmittelunternehmen, die damit den CO2-Fußabdruck der Lebensmittel reduzieren können. Die Leistungen der Landwirtschaft bleiben somit in der Wertschöpfungskette und am Lebensmittelprodukt gebunden. Über ein optionales Lebensmittel-Label machen wir die Leistungen der Landwirtschaft gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern sichtbar.

Sind Konsumierende wirklich bereit, den Mehrpreis für „klimapositive Lebensmittel“ zu bezahlen?

Wildermann: Klimapositive Lebensmittel gibt es nicht. Fast überall, wo Wirtschaftsleben stattfindet, fallen Emissionen an. Wir können diese Emissionen aber reduzieren. Und hier sehen wir, dass das Wertversprechen „Gut für den Landwirt und gut für das Klima“ in immer größer werdenden Milieus und Verbraucherschichten sehr gut ankommt.

Für eine große Bäckereikette labeln wir Brote mit der Banderole „Dieses Produkt fördert regenerative Landwirtschaft und schützt das Klima“. Die Bäckerei-Kette bestätigt uns, dass trotz Aufpreis mehr statt weniger Brote verkauft werden. Das wiederum beweist uns, dass wir Klimaschutz sukzessive vom Kostenfaktor in ein attraktives Geschäftsmodell wandeln können.

Wie können Landwirte, die bereits heute viele Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt haben, an Ihrem Geschäftsmodell partizipieren?

Wildermann: Bisher ist es so, dass wir Landwirte für die absolute Klimaschutzleistung pro Tonne CO2 vergüten. Wir sehen aber Zeichen des Handels, Landwirte auch für niedrigere CO2-Fußabdrücke honorieren zu wollen. Wenn wir das schaffen, können Betriebe, die in der Vergangenheit bereits gut gewirtschaftet haben, auch in der Zukunft profitieren, indem ihr CO2-Fußabdruck geringer ist als die Benchmark. Genau darauf arbeiten wir mit unseren Partnern hin.

Interview: Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft, VGMS

 

 

Klimaschutz kann sich vom Kostenfaktor in ein attraktives Geschäftsmodell wandeln!

Zum Verband

Im Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) sind 575 Unternehmen organisiert, von mittelständischen, familiengeführten Unternehmen bis hin zu großen internationalen Konzernen. In den Betrieben werden rund 15 Mio. t landwirtschaftlicher Rohstoffe verarbeitet, unter anderem Weizen, Roggen, Hafer, Hartweizen, Mais, Reis und Stärkekartoffeln. Mit ihren rund 12.000 Mitarbeitern erwirtschaften die im VGMS zusammengeschlossenen Branchen einen Umsatz von etwa 7,5 Mrd. €.

Zur Person

Agrarökonom Lutz Wildermann ist passionierter Landwirt im Emsland und Head of Agriculture bei Klim. Das Start-up versteht sich als digitaler Begleiter für Landwirt:innen beim Umstieg auf regenerative Maßnahmen mit dem Ziel, die Landwirtschaft zu decarbonisieren.