Interview mit Siv Biada, Leiterin DLG-IPZ:
Das ReNuWi-Projekt ist ‚out of the box`
„Reihenbezogener Ackerbau mit reduziertem chemischen Pflanzenschutz und Förderung von Nützlingen und Wildkräutern in der Fläche“: Dafür steht die Abkürzung ReNuWi. Im gleichnamigen Projekt kommen verschiedene pflanzenbauliche Ansätze, darunter das Strip-Till-Verfahren zur streifigen Lockerung des Bodens und die Etablierung von ein- und mehrjährigen Ackerwildkräutern zum Einsatz. Dadurch sollen Nützlinge gefördert und der Infektionsdruck im Bestand gemindert werden. Das Internationale DLG-Pflanzenbauzentrum (IPZ) ist Hauptkoordinator des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Vorhabens. IPZ-Leiterin Siv Biada erläutert im Interview, warum das ReNuWi-Projekt beispielhaft für „out of the box“-Strategien im Pflanzenbau ist. „Pflanzenbau out of the Box“ ist das Leitthema der DLG-Feldtage 2024, die vom 11. bis 13. Juni auf dem Gut Brockhof im Herzen der Soester Börde stattfinden.
DLG: In welcher Weise verfolgt das ReNuWi-Projekt einen Ansatz, der „out of the box“ für den Pflanzenbau ist?
Siv Biada: Das ReNuWi-Projekt ist nach meiner Auffassung von Grund auf „out of the box“. Mit dem reihenbezogenen Anbau im Strip-Till-Verfahren, der ohne flächige Bodenbearbeitung auskommt, vollbringen wir zum einen Anpassungsleistungen an den Klimawandel und fördern zum anderen die Bodenstabilität und -gesundheit im Zwischenreihenbereich. Gleichzeitig schaffen wir für die Kulturarten möglichst optimale Bedingungen im gelockerten Boden.
Inwiefern zahlt das ReNuWi-Projekt auf das Ziel ein, den Pflanzenbau noch nachhaltiger zu gestalten?
Der durch Lebendmulch bedeckte Zwischenreihenbereich bietet Verdunstungsschutz und ein stabiles Gefüge für Bodenorganismen sowie einen echten Anziehungspunkt für Nützlinge im Ackerbau. Das fördert den Biodiversitätserhalt und ist vor dem Hintergrund zunehmender Hitzeperioden bedeutsam.
Wie praxistauglich sind die im Projekt erprobten Ansätze?
Im Projekt war uns vor allem eine breite Akzeptanz und Anwendbarkeit des Verfahrens für möglichst viele Betriebe mit ihren verschiedenen Ausrichtungen wichtig. Mit den unterschiedlichen Mischungsvarianten lassen sich Ableitungen auch für andere Kulturen und Wildkräuter realisieren. Für die individuelle Stärkung der Biodiversität sollten dabei je nach Standort regionale Arten einbezogen werden.
Welche Voraussetzungen müssen landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer mitbringen, um die Ansätze im ReNuWi-Projekt auf ihrem Betrieb einzusetzen?
Vor allem Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Verfahren, Offenheit für Innovationen und auch Investitionsfreude. Pflanzenschutzmaßnahmen und -ausbringmengen im konventionellen Anbau können zwar durch die im ReNuWi-Projekt praktizierten Ansätze reduziert werden. Für eine gezielte Anwendung in der Kultur sind aber in vielen Betrieben technische Investitionen nötig. Je nach Bodenart und Witterung bieten vor allem Herbizidmaßnahmen Einsparpotenziale durch die im Projekt erprobte Applikation im Band. Auf Grund der veränderten Bestandsarchitektur wird im Getreide ein Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden reduziert.
Wie wirken sich nach bisherigen Erkenntnissen die Reduzierung von chemisch-synthetischem Pflanzenschutz und die Integration von Ackerwildkräutern im reihenbezogenen Ackerbau auf die Bodengesundheit, Erträge und Biodiversität aus? Gibt es hier Unterschiede nach Kulturpflanzen im Versuch?
Im vergangenen Jahr, in dem sich die Wildkräuter im ersten Jahr etabliert hatten, konnten wir im Getreide, Mais eingeschlossen, keine Ertragseinbußen bei allgemein sehr geringem Ertragsniveau feststellen. In der Ackerbohne hat das System noch deutlich Potenzial zur Weiterentwicklung. Hier optimieren wir in diesem Jahr, indem wir das Zeitmanagement der Zwischenreihenpflegemaßnahmen und die Technik anpassen. Die mikrobielle Aktivität im Boden untersuchen wir derzeit mit der Teebeutel-Methode nach erfolgreicher Etablierung der mehrjährigen Arten der Wildkräuter.
Wie genau funktioniert die Teebeutel-Methode?
Bei der Teebeutel-Methode werden Teebeutel über einen festgelegten Zeitraum vergraben. Vor dem Einsetzen in den Boden wird jeder Teebeutel gewogen. Nach der Entnahme aus dem Boden werden die Teebeutel gewaschen, getrocknet und erneut gewogen. So können wir die durch Mikroorganismen gefressene beziehungsweise umgesetzte Teemenge quantifizieren. Darüber können wir rückschließen, bei welcher Art der Zwischenreihenmischung oder Kulturart mehr Bodenaktivität in Form von Fraßaktivität vorhanden ist.
Wie wirken sich die im Projekt erprobten neuen Technologien und pflanzenbaulichen sowie technischen Maßnahmen in der Bestandspflege aus: Wie gut gelingt der rein mechanische Pflanzenschutz?
Ein rein mechanischer Pflanzenschutz ist an unserem Standort aktuell nicht effizient vorstellbar. Die Streifenbearbeitung allein regt derart viele unerwünschte Arten zur Keimung an, dass dies sowohl die Kulturarten als auch die gewünschten Wildkräuter in ihrer Etablierung unterdrückt. Mit der Bandspritzung können wir je nach Breite des Bandes circa 50 Prozent Herbizid einsparen. Für Aussagen zum Einsparpotenzial bei Fungizid und Insektizid warten wir noch auf das dritte Versuchsjahr, das unter völlig anderen Witterungsbedingungen wieder neue Herausforderungen, aber auch Ideen bringt.
Interview: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
Zur Person: Siv Biada
Siv Biada ist Agrarwissenschaftlerin und Leiterin des Internationalen DLG-Pflanzenbauzentrums (IPZ) in Bernburg-Strenzfeld in Sachsen-Anhalt. Das IPZ ist ein innovativer Ackerbaubetrieb am Südrand der Magdeburger Börde. Das IPZ ist dabei Standort für anwendungsorientierte Forschung sowie Initiator und Partner in zahlreichen Projekten für Ackerbau, Digitalisierung und Netzwerkkoordination.
Mehr Informationen zum Internationalen DLG-Pflanzenbauzentrum finden Sie hier.
Das ReNuWi-Projekt
Im Projekt „ReNuWi“ stehen die Reduzierung des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes und die Förderung von Nützlingen und Wildkräutern in der Fläche im Vordergrund. Die Etablierung von ein- und mehrjährigen Ackerwildkräutern zwischen den Kulturreihen wird durch bestimmte angepasste Saatzeitpunkte und verschiedene Bearbeitungs- und Pflegemethoden gefördert. Die erwarteten positiven Effekte, die sich aus dem Strip-Till-Verfahren, also der streifigen Lockerung des Bodens, im späteren Saathorizont der Kulturen und der Zwischensaat mit Wildkräutern ergeben, sind die bessere Bestandsdurchlüftung, mehr Bodenvolumen pro Pflanze und die Einzelpflanzenförderung.
Die DLG ist Hauptkoordinator des Projekts und verantwortet die Versuchsanlage sowie die Bestandsführung der Kulturarten und Pflege der Zwischenreihenbereiche in Kooperation mit der Hochschule Anhalt und der Schmotzer Hacktechnik GmbH. Das Projekt ist im August 2021 an den Start gegangen und läuft bis Ende des Jahres 2024.
Mehr Informationen zum Projekt finden Sie hier.