Weizen: Von einem Wildgras mit geringer Ernährungsqualität zu goldenen, prall gefüllten Ähren, deren Körner hervorragendes Mehl mit hoher Backqualität liefern können. Durch die über tausende von Jahren fortwährende Selektion auf für den Menschen vorteilhafte Merkmale und insbesondere durch die Pflanzenzüchtung in den letzten Jahrzehnten wurde Weizen zu einer zentralen Kulturart für die globale Ernährung. Jedoch ist die Produktion zunehmend von widrigen Umweltbedingungen und dem Verlust von Anbauflächen bedroht, was vor allem durch den Klimawandel verstärkt wird. Durch den gleichzeitig steigenden Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Weltbevölkerung sind allerdings weitere Produktionssteigerungen unerlässlich. Die Pflanzenzüchtung ist hierbei zentrales Werkzeug zur Bewältigung dieses Problems. So befasst sich mein Promotionsprojekt mit den zugrundeliegenden Pflanzeneigenschaften der durch die Pflanzenzüchtung erzielten Ertragssteigerungen in den letzten 60 Jahren. Dabei analysieren meine Projektpartner und ich die Quelle-Senke-Beziehungen innerhalb der Pflanze, die über die gesamte Vegetationsperiode die Ertragsbildung beeinflussen. Wir berücksichtigen hierbei unvorteilhafte Umweltbedingungen wie Trockenstress und eine reduzierte Stickstoffversorgung.
Dank des Preisgelds des Internationalen DLG-Preises hatte ich die Möglichkeit, im September 2024 am Internationalen Weizenkongress in Perth teilzunehmen. Mit insgesamt über 850 Teilnehmern waren Wissenschaftler aus der ganzen Welt vor Ort, um ihre Arbeiten vorzustellen. Für mich war dies eine großartige Gelegenheit, Wissenschaftler meines Fachgebietes kennenzulernen, wiederzutreffen und mit ihnen interessante Gespräche zu führen. Solche Gelegenheiten sind in der Wissen-schaft essenziell, um eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren, zu diskutieren und um wertvolle Impulse für die weitere Forschung zu erhalten. Dies hilft nicht nur meiner Arbeit an meinem Promotionsprojekt enorm weiter, es hat mir durch die Vorträge und Gespräche auch viele Einblicke in die Landwirtschaft in Australien vermittelt. Vor allem im Hinblick auf den Umgang mit dem Klimawandel in der Landwirtschaft kann man als Deutscher in Australien viel lernen, da viele Szenarien dort bereits Alltag sind, die uns in naher Zukunft betreffen werden oder uns bereits in abgeschwächter Form betreffen.
Die Unterschiede zur europäischen und insbesondere zur deutschen Landwirtschaft sind sehr groß. ‘‘Überdimensioniert‘‘ ist dabei ein Adjektiv, welches mir auf meiner Reise durch Australien immer wieder vor allem beim Thema Landwirtschaft in den Kopf gekommen ist. In den landwirtschaftlich genutzten Gebieten reichen die Äcker und Weiden bis zum Horizont. Durch den Wechsel in die südliche Hemisphäre sollten aufgrund der Verschiebung der Jahreszeiten die meisten Abläufe einmal um etwa sechs Monate verschoben sein – so dachte ich zumindest. Doch tatsächlich ist dies nicht so einfach, da beispielsweise in Western Australia extreme Sommertrockenheit in Kombination mit Winterfrösten den Pflanzenbau herausfordern. So kann die Winterweizenaussaat je nach Ausprägung der Sommertrockenheit um drei Monate zwischen April und Juni variieren. Dabei ist aber die Herausforderung, bei einem derart breiten Aussaatfenster den optimalen Zeitpunkt für das Ährenschieben und somit den Blühzeitpunkt für die jeweiligen Standortbedingungen zu treffen, um Frostschäden an der Blüte und somit Ertragseinbußen zu vermeiden. Primäre Zuchtziele für Winterweizen in Australien sind neben dem Ertrag vor allem zwei Merkmale, die den Ertrag direkt beeinflussen: Zum einen die Frosttoleranz in generativen Entwicklungsstadien, zum anderen eine lange Koleoptile, die eine tiefere und damit frühere Aussaat in noch feuchte Bodenschichten ermöglicht. Ein weiterer Unterschied ist die im Vergleich zu Deutschland deutlich geringere Zielpflanzendichte von etwa 150 Pflanzen je Quadratmeter. Geerntet wird dann zwischen September und Dezember mit Weizenerträge zwischen etwa 1,5 und 2,0 t/ha. Unter solchen Umständen ist der Ackerbau finanziell nur über große Flächen, minimalen Produktionsmitteleinsatz und ein durchdachtes Risikomanagement tragbar. Die standortgezielte Sortenentwicklung durch Pflanzenzüchter ist dort also auch angesichts des Klimawandels besonders wichtig zur Sicherung einer erfolgreichen Pflanzenproduktion.
Im Anschluss an den Internationalen Weizenkongress hatte ich außerdem die Möglichkeit, die nationale Wissenschaftsagentur Australiens (CSIRO) in Canberra sowie die University of Queensland in Brisbane zu besuchen. Dort konnte ich mich jeweils mit weltweit führenden Wissenschaftlern im Bereich Pflanzenphysiologie, Phänotypisierung und Genotyp-Umwelt-Interaktionen treffen. Dies hat mir insbesondere für das weitere Vorgehen an meinem Forschungsprojekt geholfen, gleichzeitig konnte ich wertvolle Kontakte für die Zukunft knüpfen.
Beim Reisen durch Queensland in Ostaustralien durfte ich dann noch einmal eine ganz andere Seite der Landwirtschaft in Australien kennenlernen. Dort wird hauptsächlich mehrjähriges Zuckerrohr angebaut, welches prinzipiell das ganze Jahr über gepflanzt und geerntet werden kann. So sah ich dort zur gleichen Zeit neu gepflanzte Flächen und laufende Ernten – ein sehr ungewohnter Anblick. Wie in ganz Australien wird Ackerbau häufig in Kombination mit Tierhaltung betrieben. Das konnte ich vor allem in Queensland beobachten, wo auf riesigen Weiden bis zum Horizont tausende von Rindern stehen. Dazwischen sieht man manchmal Kamele, Schafe und natürlich Kängurus. Als Weiden werden dort häufig steppenartige Flächen oder Wälder genutzt.
Neben allen fachlichen Erfahrungen, die ich in Australien machen durfte, muss ich natürlich erwähnen, dass ich dort auch in meiner Freizeit wunderbare Erfahrungen machen konnte. Die Australier sind extrem nette Menschen, und fast alles, was ich dort in der Natur und beim Erkunden vor die Augen bekommen habe, hat mich immer wieder fasziniert und begeistert. Alles in allem war es für mich eine unvergessliche Reise, für die ich sehr dankbar bin.