Trends bei der Nacherntetechnologie
Dr. sc. agr. Hansjörg Nußbaum, Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW Aulendorf)
Landwirte bauen ihre Kulturen über eine ganze Vegetationsperiode hinweg an, investieren in Aussaat, Düngung und Pflege sowie Erntemaßnahmen. Ihr Ziel ist es, hochwertige Produkte – meist Lebens- oder Futtermittel oder Energie – zu erzeugen. Verluste, mechanische Beschädigungen oder Verderb nach der Ernte mindern ihre Verkaufserlöse bzw. die Verwendung im eigenen Betrieb. Gleichzeitig steigen die Erwartungen der aufnehmenden Hand an qualitativ hochwertige Produkte mit möglichst homogenen Eigenschaften (konsistente Produktqualität). Hinzu kommen Vorstellungen der Verbraucher hinsichtlich nachhaltiger (Energieeffizienz) und ethisch vertretbarer Produktion (reduzierter Einsatz von Betriebsmitteln, Rückverfolgbarkeit).
Erhalt von Ernteprodukten in Menge und Qualität
Hier setzt die Nacherntetechnologie an. Sie beinhaltet alle Verfahren, Geräte und Methoden, die Ernteprodukte in ihrer Menge und Qualität erhalten, dabei vielfach auf Automatisierung setzen und gleichzeitig die Arbeitsergonomie verbessern. Nach der Ernte auf dem Feld gilt es, Beschädigungen oder Verluste auf dem Hof bzw. im Lager oder in der Aufbereitung zu minimieren, häufig durch Kühlung oder Trocknung bzw. schonende Förderung. Schon bei der Einlagerung wird nach der geplanten Verwendung sortiert (z. B. nach Größe, Gewicht, Inhaltsstoffe, Farbe oder andere Qualitätsmerkmale) und unerwünschte Beimengungen (z. B. Erde, Steine, beschädigte oder kranke Ernteprodukte sowie andere Pflanzenteile) werden entfernt. Nacherntetechnologien verbessern die Lagerstabilität und schützen vor dem Verderb oder Abbau von inneren und äußeren Qualitätsmerkmalen.
Nacherntetechnologie ist demnach ein weites Feld mit unterschiedlichen Maschinen, Geräten und Verfahren und betrifft eine Vielzahl von Kulturen sowie Ernteprodukten. Daher soll im Folgenden zunächst auf einige generelle Trends und im zweiten Teil vor allem auf Druschfrüchte und Kartoffeltechnologien eingegangen werden. Wobei die Kartoffeln auch stellvertretend für eine ganze Reihe von Gemüsearten gelten können.
Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen Technologien, die auf dem (spezialisierten) landwirtschaftlichen Betrieb zum Einsatz kommen können. Technologien der aufnehmenden Hand können ähnliche Methoden enthalten, sind aber nicht vorrangig Gegenstand der vorliegenden Betrachtung. Werden in den nachfolgenden Ausführungen Firmen und Produkte genannt, sind diese Nennungen nicht umfassend und abschließend, sondern beispielhaft aufgeführt.
Generelle Trends bei Nacherntetechnologien
- Volle Automatisierung von Maschinen und Techniken mit intelligenter Steuerung und selbstlernenden Einheiten (Selbstregulierung) mit kontinuierlicher Prozessverbesserung
- Dabei Integration in cloudbasierten Farmmanagementsystemen (FMS) mit datengetriebener Prozessüberwachung unter Einsatz von KI
- IoT-Anbindung an Ferndiagnose und Fernwartung, verbunden mit weniger und vor allem ungeplanten Ausfallzeiten und folglich hoher Effizienz der Hightech-Verfahren (Performance-Optimierung)
- Präzise und effektive Reinigung durch Online-Sensortechnik mit hohen Reinigungsgraden und Vermeiden von Qualitätsverlusten (Bruch, kranke oder beschädigte Produkte)
- Zunehmend optische Sortierung mittels Kameras, Lasern, Infrarot- und hyperspektraler Bildgebung, teilweise kombiniert mit NIR-Analytik und Künstlicher Intelligenz für präzise und vollautonome Trennung in qualitativ unterschiedliche Partien bzw. Ausschuss
- Hohe, nachhaltige Energieeffizienz durch Nutzung von Abwärme, Solarenergie, Biomasse oder Wärmepumpen (Stichwort: Low Emission)
- Durchgängige Dokumentation der Prozesse
Druschfrüchte
Reinigung und Sortierung von Druschfrüchten gehen oft Hand in Hand. Bei der Reinigung müssen Fremdstoffe (Steine, Metallteile wie Schrauben etc.), Staub, Schalen, Unkrautsamen sowie beschädigte oder kranke (Schimmel) Körner entfernt werden. Im Einsatz sind bewährte physikalische Techniken wie Siebe, unterstützt durch gezielte Luftströme und Zyklone, die mit modernen Feuchte- und Luftstromsensoren zur automatischen und intelligenten Selbstregulierung kombiniert werden, die z. B. je nach Verschmutzungsgrad Anpassungen vornehmen (Bühler, Petkus, Cimbria). Hinzu kommen Infrarot- und Kamerasysteme zur präzisen und effektiven Fremdkörpererkennung. Gleichzeitig kann damit eine Sortierung vorgenommen werden. Neben Sieben sind neue optische, teilweise hyperspektrale Sortierer im Kommen, oft in Kombination mit Lufttechnik (z. B. Petkus FTS, Bühler Sortex J, Cimbia SEA.CX). Unter die „Optical Sorter“ fallen auch Techniken, die mit NIR-Spektroskopie arbeiten (u. a. Cimbria, Bintec ), teilweise jedes einzelne Korn analysieren (BoMill InSight) und nach Qualität, wie beispielsweise der Proteingehalt, sortieren können.
Druschfrüchte mit zu hohem Feuchtegehalt müssen nach der Ernte gekühlt oder getrocknet werden. Bei der Kühlung ist vor allem die Wahl der Pumpen und Kühlmittel für die Effizienz und Energie- bzw. Umweltbilanz wichtig. FrigorTec stellt dazu auf der Agritechnica die Weiterentwicklung der bewährten Kühlgeräte mit besserem Kühlmittel (mit sehr niedrigem GWP-Wert gegen Null) und einem neuen Kältekreislauf vor (Granifor Europe green). Damit werden die Umweltwirkungen durch das Kühlmittel deutlich reduziert und die gesetzlichen Vorgaben innerhalb der EU (GWP <150) unterschritten.
Die Belüftung wird durch eine optimale, gleichmäßige Beschickung des Silos verbessert, bei der keine Zonen mit unterschiedlichem Belüftungsverhalten entstehen. Bintec hat dazu einen nicht-werfenden Verteiler optimiert. Frigor Tec bietet auch Hochtemperatur-Wärmepumpentrockner an, die sanfte, schonende Trocknung (Qualitätserhaltung) mit Wärmerückgewinnung und Energieeinsparung kombinieren. Wärmerückgewinnung aus der kompletten Trocknungsluft wird von Stela mit einem Durchlauftrockner (AgroDry Recu) erneut präsentiert. Fast alle Hersteller von Trocknungsanlagen nutzen wenigstens einen Teil der Abluft zur Wärmerückgewinnung (u. a. Skiold, Neuero, Horstkötter, Cimbria, Petkus).
Alle modernen Trocknungsanlagen sind mit Sensoren zur Überwachung und intelligenten Steuerung von Feuchtigkeit, Temperatur und Luftfeuchte in Echtzeit ausgestattet und mit einem Managementsystem verbunden. Präzise Einstellungen ermöglichen damit auch eine Reduzierung von Energie (Gas, Strom) und Verlusten (Bruchkörner). Im Trend liegen nachhaltige Anlagen, die alternative Energiequellen direkt oder indirekt nutzen können (Abwärme, Solarthermie, Biomasse, Wärmepumpen) und gleichzeitig mit Niedrigtemperatur-Trocknung die Produktqualität schonen.
Nach der Einlagerung gilt es, die Druschfrüchte laufend auf Feuchtegehalt und Temperaturentwicklung zu überwachen. Zum Einsatz kommen mit Echtzeit-Funktionen entweder kabellose Sensoren oder sogenannte „Grain Cable“, die gleichzeitig an verschiedenen Stellen und bei unterschiedlicher Füllhöhe Messwerte liefern (z. B. Bintec). Damit hat auch die intelligente Prozesskontrolle mit vernetzten, digitalen Komponenten bei Druschfrüchten von der Annahme in der Gosse bis zur Auslagerung unter dem Stichwort „Smart Drying“ zunehmende Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig wird die ganze Technik mittels IoT (und KI) überwacht und mögliche Ausfallzeiten werden mittels Predictive Maintenance vermieden.
Kartoffeln und andere Knollenfrüchte
Bei der Ernte von Kartoffeln, Zwiebeln oder anderen Knollenfrüchten erfolgt die erste mechanische Reinigung auf dem Vollernter, teilweise kombiniert mit händischer Auslese unerwünschter Bestandteile (Kartoffelkraut, Kluten, Steine, Missformen etc.). Zur Ein- oder Auslagerung erfolgt die grundlegende Sortierung, bei der nach Größe, Form, Farbe (z. B. Grünfärbungen) und Oberflächenbeschaffenheit sortiert werden kann. Ebenso nach Beschädigungen, Anomalien, Druckprellungen, Drahtwurmbefall, Trockenfäule oder Sprossen bzw. Triebe. Das Ziel ist eine präzise, effektive Sortierung bei reduziertem Arbeitsaufwand und verbesserter Arbeitsergonomie.
Dabei spielt zunächst weiterhin die mechanische Sortierung und Reinigung über Rollen-, Sieb- und Flachsiebsortierer eine wichtige Rolle. Sie sind eine zwingende Vorstufe zu weitergehenden optischen Sortierern. Diese Hightech-Sensorik arbeitet vor allem in großvolumigen Produktionsstätten bei gewaschenen Kartoffeln mit automatischen Kameras, Lasern, Infrarot- und hyperspektraler Bildgebung (z. B. CropVision von Downs, Eqrader TM von Eqraft, Raytec Vision´s Opportunity, Karevo, Celox P-UHD Newtec, Visar Sortop, Bijlsma Hercules von GeJo Grading). Selbstlernende Systeme verbessern dabei ständig die Qualität der Sortierarbeit. Neben Geräten, bei denen auch ungewaschene Kartoffeln über eine Fallstufe optisch sortiert werden (Photoshooter), sind Systeme mit 360°-Bildananlyse im Einsatz. Dazu müssen die ungewaschenen Kartoffeln zunächst zwingend gereinigt (Walzenreiniger, Blattabscheider, Bürstengeräte) und auf breiten Bändern oder Förderelementen vereinzelt dem optischen System zugeführt werden. In Kombination mit laserbasierten Geräten und/oder hyperspektraler Bildverarbeitung können dabei auch innere Defekte oder Eigenschaften aufgespürt werden (z. B. MAF Roda Sorters, GREEFA, AVEKA/Key Technology, TOMRA 3A von Tomra Food, Buhler Group/Sortex).
Künstliche Intelligenz und Machine Learning erlauben dabei adaptives Lernen mit dem Ziel, die Sortierleistung in Menge und Qualität zu verbessern. Manche Geräte sind dazu mit dem Hersteller gekoppelt, andere leisten das beim Landwirt vor Ort (Beispiel: KI-Bandsortierer für Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren von Photoheyler). Das Aussortieren der unerwünschten Bestandteile bzw. die Sortierung in unterschiedliche Fraktionen (Größe, Form etc.) erfolgt mechanisch (häufig: Flipper-Finger), pneumatisch (Druckluft) oder mittels Sortierarmen (z. B. Roboter von SiftAI). Der Trend geht hin zu leichtgewichtigen mechanischen Auswurfsystemen mit einem niedrigen Lärm- und Energieverbrauch.
Wie bei allen digitalen Maschinen und Geräten ist auch eine Echtzeit-Datenerfassung (IoT) zur Prozessüberwachung sowie Kopplung mit Managementsystemen im Trend. Das kann auch zur vorausschauenden Wartung genutzt werden. Zukunftstechnologien wie 3D-Volumenmessung direkt auf dem Vollernter sind als nächste Entwicklungsschritte angedacht.
Fazit und Ausblick
Bei der Nacherntetechnologie zeichnen sich unabhängig von Kulturart und Ernteprodukt mehrere technische Trends ab, die auf sensorgesteuerte Automatisierung (zunehmend optische Systeme), Effizienzsteigerung (vor allem bei Energie), Digitalisierung (IoT, FMS) und KI-Integration, Nachhaltigkeit (Vermeiden von Verlusten und reduzierter Betriebsmitteleinsatz) sowie Flexibilität (Skalierbarkeit) abzielen.
Foto: DLG
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