Was spricht für oder gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat?

Die Meinugen von Karin Guendel Gonzalez (Bayer CropScience) und Myriam Rapior (BUND)

Karin Guendel Gonzalez, Geschäftsführerin, Bayer CropScience Deutschland GmbH, Foto: Bayer

Karin Guendel Gonzalez, Geschäftsführerin, Bayer CropScience Deutschland

Nach Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestehen aus wissenschaftlicher Sicht keine kritischen Problembereiche in Bezug auf Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt, die einer erneuten Genehmigung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat entgegenstünden.

Die Bewertung fußt auf weit über 12.000 Studien, die von der EFSA geprüft wurden. Übereinstimmend kamen auch andere wichtige Behörden wie die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) oder die US-Umweltschutzbehörde (EPA) bereits zu dem Ergebnis, dass Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel bei fachgerechter Anwendung sicher und vor allem nicht krebserregend sind. Bei der Bewertung wurden Datenlücken benannt, was in dem Zusammenhang nicht ungewöhnlich ist. Es wurden Hinweise zu weiteren Untersuchungen für kommende Genehmigungsverfahren gegeben, für die heute vielfach noch keine Bewertungsgrundlagen existieren und daher auch keine Daten eingereicht werden können.

Nun liegt es in der Hand der EU-Kommission, einen Vorschlag zu erarbeiten, ob und wenn ja für welchen Zeitraum die Genehmigung für den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat erneuert werden soll. Im Anschluss sind wieder die EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) gefragt. Für ein (politisches) Votum für oder gegen die Erneuerung der Genehmigung für Glyphosat ist dort eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Noch ist also nichts entschieden.

Bayer begrüßt die evidenzbasierte EFSA-Beurteilung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat – nicht nur, weil sie auf vielen Ebenen den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegelt, sondern auch, weil es zu diesem Wirkstoff aus Sicht von Bayer keine echte Alternative gibt, sei es im Ackerbau oder in den Sonderkulturen.

Eine Erneuerung der EU-Genehmigung für Glyphosat ist für Bayer noch aus anderen Gründen von Bedeutung: In manchen Fällen dient die Diskussion über Glyphosat nur als Stellvertreter bzw. Vorwand für eine Diskussion über Pflanzenschutzmittel im Allgemeinen. Sollte die Genehmigung für Glyphosat nicht erneuert werden, bestünde die große Gefahr, dass dies als Präzedenzfall für andere Wirkstoffe genutzt werden könnte und zukünftig Genehmigungen für weitere Wirkstoffe verloren gehen könnten. 

Es würde sich auch die Frage für Konsumentinnen und Konsumenten stellen, inwieweit der Zulassungsprozess tatsächlich auf der Wissenschaft basiert oder eher politisch motiviert ist.

Hinzu kommt, dass kaum ein anderes Pflanzenschutzmittel so gut in nachhaltige ackerbauliche Systemlösungen passt wie Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel. Vor allem die regenerative Landwirtschaft, die durch die Klimadiskussion zunehmend an Bedeutung gewinnt, profitiert von dem Wirkstoff Glyphosat in besonderem Maße. Grundsätzlich tragen Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat wegen ihrer breiten und guten Wirksamkeit dazu bei, dass der Einsatz chemischer Herbizide insgesamt reduziert werden kann. Gleichzeitig lässt sich durch den Einsatz von Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln die Intensität der Bodenbearbeitung verringern. Das hilft, die Gefahr von Bodenerosionen zu mindern, die Anreicherung von Humus zu fördern und CO₂ einzusparen.

Das Thema Bodengesundheit wird in absehbarer Zeit weiter in den Fokus rücken. Laut Studien sollen sich rund 70 % aller europäischen Böden in keinem guten Zustand befinden. In dieser Debatte wird Glyphosat ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten können. Konservierende, bodenschonende und erosionsmindernde Anbauverfahren wie Mulch- oder Direktsaat sind ohne die Anwendung Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel kaum realisierbar.

Es gibt darüber hinaus gute Argumente für Glyphosat mit Blick auf die Biodiversität im und über dem Boden. Die pfluglose Bodenbearbeitung in Verbindung mit der Anwendung Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel ist für den Boden schonender als der Pflug und besser fürs Klima. Vergleicht man Bodenbearbeitung mit und ohne Pflug, ergeben sich eindrucksvolle Unterschiede bei den CO2-Emissionen (684 kg/ha : 307 kg/ha), bei der Erosion (6,1 t/ha : 1 t/ha) und beim Kraftstoffverbrauch (217 l/ha : 97 l/ha). Versuche haben zudem ergeben, dass die mechanische Unkrautbekämpfung zusätzliche Kosten erzeugt.

Myriam Rapior, stellvertretende Vorsitzende, BUND e.V. , Foto: BUND

Myriam Rapior, stellvertretende Vorsitzende, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)

Glyphosat ist wie andere Herbizide wesentlich beteiligt an der Verringerung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und somit ein Faktor beim Verlust an Biodiversität. Glyphosat wirkt als Totalherbizid, es schädigt oder tötet Pflanzen auf der Einsatzfläche ab – genau das macht Glyphosat auch besonders schädlich für die Ökosysteme.

Denn Glyphosat wirkt dadurch nicht nur auf die Arten, gegen die es eingesetzt wird. Zunächst sterben Gräser und Kräuter ab, die eine wichtige Futterquelle für Säugetiere, Vögel und Insekten darstellen. Im Gegensatz zu spezifisch wirkenden Herbiziden führt der Einsatz ebenfalls zu einem kurzfristigen Verlust des Lebensraums, da auf der Einsatzfläche die gesamte Vegetation betroffen ist. Auch Wasserorganismen und Amphibien werden von Glyphosat geschädigt. Dadurch wird nicht nur deren Vorkommen bedroht, sie fehlen ebenfalls als Futterangebot. Verbliebene Samen oder Insekten, welche Glyphosat aufnehmen, ohne zu verenden, werden von Vögeln oder Säugetieren gefressen. Damit reichert sich Glyphosat in deren Körper bzw. Mikrobiom an, was sich wiederum auf die Gesundheit dieser Tiere auswirkt. Eine negative Kaskade in die gesamte Nahrungskette hinein entsteht, weit über das beabsichtige Wirkspektrum hinaus.

Zudem wirken Glyphosat und seine Abbauprodukte negativ auf Bodenlebewesen und damit auf den Boden. Im Boden können Glyphosat bzw. Glyphosatabbauprodukte je nach Bodenart und Temperatur mehrere Wochen bis zu einem Jahr oder mehr nach der Behandlung vorhanden sein. Die Auswirkungen sind somit nicht nur direkt, sondern auch nachwirkend negativ für Bodenorganismen. Denn Glyphosat verändert die Aktivität und Zusammensetzung der Bodenmikroorganismengesellschaften und damit auch Abbauprozesse, Stickstoffhaushalt und Verfügbarkeit von Mikronährstoffen. Weiterhin wirkt Glyphosat toxisch auf viele Bakterienarten, darunter z. B. die Knöllchenbakterien, die für die Stickstoffbindung bei Leguminosen verantwortlich sind. Negative Effekte wurden auch für einige Pilzarten, wie z. B. Mykorrhiza-Pilze, die die Pflanzengesundheit unterstützen, beobachtet. Der Glyphosateinsatz hat damit auch direkte Folgen für gewünschte Bodeneigenschaften wie Wasserspeicherung und Nährstoffverfügbarkeit. Wie beim Blick auf die Biodiversitätswirkung gilt: zum gewollten Effekt der Beikrautregulierung entstehen auch in Sachen Bodenleben zusätzliche negative Auswirkungen.

Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile auch in Deutschland schon Nachweise von entstandenen Glyphosatresistenzen bei einigen Gräsern, Glyphosat ist auch bei uns heute kein „Allheilmittel“ mehr bei der Unkraut- und Ungräserbekämpfung. Aus BUND-Sicht wäre deshalb jetzt ein guter Zeitpunkt, sich vom Glyphosateinsatz zu verabschieden.

Auch das Argument, dass ein Einsatz von Glyphosat für den Aufbau von Humus notwendig sei, erscheint uns unglaubwürdig. Denn die Begründung, glyphosatgestützte Direktsaat und der Verzicht auf den Pflug schaffen eine Humusmehrung, greift zu kurz

Nicht nur wegen der oben dargestellten Schädigungen des Bodenlebens durch den Wirkstoff sollte auf Alternativen übergegangen werden. Erfolgreiche Beispiele in der ökologischen wie konventionellen Landwirtschaft zeigen, dass eine pfluglose Bodenbearbeitung auch ohne Glyphosat, bspw. mit Mulchsaat, möglich ist. Im Gegensatz zur glyphosatgestützten Direktsaat ist damit auch der Humusgehalt in den unteren Bodenschichten höher, und es wird das die Direktsaat oft begleitende verdichtete Bodengefüge vermieden, das entsteht, da weder mechanisch noch biologisch gelockert wird.

Schlüssel für den Humusaufbau im Boden ist ganz sicher nicht Glyphosat, sondern ein abwechslungsreiches System, das mit Anbau von humusmehrendem Kleegras, Zwischenfrüchten und Untersaaten arbeitet, in dem die unterschiedlichen Pflanzenarten mit verschiedenen Wurzeln eine Bodenlockerung durchführen und dadurch vielfältige Bodenporen schaffen, und in dem organisches Material in die Böden eingebracht wird.