Pflanzenschutz
Der Blattlaus einen Schritt voraus
KI-gestütztes Monitoring
Durch Künstliche Intelligenz (KI) soll das Blattlaus-Monitoring leistungsfähiger werden. Eine erhöhte Datenerfassung ermöglicht eine detailliertere Befallsanalyse, wodurch Vorhersagemodelle und Frühwarnsysteme optimiert und ausgebaut werden können. Diese Informationen bieten neuen Spielraum für den integrierten Pflanzenschutz.
Ertragseinbußen durch die Traubenkirschen-Hafer-Blattlaus im Weizen bei bis zu 20 Prozent
Blattläuse gehören zu den wichtigsten Schadinsekten. Weltweit gibt es mehr als 5.500 Blattlausarten, von denen etwa 250 Arten als wirtschaftlich relevant gelten. Auf lokaler Ebene liegt diese Zahl niedriger. Im deutschen Getreide spielen nur wenige Arten eine Rolle. Die Anzahl der innerhalb eines Jahres beobachteten Arten kann von Jahr zu Jahr erheblich variieren, wobei die Tendenz zu einer Zunahme der Artenzahlen besteht. Letzteres ist vermeintlich auf den Klimawandel zurückzuführen.
Wandernde Blattläuse sind im Frühjahr und Herbst von besonderer Bedeutung, da sie erste Befallsherde bilden. Durch Entzug von Nährstoffen, die Abgabe von Speichel sowie die Übertragung von Viren, beispielsweise das Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV), werden Pflanzen direkt und indirekt geschädigt, was zu Ertragseinbußen führt. Die Ertragseinbußen durch direkte Fraßschäden liegen bei der Traubenkirschen-Hafer-Blattlaus (Rhopalosiphum padi) im Weizen bei bis zu 20 Prozent. Sie gilt zudem als Hauptüberträger von BYDV. Für BYDV selbst belaufen sich die Ertragseinbußen, im Falle einer frühen Infektion, auf bis zu 50 Prozent.
Bedeutung eines Monitorings
Durch die Verringerung der verfügbaren insektiziden Wirkstoffe in Kombination mit einer Zunahme von Insektizidresistenzen gegen verbleibende Wirkstoffe steigt das Risiko von Ertragsverlusten durch Blattläuse. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, stellt das Monitoring des Blattlausaufkommens einen wichtigen Baustein dar. Daten einer solchen Überwachung erlauben neben einer gezielten Planung von Maßnahmen auch eine Verbesserung von Vorhersagemodellen. Auf dieser Basis können u. a. ackerbauliche Maßnahmen wie Virus-resistente Sorten ortsspezifisch eingeplant werden.
Ein solches Monitoring könnte auf lokaler Ebene mittels Gelbschalen und auf regionaler Ebene mittels Saugfallen durchgeführt werden. Eine große Herausforderung stellt hierbei jedoch die Auswertung der Fallenfänge dar.
Die Artbestimmung von Blattläusen
Die Identifizierung von Blattläusen erfolgt derzeit hauptsächlich durch manuelle Bestimmung mithilfe von Lupe oder Mikroskop. Die Insekten werden entweder direkt an der Pflanze oder nach dem Fang mit verschiedenen Fallen im Labor identifiziert. Dabei werden Merkmale wie Körperform, Fühlerlänge und -form sowie Färbung und Musterung genutzt. Diese Methode kann je nach Insektengruppe sehr komplex sein und erfordert ein hohes Maß an taxonomischer Expertise.
Es gibt weltweit nur wenige Fachleute für viele Insektengruppen, und die Zahl der gut ausgebildeten Taxonomen nimmt stetig ab. Trotz dieser Einschränkungen bleibt die manuelle Bestimmung die Grundlage für die Biodiversitätsforschung und integrierte Schädlingsbekämpfung. Alternative Methoden müssen sich an der Genauigkeit der manuellen Bestimmung messen lassen oder diese übertreffen.
Jüngste Entwicklungen im Bereich KI ermöglichen die Entwicklung automatisierter Lösungen zur Identifizierung und Klassifizierung von Insekten. Durch die effiziente, automatisierte Verarbeitung großer Bildmengen bieten KI-gestützte Auswertungsverfahren eine mögliche Lösung für eine zeitnahe Analyse von Fallenfängen. Darüber hinaus kann eine Analyse ortsunabhängig erfolgen, wenn es sich um eine Cloud-basierte Anwendung handelt. Ein weiterer Vorteil ist der Wegfall subjektiver Fehler bei der Bestimmung, welcher eine gleichbleibende Bestimmungsgüte erlaubt.
Grundlagen und Anwendung von Künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) umfasst Computerprogramme, die aus ihrer Umgebung lernen und Entscheidungen treffen. Maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der KI, der Algorithmen verwendet, um aus Daten zu lernen. Deep Learning, ein spezifisches Teilgebiet des maschinellen Lernens, nutzt viele Schichten künstlicher Neuronen, um komplexe Muster zu erkennen. Bei der Bildanalyse durchläuft die Software die Segmentierung, bei der Objekte im Bild erkannt und von irrelevanten Objekten abgegrenzt werden. Anschließend erfolgt die Klassifikation, bei der die erkannten Objekte einer bestimmten Klasse zugeordnet werden. Im Fall der Blattlaus-erkennung bedeutet dies, dass Blattläuse und Beifang als eigene Objekte erkannt und von Schmutzpartikeln abgegrenzt werden. Die Klassifikation bestimmt dann die Art der Blattläuse.
Die Abbildungen 1–2 zeigen exemplarisch die Segmentierung und Klassifikation anhand eines Mikroskopbildes einer Blattlausprobe. Im ursprünglichen Mikroskopbild werden zunächst die Blattlausexemplare detektiert, anschließend vereinzelt, ausgeschnitten und vertikal ausgerichtet (Abb. 1). Im nächsten Schritt erfolgt eine Übergabe zur Artbestimmung der normierten Einzelbilder in die KI. Die anschließende Visualisierung der erkannten Ergebnisse im Originalbild ermöglicht eine direkte Zuordnung für den Benutzer (Abb. 2).
Anhand eines Trainingsdatensatzes, d. h. anhand einer großen Zahl durch Experten angefertigter oder anderweitig verfügbarer Bilder von Insekten einzelner Arten, wird eine KI trainiert und ihre Leistung anhand eines Testsatzes von Bildern gelernter Arten bewertet. Zu diesem Zweck wurden 22 wirtschaftlich relevante Blattlausarten, darunter die für Getreide relevanten Arten Rhopalosiphum padi, Rhopalosiphum maidis, Sitobion avenae, Schizaphis graminum und Diuraphis noxia, speziell gezüchtet und geflügelte Blattläuse für das Training genutzt. Insgesamt wurde für alle Arten ein Trainigssatz mit ca. 10.000 Bildern erstellt.
Fazit
Lokale Bekämpfungshinweise, überregionale Daten zur Wanderung von Blattläusen sowie auf mehrjährigen Erhebungen basierende Vorhersagemodelle bilden zentrale Instrumente im Pflanzenschutz. Eine KI-gestützte Insektenbestimmung von Blattläusen bietet hierfür eine fundierte Grundlage und besitzt großes Potenzial für zukünftige Anwendungen. Sie ermöglicht sowohl zeitnahe als auch langfristige Beobachtungen, die insbesondere im Kontext des Klimawandels von hoher Relevanz sind und einen bedeutenden Nutzen für die Landwirtschaft darstellen.
Dr. Torsten Will, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz,
Quedlinburg
Torsten.Will@julius-kuehn.de
Das Projekt „Blattlausidentifikation durch Künstliche Intelligenz (AI²)“ hat sich erstmals mit der parallelen Bestimmung einer Vielzahl landwirtschaftlich relevanter Blattlausarten durch KI beschäftigt und wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Julius Kühn-Institut und der ALM GmbH im Zeitraum von 2021 bis 2024 durchgeführt. Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen der Förderung der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Landwirtschaft mit den Förderkennzeichen FKZ 28DK106A20 und 28DK106B20.