Prognosemodelle
Krankheitserreger erkennen, bevor sie sichtbar sind
Schaderreger im Getreide kommen selten überraschend, sie kündigen sich an. Wer Wetter und Wirt richtig zusammendenkt, kann gezielter und vorausschauender handeln. Prognosemodelle helfen dabei, Risiken einzuschätzen und Behandlungszeitpunkte besser zu treffen – ein Baustein für nachhaltigen Pflanzenschutz. Der folgende Beitrag ist im Getreidemagazin # 3 vom Mai 2025, eine Publikation des DLG-Verlages, erschienen.
Wenn es um Pilzkrankheiten im Getreide geht, sind Wetter und Zeit oft entscheidender, als man denkt. Zwischen dem Zeitpunkt einer Infektion und dem Auftreten sichtbarer Symptome vergeht häufig mehr als eine Woche. In dieser Zeit scheint der Bestand gesund, doch die Krankheit entwickelt sich im Verborgenen. Genau hier setzen wetterbasierte Prognosemodelle an. Sie liefern fundierte Einschätzungen darüber, wann Infektionen wahrscheinlich sind, wie sich die Krankheit weiterentwickelt und wann ein Fungizideinsatz sinnvoll ist. So unterstützen sie den Praktiker dabei, zum richtigen Zeitpunkt zu handeln und dabei Pflanzenschutzmittel gezielter einzusetzen.
Seit 1997 hat die ZEPP über 40 Entscheidungshilfesysteme (EHS) für ein weites Kulturspektrum bis zur Praxisreife entwickelt (Abb. 1). Den Pflanzenschutzdiensten der Länder kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie bereits den Entwicklungsprozess mit ihrer Expertise unterstützen sowie die Praxistauglichkeit der EHS anhand von Felderhebungen und -versuchen prüfen.
EHS, die im Rahmen der meist langjährigen Validierungsphase eine Trefferquote von mehr als 80 Prozent aufweisen, werden kostenlos über die Plattform ISIP.de – dem Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion – zur Verfügung gestellt.
Ohne Feldkontrolle geht es nicht
Für einen gezielten Pflanzenschutzmitteleinsatz sind Bestandeskontrollen unerlässlich. Der optimale Zeitpunkt dafür kann von Jahr zu Jahr sowie von Standort zu Standort stark variieren. Er richtet sich im Wesentlichen nach der Witterung und schlagspezifischen Parametern, wie z. B. der angebauten Sorte oder dem Aussaattermin. EHS, die das Erstauftreten von Schaderregern oder das Infektionsrisiko prognostizieren, können hier sehr hilfreich sein. Sie unterstützen den Praktiker dabei, den richtigen Zeitpunkt für die Feldkontrolle zu wählen, um weitere Maßnahmen ableiten zu können.
Komplexere EHS werden noch konkreter. Sie schätzen nicht nur das Infektionsrisiko durch einen spezifischen Schaderreger ein, sondern leiten auch die Behandlungsnotwendigkeit ab. Sie geben konkrete Handlungsempfehlungen zu einem definierten Termin. Ein klarer Vorteil liegt dabei in der Wirkungsoptimierung: Wer seine Fungizidbehandlung auf den prognostisch besten Termin legt, nutzt die maximale Wirkung der eingesetzten Mittel aus. Das reduziert die Notwendigkeit von Wiederholungsbehandlungen und ist ein entscheidender Beitrag zur Vorbeugung von Resistenzen. Gerade in Zeiten zunehmender Mittelreduktion und wachsender regulatorischer Anforderungen gewinnt dieser Aspekt an Bedeutung.
Die Septoria-Prognose (SEPTRI) ist ein solches EHS und ein gutes Beispiel dafür, wie hilfreich Prognosen bei der Bestandesführung sein können. Denn die Terminierung einer Fungizidbehandlung gegen Zymoseptoria tritici stellt eine besondere Herausforderung dar.
Die Septoria-Prognose mit SEPTRI
Um eine Fungizidanwendung gegen Septoria möglichst effektiv zu terminieren, muss ein wichtiger Unterschied zu anderen Blattkrankheiten beachtet werden. Bei Rostpilzen oder dem Mehltau kann die Fungizidapplikation nach Sichtbarwerden erster Symptome und Überschreiten der empfohlenen Bekämpfungsschwelle erfolgen. Mit dieser Vorgehensweise können Schäden durch die Krankheit und eine weitere Ausbreitung erfolgreich vermindert werden. Bei der Bekämpfung von Septoria hingegen sind Infektionen nur zu kontrollieren, wenn der Applikationstermin nah am Infektionsereignis liegt. Septoria-Infektionen sind stark witterungsabhängig. Während des Infektionsprozesses muss eine Vielzahl an Bedingungen erfüllt sein, damit eine Infektion „erfolgreich“ ist. Bereits wenige Stunden mit ungünstigen Witterungsbedingungen können zum „Abbruch“ des Infektionsprozesses führen. Gleichzeitig muss das Entwicklungsstadium der Pflanzen im Blick behalten werden, denn es gilt die ertragsbildenden Blattetagen F-2 bis F zu schützen. Das korrekt einzuschätzen, ist schwierig.
SEPTRI bewertet die Witterungsbedingungen hinsichtlich einer Infektion durch Septoria und prognostiziert konkrete Infektionstermine (Abb. 2). Darüber hinaus wird durch ein im Hintergrund laufendes Modell (SIMONTO) das aktuelle BBCH-Stadium berechnet. Daraus leitet sich ab, welche der drei obersten Blattetagen durch ein Neuinfektionsereignis betroffen sein können.
Die Infektion einer Blattetage ist erst dann möglich, wenn das betroffene Blatt mindestens 20 Prozent der maximalen Wuchsgröße erreicht hat. Dies wird durch ein zusätzliches Blattentwicklungsmodul gesteuert. Es gibt außerdem die Möglichkeit, das prognostizierte BBCH-Stadium durch die Eingabe eines beobachteten Stadiums zu korrigieren, sofern die Simulation nicht der Feldsituation entspricht.
Eine Behandlung wird empfohlen, sobald ein Infektionsereignis auf F-2 prognostiziert und Befall auf älteren Blättern festgestellt wurde. Eine Feldkontrolle ist also auch hier unerlässlich. Die Behandlung sollte möglichst nah am Infektionstermin, spätestens jedoch mit dem Ablaufen von 30 Prozent Inkubationszeit erfolgen. Sind bei der Feldkontrolle keine Symptome auf den unteren Blattetagen sichtbar, kann mit der Behandlung abgewartet werden, bis eine Infektion auf F-1 prognostiziert wird.
Verlässliche Wetterdaten – Grundlage für präzise Prognosen
Herzstück aller EHS sind tagesaktuelle und vor allem standortgenaue Wetterdaten. Dafür greift man aktuell auf etwa 1.320 Wetterstationen aus dem Messnetz des Deutschen Wetterdienstes sowie der Pflanzenschutzdienste der Länder zurück (Abb. 3). Die Zuordnung einer für den eigenen Schlag repräsentativen Wetterstation ist für die Prognose schon lange nicht mehr nötig. Seit 2010 werden die Wetterdaten interpoliert und sowohl die Temperatur als auch die relative Luftfeuchte können so für jeden Standort in Deutschland quadratkilometergenau berechnet werden. Die Niederschläge werden aus den RADAR-Analysen des Deutschen Wetterdienstes übernommen und liegen in der gleichen hohen räumlichen Auflösung vor. So erhalten Landwirte auch dann verlässliche Prognosen, wenn sich in unmittelbarer Nähe keine Wetterstation befindet. Den EHS ist zudem eine dreitägige Wettervorhersage (heute | morgen | übermorgen) angeschlossen. Damit sind Sie dem Schaderreger immer einen Schritt voraus.
Entscheidungshilfen können helfen – nicht entscheiden
So nützlich Prognosemodelle sind, sie ersetzen nicht die Erfahrung und das Auge des Landwirts. Prognosemodelle liefern Wahrscheinlichkeiten, keine Garantien! Ein prognostiziertes Infektionsrisiko bedeutet nicht zwangsläufig, dass es auch zu einem sichtbaren Krankheitsausbruch kommt – sondern, dass die Bedingungen für eine Infektion günstig waren. Ob es tatsächlich zu einem Schaden kommt, hängt, insbesondere bei luftbürtigen Schaderregern, maßgeblich davon ab, ob Inokulum (Erregerpotenzial) vorhanden ist.
In der Praxis bewährt sich daher die Kombination aus Modellprognose, Feldbeobachtung und Erfahrung. Wer seinen Bestand und die Prognosen im Blick behält, kann gezielter, seltener – aber dafür effektiver behandeln. Das spart Aufwand, reduziert die Umweltbelastung und entspricht den Anforderungen eines modernen, integrierten Pflanzenschutzes.
Juliane Schmitt
ZEPP – Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz
Bad Kreuznach
schmitt@zepp.info