Innovationsprojekt Leg4Future im Fokus
Interview mit Projektkoordinatorin Prof. Dr. Ute Weisz (TU München) – Linsen und Mungobohnen im Fokus – Forschungsprojekt ist Teil der Vernetzungs- und Transfermaßnahme PIONEER des BMLEH zur Etablierung alternativer Proteine in der Humanernährung
Wie lassen sich die Eigenschaften pflanzlicher Proteine verbessern, um sie für neue Lebensmittel nutzbar zu machen? Das vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) geförderte Projekt Leg4Future zeigt, wie die ganzheitliche Verwertung von Mungobohnen und Linsen gelingen kann. Projektkoordinatorin Prof. Dr. Ute Weisz, Technische Universität München, informiert über den aktuellen Stand des Projekts und gibt einen Ausblick. Leg4Future ist Teil der Vernetzungs- und Transfermaßnahme (VuT) PIONEER, in der 27 innovative Projekte daran arbeiten, neue Wege und Lösungen für die Nutzung alternativer Proteinquellen zu entwickeln.
Können Sie das Projekt Leg4Future bitte kurz beschreiben?
Prof. Dr. Ute Weisz: Das Projekt 'Leg4Future' zielt auf die ganzheitliche Verwertung von Mungobohnen und Linsen ab. Ziel ist es, hochwertige pflanzliche Proteinkonzentrate herzustellen mit einem reduzierten Gehalt an potenziell antinutritiven Inhaltsstoffen (ANF). Die Proteinkonzentrate sollen gute technofunktionelle und sensorische Eigenschaften aufweisen und als gering verarbeitete Zutaten vielseitig einsetzbar sein. Außerdem werden die wertvollen Nebenströme (Ballaststoffe, Schalenextrakte) erschlossen. Zusätzlich werden die Verbraucherakzeptanz abgefragt und über Leguminosen und ihre vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten informiert. Langfristig trägt das Projekt zur Diversifizierung des Pflanzenanbaus, zur Förderung der Biodiversität sowie zur Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten im ländlichen Raum bei.
Warum legen Sie den Fokus auf Linsen und Mungobohnen?
Prof. Dr. Ute Weisz: Derzeit dominieren in Deutschland Erbsen, Ackerbohnen, Soja und Lupinen den Anbau von Leguminosen. Linsen und Mungobohnen spielen bislang eine eher untergeordnete Rolle, obwohl sie hervorragende pflanzliche Proteinquellen darstellen mit großem Potenzial für die menschliche Ernährung und die Landwirtschaft. Die Proteine der Leguminosen sind sogenannte Speicherproteine, die sich verfahrenstechnisch gut aus den Rohstoffen anreichern und isolieren lassen. Das ist wichtig, um die Produktionskosten niedrig und die wirtschaftliche Umsetzungsbarkeit hoch zu halten.
Was sind antinutritive Stoffe und wie reduzieren Sie sie im Endprodukt?
Prof. Dr. Ute Weisz: Antinutritive Stoffe sind natürliche Substanzen, wie z. B. Proteaseinhibitoren oder Phytinsäure, die u. a. in Hülsenfrüchten vorkommen. Sie beeinträchtigen die ernährungsphysiologischen Eigenschaften, haben aber auch einen nachteiligen Einfluss auf die Farbe und Sensorik und damit die Qualität und Akzeptanz der Endprodukte. Ziel von Leg4Future ist es, diese unerwünschten Stoffe durch eine geringe Aufarbeitung zu reduzieren. Hierzu nutzen wir extraktive und fermentative Verfahren.
Das heißt, Pflanzenproteine müssen über bestimme Eigenschaften verfügen, damit sie für die Lebensmittelproduktion geeignet sind?
Prof. Dr. Ute Weisz: Pflanzenproteine bzw. pflanzliche Proteinzutaten müssen spezifische Eigenschaften mitbringen, damit Produkte entstehen, die technologisch umsetzbar, ernährungsphysiologisch sinnvoll und sensorisch überzeugend sind. Linsen zeichnen sich durch ihre guten sensorischen Eigenschaften aus. Die Mungobohne wird hierzulande nur sehr wenig kultiviert, zählt aber weltweit zu den bedeutendsten Leguminosen. Durch die vorteilhaften technofunktionellen Eigenschaften ihrer Proteine und den von der EFSA bestätigten Novel-Food-Status von Mungobohnenproteinisolaten bietet gerade die Mungobohne ein hohes Potenzial für innovative Lebensmittelanwendungen.
Für welche Lebensmittel sind Proteinkonzentrate aus Linsen und Mungobohnen geeignet?
Prof. Dr. Ute Weisz: Sie können in verschiedenen Anwendungen eingesetzt werden, etwa in Backwaren, Alternativen für Fleisch- und Milchprodukte oder auch ganz einfach lediglich zur Proteinanreicherung in verschiedensten Lebensmitteln. Die Nebenströme können zudem als Quelle für die Herstellung von Ballaststoffen genutzt werden. Ziel ist es, die Produkte in der Lebensmittelindustrie, aber auch möglicherweise in der Tierhaltung zu verankern.
Wie berücksichtigen Sie die Verbraucherakzeptanz der Produkte?
Prof. Dr. Ute Weisz: Über den Erfolg und Misserfolg von Produkten und Prozessen entscheidet letztlich immer der Verbraucher. Deshalb werden im Rahmen von Leg4Future nicht nur technologische Fragen beantwortet, sondern auch Konsumenten befragt, ob und in welchen Formen sie Hülsenfrüchte verwenden, welche Auswahlkriterien für oder gegen bestimmte Leguminosen sprechen, wie diese mit dem Lebensstil zusammenhängen, was sie über deren Verwendung wissen und an welcher Stelle noch weitere Informationen nötig wären, um mehr nachhaltige Eiweißpflanzen zu konsumieren. Nicht zuletzt werden im Leg4Future-Projekt auch noch weitere Stakeholder in die Entwicklung von Produkten und Prozessen einbezogen. So möchten wir die Wertschätzung für Leguminosen und daraus hergestellter Produkte steigern und unsere Ansätze einem breiten Publikum aus den Bereichen der Primärproduktion, der Zutaten- und Lebensmittelverarbeitung vorstellen.
Welche bisherigen Erkenntnisse/Ergebnisse konnten im Projekt bereits erzielt werden?
Prof. Dr. Ute Weisz: Es konnten bereits erste vielversprechende Verfahren zur Aufarbeitung von Linsen und Mungobohnen für die Herstellung von Proteinkonzentraten sowie zur Reduktion antinutritiver Inhaltsstoffe ermittelt werden. Obwohl das Schälen der Mungobohne im Vergleich zur Linse nicht trivial ist, wurde hierfür bereits ein erfolgreiches Verfahren entwickelt. Es zeigte sich, dass ein alleiniges Schälen im Fall der meisten antinutritiven Inhaltsstoffe (Phytinsäure, Trypsininhibitor-Aktivität) nicht zu einer signifikanten Reduktion führt und daher weitere Aufarbeitungsschritte erforderlich sind. Darüber hinaus konnten erste Proteinkonzentrate mittels extraktiver und fermentativer Verfahren hergestellt werden, die vielversprechende Eigenschaften aufweisen.
Es fand bereits ein erster Stakeholderdialog in Form eines Online-Workshops unter dem Titel ‚Das Potenzial von Pflanzenproteinen in Deutschland‘ statt. Daran nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Ernährungs- und Futtermittelindustrie, Saatzucht, Wissenschaft, Nachhaltigkeit sowie der Verbraucherforschung teil. In einer angeregten Diskussion konnten Chancen und zentrale Herausforderungen für Deutschland identifiziert und erste Lösungsansätze diskutiert werden – unter anderem zur Verwertung von Pflanzenproteinen, zum Beitrag der Leguminosen für eine nachhaltige Agrar- und Ernährungswende, zur Nutzung von Nebenströmen sowie zum Einsatz von Leguminosen im Ernährungsalltag der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Welche Herausforderungen sehen Sie?
Prof. Dr. Ute Weisz: Das Upscaling stellt im Bereich pflanzlicher Proteine nach wie vor eine große Herausforderung dar. Dank der Förderung durch das BMLEH können im Rahmen des Projekts vielversprechende Verfahren identifiziert und in den Pilotmaßstab übertragen werden. Dadurch lassen sich ausreichende Mengen an Proteinkonzentraten herstellen, um diese in verschiedenen Anwendungen wie Backwaren, Milchprodukt- oder Wurstalternativen zu testen. Welche Verfahren sich für das Upscaling als geeignet erweisen, wird derzeit im Projektverlauf erarbeitet.
Über PIONEER
Die Vernetzungs- und Transfermaßnahme PIONEER begleitet vielfältige Projekte aus dem Innovationsfeld „Alternative Proteinquellen in der Humanernährung“. Dabei werden Innovationsprozesse und übergreifende Kooperationen unterstützt sowie der breite Wissenstransfer gefördert. Zu den Aufgaben der von der BLE beauftragten und vom BMLEH finanzierten Maßnahme gehört neben der Durchführung von Veranstaltungen und der Öffentlichkeitsarbeit auch die Evaluierung der Fördermaßnahme und Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für Forschung, Praxis und Politik.
Das vollständige Interview finden Sie hier: https://pioneer-netzwerk.de/de/publikationen/linsen-und-mungobohnen-im-fokus
Weitere Infos zu PIONEER: www.pioneer-netzwerk.de
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