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Nutri-Score - Bewertung der Nährstoffe von Brühwürsten

DLG-Expertenwissen 01/2021


Hintergrund

Seit einigen Jahren ist es das Ziel der Bundesregierung, die Nährstoffzusammensetzung verarbeiteter Produkte zu verbessern. Neben der obligaten Nährwertkennzeichnung soll der sogenannte Nutri-Score als freiwillige Kennzeichnung dem Verbraucher bildlich eine Orientierung hinsichtlich der Nährwertqualität von Lebensmitteln geben. Unternehmen können seit November 2020 den Nutri-Score freiwillig auf die Vorderseite von Lebensmittelpackungen drucken. Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, seine Produkte damit zu deklarieren, müssen alle Produkte dieser Marke so gekennzeichnet werden.  

Der Nutri-Score besteht aus fünf Kategorien A (grün) bis E (rot). Die Anzahl der Kategorien wurde gezielt gewählt, um eine hohe diskriminierende Wirkung innerhalb von Lebensmitteln zu gewährleisten. Durch die fünf Kategorien kann dichotomes Denken von schlicht „gut“ und „schlecht“ verhindert werden.1 Konsumenten entscheiden sich durchschnittlich nach 35 Sekunden für ein Lebensmittel, wobei der Wahrnehmung ebenso wie dem Verständnis des Nutri-Scores eine Schlüsselrolle zukommen soll, damit Verbraucher ein gesünderes Produkt wählen.2,3

Nutri-Score Berechnung

Der Nutri-Score wird aus den Nährwertangaben pro 100 g festes Lebensmittel bzw. 100 ml für Flüssigkeiten berechnet, für Lebensmittel ohne Zutatenliste wird kein Nutri-Score ausgewiesen. Nährwerte sowie die Zutatenliste sind bekanntermaßen verpflichtend auf der Verpackung aufzuführen und befinden sich i.d.R. auf der Rückseite. Die Bewertung orientiert sich an einem Punkteschema. 

Hierbei gibt es „A Punkte“, sie ergeben sich aus der Gesamtenergie (kJ/100g), dem Zuckergehalt (g), dem Gehalt an gesättigten Fettsäuren (g) und dem Natriumgehalt (mg). Davon werden die „C Punkte“ abgezogen, die sich aus dem Anteil an Gemüse, Nuss und/oder Obst (%), dem Ballaststoffgehalt (g) sowie dem Proteingehalt (g) ableiten. Da je Summand der „A Punkte“ maximal 10 Punkte möglich sind, beträgt bei den „A Punkten“ der Höchstwert 40 Punkte. 

Bei den „C Punkten“ können je Summand maximal fünf Punkte erreicht werden, woraus sich für die „C Punkte“ ein Maximum von 15 ergibt.5 Die Klassen bzw. genauen Grenzen für die einzelnen Punktbewertungen der einzelnen Inhaltsstoffe zur Berechnung des Nutri-Scores sind in Tabelle 1 aufgelistet.

 A PunkteC Punkte
PunkteEnergie
(kJ/100g)
Zucker
(g/100g)
Gesättigte Fettsäuren (g/100g)Natrium (mg/100g)Früchte, Gemüse (%)AOAC Ballaststoffe (g/100g)Proteine (g/100g)
0≤ 335≤ 4,5≤ 1≤ 90≤ 40≤ 0,9≤ 1,6
1> 335> 4,5> 1> 90> 40> 0,9> 1,6
2> 670> 9> 2> 180> 60> 1,9> 3,2
3> 1005> 13,5> 3> 270-> 2,8> 4,8
4> 1340> 18> 4> 360-> 3,7> 6,4
5> 1675> 22,5> 5> 450> 80> 4,7> 8,0
6> 2010> 27> 6> 540   
7> 2345> 31> 7> 630   
8> 2680> 36> 8> 720   
9> 3015> 40> 9> 810   
10> 3350> 45> 10> 900   
TotalEnergie + Zucker + gesättigte Fettsäuren + Natrium =
A Punkte
Früchte/Gemüse + Ballaststoffe + Proteine =
C Punkte

Tabelle 1: „Punktwerttabelle“ der Lebensmittel mit Ausnahme von Käse, Getränken sowie Fette, Öle und Butter.
Auflistung der Klassen bzw. Grenzbereiche der Punktevergabe von Nährstoffgehalten der „A Punkte“ und „C Punkte“ des Nutri-Scores6

Für die einzelnen Inhaltsstoffe werden aus obiger Tabelle die jeweiligen Punkte ermittelt und zu „A Punkten“ sowie „C Punkten“ aufsummiert, der sogenannte Nutri-Score ergibt sich dann als Differenz zwischen „A Punkten“ und „C Punkten“ (s. Formel 1).

Energie + Zucker + gesättigte Fettsäuren + Natrium = A Punkte (max. 40)
Protein + Frucht-/Gemüse-/Nussanteil + Ballaststoffe = C Punkte (max. 15)
Nutri-Score = A Punkte – C Punkte   
Formel 1

 

Das Berechnungsschema unterliegt folgenden Bedingungen:5
Ist der „A Score“ kleiner 11, so werden die „C Punkte“ von den „A Punkten“ subtrahiert.
Liegt der „A Score“ jedoch bei 11 oder darüber sind zwei Fallmöglichkeiten zu unterscheiden:

  • Fall 1: Ergibt der „Frucht-, Gemüse- und/oder Nussgehalt“ fünf Punkte, dann werden die „C Punkte“ wiederum von den „A Punkten“ abgezogen. 
  • Fall 2: Wenn sich aus dem „Frucht-, Gemüse- und/oder Nussgehalt“ weniger als fünf Punkte ergeben, dann werden für die „C Punkte“ ausschließlich die Punkte des Ballaststoffgehalts sowie des „Frucht, Gemüse- und/oder Nussanteils“ verrechnet, nicht aber die Proteinpunkte. Die Proteinpunkte werden dann also nicht mit einbezogen! 

Das beschriebene Berechnungsschema gilt für alle Lebensmittel mit drei Ausnahmen: bei Käse wird der Proteingehalt unabhängig der Gesamtpunktzahl des „A Scores“ immer verrechnet, ferner gelten für Getränke sowie „Fette, Öle und Butter“ andere, jeweils eigene „Punktwerttabellen“.7

Aus den Berechnungen kann sich eine Gesamtpunktzahl von -15 bis +40 ergeben. Dieser Score wird einer der fünf Kategorien des 
Nutri-Scores zugeordnet. In Tabelle 2 sind die Abstufungen der Punktezahl angegeben und in den dazugehörigen Farben dargestellt.5

Punkte feste LebensmittelFarbe
Min. bis -1Dunkelgrün
0 bis 2Hellgrün
3 bis 10Gelb
11 bis 18Orange
19 bis Max.Rot

Tabelle 2: Darstellung der Gesamtpunktzahl aufgegliedert in die dazugehörigen Farben des Nutri-Scores 

Rechenbeispiel:

 Delikatess BierschinkenPunktwerteFettreduzierter BierschinkenPunktwerte
Energiegehalt742 kJ/100g2388 kJ/100g1
gesättigte FS4,8 g/100g40,7 g/100g0
Zucker0,5 g/100g 0,3 g/100g0
Natrium787 mg/100g8866 mg/100g9
Proteine17 g/100g517,5 g/100g5
Ballaststoffe----
Früchte----
A Punkte14141010
C Punkte5555
Nutri-Score141455

Tabelle 3: Rechenbeispiel zur Berechnung des Nutri-Scores 

In diesem Beispiel (Tabelle 3) ist zu erkennen, dass bei dem „Delikatess Bierschinken“ der Proteingehalt nicht mit einbezogen wird, da der „A Score“ mehr als 10 Punkte beträgt (Fall 2). Der fettreduzierte Bierschinken erzielt bei den „A Punkten“ einen Score von 10 Punkten wodurch der Proteingehalt in diese Berechnungen einfließt, und so ein deutlich besserer Nutri-Score erzielt werden kann.

Bewertung von Brühwürsten

Brühwurstprodukte schneiden in der Bewertung des Nutri-Scores oftmals eher schlecht ab. Berechnungen des Scores von zwölf verschiedenen Brühwurstsorten ergaben, dass fast alle Produkte bei den Sorten im orangefarbenen bis roten Bereich lagen. Zu erkennen in Abbildung 1 ist auch, dass sieben Wurstprodukte im gelben Score-Bereich lagen.

Brühwürste können also im Nutri-Score auch relativ gut abschneiden. Hier gibt es durchaus Möglichkeiten, die Rezepturen von Brühwürsten zur Optimierung des Nutri-Scores anzupassen. Grundsätzlich empfiehlt sich die Reduktion von Inhaltsstoffen, die der Kategorie „A Punkte“ zugerechnet werden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, welchen Einfluss dies gegebenenfalls auf Textur, Geschmack, Farbe und die senorische Akzeptanz hat. Generell sind Reduktionsstrategien die Stellschraube schlechthin, um die Input-Seite der Nährstoffe positiv zu beeinflussen.8 

Weitere Analysen verschiedener Reduktionsstrategien im Markt haben gezeigt, dass eine Rezepturmodifizierung eine Verbesserung des Nutri-Scores um durchschnittlich 7 Punkte erzielen kann. 

Folgende Rezepturmodifizierungen sind schon im Markt zu finden:

  • Reduktion des Salzgehaltes durch Kaliumchlorid
  • Zugabe von Skyr Frischkäse
  • 40 % weniger Fett
  • Zugabe von aufgeschlossenem Pflanzeneiweiß
  • Zugabe von Inulin und Erhöhung des Magerfleischanteils
  • Ersatz von tierischen Fetten durch Pflanzenöl wie z. B. Rapsöl oder Sonnenblumenöl zur Erhöhung des Anteils an ungesättigten Fettsäuren bzw. Senkung des Anteils an gesättigten Fettsäuren
  • Zugabe von Magermilchjoghurt

 

Abbildung 1: Boxplots der für Brühwürste berechneten Nutri-Scores nach Wurstsorten. Die Kürzel stehen für
FW = Fleischwurst,
BS = Bierschinken, GW = Gelbwurst,
LY = Lyoner, JW = Jagdwurst,
WW = Weißwurst, LE = Leberkäse,
MO = Mortadella, WIW = Wiener
Würstchen, SW = Schinkenwurst,
WB = Weiße Bratwurst,
RB = Rote Bratwurst

Abbildung 2 stellt eine Analyse der Unterschiede im Nutri-Score beispielhaft an der Wurstsorte Wiener Würstchen dar.

 

 

Abbildung 2: Beispielhafte Darstellung der Analyse von Unterschieden in den Rezepturen und deren Auswirkung auf den Nutri-Score

Einfluss von SFA und Natrium

Brühwürste sind reich an Fett und Salz. Vor allem die gesättigten Fettsäuren und das Natrium beeinträchtigen den Nutri-Score beträchtlich. In Bezug auf die Berechnung des Nutri-Scores von Brühwürsten wiegen die Fettsäuren, insbesondere die gesättigten, am stärksten. Der zweitwichtigste Nährstoff dahingehend ist der Natriumgehalt (0,83 %). In den Score-Berechnungen ergaben die Mengen an gesättigten Fettsäuren und Natrium jeweils zwischen 4 bis 10 und 7 bis 10 „A Punkte“.

In Abbildung 3 sind die durchschnittlichen Gehalte von gesättigten Fettsäuren (SFA), aufgegliedert nach Wurstsorten dargestellt. Die durchschnittlichen Gehalte an SFA variieren zwischen dem geringsten Gehalt von 4,41 g/100 g bei Bierschinken und dem höchsten Gehalt mit 10,21 g/100 g bei rotfleischigen Bratwürsten wie Bockwurst, hier unter dem Begriff rote Bratwürste zusammengefasst. Der durchschnittliche Anteil an SFA aller Würste betrug 8,33 g/100 g oder 8,33 %. Der Gesamtanteil des Fettes aller Würste betrug durchschnittlich 20,85 %. 

 

 

Abbildung 3: Boxplot der Gehalte an gesättigten Fettsäuren sortiert nach den verschiedenen Wurstsorten.
Die Kürzel stehen für FW = Fleischwurst, BS = Bierschinken, GW = Gelbwurst, LY = Lyoner, JW = Jagdwurst, WW = Weißwurst,
LE = Leberkäse, MO = Mortadella, WIW = Wiener Würstchen, SW = Schinkenwurst, WB = Weiße, Bratwurst, RB = Rote Bratwurst

 

 

 

Abbildung 4: Boxplot der Gehalte an Natrium sortiert nach den verschiedenen Wurstsorten.
Die Kürzel stehen für FW = Fleischwurst, BS = Bierschinken, GW = Gelbwurst, LY = Lyoner, JW = Jagdwurst, WW = Weißwurst,
LE = Leberkäse, MO = Mortadella, WIW = Wiener Würstchen, SW = Schinkenwurst, WB = Weiße Bratwurst, RB = Rote Bratwurst

Abbildung 4 veranschaulicht die Schwankungsbreiten des Natriumgehalts in mg/100 g der einzelnen Würste. Der höchste durchschnittliche Gehalt war mit 887,1 mg/100 g in Gelbwürsten enthalten, wobei der geringste durchschnittliche Gehalt mit 762,6 mg/100 g in weißen Bratwürsten festgestellt wurde. 

Der durchschnittliche Natriumgehalt betrug in den Würsten 831,51 mg/100 g, dies entspricht 0,83 %. Die Boxen im Plot des Natriumgehalts liegen zwischen 700 mg und 900 mg. Der Natriumgehalt wurde anteilig am Salzgehalt der Würste mit dem Faktor 2,5 als Divisor berechnet, da der Gewichtsanteil von Natrium im Kochsalz ca. 40 % beträgt.9 Der durchschnittliche Salzgehalt der Würste lag bei 2,11 g/100 g (2,11 %). Der Eintrag an Natrium aus anderen Zutaten wie beispielsweise den Zusatzstoffen Natriumphosphaten, Natriumcitraten, Natrium­glutamat blieb unberücksichtigt. 

Der Salzgehalt streut deutlich weniger als die Gehalte an Fett oder gesättigten Fettsäuren, was in der technologischen Bedeutung von Chlorid-Salzen als Lösungs- bzw. Quellmittel für myofibrilläres Eiweiß begründet sein wird. 

Einfluss von Protein

Brühwurstprodukte sind reich an Protein. In Brühwürsten ist etwa 13 % Eiweiß enthalten.10 Ernährungsphysiologisch ist der wichtigste Bestandteil des Fleisches das Fleischeiweiß. Das Eiweiß hat auch eine technologische Bedeutung, es umschließt die Fett- und Wasserpartikel und bildet die typische Textur.11 

Der hohe Proteinanteil erzielt fünf Punkte in den Nutri-Score Berechnungen. Jedoch gibt es hier die Bedingung (s. o. Seite 3), dass bei 11 „A Punkten“ oder mehr der Proteingehalt nicht in die Berechnungen einbezogen werden darf. Das Ziel sollte also sein, den „A-Punktescore“ unter 11 zu senken, so kann der Nutri-Score effektiv in mindestens den gelben Bereich hinein verbessert werden, wie in Abbildung 5 gut zu erkennen ist. 

Theoretische Korrekturen und Modelle

Je nach Wurstsorte ergeben sich verschiedene Nährstoffgehalte. In Tabelle 4 sind für 12 verschiedene Brühwurstsorten die durchschnittlichen Gehalte der Nährstoffe aufgeführt, aus denen der „A Score“ errechnet wird, sowie der errechnete mittlere Nutri-Score.

WurstsorteEnergie (kJ/100 g)Gesättigte Fettsäuren (g/100 g)Zucker (g/100 g)Natrium (mg/100 g)Nutri-Score
Fleischwurst1042,08,300,65818,5 (0,82 %)20
Lyoner1022,08,420,61847,2 (0,85 %)20
Bierschinken705,54,410,66871,0 (0,87 %)15
Wiener Würste1062,48,560,66816,5 (0,82 %)20
Weißwurst1087,09,640,69789,3 (0,79 %)20
„Weiße Bratwurst“1140,09,590,74762,6 (0,76 %)20
„Rote Bratwurst“1147,010,210,59829,4 (0,83 %)22
Gelbwurst1116,010,180,61887,1 (0,89 %)22
Mortadella1013,97,740,71829,5 (0,83 %)19
Leberkäse1095,09,340,69839,4 (0,84 %)21
Jagdwurst991,07,970,59819,7 (0,82 %)18
Schinkenwurst1078,09,540,64828,4 (0,83 %)21
Durchschnitt1015,88,330,66831,5 

Tabelle 4: Durchschnittliche Nährstoffgehalte, welche in den „A Score“ eingehen, nach den Wurstsorten mit zugehörigem Nutri-Score 

Berechnet man den Nutri-Score der ursprünglichen Rezepturen, liegt dieser im orangefarbenen bis roten Bereich (siehe Abbildung 1). Durch eine Rezepturoptimierung der Würste lässt sich der Score jedoch verbessern. Diese theoretische Optimierung orientiert sich an der „A Punkte“ Marke von 10, um den Proteingehalt mit einberechnen zu können. Die Modellrechnungen konnten bei allen 12 Wurstsorten eine theoretische Optimierung in den gelben Nutri-Score Bereich erzielen. In Abbildung 5 ist beispielhaft an den „Wiener Würstchen“ der berechnete Nutri-Score als dunkelblauer Punkt eingezeichnet. Der Proteingehalt wurde mit 13 % angenommen.

3D-Grafik des Nutri-Scores und dessen Optimierung der Wiener Würstchen

Optimiert man die Rezeptur, so kann eine Verschiebung des Nutri-Scores in den gelben Bereich erfolgen, in Abbildung 5 als hellblauer Punkt dargestellt. Hier muss der Gehalt an gesättigten Fettsäuren und Natrium soweit reduziert werden, dass der „A Score“ 10 oder weniger Punkte erreicht. 

Rechnerisch bedeutet dies einen Gehalt von durchschnittlich 4,25 g gesättigten Fettsäuren und 607,5 mg Natrium im Endprodukt. Fett soll mehr reduziert werden, da die Menge und Art der Fette leichter zu modifizieren ist als die Menge und Art von Salzen. Durch die Reduktion von gesättigten Fettsäuren wird voraussichtlich auch eine Reduktion des Gesamtenergiegehaltes erzielt. Diese hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Berechnung des Nutri-Scores. 

In der 3D-Grafik ist zusätzlich der Einfluss der Proteinberechnung im Ansatz im gelben Feld zu sehen. Das große gelbe Feld entsteht durch das Einbeziehen des Proteingehalts und die dadurch deutliche Verbesserung des Nutri-Scores. Die durchschnittlichen Gehalte, die durch eine Rezepturoptimierung für die jeweiligen Wurstsorten erreicht werden müssen, um einen „gelben Nutri-Score“ zu erreichen, sind in Tabelle 5 aufgelistet. 

WurstsorteEnergie (kJ/100 g)Gesättigte Fettsäuren (g/100 g)Zucker (g/100 g)Natrium (mg/100 g)Nutri-Score
Fleischwurst598,940,65630 (0,63 %)5
Lyoner584,040,61630 (0,63 %)5
Bierschinken565,830,66720 (0,72 %)5
Wiener Würste602,840,66630 (0,82 %)5
Weißwurst647,650,69540 (0,54 %)5
„Weiße Bratwurst“598,440,74630 (0,63 %)5
„Rote Bratwurst“662,450,59540 (0,54 %)5
Gelbwurst634,450,61540 (0,54 %)5
Mortadella619,740,71630 (0,63 %)5
Leberkäse574,540,69630 (0,63 %)5
Jagdwurst600,440,59630 (0,63 %)5
Schinkenwurst652,450,64540 (0,54 %)5
Durchschnitt611,84,250,66607,5 

Tabelle 5: Nährstoffgehalt der Summanden des „A Scores“ nach theoretischer Optimierung und der erzielte Nutri-Score 

Der Gehalt an gesättigten Fettsäuren muss in den Würsten um 49 % reduziert werden, der Gehalt an Natrium um 27 %. Hierzu gibt es verschiedene Reduktionsstrategien, um dies zu erreichen.

Mögliche Reformulierungsstrategien

Mit Hilfe der Reformulierung von Lebensmitteln soll eine ernährungsphysiologisch günstigere Zusammensetzung erreicht werden.12 Reduktionsstrategien sind keine klassischen präventiven Maßnahmen wie beispielsweise die Verhaltenstherapie. Im Idealfall kann der Verbraucher nach der Reformulierung seine Produkte wie gewohnt verzehren, ohne selbst zu einer bewussten Verhaltensänderung veranlasst zu werden. Die Produkte sollen möglichst geringe Modifikationen des Geschmacksprofils aufweisen und die Verbrauchererwartungen erfüllen, um deren Vertrauen in die Produktqualität zu bewahren.13 Im Fokus der Reduktionsstrategien sind Salz, Fett und Zucker. Diese Nährstoffe spielen jedoch eine wesentliche Rolle für Strukturgebung, Haltbarkeit und sensorische Eigenschaften von Lebensmitteln.14 

Technologisch sind Reduktionen durch unterschiedliche Maßnahmen denkbar. Jedoch kann nicht garantiert werden, dass die Geschmackspräferenzen des Kunden weiter erfüllt werden.8 Es empfiehlt sich ein protrahiertes Vorgehen, also Rezepturen nicht schlagartig, sondern unauffällig, zeitlich allmählich, nach und nach anzupassen. 

Grundlegend für die Geschmackspräferenzen sind die Sinneswahrnehmungen, die das Lebensmittel erzeugt. Beim Verzehr wird es jedoch mit verschiedenen Sinnesmodalitäten gleichzeitig wahrgenommen. Dadurch kommt es zu multi- und crossmodalen Wahrnehmungen des Lebensmittels. Dabei geht es nicht nur um den Geschmack und die Textur, auch äußere Einflüsse wie die Verpackung und der Ort des Verzehrs fließen in die Wahrnehmung mit ein.13 

Um die errechneten Reduktionen zu erzielen, gibt es verschiedene Strategien. In folgender Tabelle 6 sind diese kurz zusammengefasst und erklärt.

AnsatzMethodeFunktionsweise
Hochdruckverfahren zur Salzreduktion 
  • Behandlung mit Druck von 100 MPa-150 MPa
 
 
  • Strukturmodifikation
  • Reduzierte Salzmenge notwendig
 
Salzersatzstoff 
  • Kaliumchlorid
  • Kalziumchlorid
 
 
  • Ionenstärke
  • Verbessern der Wasserhaltekapazität
  • Verbessern der Fetthaltekapazität
  • Salzersatz
 
Physikalische Optimierung von Salz 
  • Veränderte Verteilung des Salzes
 
 
  • Überzogenes Salz vermindert teilweise die Wirkung des Salzes und führt zu erhöhtem Kochverlust
  • Salzinseln steigern die Wahrnehmbarkeit von Salz
 
Doppelemulsion 
  • Öl in Wasser Emulsion
 
 
  • Fettstabilisierung
  • Ersatz von 20 % des Fettes durch Öl
 
Nahrungsfasern 
  • Inulin
  • Weizenfasern
  • Gemüse
 
 
  • Fettaustauscher
  • Strukturstabilität
 
Globuläre Proteine 
  • Sojaprotein
  • Molkenprotein
  • Erbsenprotein
 
 
  • Wirken als Emulgatoren
  • Reduktion der Kochverluste
  • Stabilisieren das Wurstbrät
  • Fettersatz
 
Substitution von Fetten 
  • Pflanzliche Fette
  • Muskelfleisch
 
 
  • Verbesserung des Fettprofils
  • Fettreduktion
 
Hochdruckbehandlung 
  • Behandlung mit Druck von 50 MPa-600 MPa
 
 
  • Proteindenaturierung
  • Verändert visuelle Wahrnehmung des Fleisches
  • Salz- und Fettreduktion
 
Multisensorische Interaktion 
  • Gewürze, Kräuter, Aromen, Kokumi
 
 
  • Ausgleich zur Salz- und Fettreduktion
  • Geschmacksverstärker
  • Steigerung des Mundgefühls und der Texturwahrnehmung
 

 Tabelle 6: Tabellarische Darstellung der Reformulierungsstrategien der Salz- und Fettreduktion in Brühwürsten

Jede Methode hat unterschiedliche Vor- und Nachteile, die bei der Anwendung beachtet werden müssen. Einige davon sind in folgender Tabelle 7 aufgeführt.

AnsatzVorteileNachteile
Salzreduktion 
  • Reduzierte Salzmenge notwendig
  • Reduktion mittels Veränderung des Verteilungsgrads um bis zu 81 % möglich15
  • Mögliche Steigerung der Salzwahrnehmung
  • Verbesserte Wasserbindekapazität
 
 
  • Negative Auswirkungen auf Textur und sensorische Eigenschaften
  • Geschmackliche Veränderungen
  • Möglicher Verlust der mikrobiologischen Sicherheit der Produkte
 
Fettreduktion 
  • Fettaustausch
  • Reduktion von bis zu 50 %
  • Stabilisierung des Wurstbräts
  • Fettsäureoptimierung
 
 
  • Anfällig für Fettoxidation (Öl)
  • Verlust von Stabilität und Flüssigkeit
  • Farbverlust ➝ heller
  • Herstellungskosten um 2,6 %-4,8 % gesteigert
  • Sinkende sensorische Akzeptanz
 
Kombinierte Verfahren 
  • Salz- und Fettreduktion
  • Fettreduktion bis zu 50 %, Salz­reduktion von bis zu 100 % bei Austausch durch Kochsalzersatzstoffen
  • Geschmacksverstärker
 
 
  • Verlust von strukturellen und farblichen Eigenschaften des Fleisches (weicher, heller)
  • Geschmackliche Veränderungen
  • Mögliche Auswirkungen auf die Haltbarkeit
 

Tabelle 7: Vor- und Nachteile der Reduktionsstrategien 

Fazit und Ausblick

Der Nutri-Score ist in Deutschland als Teil des Koalitionsvertrages der Bundesregierung Ende 2020 eingeführt worden. Damit wird dem Verbraucher ein zusätzliches Instrument der Lebensmittelbewertung an die Hand gegeben. Durch das komplexe Bewertungssystem wird es dem Konsumenten erleichtert, Nahrungsmittel nach ihrer Nährstoffzusammensetzung zu bewerten und auf einen Blick die günstigere Nährstoffzusammensetzung zu erkennen. Diese Deklaration soll für Hersteller Anreize schaffen, eine gesündere Nährstoffzusammensetzung der Produkte anzustreben. Die Kaufentscheidung des Verbrauchers soll hin zu „gesünderen“ Lebensmitteln beeinflusst werden und ernährungsbedingte Krankheiten wie Adipositas und Herz-Kreislauferkrankungen sollen auf diese Weise reduziert werden.16,17 

Brühwürste gehören zu den verarbeiteten Lebensmitteln, die reich an Fett und Salz sind – zwei Nährstoffe, die sich bei übermäßigem Verzehr negativ auf die Gesundheit auswirken können. Ein hoher Nutri-Score, wie er sich bei herkömmlichen Rezepturen ergibt, macht diesen Zusammenhang augenscheinlich. Die Berechnungen des Nutri-Scores lagen bei fast allen untersuchten Brühwursten im orangefarbenen und roten Bereich. Dieser Bereich steht für eine eher ungünstige Nährstoffzusammensetzung, weshalb solche Produkte in einem geringeren Maß verzehrt werden sollten. 

Durch Rezepturoptimierung, z. B. durch die Reduktion von Fett und Salz, kann bei Brühwürsten ein ernährungsphysiologisch besseres Nährstoffprofil erzielt werden. Die Berechnungen der theoretischen Rezepturoptimierung ergaben, dass sowohl SFA als auch Natrium reduziert werden müssen, um eine merkliche Nutri-Score Verbesserung zu erhalten. Die theoretisch errechnete Rezepturoptimierung soll eine Hilfestellung für die Produktentwicklung geben, wie Verbesserungen des Nutri-Scores erreicht werden können. Der Ansatz, Natrium und gesättigte Fettsäuren zu reduzieren, ist ein erfolgversprechender Weg.

 

Quellen

  1. C. Julia und S. Hercberg, „Development of a new front-of-pack nutrition label in France: the five-colour Nutri-Score,“ 
    Public Heal. Panor., Bd. 03, Nr. 04, S. 712–725, 2017
  2. K. G. Grunert und J. M. Wills, „A review of European research on consumer response to nutrition information on food labels,“ J. Public Health (Bangkok)., Bd. 15, Nr. 5, S. 385–399, 2007
  3. K. G. Grunert, L. Fernández-Celemín, J. M. Wills, S. S. G. Bonsmann und L. Nureeva, „Use and understanding of nutrition information on food labels in six European countries,“ J. Public Health (Bangkok)., Bd. 18, Nr. 3, S. 261–277, 2010
  4. Max Rubner-Institut, „Vorläufiger Bericht Beschreibung und Bewertung ausgewählter Modelle Stand: August 2019, redaktionell überarbeitet“, 2019
  5. M. Chauliac, „Nutri Score The Front Of Pack Nutrition Labelling Scheme Recommended In France,“ 2018
  6. UK Department of Health, „Nutrient Profiling Technical Guidance,“ S. 18, 2011
  7. C. Julia und S. Hercberg, „Nutri-Score: Evidence of the effectiveness of the French front-of-pack nutrition label,“ Ernahrungs Umschau, Bd. 64, Nr. 12, S. 181–187, 2017
  8. Dr. M. Cicek, Dr. M. Rubach, Prof. Dr. J. Erdmann, Prof. Dr. H. Fritsch und Prof. Dr. S. Töpfl, „DLG-Expertenwissen 8/2017; Reformulation – Reduktionsstrategien für Fett, Zucker, und Salz, Teil 1“, S. 1–8, 2017
  9. Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie, „Salz in Fleischerzeugnissen – Stand und Reduktion,“ 2012
  10. U.S. Department of Agriculture, „Pork and Beef sausage,“ 2020. online verfügbar unter: https://ndb.nal.usda.gov/fdc-app.html#/food-details/782365/nutrients . [zugegriffen am: 18-Aug-2020]
  11. F. Grundhöfer, „Fleisch und Erzeugnisse aus Fleisch,“ Taschenbuch für Lebensmittelchemiker und -technologen, S. 249–271, 1991
  12. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „weniger-ist-mehr.“ Bonn, S. 9, 2020
  13. Dr. nat. techn. K. Dürrschmid, „DLG-Expertenwissen 4/2018; Reformulation – Reduktionsstrategien für Fett, Zucker, und Salz, Teil 3 – Multimodale Wahrnehmung und crossmodale Interaktion“, 2018
  14. Dr. M. Cicek, Dr. M. Rubach, Prof. Dr. J. Erdmann, Prof. Dr. H. Fritsch und Prof. Dr. S. Töpfl, „DLG-Expertenwissen 2/2018; Reformulation – Reduktionsstrategien für Fett, Zucker, und Salz, Teil 2 – Schwerpunkt Fleisch und Fleischwaren“, 2018
  15. Y. Xiong, B. Deng, R. D. Warner und Z. Fang, „Reducing salt content in beef frankfurter by edible coating to achieve inhomogeneous salt distribution,“ International Journal of Food Science + Technology, Bd. 55, 2020
  16. Weltgesundheitsorganisation, „Noncommunicable diseases,“ 2018. online verfügbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/noncommunicable-diseases [zugegriffen am: 23-Jul-2020].
  17. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „Erweiterte Nährwertkennzeichnung: Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Nutri-Score,“ 2020. online verfügbar unter: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/naehrwertkennzeichnungs-modelle-nutriscore.html. [zugegriffen am: 23-Jul-2020]

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Kontakt

Simone Schiller • Geschäftsführerin DLG-Fachzentrum Lebensmittel • Tel: +49(0)69/24 788-390 • S.Schiller@DLG.org