DLG-Expertenwissen 08/2024

Künstliche Intelligenz in der Lebensmittelverarbeitung

Möglichkeiten und Grenzen für die Qualitätssicherung von Lebensmitteln und Getränken

Teil 2: Chancen und Hemmnisse aus Sicht der Praxis 
Ergebnisse von Experteninterviews

DLG-Expertenwissen 08/2024
1. Auflage, Stand 06/2024

Autorinnen:

  • Dr. Désirée Schneider
    DLG e.V., Fachzentrum Lebensmittel, Projektleiterin; 
    Hochschule Fulda, Fachbereich Lebensmitteltechnologie, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Franziska Karoline Sander
    Nestlé Purina PetCare Deutschland GmbH, Quality Expert
  • Prof. Dr. Annikka Zurwehme
    Hochschule Fulda, Fachbereich Lebensmitteltechnologie, 
    Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Qualitätsmanagement

Die Literaturliste kann unter sensorik@dlg.org angefordert werden.

Künstliche Intelligenz in der Lebensmittelverarbeitung
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Hintergrund

Dieses aus zwei Teilen bestehende Expertenwissen gibt einen Überblick über aktuelle Einsatzmöglichkeiten von KI im Bereich Qualitätssicherung und beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen von KI-gestützten Technologien, um Barrieren und zukünftige Chancen von KI zu identifizieren. Es wird dargestellt, welche hindernden und fördernden Faktoren bei der Implementierung von KI in der Qualitätssicherung und Lebensmittelverarbeitung eine Rolle spielen. Davon ausgehend werden Handlungsempfeh­lungen für produzierende Unternehmen abgeleitet, um Potenziale von KI für den Bereich freisetzen zu können.

Während im ersten Teil eine Einführung in die Thematik und die Ergebnisse der internationalen Literaturrecherche dargestellt wurden, fokussiert der zweite Teil die Einschätzungen aus Experteninterviews, die im Frühjahr 2024 durchgeführt wurden, und zeigt Handlungsempfehlungen für die Praxis auf.

1. Aktuelle Anwendungen von KI in der Qualitätssicherung

Nachdem der Einsatz in der Wissenschaft und die Zielsetzungen durch den Einsatz von KI beleuchtet worden sind, wird im Folgenden aufgeführt, welche Anwendungen von KI in der Qualitätssicherung bereits in der Praxis eingesetzt werden. Eine Übersicht des möglichen Einsatzes von KI bietet Abbildung 1.

Abbildung 1: Beispiele für Anwendungen von KI in der Qualitätssicherung [eigene Darstellung]
Abbildung 1: Beispiele für Anwendungen von KI in der Qualitätssicherung [eigene Darstellung]

1.1 Computer Vision

Computer Vision ist eine der meist genutzten Technologien im Bereich der Produktion und Qualitätssicherung. Anwendungsbereich ist vor allem die optische Kontrolle von Lebensmitteln, wie u. a. die Überprüfung von Lebensmitteln bzw. verpackten Lebensmitteln auf Vollständigkeit oder die Sortierung von Lebensmitteln nach vorgegebenen Qualitätsanforderungen. Idealerweise kann eine smarte Kamera jegliche Farbabweichung erkennen, markieren, analysieren und die Verantwortlichen alarmieren. Weitere Anwendungsbeispiele sind Größen- und Abstandsmessungen.

Darüber hinaus wird Computer Vision auch für die Überprüfung von Verpackungen eingesetzt. Zum einen bietet der Einsatz eines optischen Kontrollsystems den Vorteil, die Kodierung der Produkte zu überprüfen und eine Rückverfolgbarkeit sicherstellen zu können. Zum anderen kann eine Kontrolle des Verpackungsmaterials, das maßgeblich für die Produktsicherheit und Haltbarkeit ist, erfolgen. Darüber hinaus werden bereits 3-D-Kontrollen im Verpackungsbereich eingesetzt, um Lebensmittel vor dem Verpacken zu kontrollieren. Genutzt wird Computer Vision hier beispielsweise um sicherzustellen, dass das Produkt die korrekte Höhe, Länge oder Breite hat und so Probleme beim Verpackungsvorgang vermieden werden. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind die Überwachung der Paletten-Qualität sowie eine in-line Überwachung von weiteren optischen Parametern während des Herstellprozesses, die ein zeitnahes Eingreifen ermöglichen.

1.2 Sensorische Überwachung mittels e-Nase/e-Zunge

Der sensorischen Überwachung von Lebensmitteln kommt ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu. Eine Möglichkeit, um die sensorische Qualität zu gewährleisten, besteht in der Implementierung einer e-Nase oder e-Zunge. Ziel ist es eine Reproduzierbarkeit der Qualitätsbewertung einzelner Parameter zu erreichen. Allerdings ist eine umfassende multisensorische Überwachung mittels KI schwierig und die begleitende Etablierung und das Training von Sensorik-Panels herausfordernd. Jedoch können KI-gestützte Tools dabei helfen, die Bewertung der Lebensmittel objektiver zu gestalten oder bei der Identifikation von Mängeln weitere Anregungen für die Überprüfung der Lebensmittelqualität liefern.

Ein weiterer Vorteil liegt zudem darin, dass die Zeit bis zur nächsten sensorischen Bewertung durch die Panels überbrückt werden kann und frühe Warnsignale bzw. Abweichungen wahrgenommen werden können, um ein zeitnahes Gegensteuern zu ermöglichen. Dennoch befindet sich die praktische Anwendung einer e-Nase oder e-Zunge größtenteils noch „in einem Vorstadium“ mit ersten Pilotprojekten. Der sensorischen Bewertung durch e-Nasen bzw. e-Zungen innerhalb der Produktion werden jedoch große Potenziale zugesprochen, beispielweise zur Detektion von Fehlgerüchen u. a. bei Verpackungen.

1.3 Intelligente Sensoren für die Messung physikalischer oder chemischer Parameter

Auch Anwendungen intelligenter Sensoren, die physikalische und chemische Parameter erfassen, finden bereits Einsatz in der Lebensmittelindustrie. Zu beachten ist dabei, dass Parameter wie Temperatur, pH-Wert, Druck und Leitfähigkeit in Wechselwirkung miteinander stehen.

Im Bereich intelligenter Sensoren sind Anwendung zur Temperaturüberwachung, z. B. bei einem Sterilisationsprozess, verbreitet. Neben der Überwachung der Erreichung eines vorgegebenen Temperaturwertes für die Abtötung möglicher Pathogene besteht zudem die Möglichkeit mittels KI Parameter wie Zeit und Temperatur so einzustellen, dass die Produktqualität verbessert wird. pH-Sensoren verfügen zudem über ein hohes Potenzial, Prozesse zu überwachen. Beispielsweise kann eine Messsonde im Bereich einer Clean-in-Place-(CIP) Reinigung mit einer intelligenten Überwachung des Reinigungsvorganges genutzt werden. Eine weitere Technologie, die bereits seit mehreren Jahren genutzt wird, ist die Spektroskopie. Über Kalkulationskurven können beispielsweise Farbabweichungen kurzfristig erkannt werden. Auch zur Überwachung von Food Fraud wird Nahinfrarotspektroskopie aus Sicht der Experten bereits eingesetzt. Darüber hinaus werden in-line Viskositätsmessungen genutzt. Diese ermöglichen ein schnelles Anpassen diverser Prozessparameter.

1.4 Intelligente Datenverarbeitungsprogramme

Ein weiteres häufiges genanntes Tool im Zusammenhang mit KI sind Datenverarbeitungsprogramme, die beispielsweise diverse Daten im Bereich von Qualitätsprüfungen verarbeiten und ggf. bewerten. Eine Herausforderungen liegt dabei in der wachsenden Produkt- und Linienvielfalt und in der damit einhergehenden beständig steigenden Menge an Daten. Hier kann KI dabei unterstützen, eine Einschätzung über die hergestellte Charge abzugeben und deren Compliance zu überprüfen. KI kann auch eingesetzt werden, um dabei zu unterstützen, bestimmte Rollen und Erfahrungswerte der Mitarbeitenden so zu strukturieren und den Freigabeprozess so zu steuern, dass nur berechtigte Personen diesen durchführen können. Des Weiteren werden bereits Hilfsmittel auf Basis der „prädiktiven Analytik“ eingesetzt. Diese Prognosesysteme können Unternehmen im gesamten Prozess von der Beschaffung über die Produktionsplanung bis hin zur Lagerung unterstützen, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten, bspw. im Hinblick auf Frische oder Haltbarkeit oder auch hinsichtlich Food Fraud.

Digitalisierung
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2. Fördernde Einflussfaktoren für die Implementierung von KI

Im Folgenden werden fördernde Faktoren für die Implementierung KI-getriebener Technologien beleuchtet. Eine Übersicht von fördernden Faktoren ist Abbildung 2 zu entnehmen.

Abbildung 2: Einflussfaktoren, die den Einsatz von KI fördern [eigene Darstellung]
Abbildung 2: Einflussfaktoren, die den Einsatz von KI fördern [eigene Darstellung]

2.1 Positive Einstellung der Akteure

Einer der entscheidendsten Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Implementierung von KI ist die Einstellung der Akteure. Unter Akteuren werden sowohl Mitarbeitende, die aufgrund einer Leitungsfunktion über den Einsatz neuer Technologien (mit)entscheiden können, als auch solche, die neue Technologien ausschließlich nutzen bzw. anwenden, verstanden. Wenn Akteure eine offene oder positive Grundeinstellung in Bezug auf KI zur Qualitätssicherung besitzen, kann die Implementierung deutlich leichter verlaufen. Charakteristisch für eine positive Einstellung ist ein Erkennen des Nutzens der Technologie für die eigene Arbeit, was vor allem unter Mitarbeitenden in der Anwenderrolle zu einer höheren Akzeptanz führt. Aus Sicht der Experten hängt die Einstellung gegenüber KI auch mit dem privaten Nutzungsverhalten zusammen.

2.2 Schulungen

Fördernde Effekte werden zudem durch Schulungen erzielt, in denen die Vermittlung von digitalen Kompetenzen im Mittelpunkt steht. Schulungen stellen eine wesentliche Voraussetzung für die Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit den verschiedenen Anwendungen dar. Herauszustellen ist dabei, welche Unterstützung KI bieten kann und dass sich oft zwar das Jobprofil ändert, der Mensch aber nicht ersetzt wird.

Wichtig sind dabei regelmäßig durchgeführte Schulungen, um die Fähigkeiten der Mitarbeitenden kontinuierlich zu trainieren. Die Sorge davor, die eigenen Tätigkeiten aufgrund der steigenden technischen Anforderungen nicht mehr ausführen zu können, kann so minimiert werden.

2.3 Digitale Kompetenz der Mitarbeitenden

Auch die digitale Kompetenz der Mitarbeitenden nimmt Einfluss auf die Implementierung und Anwendung von KI-getriebenen Technologien. Vor allem größere Unternehmen sollten ausreichend Expertise im eigenen Unternehmen haben, um überwiegend eigenständig Digitalisierungsprojekte mit KI vorantreiben zu können.

Des Weiteren kann die Möglichkeit ein sog. „Automated Machine Learning“ zu nutzen künftig dabei helfen, ideale KI-Modelle zu entwickeln.

2.4 Einbezug externer Dienstleister

Auch der Einbezug externer Anbieter kann sich positiv auswirken. Vor allem im Mittelstand kann empfohlen werden auf die KI-Expertise externer Dienstleister zurückzugreifen, um den Einstieg zu erleichtern. Dies ist auch wichtig für die Vermittlung bestehender Limitationen von KI. Dabei können sogenannte „Model Cards“ eine realistische Vorstellung sicherstellen. Hierbei handelt es sich um eine Art Steckbrief, die Kunden über das Modell informieren und deren Grenzen und zu berücksichtigende „Biases“ darlegen.

3. Hindernde Einflussfaktoren für die Implementierung von KI

Im Folgenden werden jene Faktoren aufgegriffen, die sich hindernd auf die Implementierung von KI auswirken können (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Einflussfaktoren, die den Einsatz von KI hemmen [eigene Darstellung]
Abbildung 3: Einflussfaktoren, die den Einsatz von KI hemmen [eigene Darstellung]

3.1 Negative Einstellung der Akteure

Vorbehalte der verschiedenen Akteure gegenüber KI stellen ebenfalls einen zentralen hindernden Faktor dar. Für die Implementierung von KI verantwortliche Entscheider sind oft schwer vom Mehrwert einer Implementierung KI-gestützter Technologien zu überzeugen. Gründe dafür könnten sein, dass KI oft noch mystifiziert wird gepaart mit Unwissenheit und Angst. Zur Unwissenheit können auch traditionelle Denkweisen in der Lebensmittelindustrie beitragen. Bezogen auf die Rolle der Leitungsebene in Unternehmen ist entscheidend, dass dort die Relevanz des Themas erkannt wird und die Akteure die Verantwortung für die Implementierung übernehmen.

Bei den anwendenden Mitarbeitenden liegt die größte Sorge bzw. Angst auf der wahrgenommenen Bedrohung eines möglichen Jobverlusts bzw. von Einschnitten in die vorherigen Tätigkeiten. Auch die Sorge davor, fachlich nicht mehr mitzukommen, spielt eine Rolle.

Finanzielle Hinderungsgründe sind eher nachrangig. Das Hauptproblem an dieser Stelle ist vielmehr, dass aus Unternehmenssicht das Risiko eines Geldverlustes besteht, wenn KI-Projekte falsch angegangen werden. Das richtige Vorgehen bei der Implementierung einer KI ist daher wichtig, um zu verhindern, dass Projekte scheitern.

3.2 Unzureichende technische Voraussetzung und Infrastruktur

Als Hemmnis gelten auch unzureichende bzw. als unzureichend wahrgenommene technische Voraussetzungen und Infrastrukturen auf Seiten der Unternehmen. Unternehmen haben oft die Befürchtung, dass die hardwareseitige oder softwareseitige Infrastruktur für die Implementierung von KI nicht ausreichend sein könnte. Diese Sorge ist in der Regel unbegründet. Es empfiehlt sich zunächst mit einem kleinen Projekt zu starten.

Bei mittelständischen Unternehmen werden die technischen Voraussetzungen häufig deutlich schlechter eingeschätzt als bei Großunternehmen.

3.3 Mangel an Transparenz der Unternehmensleitung

Die negative Einstellung der Akteure geht auch oft mit der Sorge vor einer „Headcount Reduction“ als Konsequenz der Implementierung von KI einher. Wichtig ist es daher, dass die Unternehmensleitung „offen“ damit umgeht. Beispielsweise sollte verdeutlicht werden, dass Arbeitsplätze nicht aufgrund von KI wegfallen, sondern Mitarbeitende ausschließlich unterstützt werden sollen. Die Technologien sollten den Mitarbeitenden bei der Arbeit unterstützen und die Art, wie diese Hilfe angeboten wird, sollte transparent kommuniziert werden. Dementsprechend sind dazugehörige Informationen offenzulegen, um den Anwendern die Ängste und Sorgen zu nehmen.

3.4 Datenschutz und -sicherheit

Erwägungen zu Datenschutz und -sicherheit können ebenfalls einen hindernden Faktor für die Nutzung von KI darstellen. Dementsprechend besteht seitens der Unternehmen oft die Sorge um die Vertraulichkeit sensibler Daten. Daraus resultiert der Wunsch, KI ohne Offenlegung der vertraulichen Daten, vor allem im Zuge des Trainings einer KI, nutzen zu können. Die Herausforderung besteht darin, die Daten im Unternehmen zu behalten und beispielsweise Wettbewerbern keine Hinweise auf interne Prozessabläufe zu geben. Der Zugang zu KI ohne externe Servicedienstleistungen für die Unternehmen sollte daher vereinfacht werden.

Eine weitere Möglichkeit zum Schutz der Daten besteht außerdem darin, anonymisierte Daten zu verwenden. Es muss auch die Frage geklärt werden, wie sehr sich das Training einer KI durch einen Angriff auf die Daten beeinflussen lässt. Auch in solchen Szenarien wäre ein Schaden für die betroffenen Unternehmen möglich.

3.5 Mangel an digitaler Kompetenz der Mitarbeitenden

Mangelnde digitale Kompetenz der Mitarbeitenden stellt ein weiteres Hemmnis dar. Es gibt häufig  Bedenken in Bezug auf das Vorhandensein der erforderlichen fachlichen Expertise, die eine Implementierung von KI voraussetzt. Diese Bedenken sind jedoch in der Regel unbegründet, da tiefgreifendes technisches Wissen keine Voraussetzung für die Implementierung von KI ist. Gleichwohl wirkt sich fehlendes Wissen aber insofern problematisch aus, als eine Implementierung scheitern könnte, weil Entscheidende mit geringem Wissen sich nicht vorstellen können, welche Lösungen und welchen Nutzen der Einsatz einer KI mit sich bringen kann.

4. Möglichkeiten und Grenzen von KI in der Qualitätssicherung

Im Folgenden werden die potenziellen Chancen und Grenzen im Herstellprozess beleuchtet, die in Abbildung 4 dargestellt sind.

Abbildung 4: Chancen und Grenzen von KI [eigene Darstellung]
Abbildung 4: Chancen und Grenzen von KI [eigene Darstellung]

4.1 Chancen von KI

Der Einsatz von KI in der Qualitätssicherung von Lebensmitteln wird generell als „grenzenloses Feld“ betrachtet. Als besonders zukunftsrelevant werden jedoch vor allem Sensoren, Kameras und Scanner eingestuft.

Auch die Bewertung optischer Parameter durch Zuhilfenahme einer KI kann eine Anwendungsmöglichkeit sein. Die „subjektive Bewertung“ einer KI ist hier vor allem bei der Überwachung von Parametern, wie „Farbe, Form oder Aussehen“ eine wichtige Chance für die Qualitätssicherung.

Eine weitere Möglichkeit, um KI in der Qualitätssicherung nutzbar zu machen, kann darin liegen, diese für engmaschige Überprüfungen heranzuziehen und dadurch andere manuelle Prüfungen weniger häufig durchzuführen. Bei unsicheren Ergebnissen kann dennoch weiterhin auf herkömmliche Methoden zurückgegriffen werden. Auch das Thema „Food Fraud“ kann durch die Unterstützung mittels KI zukünftig noch stärker fokussiert und „vorausschauend“ angegangen werden.

Durch zunehmend einfacher werdende Entwicklungsmöglichkeiten von KI-Modellen kann davon ausgegangen werden, dass sich der Zugang zu KI-getriebenen Technologien gerade für mittelständische Unternehmen perspektivisch verbessern wird. Der hemmende Faktor „Mangel an digitaler Kompetenz“ wird an Relevanz verlieren und die Nutzung von KI in der Qualitätssicherung wird somit vereinfacht.

4.2 Grenzen von KI

Es gibt aber auch potenzielle Grenzen für den Einsatz von KI innerhalb der Qualitätssicherung, die zu beachten sind. Mögliche Grenzen können in der fehlenden Standardisierung liegen. Zudem stellen fehlende Benchmarks einiger Methoden eine mögliche Barriere dar.

Eine weitere Herausforderung könnte darin liegen, dass zukünftig neu entwickelte KI-Modelle den Standards für eine Anwendung entsprechen müssen. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung könnte es passieren, dass die KI-Modelle diesen festgelegten Standards nicht mehr entsprechen.

KI weist noch zahlreiche Unsicherheiten auf, die noch nicht genau erfasst werden können. Dieses „Black-Box-Problem“ ist für die meisten Nutzer derzeit kaum nachvollziehbar und kann die Bewertung der Ergebnisse für Anwender enorm erschweren bzw. die Nachprüfbarkeit der Aussagen einschränken.

Grundvoraussetzungen für die Nutzung von KI sind eine hohe Datenqualität einerseits, d. h., eine gute Vorbereitung der Daten, und eine Standardisierung andererseits, so dass die technischen Systeme alle miteinander kommunizieren können. Der aktuelle Stand der Entwicklung in den Unternehmen liegt zunächst im Schritt der Datenaufbereitung, bevor es zukünftig weiter in die Nutzung der KI geht.

Trotz aller Harmonisierungen der Prozesse und der Standardisierung der (Software-)Produkte wird es gerade auch bei Lebensmitteln immer wieder gewisse Abweichungen geben, die das Eingreifen und die Bewertung des Menschen benötigen und damit dessen Erfahrung bedürfen.

Digitalisierung
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Kernaussagen/Zusammenfassung:

1. Welche KI-getriebenen Technologien werden bereits bei der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt?

Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen haben aktuell kaum KI-gestützte Anwendungen in ihren Prozessen implementiert. Die Expertise im Bereich KI steigt mit zunehmender Unternehmensgröße.

Große Unternehmen bzw. Konzerne planen bereits weitere KI-bezogene Projekte, so dass sich größenbedingte Unterschiede in der Anwendungspraxis weiter verschärfen könnten. Perspektivisch könnten diese Unterschiede jedoch wieder abnehmen, wenn die Entwicklungen im Bereich KI einen Zugang ermöglichen, der weniger Ressourcen erfordert. Aktuelle Anwendungsbeispiele sind die Nutzung von Kamera- und Scanner-Systemen sowie intelligente Datenverarbeitungsprogramme, die eine Auswertung von zahlreichen Daten im Herstellprozess ermöglichen. Darüber hinaus werden diverse Sensoren innerhalb der Produktion eingesetzt, um verschiedenste Parameter zu erfassen und die Qualität zu überwachen. Mit Blick auf die aktuelle Anwendung diverser Tools, die eine sensorische Bewertung ermöglichen, scheint hier die Nutzung aktuell überwiegend im Rahmen von Pilotprojekten zu erfolgen.

2. Welche Potenziale birgt der Einsatz von KI im Bereich der Qualitätssicherung in Hinblick auf Qualitäts-verbesserung, Kostenreduktion sowie Effizienzsteigerung?

Die größten Potenziale werden in der Effizienzsteigerung der Prozesse und der Kostenreduzierung gesehen. Ziel ist es, Prozesse so weit wie möglich zu vereinfachen und zu beschleunigen, um die Fachpersonal-Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. So könnte unzureichenden digitalen Kompetenzen aufgrund des Fachkräftemangels oder der hohen Personalfluktuation in der Lebensmittelindustrie begegnet werden. Ein weiteres Ziel liegt darin, KI für komplexe Aufgaben und Fragstellungen zu nutzen, die über menschliche Fähigkeiten hinausgehen. Die Nutzung KI-getriebener Technologien ist eine gewinnbringende Möglichkeit, um einen schnellen Gesamtüberblick zum Stand der Produktqualität und Prozessstabilität zu erhalten. Durch die Nutzung von in-line Messungen können Qualitätsabweichungen zeitnah erkannt und an die verantwortlichen Personen kommuniziert werden. Diese kontinuierliche Überwachung trägt zur Erleichterung diverser Tätigkeiten bei und reduziert bzw. vermeidet Kosten, die mit Qualitätsdefiziten und Lebensmittelverlusten in Verbindung stehen. KI kann dazu beitragen, dass Ergebnisse homogener und reproduzierbar werden und eine konstante Qualität garantiert werden kann.

3. Welche Potenziale können KI-getriebene Technologien bei der Verarbeitung von Lebensmitteln zusätzlich freisetzen?

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten und grenzenlose Anwendungen von KI sind in der Qualitätssicherung denkbar. 
Kurzfristig betrachtet ist vor allem eine Nutzung von Kameras, Sensoren und Scannern sowie die Zuhilfenahme einer KI für den Wissenstransfer und -aufbau umsetzbar.

In diversen Studien werden die Einsatzmöglichkeiten von KI überwiegend in kleineren Maßstäben oder spezifisch für eine Produktgruppe analysiert. Um dieses Anwendungspotenzial erfolgreich in die Industrie der Lebensmittelherstellung zu übertragen, sollten Unternehmen zunächst mit kleineren, leicht umsetzbaren Projekten starten. Auch die Beauftragung eines externen Dienstleisters kann dabei helfen, die Potenziale von KI bestmöglich auszuschöpfen und den Einstieg in die Thematik zu erleichtern. Langfristig kann die Notwendigkeit einer Beauftragung entfallen, wenn technische Weiterentwicklungen die praktische Handhabung von KI weiter vereinfachen.

4. Welchen Grenzen unterliegt der Einsatz von KI-getriebenen Technologien bei der Verarbeitung von Lebensmitteln?

Insbesondere Unsicherheiten bei der Bewertung KI-generierter Daten werden als problematisch eingestuft. „Biases“ können die Ergebnisse der KI beeinflussen und müssen für Anwender nachvollziehbar sein. Grundsätzlich besteht beim Rückgriff auf KI das „Black-Box-Problem“. Die fehlende Transparenz hinsichtlich der für das Training genutzten Daten und die daraus resultierende Unsicherheit über die Aussagekraft der Ergebnisse stellt ein weiteres Problem dar. Eine Anwendung in der Qualitätssicherung sollte vorerst auf die Datenvorbereitung und -vorbewertung beschränkt werden.

Das Fehlen einer standardisierten Technologie speziell für den Einsatz in der Qualitätssicherung wird ebenfalls kritisch gesehen. Unzureichende Kenntnisse über KI hindern die Implementierung. Oft verfügen Entscheider nicht über ausreichendes Wissen zu verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten von KI. Abhilfe können externe Dienstleistungsunternehmen schaffen, die Chancen und Limitationen von KI-getriebenen Technologien für die Lebensmittelhersteller aufzeigen können. Sorgen und Ängsten unter Anwendern kommt zudem eine hohe Relevanz zu, vor allem Sorgen um den Arbeitsplatz. Auch Bedenken im Hinblick auf Datenschutz und -sicherheit spielen eine gewichtige Rolle, da Daten im Bereich der Qualitätssicherung häufig sensible Informationen enthalten und insofern streng vertraulich behandelt werden müssen. Zudem ist die Misserfolgsquote bei der Implementierung von KI relativ hoch. Daraus resultiert die Sorge vor einem hohen Verlust finanzieller und zeitlicher Ressourcen. Rechtliche Aspekte sowie fehlende Anwendungsfälle können weitere Hemmnisse sein.

Die Ausführungen aus Literaturrecherche und Experteninterviews zeigen deutlich mögliche Chancen und Grenzen des KI-Einsatzes auf, verdeutlichen aber auch das große Potenzial bestehender Technologien und die damit einhergehende Entwicklungsdynamik. Es ist daher zu erwarten, dass die angesprochenen Ansätze und Tools mehr und mehr Resonanz in der Lebensmittelindustrie finden werden.

Kontakt

Bianca Schneider-Häder - Projektleiterin, DLG-Fachzentrum Lebensmittel - Tel.: +49 69 24788-360  B.Schneider@DLG.org