Trends bei Digital Systems und IT
Heinrich Prankl, Wieselburg (Österreich)
Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche unseres beruflichen und privaten Lebens in einem Ausmaß wie nie zuvor. Diese Entwicklung ist selbstverständlich auch in der Landwirtschaft und speziell in der Agrartechnik sichtbar. So erscheinen kaum mehr eine neue Maschine, ein System oder ein Produkt am Markt ohne Elektronik und mehr oder wenig komplexer Software. Je höher der Wert eines Produkts ist, desto wichtiger ist professioneller Service und Wartung. Dementsprechend ist bei Maschinen im größeren Leistungsbereich eine Anbindung ans Internet selbstverständlich. Die Entwicklung hin zu einem immer höheren Automatisierungsgrad erfordert aber zunehmend intelligente Systeme, z. B. den Einsatz von komplexer Sensortechnik, Steuerungs- und Regelungstechnik oder Künstlicher Intelligenz.
Intelligente Systeme für steigende Automatisierung
Der beschriebene Trend kommt aber nicht von ungefähr, sondern hat im Wesentlichen folgende Ursachen:
- Der Anspruch an die Arbeitsqualität der verschiedenen Prozesse in der Pflanzenproduktion steigt ständig an. Die Präzision in der Bodenbearbeitung, Sätechnik, Pflanzenschutz, Düngung oder Erntetechnik erfordert eine ausgeklügelte Prozesssteuerung und -überwachung und dementsprechende Sensortechnik und Aktorik.
- Die Komplexität von Maschinen steigt ständig an. Andererseits fehlt entsprechend hoch qualifiziertes Bedienpersonal. Für derartige intelligente und komplexe Systeme ist ein möglichst einfaches Bedienkonzept notwendig.
- Es besteht ein hoher Druck, die Arbeitseffizienz weiter zu steigern. Ressourcen müssen geschont und Arbeitszeit muss eingespart werden. Deshalb ist es notwendig, die Schlagkraft der Maschinen weiter zu steigern. Es müssen daher auch die Maschineneinstellungen möglichst präzise an die Umgebungsbedingungen angepasst werden. Auch dafür ist eine entsprechende Sensortechnik notwendig.
- Probleme, Fehler, Komponenten- oder Systemausfälle sind extrem zeit- und kostenintensiv. Deshalb müssen Probleme frühzeitig erkannt werden, was den Einsatz von z. T. sehr komplexer Sensortechnologie erfordert.
- Bedingt durch den Klimawandel mit Dürreperioden einerseits und Starkregenfällen andererseits müssen zunehmend unerwartete Situationen erkannt werden und es muss flexibel darauf reagiert werden.
- Der Zeit- und Kostendruck führt letztendlich dazu, dass Maschinen bzw. Systeme immer höher automatisiert werden und letztendlich autonom betrieben werden. Dabei muss das System sich selbst, seine Umgebung und den Arbeitsprozess überwachen und in ein Managementsystem eingebettet werden.
Dies ist aber erst durch die rasante Entwicklung neuer und innovativer Technologien möglich. Insbesondere in der Digitalisierung und speziell im Bereich der Künstlichen Intelligenz spielt derzeit die Musik. Eine entsprechende Datengrundlage vorausgesetzt, lassen sich mit Methoden der KI verschiedenste Prozesse modellieren. Damit können z. B. Informationen aus Bilddaten für die Prozesssteuerung gewonnen werden. Darauf aufbauend können Modelle trainiert werden. Hochwertige Modelle lassen Prognosen zu und ermöglichen damit automatisierte Entscheidungsprozesse. Dafür sind umfangreiche Sensorsysteme und Methoden des Machine Learnings notwendig. Durch günstige Kommunikationstechnologien werden Prozessdaten oftmals direkt in die Cloud der Hersteller geliefert, wo sie bequem ausgewertet und aufbereitet werden können.
In diesem Bereich sind viele neue Entwicklungen erkennbar, die im Folgenden genauer beschrieben werden.
Innovative Entwicklungen
Die Entwicklungen im Bereich Digitaler Systeme und IT wurden in vier verschiedene Kategorien unterteilt, die aber teilweise ineinander übergehen:
- Sensortechnik und Prognosesysteme
- Computer Vision
- Managementsysteme
- Hard- und Softwarekomponenten
Sensortechnik und Prognosesysteme
Sensoren werden dazu verwendet, um einzelne Parameter zu erfassen und Daten zu liefern. Um Situationen richtig zu erfassen und darauf Entscheidungen aufzubauen, ist es oftmals notwendig, mit KI-Methoden vortrainierte Modelle zu implementieren. Ein typisches Beispiel ist die Vibrationsüberwachung. Agrosentinels Kft. bietet einen gleichnamigen Vibrationssensor in Kombination mit einem Diagnosesystem an, der eine Echtzeit-Fehlerüberwachung sowie eine Früherkennung von Bauteilschäden an Landmaschinen ermöglicht. Die italienische Firma COMET S.p.A. präsentiert mit Campus ein Diagnosesystem für Pumpen von Pflanzenschutzgeräten auf Basis verschiedener Sensoren. EMILIANA SERBATOI S.r.L. hat mit Emil Level einen Füllstandssensor im Programm, der vor allem für mobile Tanks verwendet werden kann. Sehr interessant ist aber auch Intuitu Smart Pressure Assistant von Nokian Heavy Tyres Ltd. Der Reifendrucksensor ist wie bei einem Reifendruckkontrollsystem direkt im Reifen eingebaut und überträgt Druck und Temperatur sowie das Gewicht via Cloud auf das Smartphone. Damit lässt sich der korrekte Reifendruck bequem einstellen. TECALEMIT Flow ist ein Durchflusszähler für Tankanlagen, der ebenfalls an eine Daten-Cloud angebunden ist.
Bedarfsgerechte Bewässerung wird immer wichtiger. Die Voraussetzung dafür ist die Kenntnis des pflanzenverfügbaren Wassers im Boden. Dazu hat Drought Analytics Gmbh, ein Spin-off des Forschungszentrums Jülich, den Dürrepilot entwickelt, der auf Basis von TDR-Sensoren im Boden, von Pflanzenmodellen sowie tagesaktuellen Wetterprognosen ein leistungsfähiges Bewässerungs-Managementsystem bereitstellt. Der Bewässerungsspezialist Bauer aus Österreich hat Cosmofield entwickelt. Dabei wird das Prinzip der Detektion kosmischer Neutronen zur Bodenfeuchtemessung verwendet. Ein Sensor deckt dabei 5 bis 10 ha Ackerfläche ab, wodurch der Einsatz einer Vielzahl einzelner Bodensensoren vermieden wird.
Im Bereich der Schädlingsdetektion zeigt EFOS d.o.o. mit AURA 2 SC eine solarbetriebene Insektenfalle, die UV-Licht anstelle von Pheromonen verwendet und mit einer KI-basierten Auswertung aufwarten kann. Ebenfalls von derselben Firma wurde BARKB SC entwickelt, eine solarbetriebene Borkenkäfer-Falle mit automatisierter Auswertung.
Computer Vision
Die Entwicklung immer günstigerer Kamerasysteme und vor allem die Möglichkeiten der Bildauswertung mittels Maschinellen Lernens haben zu einer Reihe von neuen Entwicklungen geführt. Insbesondere die Auswertung von Drohnenbildern wird immer vielfältiger. Proofminder Services verwendet bei AI Agronomist hochauflösende Drohnen- und Kamerabilder zur Unkrauterkennung, Ertragsprognose, Bestandszählung, Wetter- und Wildschäden sowie zur Erstellung präziser Spritzkarten und unterstützt dabei über 30 Anwendungsfälle. Auch ZONEYE von Skymaps s.r.o. verwendet einen cloudbasierten KI-Algorithmus zur Detektion von über 30 Pflanzenarten aus Drohnenbildern. Die FH Kiel hat Dynamic Field Scout entwickelt, das auf Basis von Drohnen-Orthofotos aktuelle und genaue Feldkonturen ermittelt und dabei auch Hindernisse erkennt. Zum Trainieren der KI-Algorithmen durch eigene Bilder wird von Photoheyler GmbH die Trainingsplattform Custom AI angeboten.
Brigade Electronics bietet ein neues Front-mounted Camera Monitor System mit KI-basierter Personen- und Verkehrserkennung einschließlich Warnmeldung an. Die Vorbaukamera wurde bereits DLG-getestet. EasyMatch von Amazonen Werke GmbH ermöglicht eine automatisierte Einstellung des Düngerstreuers durch Identifizierung des auszubringenden Handelsdüngers mittels Bildanalyse. Hagedorn Software Engineering GmbH bringt mit VISION ein KI-basiertes 3D-Kamerasystem auf den Markt, das für die Überwachung der Arbeitsqualität von Anbaugeräten verwendet werden kann. Dabei kann z. B. die Verstopfung eines Grubbers automatisch erkannt werden. Vision Pro von FieldBee hingegen ist eine Nachrüstlösung für ein Lenksystem, das aber auch eine RGB- und NIR-Kamera für die Berechnung eines Vegetationsindex (EVI) in Echtzeit beinhaltet. Rau Serta Hydraulik GmbH bietet mit WIN – Weeder Intelligent Network ein kamerabasiertes Reihenerkennungssystem für die Hackgerätesteuerung und Spurführung an. Zum raschen Auffinden des richtigen Ersatzteiles hat Claas eine KI-gestützte Ersatzteilerkennung durch Bildanalyse eines Fotos entwickelt.
Managementsysteme
Das Maschinenmanagement gewinnt umso mehr Bedeutung, je teurer und komplexer ein System wird. Eine hohe Maschinenauslastung, die Überwachung, aber auch optimierte Funktionalitäten sind Voraussetzung für einen effizienten Betrieb. Lemken hat mit iQblue bereits in der Vergangenheit innovative Entwicklungen präsentiert. Das vor zwei Jahren präsentierte (und prämierte) System iQblue tool monitoring zur Beurteilung des Zustands der Grubberschare wurde nun zu iQblue Smart implement erweitert. Dabei wird zusätzlich zur Walzendrehzahl auch der Gutfluss überwacht, um Verstopfungen zu erkennen. iQblue Machine connect erlaubt die Vernetzung von Gerätekombinationen mit und ohne eigene ISOBUS-Funktion zu einer Einheit. Claas hingegen hat ein KI-gestütztes Assistenzsystem für den Betrieb und die Wartung von Maschinen entwickelt. Ein Chatbot mit Analysemodul helfen bei gezielten Fragestellungen und unterstützen bei der Planung von Wartungs- und Reparaturmaßnahmen in der Vertragswerkstatt. Der Green Yield Score von Claas ermöglicht die automatisierte Erfassung und Zuteilung von Emissionsdaten entlang landwirtschaftlicher Produktionsketten. Dabei wird der Treibstoffverbrauch den jeweiligen Prozessschritten zugeordnet.
Case IH bietet mit Connected Operator Services insgesamt vier digitale Services zur Unterstützung von Fahrern und Fahrerinnen, um die Maschinen optimal zu nutzen, Fehler zu vermeiden und die Produktivität zu steigern. Operator-Insight analysiert Maschinendaten in Echtzeit und gibt eine sofortige Rückmeldung an den Fahrer oder die Fahrerin. Operational Report analysiert Verbrauch, CO₂-Emission und Leistung und verknüpft die Daten mit Expertenwissen, erkennt Bedienfehler und zeigt Verbrauchs- und Emissionstrends – samt konkreter Verbesserungsvorschläge. Operational Dashboard gibt Händlern ein leistungsstarkes Werkzeug, um Wartung proaktiv zu planen und Service zu verbessern. Operator Advisor erstellt aus Maschinendaten ein individuelles Fahr-Feedback. FarmBlick GmbH hat mit SRC Smart Relay Cropping ein Tool zur automatischen Fahrspurplanung, Schlagoptimierung und Datenübergabe direkt ins Lenksystem entwickelt.
Mit TCU-Traction Control Unit von AgXeed b.v. lassen sich zentral geplante Aufträge mit einer bestehenden Multibrand-Flotte (Traktor, Selbstfahrer, Roboter etc.) ausführen. Dabei kann der Auftragsumfang je nach Technologielevel von Spurlinien bis zum kompletten Routing inkl. Anbaugeräte-Einstellungen reichen. Die Maschinenfabrik Bernhard Krone hat SPARTA² entwickelt, ein System zur standardisierten Beschreibung des raumzeitlichen Verhaltens (Trajektorien) von Maschinenbewegungen. Ziel ist die Interoperabilität herstellerübergreifender Maschinenkombinationen. Syngenta Agro GmbH stellt zwei neue Systeme vor: Cropwise Operations AI Machine Pool ist eine Plattform zum Maschinenverleih, bei der optimale Gerätekombinationen zwischen Landwirten und Landwirtinnen durch die Echtzeitanalyse geplanter Feldarbeiten und die Maschinenauslastung vorgeschlagen werden. Mit dem Machine Manager lassen sich Arbeitsaufträge unter Berücksichtigung von Feldrelief, Bodenart und -zusammensetzung, Wetterbedingungen sowie Wachstumsstadien der Pflanzen erstellen. Ein integriertes Telematikmodul ermöglicht dabei die Maschinenzuweisung, die Qualitätskontrolle und die Echtzeitüberwachung. AGMO Inc. bietet mit SeamOS eine „Ecosystem-as-a-Service“-Plattform an. Das offene Betriebssystem ermöglicht die Entwicklung von Anwendungen und Plugins z. B. für ISOBUS-Applikationen.
PTx bietet mit dem Panorama Passmaster eine Live-Ansicht von Maschinendaten einschließlich des Datenaustauschs zwischen Maschinen in der Traktorkabine und erleichtert damit die Koordination der Arbeit zwischen mehreren Maschinen und Bedienern durch die Zusammenführung von Anwendungskarten.
Hard- und Softwarekomponenten
Neue Hard- und Softwarekomponenten sind die Basis für komplexere Systeme sowie einen höheren Automatisierungsgrad. So hat Centro Motion mit CrossCore A100 ein neues Display und einen Controller entwickelt. WEED-IT DASH von Rometron B.B. hingegen ist Teil eines Spot-Spray-Systems, bestehend aus Touchscreen, Controller und einem Kommunikationsmodul. Neousys Technology GmbH bietet mit Fanless Flattop ein staubgeschütztes Steuergerät mit sechs Kameraeingängen für KI-Anwendungen an. Der STEERMASTER von Marinelli ist ein System zur Integration von Sensoren, Fernsteuerung und Datenerfassung zum autonomen Fahren.
Äußerst interessant ist NX Next Motion von Arnold NextG GmbH. Dabei handelt es sich um ein vollständiges Drive-by-Wire-System, das die mechanischen Verbindungen von Lenkung, Bremsen und Antrieb durch Elektronik ersetzt und eine Straßenzulassung besitzt. Die Nachrüstlösung DUXALPHA vom selben Unternehmen ist ein 3D-Spurführungssystem für das Gelände. Dabei werden die Fahrspuren in Abhängigkeit von Geländeneigung und Arbeitsbreite geplant. Vorbildhaft ist der logiBUS2026 von HR Agrartechnik GmbH. Dabei handelt es sich um die nächste Version einer intuitiven grafischen Entwicklungsumgebung für ISOBUS-Applikationen. Interessant ist auch die ISO Cloud Control von Zunhammer: Dabei ist der ISOBUS Task-Controller direkt an die Cloud angebunden. Eine neue Applikationskarte wird somit unmittelbar mit dem Fahrzeug synchronisiert. Der Smartstick von Hagedorn Software GmbH ersetzt den USB-Stick zur Übertragung von Aufträgen, Fahrspuren und Applikationskarten durch eine App auf dem Smartphone. Das Terminal erkennt ihn wie einen USB-Stick. AgGateway präsentiert eine neue Version von ADAPT, einem Datenmodell für ein gemeinsames, portables und interoperables Dateilayout. IAV GmbH bietet mit Mela ein System, mit dem große Videos, Messdaten oder Texte mittels VLLM analysiert werden können, um kritische Fahrszenarien zu generieren – ein Tool, das im Automotive-Bereich bereits vielfach verwendet wird.
Fazit und Ausblick
Auch bei der diesjährigen Agritechnica wird eine Vielzahl neuer Entwicklungen im Bereich Digital Systems und IT vorgestellt. Die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz und speziell des Machine Learnings werden in vielen Anwendungen ausgenutzt. Insbesondere in der Bildverarbeitung können damit Informationen generiert werden, die bisher nur dem Menschen vorbehalten waren. Hochentwickelte Komponenten als Teil von komplexen Systemen erfordern die Entwicklung von neuen Managementsystemen, um die Maschinen auch effizient einsetzen zu können. Dabei werden zunehmend Entscheidungen dem System übertragen. Es kann daher erwartet werden, dass zukünftig mehr und mehr autonome Systeme präsentiert werden, deren nutzbringende Anwendung aber auch nachgewiesen werden muss.
Foto: DLG
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