Rede des DLG-Präsidenten Hubertus Paetow anlässlich der DLG-Unternehmertage 2025
Manuskript zur Rede des DLG-Präsidenten Hubertus Paetow zum neuen Fortschrittskonzept der DLG "Nachhaltige Produktivitätssteigerung - Trends und Entscheidungen auf Betrieben durch globalpolitische und globalwirtschaftliche Entwicklungen bestimmt - Soziale Marktwirtschaft heißt Wettbewerbsfähigkeit und mutige Einstellung zu Innovationen
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe DLGisten,
herzlich willkommen hier in Erfurt zu unseren DLG-UNTERNEHMERTAGEN – unserem Treffen zu Beginn des neuen Anbaujahres.
Ich freue mich jedes Jahr auf diese Gelegenheit, um Nachlese zu halten, um Erfahrungen aus der vergangenen Ernte auszutauschen, aber vor allem, um die neuen Trends und die Entscheidungen für die Zukunft unserer Betriebe zu diskutieren.
Diese Trends und Entscheidungen werden heute noch mehr durch Veränderungen in den globalen Rahmenbedingungen beeinflusst, als wir dies in der Vergangenheit erlebt haben.
Die deutsche Landwirtschaft ist in vielfältiger Weise in globale Handelsströme verwoben. Das ist ein großer Fortschritt, denn die globale Arbeitsteilung in den Ernährungssystemen hat großen Anteil an der erfolgreichen Bekämpfung von Hunger und Armut. In der Folge bestimmt die Lage in der Welt aber auch zu einem großen Teil die Entwicklung auf unseren Betrieben.
Nach Jahrzehnten einer mehr oder weniger stabilen Entwicklung sind spätestens seit Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine und Donald Trumps Angriff auf den freien Welthandel die Auswirkungen der globalen Rahmenbedingungen auf unsere Landwirtschaft alles andere als klar, einfach und positiv.
Gewohnte Ordnungen werden zunehmend infrage gestellt
Gewohnte Ordnungen sowohl im globalpolitischen als auch im globalwirtschaftlichen Bereich werden mit beängstigender Selbstverständlichkeit infrage gestellt. Imperialismus und Protektionismus, Drohnen und Zölle scheinen die neue Zeit zu bestimmen.
Und es zeigt sich, dass unsere westlichen Staaten nach Jahrzehnten des Verwaltens einer Friedensdividende mit solchen Herausforderungen nicht mehr umgehen können.
Die heutige Lage ähnelt sehr den Verhältnissen, die zur Gründung der DLG die Gesellschaften in Europa bewegten.
Denn schon damals, Ende des 19. Jahrhunderts, glaubten die frisch entstandenen Nationalstaaten Europas, allen voran das Deutsche Reich, den eigenen Wohlstand vor allem mit einer protektionistischen Wirtschaftspolitik sichern zu können. Und nicht wenige sehen in dieser Entwicklung eine der Ursachen für die furchtbaren Kriege und Konflikte des 20. Jahrhunderts.
Wir alle können nur hoffen, dass die Friedensbemühungen für die Ukraine und den Nahen Osten erfolgreich sind, und dass die USA auf den Weg des Freihandels zurückkehren, damit sich die Welt wieder gemeinsam um die wirklich drängenden Herausforderungen der Zukunft kümmern kann.
Diese entscheidenden Zukunftsprojekte sind in den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDG) der Vereinten Nationen umfassend definiert und bestimmen seitdem einen großen Teil der politischen Debatte über den Fortschritt.
Der Schutz von Klima und Biodiversität und dessen Auswirkungen auf Energieerzeugung, Ernährung und Mobilität waren bis zur Zeitenwende die beherrschenden Themen in Europa. Der Green Deal, die Ausrichtung von Wirtschaft und Konsum auf die ökologischen Nachhaltigkeitsziele, war das Hauptprojekt der letzten EU-Kommission.
Vom Green Deal ist in der Tagespolitik wenig "Deal" geblieben
Die „Grünen“ Projekte wurden dabei weitaus bedeutsamer eingeschätzt als die wirtschaftliche Entwicklung, die bis zum Ukrainekrieg so gut lief, dass wir geglaubt haben, die Zielkonflikte der Nachhaltigkeit mit Subventionen entschärfen zu können. Vom „Green Deal“ ist in der Tagespolitik nur sehr wenig „Deal“ übriggeblieben.
Viele haben geglaubt, dass der Staat am allerbesten weiß, wie Wirtschaft und privater Konsum nachhaltig auszurichten sind. Man muss nur ausreichend scharf regulieren, dann stellt sich eine tragfähige grüne Ökonomie schon von selbst ein. Die Warnungen vor Verlust von Produktivitätsvorsprung und damit Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften wurden gerne überhört oder in die neoliberale Ecke gestellt.
Und schließlich musste die nachhaltige Entwicklung als Argument für viele gesellschaftspolitischen Projekte herhalten, die damit eigentlich nichts zu tun haben. Von Wachstums- und Kapitalismuskritik bis zur veganen Ernährung sichert der Bezug auf die SDGs jeder beliebigen politischen Idee eine moralische Überlegenheit.
Die Zeitenwende hat uns allen deutlich vor Augen geführt, dass dieses bisherige Nachhaltigkeitsparadigma nicht trägt.
Wirtschaftliche Stabilität stellt sich eben nicht von selbst ein, wenn wir nur genug Arten- und Klimaschutz betreiben – das ist ein ebenso falsches Verständnis von Nachhaltigkeit, wie es die Annahme war, dass die natürlichen Ressourcen sich ungestraft grenzenlos ausbeuten lassen.
Nachhaltige Entwicklung lässt sich auch nicht herbeiregulieren – das weiß seit dem misslungenen Heizungsgesetz auch die Politik, und das sehen wir auch auf den landwirtschaftlichen Betrieben, wo trotz GLÖZ und Konditionalitäten die Erfolge im Arten- und Klimaschutz auf sich warten lassen.
Was folgt daraus für uns Landwirte? Viele von uns schauen zunächst einmal auf die neue Regierung, die versprochen hat, diese Fehlentwicklungen der Fortschrittspolitik zu korrigieren.
Aber trotz Rekordschulden und Reformrhetorik steht fest: Politik allein kann es nicht richten.
Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft wird auf den Höfen entschieden, und nicht in Berlin. Wir alle unterschätzen unsere persönlichen Möglichkeiten, unsere Betriebe und Unternehmen, die Wirtschaft und damit auch die Demokratie wieder auf Kurs zu bringen.
Gemeinsam hinter Idee des Fortschritts versammeln
Wenn wir uns alle hinter einer gemeinsamen Idee des nachhaltigen Fortschritts versammeln, dann wird sich dieser auch einstellen, unabhängig von GAP und Pflanzenschutzmittelzulassung.
Wir wollen als DLG für diese gemeinsame Idee des nachhaltigen Fortschritts einen Impuls setzen. Daher der Titel der Unternehmertage: Nachhaltige Produktivitätssteigerung.
Dieser Impuls ist das Ergebnis eines intensiven und kontroversen Diskussionsprozesses und formuliert in sieben Thesen ein Leitbild für die zukünftige Facharbeit und Positionierung der DLG.
Im Kern geht es darum, den Begriff der Produktivität um die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen zu erweitern – allerdings nicht im Sinne von starren Grenzen (planetare?), sondern mit Artenvielfalt und Klimastabilität als gleichwertige Produktionsfaktoren neben Boden, Arbeit und Kapital.
Der Fortschritt in den Verfahren orientiert sich damit nicht mehr an starren Grenzen der Regulierung, sondern lässt die Innovationen in den Wettbewerb um die optimale Faktornutzung treten.
Was brauchen wir für die nachhaltige Produktivitätssteigerung? Eigentlich nichts, was wir nicht schon hätten.
Indikatoren, Benchmarks und Mut zu Innovationen
Wir brauchen Indikatoren für das Benchmarking. Das fällt bei Ertrag und Produktionsfaktoreinsatz nicht schwer – das machen wir schon immer. Aber auch die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen muss objektiv gemessen und bewertet werden.
Was beim Klimaschutz über die CO2-Bepreisung schon längst gängige Praxis ist, muss genauso für Biodiversitäts- und Biotopschutz entwickelt und vereinbart werden.
Das wird viel Überzeugungsarbeit bei all denen erfordern, die bis dato externe Effekte der Landwirtschaft für nicht verhandelbar erklärt haben. Aber ohne Bepreisung keine marktwirtschaftliche Effizienz.
Wir brauchen ein offenes, neugieriges und mutiges Verhältnis zu den Innovationen, aus denen die Produktivitätssteigerung entsteht. Und zwar sowohl in der Gesellschaft als auch in der Branche.
Das geht von einer vernünftigen, risikobasierten Regulierung des biologisch-technischen Fortschritts bei Züchtung und Pflanzenschutz aus bis hin zur Anwendung von KI-Verfahren zur Entscheidungsunterstützung auf den Betrieben.
Gerade für die Landwirtschaft bieten KI-Verfahren großes Potenzial, denn das Wirtschaften in der Natur erfordert jeden Tag Entscheidungen unter Unsicherheit und auf der Grundlage lückenhafter Informationen.
Gerade in diesem Bereich hat KI ihre Stärken, insbesondere wenn es uns gelingt, die im Betrieb dokumentierten Daten möglichst umfassend digital verfügbar zu machen.
Wir haben im Übrigen ganz bewusst den Begriff nachhaltige Produktivitätssteigerung gewählt, auch wenn dies bei vielen einen negativen Reflex auslösen könnte. Denn gerade das Verteufeln von Wachstum und Ertragsorientierung hat den Green Deal in die Sackgasse geführt.
Soziale Marktwirtschaft ist Wettbewerbsfähigkeit über Produktivitätssteigerung
Soziale Marktwirtschaft heißt für die DLG, über Produktivitätssteigerung die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und damit die notwendigen Spielräume für soziale und ökologische Zielerreichung zu sichern.
Wir werden heute anhand verschiedener Beispiele darüber sprechen, wie sich der Fortschritt durch nachhaltige Produktivitätssteigerung in der praktischen Weiterentwicklung unserer Betriebe zeigt.
Ich wünsche mir, dass wir diese Idee als Gegenentwurf zu Protektionismus und Regulierung nutzen und als Leitbild einer selbstbestimmten Erneuerung der deutschen Land- und Lebensmittelwirtschaft verstehen – vielleicht auch als Blaupause für eine Erneuerung unserer kriselnden sozialen Marktwirtschaft als Ganzes. Vor allem aber als Motivation, auf dem eignen Betrieb die Sache mit dem Fortschritt mutig und neugierig selbst in die Hand zu nehmen – das macht jedenfalls mehr Spaß, als sich immer von der Politik vorschreiben zu lassen, wie nachhaltige Landwirtschaft geht.
Umso schöner, dass Sie alle heute hier sind, um die Unternehmertage zu nutzen, um sich selbst einzubringen, in den Deep Dives und Masterclasses.
Viel Spaß.
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