Pünktlich zum Frühlingsanfang drehen die Düngerstreuer ihre Runden. Doch die Stimmung in der Landwirtschaft ist wegen hoher Betriebsmittelpreise getrübt. Wer in diesem Frühjahr auf fallende Preise gesetzt und zu wenig eingelagert hat, muss für die erste Stickstoffgabe tief in die Tasche greifen. Die Kurse für Kalkammonsalpeter (KAS) und Harnstoff steigen, das Angebot ist überschaubar. Die Hersteller in Europa ächzen unter hohen Energiepreisen und verweisen auf russische Dünger, die zu Dumpingpreisen die EU fluten. Der Ruf nach Einfuhrzöllen wird angesichts der Wettbewerbsnachteile laut. Vor dem Hintergrund der Zollabgaben, mit denen seit einer Woche die US-Regierung die Märkte durcheinanderwirbelt, dürfte die EU-Kommission ihre Pläne, Zölle auf russischen Dünger zu erheben, überdenken. Die Landwirtschaft profitiert vom freien Handel. Restriktionen stören die Handelsströme, führen zu sinkenden Preisen und wirken sich direkt auf die Einkommen der Landwirte aus.
Anfang März berichten Agrarhändler von einem knappen Angebot an Düngemitteln zur ersten Stickstoffgabe. Bei normalen bis niedrigen Nmin-Werten raten Berater zu einer angemessenen Andüngung mit Stickstoff und Schwefel. Die Nachfrage nach Dünger ist groß. Viele Betriebe müssen noch Ware zukaufen, denn die Bereitschaft zur frühen Einlagerung im Herbst wird immer kleiner. Betrug die Einlagerungsquote von Stickstoffdüngern vor zehn Jahren noch rund 60 Prozent, rutschte diese zuletzt auf 40 Prozent ab. Immer wieder kam es zum Düngestart im Frühjahr zu einem Preisrutsch gegenüber den Aktionen im Herbst. Anders als angekündigt war Dünger reichlich vorhanden. Diese Situation hat sich im laufenden Düngejahr 2024/25 komplett gedreht. Kalkammonsalpeter (KAS) kostet 375 €/t frei Hafenplatz und granulierter Harnstoff mit Ureaseinhibitor notiert bei 530 €/t ab norddeutschen Lager.
Ein Dorn im Auge sind den Produzenten billige Importdünger aus Russland, die zu Dumpingpreisen die EU-Länder fluten. Russische Hersteller kalkulieren mit einem niedrigeren Gaspreis und anderen Nachhaltigkeitsstandards als die Produzenten in der EU. Angesichts der Wettbewerbsnachteile zieht die EU-Kommission die Reißleine und kündigt ab Juli 2025 Einfuhrzölle auf russische Dünger an. Die EU-Kommission verbindet damit die Hoffnung, dass die geplanten Grenzabgaben die heimische Produktion ankurbeln und die europäische Düngemittelindustrie fördern. Sollte der Vorschlag vom EU-Ministerrat und Europaparlament verabschiedet werden, würden nach Angaben der EU-Kommission alle Agrareinfuhren aus Russland unter einem EU-Zollregime liegen. Bereits seit dem 1. Juli 2024 erhebt die EU-Zölle auf russische Getreide- und Ölsaateneinfuhren, Düngemittel sind aus Gründen der Versorgungssicherheit in der EU bislang ausgenommen gewesen.
Ein Dorn im Auge sind den Produzenten billige Importdünger aus Russland, die zu Dumpingpreisen die EU-Länder fluten.
Zurecht befürchtet die Branche, dass mit dieser Maßnahme die Düngerpreise eher steigen als fallen werden. Die europäischen Agrarhandels- und Bauernverbände Copa-Cogeca lehnen die geplanten Restriktionen ab. Der europäische Markt ist auf Düngemitteleinfuhren angewiesen. Im Wirtschaftsjahr 2023/24 hat Russland rund 140.000 t N-Dünger nach Deutschland geliefert, ein Jahr zuvor waren es 180.000 t. Mit einer Zollabgabe befürchten Landwirte ab dem kommenden Wirtschaftsjahr 2025/26 höhere Preise für Stickstoffdünger.
SKW-Anlagen wieder in Betrieb
Die SKW Piesteritz in Wittenberg hat im Januar aufgrund hoher nationaler administrativer Kosten und Energiepreise sowie starker Konkurrenz durch Importe aus Russland eine von zwei Ammoniakanlagen heruntergefahren. Um die regionale Versorgung in der laufenden Düngesaison sicherzustellen, sind die Anlagen seit Ende Februar wieder in Betrieb. SKW vertraue darauf, dass die neue Bundesregierung geeignete Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft ergreifen wird. „Sonst müssen wir wahrscheinlich sogar beide Ammoniakanlagen abstellen“, warnt SKW Piesteritz. Allein durch den Wegfall der Gasspeicherumlage würde das Unternehmen um bis zu 40 Mio. €/Jahr entlastet.
Mit einer Grenzabgabe hegt die EU-Kommission die Hoffnung, das Wachstum der heimischen Produktion und der Düngemittelindustrie in der EU zu fördern. Zudem könnten mehr Dünger aus anderen Ländern eintreffen. Überdies verspricht die EU-Kommission Ausgleichsmaßnahmen, die greifen, sollte es zum befürchteten Preisanstieg kommen. Ferner erwartet Brüssel, dass sich die Zölle negativ auf die russischen Exporteinnahmen auswirken.
Farmern drohen höhere Preise
Ob es zu dieser Maßnahme kommt, dürfte angesichts der US-amerikanischen Zollpolitik neu betrachtet werden. So haben Kanada und China sofort mit Gegenmaßnahmen auf die Zölle der US-Regierung auf Importe reagiert. Daran dürfte die vom Weißen Haus für einige Produkte kurzfristig eingeräumte Schonfrist bis April nichts ändern. Kauft China weniger US-Sojabohnen in den USA, haben die US-Farmer das Nachsehen. Auch Kalidünger wären von den Zöllen betroffen. So produziert die deutsche K+S AG in Kanada Kalidünger und exportiert diese in die USA. Das Kasseler Unternehmen sieht die Zollerhöhungen des US-Präsidenten Donald Trump für Waren aus Kanada als eine große Belastung für die US-Landwirtschaft. Farmern drohen höhere Preise. Grundsätzlich dürften Zölle in den Absatzpreisen Berücksichtigung finden, heißt es bei K+S.
Ähnliches würde in Europa auch passieren, wenn die EU-Kommission ihr Vorhaben umsetzt und Zölle auf russische Stickstoffdünger erhebt. Kurzfristig würde nach Einschätzung von Marktbeobachtern der Düngerpreis in der EU steigen, nicht zuletzt wegen einer gewissen Angebotsverknappung. Macht Trump seine Drohung wahr und erhebt ab April Zölle auf Agrarimporte, kommt es in der EU zu Verwerfungen auf den Märkten für Fleisch, Käse, Milchprodukte, Wein und vieles mehr.