„Wir brauchen Ihre Ideen, Innovationen und Rückhalt“

Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) kündigt Kurswechsel in der Agrarpolitik an 

Der neue Bundesagrarminister Alois Rainer (CDU) verspricht bei seinen ersten Auftritten im politischen Berlin einen Kurswechsel in der Agrarwirtschaft. Die Weltleitmesse AGRITECHNICA 2025 präsentiert passend dazu vom 9. bis 15. November in Hannover technische Innovationen,  in die Landwirte wieder für eine nachhaltigen Produktivität investieren können. 

Bundesagrarminister Alois Rainer verspricht den Landwirten wieder mehr unternehmerische Freiräume. Foto: BMLEH

Die Bundesregierung steht unter großem Erfolgsdruck. Alle Kabinettsmitglieder der neuen Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) müssen den Bürgerinnen und Bürgern zügig Lösungen für eine Wirtschaftswende anbieten. „Ansonsten stärken wir die Ränder“, warnte Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), auf dem Deutschen Raiffeisentag in dieser Woche in Berlin. Die Bundesminister sind erst seit vier Wochen im Amt sind, doch werden ihre Ankündigungen im politischen Berlin genauestens verfolgt und analysiert. Wird endlich Schluss sein mit der langen Zulassungsdauer von Pflanzenschutzmitteln? Wann kommt der angekündigte Bürokratieabbau? 

Bereits auf der DLG-Wintertagung 2024 in Leipzig, die unter dem Motto „Ziele statt Zügel – Unternehmen machen lassen“ stand, forderte die Branche eine Vereinfachung sowie eine praxisorientierte Ausrichtung von Bürokratie und Kontrollwesen in der Landwirtschaft. 

In seinen ersten öffentlichen Auftritten in Berlin gibt sich der neue Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) der Agrarwirtschaft zugewandt. Sein Versprechen, gemeinsam mit Landwirten und Wirtschaftsvertretern einen praxisnahen Weg zu entwickeln, findet Zustimmung. „Sie alle sind Macher und keine Verhinderer“, antwortete Rainer seinem Duzfreund Franz-Josef. Sie kennen sich aus den gemeinsamen Sitzungen im Agrarausschuss des Bundestages. Voraussetzung für die Wirtschaftswende ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Sie ist die Initialzündung für Investitionen in innovative Technik für Pflanzenbau und Tierhaltung.

“Sie sind Macher 
und keine Verhinderer"

Alois Rainer, Bundesagrarminister 
 

"Die Zeitenwende mit Leben füllen“ 

"Die Zeitenwende mit Leben füllen“ – dazu hatte DLG-Präsident Hubertus Paetow die Mitglieder der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zum Jahreswechsel 2024/25 aufgerufen. Der Agrarunternehmer spricht sich für eine Kombination aus politischen Zielvorgaben und unternehmerischer Freiheit aus. 

Bundesminister Rainer hat diesen Appell verstanden. Auf dem Raiffeisentag versprach er, Freiräume für Unternehmen zu schaffen und eine Kultur des Vertrauens zu etablieren, in der Eigenverantwortung eine zentrale Rolle spielt. „Wir brauchen Ihre Ideen, Ihre Innovationen und Ihren Rückhalt“, sagte gelernte Metzgermeister. Einen Tag zuvor hatte er beim Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft eine Exportstrategie für Agrarprodukte angekündigt und sich klar zur Tierhaltung in Deutschland bekannt. Die tierische Erzeugung dürfe nicht ins Ausland abwandern, warnte er, die Wertschöpfung müsse im Land gehalten werden.

Rainer macht Bürokratieabbau zur Chefsache

Wachstum und Innovationsfreude ließen sich keinesfalls durch kleinteiliges Mikromanagement und praxisferne Regulation erreichen. Diese Hinweise stoßen nach dem Regierungswechsel auf Gehör. Den Bürokratieabbau macht Rainer schon nach vier Wochen im Amt zur Chefsache. Er will eine eigene Stabsstelle für Bürokratieabbau im BMLEH forcieren. 

Sollte die Umsetzung der rund 200 Vorschläge der Länder zur Vereinfachung von Anträgen und Dokumentationspflichten nicht zügig erfolgen, will er selbst nachjustieren. Nach Berechnungen des DRV belaufen sich die Bürokratiekosten in der Landwirtschaft auf jährlich 420 Mio. €. Eine Reduktion von 25 Prozent hält der Verband für realistisch. 

DRV-Hauptgeschäftsführer Jörg Migende, Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) und DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp (v.l.n.r.). Foto: DRV

Lieferkettengesetz steht vor dem Aus

Was die aufwändige und teilweise doppelte Dokumentationspflicht in der Landwirtschaft betrifft, dürfte das Aus der Stoffstrombilanz eine reine Formsache sein – ebenso wie die im Wahlkampf versprochene Rückvergütung beim Agrardiesel, die 2026 wieder in Kraft treten soll. Der aus dem bayerischen Wald stammende Gastwirt macht keinen Hehl daraus, dass er vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wenig hält und es abschaffen will.

Beim seinem ersten EU-Agrarrat in Brüssel stellte er sich auf die Seite der EU-Länder, die eine Null-Risiko-Kategorie bei der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) einführen wollen. Das „Gold-Plating“, wie die nationalen Verschärfungen von EU-Vorgaben in Deutschland oft bezeichnet werden, wird es in dieser Form laut Rainer nicht mehr geben. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bezeichnet er als bürokratischen Koloss. Er steht voll hinter den von EU-Agrarkommissar Christophe Hansen vorgeschlagenen Streichungen einiger GLÖZ-Standards. Diese werden Eins zu Eins in Deutschland umgesetzt. 

Eigenverantwortung der Betriebe

Uneins ist der Minister über das Vorhaben von EU-Agrarkommissar Christophe Hansen, der die beiden Artikel 148 und 168 der Gemeinsamen EU-Marktordnung zur Vertragspflicht bei Milchlieferungen einführen will. Die Entscheidung über eine Umsetzung solle den EU-Mitgliedstaaten überlassen bleiben, argumentiert der deutsche Politiker. Verpflichtende Lieferverträge verstoßen seiner Ansicht nach gegen das Prinzip der Eigenverantwortung. 

Die Wirtschaftswende ist in der Agrarwirtschaft dringend erforderlich. Die Investitionstätigkeit befindet sich derzeit auf einem historischen Tiefstand, wie aktuelle Zahlen der Landwirtschaftlichen Rentenbank zeigen. Besonders stark betroffen ist die Tierhaltung. Etwa 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe stehen auf diesem Standbein. Hier fordert stellvertretend für die Branche der DRV-Präsident einen notwendigen „Befreiungsschlag“ von der Politik. Die Initiative Tierwohl und die QS GmbH sind anerkannte Qualitätssicherungssysteme, die funktionieren. Die Zweifel am Nutzen eines zusätzlichen staatlichen Tierhaltungskennzeichen nehmen zu.

Investitionen generieren Wertschöpfung

Die zunehmende „Bevormundungspolitik“ hat die Landwirtschaft gelähmt. Sie hat den Betrieben nicht nur die Planungssicherheit genommen, sondern das Vertrauen in die Zukunft geschwächt. Wirtschaftliche Entscheidungen sind zu 50 Prozent Psychologie. Schafft es der neue Bundesagrarminister, mit verlässlichen Vorgaben das Vertrauen in der Branche schnell wieder aufzubauen, kann die Wende hin zu Investitionen, die Wertschöpfung generieren, gelingen. 

Paradigmenwechsel zur nachhaltigen Produktivität

Kurz vor der Bundestagswahl 2025 hatte DLG-Präsident Paetow auf der DLG-Mitgliederversammlung in Münster die Agrar- und Ernährungsbranche dazu aufgerufen, den Paradigmenwechsel zur nachhaltigen Produktivität proaktiv zu gestalten. Landwirte sind Macher und keine Verhinderer. Das weiß auch der neue Ressortchef und forderte sie zum Mitmachen auf: „Wir brauchen Ihre Ideen, Ihre Innovationen und Ihren Rückhalt”. Dafür verspricht er, den Landwirten in ihrem unternehmerischen Handeln wieder mehr Freiräume zu geben. Der Zeitplan ist wegen der bevorstehenden Sommerpause eng. Bis zum Jahreswechsel sollte bekannt sein, wann die neuen Gesetze und Verordnungen zu Düngung, neuen Züchtungsverfahren, Tierwohl, Agrardiesel, Bürokratieabbau und vereinfachten Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in Kraft treten.

AGRITECHNICA 2025: Tor zu Innovationen

Genau zum richtigen Zeitpunkt öffnet im November die AGRITECHNICA 2025 unter dem Leitthema „Touch Smart Efficiency“ Besuchern den direkten Zugang zu innovativen, vernetzten landwirtschaftlichen Systemen, die durch digitale Technologien Effizienz, Nachhaltigkeit und Produktivität steigern.  Die Weltleitmesse belebt den von der Regierung zugesagten Kurswechsel mit Innovationen und zeigt Landwirten Perspektiven für die Zukunft auf. 

"Die Zeitenwende mit Leben füllen", lautet der Apell von DLG-Präsident Hubertus Paetow. Foto: DLG
"Die Zeitenwende mit Leben füllen", lautet der Apell von DLG-Präsident Hubertus Paetow. Foto: DLG

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