Kulturpflegearbeiten sind vor allem dort angezeigt, wo nach den Schadereignissen der letzten Jahre große Kahlflächen wiederbewaldet und gesichert werden müssen.
Die Niedersächsische Kulturpflegetechnik
Ein am Forstlichen Bildungszentrum Münchehof der Niedersächsischen Landesforsten entwickeltes Verfahren setzt bei dieser Jungwuchspflege an. Es wird als „Niedersächsische
Kulturpflegetechnik“ (NKT) bezeichnet. Bisher kamen für diese Arbeit meist Handgeräte und Freischneider zum Einsatz – verbunden mit einer hohen Belastung der Anwender und Problemen bei der Identifizierung der zu pflegenden Pflanzen, teils auch mit Verlusten derselben.
Die niedersächsische Innovation ist eine modifizierte handelsübliche Heckenschere mit Akkubetrieb. Diese wurde mit einem extra konstruierten Aufnahmebügel kombiniert. Durch die Befestigung an einem rückentragbaren Geräteträger wird der Anwender/ die Anwenderin ergonomisch entlastet. Mit dem Gerät könne ein sehr guter Arbeitsfortschritt und hohe Arbeitsqualität erzielt werden, berichten die Entwickler.
Wertastung und Positivläuterung
Hat eine Kultur den Bestandesschluss erreicht, so wird die Dickung bis zur ersten Durchforstung häufig sich selbst überlassen. Das kann jedoch für die Wertholzproduktion von Nachteil sein. Am Landesbetrieb Wald und Holz NRW wurde deshalb ein Verfahren entwickelt, dass genau in diese Jungbestandsphase eingreift. „Wertastung & Positivläuterung mit Akkuschere und Spacer“ lautete der Titel dieses Exkursionspunktes auf der KWF-Tagung. Die positiven Wirkungen der Methode wurden wissenschaftlich geprüft und bestätigt von der Abteilung Arbeitswissenschaft und Verfahrenstechnologie der Universität Göttingen.
„Bestandespflege ist sehr wichtig“, betont Thilo Wagner, Leiter des Forstliches Bildungszentrums Nordrhein-Westfalen, „denn wir sind vom Klimawandel stark betroffen – zuerst durch Kyrill, dann 2018 durch Friederike.“ Da stünden viele Wälder zur Pflege an oder würden bald anstehen.
Mit den frühen Eingriffen werden zwei Ziele verfolgt: Die Steuerung von Konkurrenz und Mischung, um eine Anzahl von 50 bis 70 stabilen, gut bekronten und Wertholz produzierenden Zukunftsbäumen (Z-Bäumen) je Hektar zu erreichen, und verkürzte Produktionszeiträume durch eine Astung zum optimalen Zeitpunkt. Denn werde mit der Astung erst bei der ersten Durchforstung begonnen, sei die berühmte Bierdeckelstärke im unteren Stammbereich meist deutlich überschritten. Je dicker die Stammwalze aber bei Beginn der Astung, desto größer muss die Zielstärke sein. Dies führe zu längeren Produktionszeiträumen und größeren Baumhöhen, so die Erläuterung.
In einem im Jahr 2021 im dlv-Magazin „Deutscher Waldbesitzer“ erschienenen Beitrag von Thomas Heimann und Martin Nolte wurde das Verfahren genau beschrieben. Es gliedert sich in zwei Abschnitte:
Arbeitsabschnitt 1:
Ein überschaubarer Abschnitt der späteren Rückegasse wird mit Sprühfarbe markiert. Es entsteht ein Arbeitsblock, der bei der ersten Gasse durch den Bestandsrand und bei den folgenden durch die vorherige Gasse begrenzt ist.
- Im Arbeitsblock wird der erste Z-Baum gesucht.
- Der Z-Baum wird mit der Akkuschere auf Reichhöhe geastet.
- Der Z-Baum wird mit einem stammumfassenden Farbring markiert, möglichst großzügig und mit Leuchtfarbe, weil der Baum im zweiten Arbeitsabschnitt noch einmal angegangen
werden muss. - Der oder die zu entnehmenden Bedränger werden mit Sprühfarbe markiert.
- Der Z-Baum wird mit Stückzähler gezählt oder seine Koordinaten werden erfasst.
Punkte 1 bis 5 werden so oft wiederholt, bis der Bereich der Rückegassenmarkierung überschritten wird. Dann wird wieder ein überschaubarer Abschnitt der Rückegasse markiert. Die Gasse wird in dieser Entwicklungsphase nicht aufgeschnitten. Bei der ersten Durchforstung entfällt damit das Einmessen und Markieren im Rahmen der Feinerschließung. Die Gassen müssen nur noch aufgeschnitten werden.
Arbeitsabschnitt 2:
- Es erfolgt ein blockweises Aufsuchen der Z-Bäume und die Entnahme der Bedränger mit dem Spacer.
- Die Arbeitsabschnitte 1 und 2 können in einem Zug oder entkoppelt durchgeführt werden. Führt man beide Abschnitte zur selben Zeit durch, ist ein Tätigkeitswechsel im Tagesverlauf möglich (z. B. zwei Blöcke markieren und asten, zwei Blöcke Bedrängerentnahme usw.).
Die Bedrängerentnahme kann aber auch einige Zeit nach der Reichhöhenastung stattfinden (z. B. Astung zu Beginn der Vegetationszeit, um eine optimale Überwallung zu gewährleisten und Entnahme der Bedränger im Spätherbst aus Forstschutzgründen). Alleinarbeit ist aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht möglich, wenn der Einsatz des Spacers in klassischen Läuterungsbeständen erfolgt. Die Gefährdungsbeurteilung zum Einsatz des Spacers muss für die jeweilige örtliche Situation geschehen.
Zeitgewinn auch bei Totastverlierern
Das Arbeitsverfahren wurde in Douglasienbeständen entwickelt und erprobt, ist aber auch für andere Baumarten (Edellaubhölzer, Eiche, Lärche, Kiefer) praktikabel. Bei Totasterhaltern ist die Astung seit langem ein probates Mittel. Bei den Totastverlierern wird meist auf die natürliche Astreinigung gesetzt. Gerade bei den Lichtbaumarten wird dadurch der Zeitraum des größten Höhen- und Massenzuwachses für den Kronenausbau Z-Bäume verschenkt. Durch das Verkürzen der Qualifizierungsphase mittels Astung lässt sich die zuwachsstärkste Zeit im Bestandsleben für die Produktion von astreinem Wertholz nutzen. Weitere Vorteile sind eine dem Kronenzuwachs entsprechende Wurzelausdehnung und damit Einzelbaumstabilität und Vitalität.
Die Vorteile:
- Arbeitsschritte, die üblicherweise in einzelnen Durchgängen stattfinden, werden zusammengefasst: Feinerschließung markieren, Z-Baum-Auswahl und Auszeichnen, Astung;
- Optimierung der Wertleistung durch Erhalt der Wertträger und Astung zum optimalen Zeitpunkt;
- geringere Gefahr von Pilzbefall durch glattere Schnittflächen, keine Rindenverletzungen und schnelle Überwallung.
Münchehofer Wertastungstechnik
Ein vom Niedersächsischen Forstlichen Bildungszentrum in Münchehof entwickeltes Verfahren kommt insbesondere bei Douglasien als Totasterhalter zum Einsatz: Die „Münchehofer Wertastungstechnik“. In den Landesforsten wurden nach Kalamitäten, besonders nach dem Sturm Kyrill, großflächige Douglasien-Mischbestände begründet. Diese Douglasien wachsen nun zu großen Teilen in das Astungsalter ein. Die in der Vergangenheit angewandten Arbeitsverfahren waren vor allem die Astung mit Handsägen und pneumatischen Scheren in Verbindung mit Steigtannen oder Leitern, sowie die Astung mit Stangenzugsägen.
Durch das zu erwartende große Arbeitsvolumen suchte man am Niedersächsischen Forstlichen Bildungszentrum (NFBz) nach neuen Möglichkeiten und wurde in einem Gespräch mit einem Weinbautechniker auf eine Akkuschere des französischen Herstellers Infaco aufmerksam. Dieser produziert bereits seit über 30 Jahren Elektroscheren. Die Schere verfügt über ein aktives Schnittschutzsystem zur Vermeidung von Verletzungen und ist zudem KWF-Profi zertifiziert.
Zusammen mit einer speziellen Leiter, die einen sicheren Stand in größeren Höhen gewährleistet, bildet diese Schere nun die Münchehofer Wertastungstechnik, kurz MWT. Die fest am Baum zu fixierende Leiter der Firma Distel ist oben mit einem Anlegebock ausgestattet und unten mit Dornen.
„Vom ergonomischen Gesichtspunkt her ist es das absolut beste Verfahren, das wir derzeit haben“, sagt einer, der es wissen muss: Forstwirtschaftsmeister Karsten Kügler hat die Akkuschere schon seit mehreren Jahren in Gebrauch. Es sei das einzige Gerät, das ein spezielles Sicherheitssystem biete. Gerade oben auf der Leiter werde die Gefahr sich zu verletzen so minimiert. „Normale Akkuscheren schneiden ja alles ab, was sie hineinbekommen.“ Anders bei dem hier angewandten Modell: Sobald der Schneidkopf mit der Hand in Berührung kommt, die nicht die Astschere hält, wird das Öffnen der Schere ausgelöst.
Alle unter dem Themenkomplex Jungwuchs- und Jungbestandspflege vorgestellten Exkursionspunkte haben eines gemeinsam: Es sind ergonomische und kraftsparende Lösungen, die die im Wald arbeitenden Menschen entlasten, ihre Arbeitssicherheit verbessern und gleichzeitig Qualität und Effizienz steigern.