Eine nachhaltige Energiebereitstellung sowie ein effizienter Energieeinsatz sind für die Lebensmittelindustrie wichtiger denn je. In fast allen Betrieben schlummert noch ungenutztes Potenzial zur Senkung der CO2-Emissionen und zur Steigerung der Ressourceneffizienz. Das verlangt nicht nur neue Konzepte.
Für den Wandel benötigt die Branche auch zahlreiche Fachkräfte, die mit ihrer Expertise anpacken. Doch wo beginnen? Wo liegen die energetischen Schwachstellen? Wo gibt es die höchsten Einsparpotenziale? Und welche Effizienzmaßnahmen rechnen sich wirklich? „Dies sind einige der Fragen, die sich jetzt stellen“, weiß Bernd Lohse zu berichten. Mit intelligenten Lösungen und gut durchdachten Transformationsplänen begleitet er mit seinem Ingenieurbüro (IBBL) die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Herr Lohse, um die im Rahmen der Energiewende gesetzten Ziele der Bundesregierung erreichen zu können, ist die Verbesserung der Energieeffizienz der Lebensmittelindustrie unerlässlich. Wie schätzen Sie den Stellenwert von Energieeffizienz für die Branche ein?
Aus den Erfahrungen der Durchführungen diverser Transformationspläne der vergangenen Jahre mussten wir feststellen, dass bei allen Kunden durchweg interne Potenziale zwischen 20 und 30 Prozent vorlagen. Das soll heißen, dass bei den Kunden Energieeinsparungen beziehungsweise geringere Emissionen in genannter Größenordnung bei gleichen Herstellmengen vorlagen.
Ihre Auftraggeber sparen also durch Ihre Arbeit auch viel Geld ein?
Abhängig von der Betriebsgröße und den zum Einsatz kommenden Prozesstechnologien waren monetäre Einsparungen im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich per anno realisierbar. Neben der Potenzialausschöpfung liegt der zweite wichtige Aspekt und Fokus auf dem vordergründigen Einsatz von erneuerbaren Energien.
Sprechen wir über die Aufgaben, die ein Energieberater übernimmt. In welcher Funktion begleiten Sie Lebensmittelproduzenten?
Für die Erstellung eines Transformationsplanes ist die Aufgabe des Energieberaters individuell abhängig von den Rahmenbedingungen, Schnittstellen und Bilanzgrenzen beim jeweiligen Kunden. Zu Beginn des Projektes sind entsprechende Bilanzierungsgrenzen bezüglich einer vorliegenden THG-Bilanz abzustimmen.
Bernd Lohse
Innovative Konzepte für eine nachhaltige Produktion stehen im Fokus von Bernd Lohse und seinem gleichnamigen Ingenieurbüro, dem IBBL in Winsen an der Luhe. Die Energieberatung ist neben Fachplanung und Projektierung ein weiteres Spezialgebiet des Milchtechnologen. Sein Know-how erlangte der Diplom-Ingenieur durch ein Studium an der Fachhochschule Hannover, Fachbereich Milch- und Molkereiwirtschaft, vor allem aber durch seine langjährige Projekt- und Führungserfahrung im Produktionsbereich namhafter Unternehmen der Lebensmittelindustrie.
… Die THG-Bilanz oder der Corporate Carbon Footprint erfasst die von einem Unternehmen direkt und indirekt verursachten Treibhausgasemissionen.
Ja, korrekt. Durch uns erfolgt dann eine Ist-Aufnahme hinsichtlich der Prozessmedien – wie Trink- beziehungsweise Frischwasser, Druckluft, Dampf, Kalt- oder Eiswasser sowie elektrische Energie. Auch werden Prozesstemperaturen sowie Wärmequellen und -senken dann gezielt betrachtet, um mögliche Einsparpotenziale bei den medienerzeugenden Technologien sowie bei den Produktionsanlagen zu lokalisieren. Anhand dieser sehr vielfältigen Daten wird im Anschluss für den Kunden ein individuelles Sollkonzept entwickelt.
Stichwort Transformationsplan: Was ist darunter zu verstehen?
Unter einem Transformationsplan kann man einen langfristigeren werks- beziehungsweise unternehmensinternen Entwicklungsplan verstehen. Dieser sieht vor, die Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. Ein sehr wichtiger Bestandteil des Transformationsplans ist der auszuarbeitende Maßnahmenplan. Die festgelegten Maßnahmen müssen primär nach erfolgter Umsetzung mindestens 40 Prozent an CO2-Emissionen einsparen. Die Umsetzungen der Maßnahmen sollen innerhalb von zehn Jahren erfolgen.
Über welche Qualifikationen muss man verfügen, um als Energieberater in der Lebensmittelindustrie tätig zu sein und diesen „neuen“ Job machen zu können?
Vorteilhaft ist es sicherlich, wenn man bereits im Projektgeschäft tätig ist.
Wie war das bei Ihnen?
Ich habe eine Fortbildung inklusive Abschlussprüfung absolviert. Wichtig war mir, dass ich mit dem Abschluss die notwendige Qualifikation nachweise, um beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, eine Zulassung als Energieberater zu bekommen. Die Fortbildung gemäß den Vorgaben der DIN 16247 dauerte etwa neun Monate.
Warum war das wichtig für Sie?
Wer als Energieberater zugelassen ist, erfüllt die Voraussetzungen für die Bearbeitung förderwirksamer Maßnahmen. Dazu zählen auch die Kosten für Energieberater und andere Beratungskosten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Transformationsplans, die das BAFA dann anteilig für die Unternehmen übernimmt.
Welche Maßnahmen werden noch gefördert?
Beispielsweise die Kosten für die Erstellung und Zertifizierung einer CO2-Bilanz. Auch die Kosten für die erforderlichen Messungen und Datenerhebungen für die Erstellung des Transformationskonzeptes sind förderfähig.
Welchen Stellenwert nimmt Ihre verfahrenstechnische Expertise als Milchtechnologe bei der Energieberatung ein?
Ich denke, unsere Expertisen, jedoch nicht nur im Molkereisektor, sondern auch im Brauereibereich, helfen uns, Prozesse schnell zu erfassen und zu verstehen. Dies ist wichtig zu Beginn des Projektes. Für die Ausarbeitungen der Sollkonzepte ist das Verständnis der Produktions- und Prozessabläufe von großer Wichtigkeit. Es soll nicht darum gehen, sogenannte Luftschlösser zu entwickeln, sondern die Konzepte müssen anschließend auch realisierbar sein. Durch unsere Fachexpertise können wir die tatsächlichen Abläufe der Prozesse verstehen und bessere Lösungen entwickeln, ohne Einfluss auf die Produktqualität nehmen zu müssen.
Was empfehlen Sie Berufseinsteigern, die sich gleich zu Beginn ihrer Karriere mit der Thematik beschäftigen wollen?
Die Energieberatung kann sehr unterschiedliche Bereiche abdecken. Jeder Einsteiger sollte sich für „seine“ Schwerpunkte entscheiden und seiner Neigung nachgehen. Ich denke, dass Berufseinsteiger sich diese doch generalistischen Aufgaben und Verantwortungen bei bereits etablierten Unternehmen in der Praxis ansehen sollten, um für sich abzuwägen, ob das eigene Interesse in diese Richtung tendiert. Grundwissen für Prozesse, Prozessabläufe und Strukturen sowie Wärmetechnik sind als wichtige Voraussetzung anzusehen.