International FoodTec Award 2027: Zukunft der Intralogistik im Fokus
Interview mit zwei Experten der Jury des renommierten Technologiepreises der DLG – Anmeldungen bis 4. Mai 2026 unter: www.foodtecaward.com
Wie verändert Digitalisierung die Logistik in der Lebensmittelindustrie und welche Innovationen sind gefragt? Antworten geben Jennifer Beuth, Leiterin der Abteilung Intralogistik und IT-Planung am Fraunhofer IML in Dortmund, und Prof. Dr. Tone Lerher von der Universität Maribor (Slowenien), der dort zwei Labore für Materialflusssysteme und Kognitive Logistiksysteme leitet. Die beiden Logistikexperten geben Einblicke in ihre Forschung, diskutieren aktuelle Entwicklungen und zeigen Perspektiven für die Zukunft der Branche auf. Als Mitglieder der internationalen Experten-Jury des International FoodTec Awards, der 2027 auf der Anuga FoodTec in Köln verliehen wird, bewerten sie technologische Innovationen mit Blick auf Praxisnutzen, Effizienz und Nachhaltigkeit. Bewerbungen für den renommierten Technologiepreis der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) sind bis zum 4. Mai 2026 möglich.
Mit dem Internationalen FoodTec Award zeichnet die DLG gemeinsam mit ihren Partnern bahnbrechende Entwicklungen in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und Effizienz in der Lebensmitteltechnologie aus. Welche Bedeutung haben Innovationspreise für Ihr Fachgebiet?
Prof. Lerher: Auszeichnungen in Logistik und Intralogistik bieten Praktikern und Wissenschaftlern neue technologische und organisatorische Entwicklungen und Lösungen, die Prozesseffizienz und zumeist Nachhaltigkeit umfassen. Darüber hinaus fördern Innovationspreise die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft. Sie schaffen Möglichkeiten für gemeinsame angewandte Forschungsprojekte, Technologietransfer und letztlich Patente.
Innovationspreise stärken somit die Partnerschaft zwischen Industrie und Wissenschaft und gewährleisten die Praxisrelevanz der Forschung. Darüber hinaus können sie die Standardisierung vorantreiben. Es wird erwartet, dass die besten technologischen Lösungen in der Praxis eine breitere Beachtung finden und so zu Referenzpunkten für technische Richtlinien, Normen und letztlich für neue Standards in ihrem Fachgebiet werden. Schließlich tragen Innovationspreise zu kontinuierlichem Lernen und interdisziplinärer Forschung bei und unterstreichen die Bedeutung von Innovation und Standardisierung.
Jennifer Beuth: Ich stimme Prof. Lerher vollkommen zu. Innovationspreise machen technische Innovationen und Entwicklungen sichtbar. Indem Unternehmen ihre Technologien vergleichen und von den Besten, also den prämierten Innovationen, lernen können, wird der Fortschritt innerhalb der Branche oder im jeweiligen Technologiesegment gefördert. Dies treibt einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess voran, der insbesondere auf der branchenübergreifenden Anuga FoodTec nicht nur flüssige Bereiche wie Getränke und Milchprodukte, sondern auch feste Bereiche wie Fleisch und Backwaren umfasst.
Kommunikation, insbesondere über Fachmessen, trägt dazu bei, die Vorteile neuer Technologien über die Branche hinaus in die gesamte Gesellschaft zu tragen. So helfen wir, Vorbehalte der Verbraucher gegenüber neuen Technologien abzubauen. Da ich die Branche bei der weiteren Profilierung und dem kontinuierlichen Fortschritt unterstützen möchte, freue ich mich sehr, 2027 Teil der IFTA-Jury zu sein.
Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat kürzlich das progressive Konzept der „nachhaltigen Produktivitätssteigerung“ in den Diskurs eingebracht. Was bedeutet das für den Bereich Logistik und insbesondere für die Intralogistik?
Prof. Lerher: Aus akademischer Sicht bezeichnet „nachhaltige Produktivitätssteigerung“ in der Logistik und Intralogistik Effizienzverbesserungen, die technologisch realisierbar, umweltverträglich und langfristig sozialverträglich sind. In der Intralogistik umfasst dieses Konzept die Entwicklung flexibler und energieeffizienter Materialflusssysteme, die Implementierung intelligenter Automatisierungs-, Robotisierungs- und KI-Lösungen sowie den Einsatz digitaler Werkzeuge zur Überwachung und Optimierung intralogistischer Prozesse.
In unserem Labor für kognitive Systeme in der Logistik an der Universität Maribor haben wir im Rahmen des nationalen Forschungsprojekts „Lagerhaltung 4.0: Ein Modell zur Integration von Kommissionierung und Robotersystemen“ eine neue technologische Lösung für robotergestützte Kommissioniersysteme entwickelt. Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts zeigen, dass ein hoher Automatisierungsgrad und die Robotisierung von Lager- und Kommissionierprozessen hohe Produktivität, Qualität und Zuverlässigkeit in der Logistik gewährleisten. Dies verbessert die Wettbewerbsfähigkeit des Logistik- und Produktionssektors, verringert den technologischen Rückstand und stärkt die Wirtschaftskraft und die Bildungskapazitäten unserer Region.
Jennifer Beuth: Nachhaltigkeit ist ein sehr umfassendes Feld, das sich in verschiedene Bereiche unterteilen lässt, die wir bei der Betrachtung der Intralogistik unterscheiden sollten. Wirtschaftlich nachhaltige Produktivitätssteigerungen in Logistik und Intralogistik werden insbesondere durch Automatisierung, Robotik und digitale Vernetzung (IoT, KI) erzielt. Selbstverständlich muss gleichzeitig auch die ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Aufgrund des Fachkräftemangels spielt die soziale Nachhaltigkeit in der Intralogistik jedoch eine immer wichtigere Rolle und muss bei der Planung und Gestaltung von Intralogistiksystemen zunehmend berücksichtigt werden. Intelligente Systeme sowie die gezielte Datenerfassung und -analyse unterstützen Effizienzsteigerungen in allen Bereichen durch optimierte Materialflüsse und durch die effiziente Nutzung von Lager- und Transportflächen. Gleichzeitig entlasten sie das Personal und tragen durch gezielte und gesteuerte Prozesse im Lebensmittelsektor zur Fehlervermeidung bei, wodurch Verluste und Abfall reduziert werden.
Wir haben im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte vielversprechende Lösungen im Bereich der Kommissionierung getestet. Ein Beispiel hierfür ist unser Picking Lab am Fraunhofer IML. Es dient der Evaluierung von Kommissioniertechnologien und Logistik-IT-Systemen für das Lagermanagement und konzentriert sich auf das Prinzip der manuellen Kommissionierung mit seinen prozessorientierten Arbeitsabläufen. Anhand realistischer Szenarien ermöglicht das Lab einen praxisnahen Vergleich von Technologien in einer standardisierten Umgebung. Da Kommissioniertätigkeiten mit verschiedenen Werkzeugen durchgeführt werden können – klassisch mit Kommissionierliste und Scanner sowie mit einigen anderen digitalen Optionen –, ist das Picking Lab darauf ausgelegt, Unternehmen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Welche Technologien erwarten Sie unter den Bewerbungen bzw. Kandidaten für den Food Technology Innovation Award?
Prof. Lerher: Aus akademischer Sicht wird von zukünftigen Kandidaten für den FoodTec Award erwartet, dass sie fortschrittliche Automatisierung, Robotisierung, Digitalisierung und nachhaltige Technologien integrieren, um die Lebensmittelproduktion, -verarbeitung und damit die gesamte Lebensmittelversorgungskette zu transformieren. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden künftig eine Schlüsselrolle bei der Optimierung des Ressourceneinsatzes, der Bedarfsprognose und der Abfallreduzierung entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette spielen. Ein Schlüsselfaktor ist das industrielle Internet der Dinge (IIoT) mit seinen Sensorüberwachungssystemen. Diese verbessern die Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette – vom Erzeuger bis zum Verbraucher – und gewährleisten so Lebensmittelsicherheit und -qualität. Automatisierung und Robotisierung werden zunehmend in der Intralogistik (z. B. Kommissionierung, Verpackung) eingesetzt. Aus Nachhaltigkeitssicht stellen biobasierte Verpackungsmaterialien, energieeffiziente Verarbeitungssysteme und Kreislaufwirtschaftsmodelle mögliche Innovationspunkte dar.
Jennifer Beuth: Ja, genau. Daher erwarten wir alle Technologien und technologischen Lösungen, die die Logistik und Intralogistik weiterentwickeln und insbesondere unsere Fachkräfte entlasten oder unterstützen. Dazu gehören autonome mobile Roboter und intelligente Fördersysteme für einen effizienten Warentransport sowie automatisierte Lager- und Kommissioniersysteme, die die Lagerhaltung und den Kommissionierungsprozess optimieren und so eine beschleunigte Auftragsabwicklung ermöglichen. Lösungen für Digitalisierung und Datenanalyse sind besonders gefragt, da die weitere Vernetzung von Maschinen und Systemen sowie digitale Zwillinge und Prozesssimulationen die Planung erleichtern und folglich die kontinuierliche Prüfung und Optimierung von Materialflüssen, die Reduzierung von Ausfallzeiten und das Energiemanagement von Systemen sowie von Transport- und Lagersystemen unterstützen. Wir freuen uns daher sehr auf die kreativen Ideen der Ingenieure und die Lösungen der Bewerber.
Weitere Informationen: DLG e.V., Fachzentrum Landwirtschaft & Lebensmittel, Bianca Schneider-Häder, Eschborner Landstraße 122, 60489 Frankfurt am Main, Telefon +49 69 24788-360, IFTA@DLG.org und online unter: www.foodtecaward.com.
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