Stephan Weil arbeitet im Stall

Der Ministerpräsident von Niedersachsen packt bei der Westrup-Koch Milch GbR mit an

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil kam Ende April als „Praktikant“ auf den Milchhof der Westrup-Koch Milch GbR in Bissingdorf/Niedersachsen. Vorausgegangen war sein Versprechen während der Verleihung des Milchlandpreises „Goldene Olga“ im vergangenen Dezember an Dirk und Ulrich Westrup, einen Tag im Milchstall mitzuarbeiten. Sowohl im Kälberstall als auch beim Melken war Weil nah dran: Er legte Hand an beim Anlernen der Kälber am Tränkeautomaten und ließ sich beim Melken die Funktionsweise des 40-Platz-Melkstandes direkt am Tier erklären.

 „Wir waren beeindruckt von seiner zupackenden Art und dem großen Interesse für die moderne Landwirtschaft“, sagte Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Ulrich Westrup, im Interview mit dem DLG-Mitgliedernewsletter.

 

DLG-Mitgliedernewsletter: Herr Westrup, was war Ihr Hauptanliegen, das Ministerpräsident Stephan Weil vom Arbeitseinsatz auf Ihrem Betrieb für seine politische Arbeit mitnehmen sollte?

Ulrich Westrup: Dass wir als Landwirte und insbesondere als Milchviehhalter den Gedanken der Kreislaufwirtschaft leben. So erstreckte sich der Arbeitseinsatz von Ministerpräsident Weil von der Futterproduktion - hier war es das Düngen - über die Kälberaufzucht bis hin zur Überwachung der Kühe.

Bei der Biogasanlage konnte Herr Weil in den deutschen Strommarkt „eingreifen“ und zu guter Letzt durfte er im Melkstand das weiße Gold ermelken. Dabei gab es Gespräche zum Tierwohl der Kühe und für Herrn Weil die Erkenntnis, dass dies nicht im Widerspruch zu Größe und Leistung steht.

Bei unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erfuhr Weil deren hohen Bildungsstand und dass diese nicht unbedingt aus der Landwirtschaft stammen müssen. Bei der Fahrt zum Feld reichten die Themen vom Randstreifen bis zu den Unklarheiten bei den Gewässern erster, zweiter und dritter Ordnung. Die Erkenntnis, dass die Landwirtschaft in vielen Teilen ein Vorreiter bei der Digitalisierung ist, kannte Herr Weil schon von der Agritechnica in Hannover. Wir konnten dem Ministerpräsidenten beeindruckend zeigen, dass die digitale Technik auch wirklich in der Landwirtschaft genutzt wird.

Konnten Sie und Ihr Bruder Dirk in der gemeinsamen Arbeit die Ansichten der Politik zur Landwirtschaft besser nachvollziehen oder ist das Unverständnis darüber einfach zu groß?

Wir konnten kein so ein großes Unverständnis feststellen. Herr Weil ist es bewusst, dass wir Landwirtschaft nicht aus Hobby machen, sondern damit auch Betriebsleiter- und Mitarbeiterfamilien ernähren. Da Herr Weil sehr pragmatisch und nicht ideologisch an Dinge herangeht, war es ein Leichtes, ihm Zusammenhänge zu erklären. Um aber auch auf Empfang zu stoßen, ist und bleibt es wichtig, in Bildern zu sprechen, um die hohe Fachlichkeit der Landwirtschaft zu „übersetzen“.

Dass die Politik immer wieder auf Zielkonflikte stößt, ist Herrn Weil durchaus bewusst. Diese aufzuzeigen und zu erklären, wird wohl die Aufgabe von uns Landwirten und den Verbänden bleiben. Denn was für uns logisch ist, muss den Entscheidungsträgern eben doch erklärt werden. 

Die begleitende Berichterstattung wechselt zwischen Zustimmung - es muss sich etwas ändern - und Unverständnis: Warum demonstrieren Landwirte, wenn sie im vergangenen Jahr Rekordgewinne von 115.000 € erzielten? Dabei beschränken sich die Berichterstattungen sehr oft über Stimmungen und Emotionen. Selten wird über die harten ökonomischen Fakten berichtet.

Das Geschäftsmodell der Landwirtschaft ist die Erzeugung von landwirtschaftlichen Commodities.

Diese sind mit ihrer standardisierten Qualität weltweit austauschbar. Das heißt, im Markt bildet sich ein Einheitspreis für jede Qualität, der sich nur um die Frachtkosten für den jeweiligen Erzeuger unterscheidet. 

Höfesterben wird oft beklagt

Die deutsche Landwirtschaft hat sich seit über 30 Jahren in diesem Weltmarkt behauptet und hat alle nationalen Alleingänge bei den Regelverschärfungen durch Rationalisierungsschritte und technologische Innovationen wettgemacht.

Die dabei entstandene Agrarstruktur wird in den Sonntagsreden der Politik unter dem Thema Höfesterben oft beklagt. Selbst im europäischen Binnenmarkt sind die Regeln nicht einheitlich. Belgische Landwirte fahren ihre Landmaschinen legal mit Heizöl. Ihr Vorteil liegt derzeit bei rund 25,00 €/ha, nach Abschaffung der Gasölverbilligung bei 45,00 bis 50,00 €/ha im Getreidebetrieb. Diese Beträge sind leider in manchen Jahren gesamte Gewinn eines Ackerbaubetriebes.

Tierhalter, Ökobetriebe und Sonderkulturbetriebe benötigen noch wesentlich mehr Diesel je Hektar. Dort ist der politische Wettbewerbsnachteil in diesem Punkt noch höher. 

Ferkelerzeuger geben auf

Politische Regeln haben dazu geführt, dass 37 Prozent der Ferkelerzeuger in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren aufgegeben haben. Die Ferkel kommen derzeit aus Dänemark und den Niederlanden. Dabei ist der Stall oft der größte Vermögensgegenstand, den ein Landwirtschaftsbetrieb neben dem Ackerland hat. Entwertet durch politische Regelsetzungen.

Die Niederlande hat wie Deutschland eine politische Agenda, die Tierproduktion zu reduzieren. In den Niederlanden werden Tierbetriebe durch den Staat aus dem Markt gekauft. Der Landwirt kann sich ohne Vermögensverlust entscheiden, die Erzeugung einzustellen. In Deutschland werden die Regeln so verschärft, dass die Landwirte durch die entstehenden Kosten dieser Auflagen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und aufhören müssen.

 

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Wir konnten dem Ministerpräsidenten beeindruckend zeigen, dass die digitale Technik auch wirklich in der Landwirtschaft genutzt wird.

Würden Sie Ministerpräsident Weil nach dem „Probeeinsatz“ als Arbeitskraft auf Ihrem Betrieb einstellen?

Ich habe es ihm angeboten. Denn er hat ein hohes Maß an Interesse mitgebracht, extrem gute Fragen gestellt, ist an Neuem interessiert und war zu jeder Arbeit bereit. Selbst die Tiere sind ohne Scheu auf ihn zugegangen, und da gibt es bekanntlich schon Unterschiede, wie Tiere auf Menschen reagieren.


Interview: Daphne Huber, DLG-Newsroom