Die Roadshow startete Ende November in Rheinbach in NRW.

Rückblick: Roadshow 2024 zur regenerativen Landwirtschaft

Klimaschutz und Ertragssicherheit im Einklang

„Wir spüren schon jetzt, dass sich ganze Landstriche wandeln“, stellte Pflanzenbauexperte Dr. Maximilian Severin zur Begrüßung der Roadshow Pflanze 2024 klar. Die Folgen des Klimawandels sind sichtbar: vertrocknete Böden, extreme Wetterereignisse und schwindende landwirtschaftliche Nutzflächen. Diese Entwicklungen, gekoppelt mit strengen EU-Vorgaben wie der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln zwingen die Branche dazu, auf eine nachhaltige und zugleich ertragsstabile Landwirtschaft umzustellen. Die Roadshow „Regenerative Landwirtschaft – Nullnummer oder Nutzbringer für mehr Erfolg?“ tourte Ende November durch fünf Bundesländer. Die Tagungen, die im hessischen Wölfersheim endeten, boten den vielen Teilnehmern eine Mischung aus Wissenschaft, praktischen Lösungsansätzen und kritischen Diskussionen. 

Nachhaltigkeit mit Hindernissen

Severin zeichnete ein klares Bild von den Transformationen, die bis 2030 anstehen. Dazu gehören die Halbierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika, einer Reduktion von Düngern um 20 Prozent und das Ziel Deutschlands, 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch zu bewirtschaften. Severin hält es für ein ambitioniertes Vorhaben. Denn aktuell erreiche die Reduktion 12 bis 13 Prozent. 

In diesem Spannungsfeld sieht Severin in der regenerativen Landwirtschaft eine vielversprechende Option, indem der Einsatz von Betriebsmitteln um bis zu 45 Prozent reduziert und die Biodiversität um 30 bis 50 Prozent gesteigert wird. Maßnahmen wie minimale Bodenbearbeitung, vielfältige Fruchtfolgen und der Verzicht auf chemische Zusätze verbessern nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern auch die Klimaresilienz. 

Besonders in trockenen Jahren sei dies entscheidend, um die Erträge zu stabilisieren. „Es geht nicht darum, den Ertrag von heute auf morgen zu steigern, sondern langfristig auf einem gesunden Niveau zu halten“, erklärte Severin und fügte hinzu: „Entscheidend ist, wie der Ertrag im Vergleich zu alternativen Anbautechniken unter schwierigen Bedingungen ausfällt.“ Gleichzeitig wies Severin auf die Herausforderungen hin: Anfangsinvestitionen, mögliche Ertragsrückgänge in den ersten Jahren und ein erhöhter Arbeitsaufwand müssten einkalkuliert werden. „Sie müssen sich erstmal tief in die Methode einarbeiten, sich schulen lassen“, mahnte er.

Wann Biostimulanzien sinnvoll sind

Gastrednerin Dr. Christel Baum, Professorin für Bodenmikrobiologie an der Universität Rostock, stellte in ihrem Vortrag die Verbindung zwischen Biostimulanzien und regenerativer Landwirtschaft her, indem sie deren Potenzial zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit und Stressresistenz von Pflanzen hervorhob. Baum unterschied zwischen den natürlichen Vorkommen von Mykorrhizapilzen in fruchtbaren Böden und speziell formulierten Mykorrhiza-Präparaten. Sie betonte, dass solche Präparate auf extensiven Standorten oder biologisch toten Böden sinnvoll seien, wo die natürlichen Mykorrhiza-Bestände fehlen oder stark reduziert sind, wie im Gartenbau, Straßenbau oder auf Rekultivierungsflächen. Auf fruchtbaren Ackerböden hingegen sei der Zusatz solcher Präparate in der Regel nicht notwendig, da Mykorrhizapilze dort bereits ausreichend vorhanden seien.

Bodenanalyse: Schlüssel zum Erfolg?

„Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche“, erklärte Pflanzenbauberater Dr. Stephan Deike mit Blick auf moderne Düngemethoden. Er stellte die Kinsey-Methode als eine Alternative zu konventionellen Bodenanalysen vor. Im Gegensatz zu herkömmlichen Untersuchungen, die primär die verfügbaren Nährstoffmengen messen, legt diese Methode großen Wert auf die Balance von Kationen wie Kalzium und Magnesium sowie die Kationenaustauschkapazität (CEC). Deike betonte, dass die Methode zwar helfen könne, Schwächen im Düngemanagement aufzudecken, jedoch kostenintensiv sei und fundierte Kenntnisse der spezifischen Standortbedingungen voraussetze. Auch gezielte Pflanzenanalysen, betonte der Pflanzenbauberater, können dazu beitragen, Defizite aufzudecken. 

Bodenfruchtbarkeit sicherstellen

Michael Dreyer, Agrarberater aus Sachsen-Anhalt, ergänzte diese Perspektive durch seinen Fokus auf die Rolle von Zwischenfrüchten, die Stickstoffverluste reduzieren und die Bodenstruktur verbessern können. Besonders in Trockengebieten sei ihr Einsatz essenziell, um den Wasserhaushalt zu stabilisieren und langfristig Humus aufzubauen: „Zwischenfrüchte sind eine tragende Säule der regenerativen Landwirtschaft.“ Dreyer hob hervor, dass viele Praktiken, die unter dem Begriff „regenerativ“ zusammengefasst werden, wie Zwischenfruchtanbau oder konservierende Bodenbearbeitung, bereits bewährte Methoden des konventionellen Pflanzenbaus sind. Dennoch warnte er vor einem universellen Ansatz: „Die Anpassung der Bodenbearbeitung muss stets situationsgerecht erfolgen.“ Er betonte, dass intensive mechanische Eingriffe bei bestehenden Schadverdichtungen oft notwendig seien, um Böden für nachhaltige Bewirtschaftung vorzubereiten und langfristige Bodenfruchtbarkeit zu sichern.

Nachhaltigkeit sichert Kreditvergabe

„Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Must-have und nicht nur zum Nice-to-have“, betonte Erik Guttulsröd, Bereichsleiter für Betriebsführung und Nachhaltigkeit bei der DLG, und verdeutlichte damit den Wandel in der Landwirtschaft. Nachhaltigkeit sei längst nicht mehr nur ein moralisches oder ökologisches Ziel, sondern werde zunehmend durch politische und wirtschaftliche Zwänge bestimmt. Insbesondere die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) setzen neue Maßstäbe, um nachhaltige Praktiken mess- und vergleichbar zu machen. Guttulsröd warnte, dass Landwirte ohne entsprechende Anpassungen zukünftig Schwierigkeiten haben könnten, Kredite zu erhalten oder Förderungen zu nutzen.

Katharina Kovacs,
Redaktion agrarticker.de
Frankfurt am Main
k.kovacs@dlg.org  

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