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Kamera-Monitor-Systeme in der Landwirtschaft

DLG-Kompakt 04-2019

Einsatz bei Sichtfeldeinschränkungen durch Vorbaumaßüberschreitung von mehr als 3,5 m

Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, sind beim Anbau von Anbaugeräten die Vorschriften aus dem Merkblatt für Anbaugeräte von 2009 (Nr. 218 Verkehrsblatt) zu beachten. Dies sind im Wesentlichen Vorschriften zur Beschaffenheit der Anbaugeräte, um andere Verkehrsteilnehmer zu schützen, so zum Beispiel durch Vorschriften zur Kenntlichmachung mit lichttechnischen Einrichtungen. Ein wesentlicher Bestandteil des Merkblatts beschäftigt sich aber auch mit der Sicht des Fahrzeugführers.

Großes Vorbaumaß führt zu Sichtfeldeinschränkung

Sehr schnell wird beim Anbau eines Anbaugeräts an der Front des Fahrzeugs im Zusammenhang mit der Sicht des Fahrzeugführers das so genannte Vorbaumaß kritisch. Das Vorbaumaß ist definiert als Abstand zwischen dem vorderen Ende des Frontanbaugeräts und dem sich auf der Mitte des Verstellbereichs befindenden Lenkrads.

Ein großes Vorbaumaß kann schnell zu einer Sichtfeldeinschränkung des Fahrzeugführers führen. An Kreuzungen und Einmündungen kann eine durch Hecken, Mauern oder Gebäude eingeschränkte Sicht nach links und rechts dazu führen, dass der Querverkehr vom Fahrzeugführer zu spät erkannt wird. Schwere Unfälle können die Folge sein. Vielen ist dabei nicht bewusst, dass an manchen Traktoren selbst die Montage eines Frontballastgewichts oder eines Frontladers schnell zu einer Überschreitung des Vorbaumaßes führen kann.

Geeignete Ausgleichsmaß­nahmen bei Vorbaumaßüberschreitung erforderlich

Bei einem Vorbaumaß von mehr als 3,5 m müssen geeignete Maßnahmen für den Ausgleich dieser Sichtfeldeinschränkung getroffen werden. So kann eine Begleitperson dem Fahrzeugführer die für das sichere Führen erforderlichen Hinweise geben (Einweiser), oder es können geeignete Kamera-Monitor-Systeme eingesetzt werden.
Da die Begleitperson in der Praxis beim Einweisen eher gefährdet ist, dies bei der täglichen Arbeit in der Landwirtschaft kaum umsetzbar und in den meisten Fällen nicht vorhanden ist, stellt ein geeignetes Kamera-Monitor-System die einzige sinnvolle Lösung dar.

Aktuelle Empfehlung für Kamera-Monitor-Systeme

Die rechtliche Grundlage für die Prüfung von Kamera-Monitor-Systemen und deren Montage bildet die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Bundesverkehrsblatt vom 15.12.2016 veröffentlichte Empfehlung für Kamera-Monitor-Systeme für Fahrzeuge mit einer Sichtfeldeinschränkung insbesondere auch durch Vorbaumaßüberschreitung von mehr als 3,5 m.

Die Empfehlung des Ministeriums basiert in wesentlichen Teilen aus dem Prüfrahmen des DLG-Testzentrums Technik und Betriebsmittel. Dieser wurde bereits in 2014 durch die DLG zusammen mit Praktikern erarbeitet und diente den zuständigen Gremien als wichtige Grundlage zur Entwicklung der für den Straßenverkehr rechtlich umsetzbaren Prüfgrundlage.

Auf der Agritechnica 2017 präsentierten die ersten Hersteller dann Systeme, die nach den aktuell gültigen Empfehlungen begutachtet sind und damit die Anforderungen für den Einsatz im Straßenverkehr erfüllen.

Einsatz geprüfter Systeme erforderlich

Das am Markt befindliche Angebot an Kamera-Monitor-Systemen ist riesig. Allerdings erfüllen nur geprüfte Systeme die notwendigen Anforderungen, um im Straßenverkehr als Ausgleich für ein beeinträchtigtes Sichtfeld eingesetzt werden zu können. Vermeintlich sinnvolle Eigenbaulösungen mit Kameras aus dem Elektronikhandel oder gar mit Spiegeln erfüllen diese komplexen Anforderungen nicht. Aktuell sind mindestens vier verschiedene Systeme am Markt verfügbar, welche die aktuellen rechtlichen Anforderungen erfüllen.

Bei Kamera-Monitor-Systemen werden in der Regel zwei am Fahrzeug oder am Frontanbaugerät montierte Kameras eingesetzt. Auf einem oder zwei Monitor(en) im Kabineninneren wird das erforderliche Seitensichtfeld dargestellt. Dadurch wird sichergestellt, dass auch bei Fahrzeugen mit durch Frontanbaugerät erweiterter Vorbaulänge der Querverkehr an Kreuzungen oder Einmündungen vom Fahrzeugführer sicher erkannt werden kann. Der ansonsten erforderliche Einweiser kann mit einem geprüften Kamera-Monitor-System entfallen, soweit die Empfehlungen des Bundesverkehrsblattes erfüllt sind.

Prüfung von Kamera-Monitor-Systemen

Die erforderlichen Prüfungen gliedern sich in zwei Teile:

  1. eine Prüfung und Bewertung der Komponenten des eigentlichen Kamera-Monitor-Systems und
  2. eine Anbauprüfung, welche die Montage und Adaption an das jeweilige Fahrzeug oder an das Frontanbaugerät abdeckt.

Komponenten-Prüfung

Die Komponenten-Prüfungen werden in der Regel vom Hersteller des Kamera-Monitor-Systems durch einen technischen Bericht eines technischen Dienstes nachgewiesen, der dafür vom Kraftfahrt-Bundesamt benannt wurde. Dabei werden unter anderem folgende Kriterien geprüft:

Kamera

  • Beständigkeit gegenüber Klima- und Umwelteinflüssen
  • Beständigkeit gegen Vibrationen
  • Prüfung der mechanischen Beständigkeit (Schlagprüfung auf Kamera in Anbaulage)

Monitor

  • Minimale Bildschirmdiagonale
  • Seitenrichtige Darstellung
  • Entspiegeltes Display
  • Beständigkeit gegen Vibrationen

Gesamtsystem

  • Elektromagnetische Verträglichkeit
  • Signalverzögerung
  • Optische Auflösung
  • Blooming Test (Prüfung des Blendverhaltens bei Gegenlicht)
  • Minimale Darstellungsgröße
  • ggf. Prüfung der Erfüllung besonderer Anforderungen für den Einsatz im Winterdienst.

Prüfung des Anbaus am Fahrzeug bzw. am Frontanbaugerät

Für den Anbau der geprüften Komponenten am Fahrzeug oder am Frontanbaugerät ist noch eine Begutachtung am Fahrzeug erforderlich. Dabei sind folgende technische Prüfungen erforderlich:

  • Begutachtung des Seitensichtfelds
  • Ordnungsgemäße Installation von Kamera und Anschlusskabeln und Montage des Monitors.

Bei Vorliegen eines technischen Berichts über die Komponenten-Prüfung kann die Anbauprüfung daher in der Regel relativ einfach und unkompliziert bei einer kompetenten Prüfstelle vor Ort durchgeführt werden.

Genehmigung in Kombination von Zugmaschine und Anbaugerätetyp

Genehmigungen von mit Kamera-Monitor-Systemen ausgerüsteten Fahrzeugen müssen sich gemäß den aktuell gültigen Empfehlungen stets auf den Anbau konkreter Typen von Anbaugeräten beziehen. Der Prüfaufwand kann dabei jedoch ggf. durch Auswahl des ungünstigsten Falls oder durch eine Definition eines möglichen Anbauraums verringert werden. Im Rahmen der Anbauprüfung sollte dann ein Gutachten erstellt werden, mit dem die Zulassungsstelle in das Feld 22 der Zulassungsbescheinigung der Zugmaschine die freigegebenen Anbaugerätetypen mit möglichen Auflagen eintragen kann.

Auslegung ist Angelegenheit der Bundesländer

Die bisherigen Erfahrungen mit den Bundesländern und die Vorgehensweisen der zuständigen technischen Prüfstellen und der lokal zuständigen Genehmigungsbehörden zeigen leider noch einige Unterschiede in der Handhabung. So wird bei einigen Genehmigungsbehörden aufgrund der Vorbaumaßüberschreitung eine Ausnahmegenehmigung nach §70 StVZO gefordert.

Fazit

Auf die – durch eine Vorbaumaß-Überschreitung ansonsten im Straßenverkehr rechtlich erforderliche – Begleitperson des Einweisers kann in der Praxis nur bei Einsatz eines geprüften Kamera-Monitor-Systems verzichtet werden.

Kontakt

DLG e.V. • Michael Biallowons • Tel.: +49(0)69/24 788-209 • m.biallowons@DLG.org