Veredlung zu mehr Löslichkeit 

Pulver- und Schüttguttechnologie

aus: DLG-Lebensmittel 1/2025

Ob Instant-Kaffee, Proteinpulver, Gewürzmischungen oder Babynahrung – sie alle haben eine gemeinsame Basis: eine Technologie, die meist im Hintergrund bleibt, aber essenziell für die moderne Lebensmittelproduktion ist. Doch die Verarbeitung von Pulvern stellt Lebensmittelhersteller vor große Herausforderungen. Die feinen Partikel neigen dazu, zu verklumpen, Staub zu entwickeln oder im schlimmsten Fall sogar kontaminiert zu werden. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Qualität und Hygiene stetig. Wie gelingt es also, Pulver so zu verarbeiten, dass sie gleichmäßig fließen, präzise dosiert werden und ihre wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben?

Schale mit feinem Pulver
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Schematische Darstellung: Entstehung einer porösen Himbeerstruktur
Schematische Darstellung der Entstehung einer porösen ‚Himbeerstruktur‘ durch Sprühagglomeration © Glatt Ingenieurtechnik GmbH

Sprühgranulation und Sprühagglomeration

Die Granulation und die Agglomeration sind zwei zentrale Prozesse der Pulververedelung, die sich hinsichtlich des Aggregatzustands des Ausgangsmaterials und der resultierenden Partikeleigenschaften unterscheiden. Bei der Sprühagglomeration werden als Ausgangsmaterial ein oder mehrere feinkörnige Pulver mit einem Binder zusammengesetzt, um eine poröse „Himbeerstruktur“ (Bild oben) zu erzeugen. Die Wahl des Binders muss sowohl mit dem Produkt als auch mit der Anwendung kompatibel sein, zum Beispiel in Bezug auf den Fettgehalt oder die Deklaration.  Für Lebensmittel kommen meist Wasser und organische Bindemittel wie Hydrokolloide, Caseine, Gummi arabicum oder Zucker zum Einsatz, betonte Dr. Georg Fröhlich,  Sales Manager der Firma Glatt Ingenieurtechnik. Das Ergebnis sind leicht benetzbare, poröse Agglomerate mit guter Löslichkeit und verbessertem Fließverhalten, die durch reduzierten Staubanteil und minimierte Entmischungs­effekte überzeugen.

Im Gegensatz dazu ist für die Sprühgranulation eine Flüssigkeit als Ausgangsmaterial notwendig. Es entsteht eine kompakte „Zwiebelstruktur“ (Bild unten), indem Flüssigkeitsschichten nacheinander auf Partikel aufgesprüht und getrocknet werden. Dies ermöglicht eine gezielte Einstellung von Produkteigenschaften wie Partikelgröße und Schüttdichte. Aufgrund ihrer runden und gleichmäßigen Form eignen sich Granulate hervorragend für anschließende Coating-Prozesse. Sie zeichnen sich zudem durch eine hohe Partikelhärte und -dichte aus, was das Transportvolumen und die Hygroskopizität reduzierten. 

Agglomerate sind fragiler, leicht in Flüssigkeiten dispergierbar und ideal für Komprimaten wie Tabletten. Granulate hingegen überzeugen durch Staubarmut, hohe Fließfähigkeit und präzise maschinelle Dosierbarkeit, erklärt Frank Hellerung, Head of Sales bei SternMaid, Contract Manufacturing Services, Wittenburg.

Schematische Darstellung der Entstehung einer ‚Zwiebelstruktur‘
Schematische Darstellung der Entstehung einer ‚Zwiebelstruktur‘ durch Sprühgranulation. © Glatt Ingenieurtechnik GmbH

GEA: Effizienz in der Milchpulverherstellung

Ein herausragendes Beispiel ist der MSD-Sprühtrockner, der insbesondere in der Milchpulverherstellung eingesetzt wird. Dieses bewährte System von GEA zeichnet sich durch seine Flexibilität bei der Verarbeitung von agglomerierten Nährstoffen und Milchprodukten aus.

Die Anlage kombiniert Sprüh- und Fließbetttrocknung in einem System und ermöglicht die Herstellung von rieselfähigen, staubfreien und leicht rekonstituierbaren agglomerierten Pulvern wie beispielsweise Säuglingsnahrung oder andere Milch- und Nährstoffpulver. Die Konfiguration kann an verschiedene Rezepturen und Anwendungen angepasst werden. 

Ziel ist es, Milchpulver mit definierten Eigenschaften wie Partikelgröße, Löslichkeit und Schüttdichte zu produzieren. Zu den Vorteilen gehören die Kombination von Sprüh- und Fließbetttrocknung, ein hygienisches Design, das strenge behördliche Anforderungen erfüllt, sowie die Möglichkeit, mehrere Produkte in einer Anlage zu verarbeiten. Die Anlage kann Durchsätze von 100 kg/h bis 30 t/h verarbeiten und ist auch für spezielle Anforderungen geeignet. 

Der MSD-Sprühtrockner überzeugt zudem durch seine hohe Energieeffizienz und innovative Technologien, die den Betrieb optimieren und die Umweltverträglichkeit verbessern.

Milchverarbeitungsanlage
Milchverarbeitungsanlage von GEA © GEA Group

Wirbelschichttechnologie 

Die Anforderungen an Pulverprodukte gehen über die richtigen physikalischen Eigenschaften hinaus: Viele Produkte bestehen aus empfindlichen Inhaltsstoffen wie Aromen, Vitaminen oder Probiotika. Die Wirbelschichttechnologie ist ein effizientes Verfahren zur Pulververedelung, bei dem Partikel durch einen Luftstrom aufgewirbelt, gleichmäßig mit einer Flüssigkeit besprüht und anschließend getrocknet werden. Dadurch entstehen beschichtete oder verkapselte Partikel. Diese Technologie bietet die Möglichkeit, empfindliche Inhaltsstoffe (wie Enzyme oder Omega-3-Fettsäuren) vor Feuchtigkeit, Sauerstoff oder Licht zu schützen. Die Inhaltsstoffe können effizient (durch Mikroverkapselung) verkapselt und beschichtet (Coating) werden, um eine kontrollierte, pH-Wert oder zeitgesteuerte (sofortig/oder zeitverzögert) Freisetzung zu gewährleisten, betont Frank Hellerung.

Beim Coating werden Partikel in der Wirbelschicht fluidisiert, gleichmäßig mit einem Film überzogen und getrocknet. So beschichtete Partikel bieten die Möglichkeit,  empfindliche Inhaltsstoffe vor Umwelteinflüssen zu schützen. Ein Beispiel ist das Aufbringen von Fettschichten auf 
Gewürzpulvern, um Aromen während der Kaltlagerung  zu schützen und beim Backen freizusetzen, erklärte Dr. Georg Fröhlich. 

Beim Verkapseln werden empfindliche Inhaltsstoffe wie Omega-3-Fettsäuren und Beta-Carotin in einer Matrix eingeschlossen. Wird für die Trocknung dieser Matrix der Prozess Sprühgranulation gewählt, entstehen Mikrogranulate, die durch ihren kompakten Aufbau einen zusätzlichen Schutz und eine Freisetzungssteuerung der Inhaltsstoffe bieten. Coating und Mikroverkapselung spielen eine zentrale Rolle, um empfindliche Inhaltsstoffe haltbar, lagerfähig und verfügbar zu machen, und werden oft für Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt, dort aber i. d. R. nicht mit Fetten, sondern mit bspw. Hydrokolloiden, Zuckerderivaten oder hochwertigen Polymercoatings, ergänzt Frank Hellerung.  

Die Pulverherstellung in der Lebensmittelindustrie setzt zunehmend auf nachhaltige und effiziente Ansätze

Nachhaltigkeit 

Die Pulverherstellung in der Lebensmittelindustrie setzt zunehmend auf nachhaltige und effiziente Ansätze, um sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Anforderungen zu erfüllen. Energieeffiziente Prozesse, wie Wärmerückgewinnung bei der Sprühtrocknung, und die Reduzierung von Abfällen durch Staub-Agglomeration tragen dazu bei, Ressourcen zu schonen. Gleichzeitig ermöglicht die Verpackungsoptimierung durch höhere Schüttdichte eine Senkung der Transportkosten. Nicht zuletzt, so Frank Hellerung von SternMaid, tragen Pulverprodukte auch dazu bei, den Wassertransport zu reduzieren, da sie durch ihre längere Haltbarkeit und bessere Verarbeitbarkeit weniger Flüssigkeit erfordern.

Führende Unternehmen wie Glatt Ingenieurtechnik,  SternMaid und GEA Group treiben diese nachhaltigen  Entwicklungen mit innovativen Ansätzen voran. Glatt Ingenieurtechnik setzt auf energieeffiziente Anlagen mit Wärmerückgewinnung, die Verwertung von Nebenprodukten durch Staub-Agglomeration sowie die Reduzierung der Verpackungsgröße dank höherer Schüttdichte. Darüber hinaus wird durch verbesserte Löslichkeit eine schnellere Verarbeitung ermöglicht, wie Dr. Georg Fröhlich betont. 

Auch SternMaid, Teil der Stern-Wywiol-Gruppe, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Nachhaltigkeit. Seit 2023 integriert das Unternehmen strategisch zentralisierte Nachhaltigkeitsmaßnahmen in alle Geschäftsprozesse, unterstützt durch Corporate Sustainability und lokale Botschafter. Mit neuen Strukturen und einer Wesentlichkeitsanalyse gemäß der CSRD werden langfristige Ziele festgelegt. Bereits heute setzt SternMaid auf recyclingfähige Verpackungen und die Verwendung nachwachsender, hochwertiger Rohstoffe, ergänzt Frank Hellerung.

GEA Group bietet maßgeschneiderte Pulverhandhabungslösungen, die von einfachen Sackkippern bis hin zu komplexen Systemen für Lagerung, automatische Dosierung und Mischung reichen. Alle Lösungen entsprechen den aktuellen Sicherheitsstandards, einschließlich der Anforderungen für Ex-Bereiche (Explosionsgefährdete Bereiche). Effizienz und Abfallreduzierung stehen im Fokus, um den Energieverbrauch zu optimieren und Umweltbelastungen zu minimieren. 

Effiziente Nutzung von Nebenprodukten

Zukünftige Entwicklungen in der Pulververedelung konzentrieren sich verstärkt auf die Optimierung der Löslichkeit von tierischen und pflanzlichen Proteinen, um deren Einsatz in unterschiedlichen Lebensmittelanwendungen zu erleichtern. Gleichzeitig rückt die effiziente Nutzung von Nebenprodukten in den Fokus, um wertvolle Rohstoffe nachhaltiger zu verwerten und die Umweltbelastung zu reduzieren. Ein weiteres zentrales Ziel ist die Herstellung staubfreier Pulver, die nicht nur die Verarbeitungssicherheit erhöhen, sondern auch die Arbeitsumgebung in Produktionsanlagen verbessern.
Darüber hinaus gewinnt die Integration umweltfreundlicher Verpackungslösungen zunehmend an Bedeutung. Die Entwicklung und Nutzung recycelbarer Materialien tragen dazu bei, den ökologischen Fußabdruck der Branche zu minimieren und den steigenden Erwartungen der Verbraucher an nachhaltige Produkte gerecht zu werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Pulververedelung eine essenzielle Rolle in der modernen Lebensmittelindustrie spielt. Sie ermöglicht die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte, die sowohl den Anforderungen der Verbraucher als auch den industriellen Verarbeitungsprozessen optimal entsprechen. Experten sind sich einig, dass Pulver gezielt auf ihre jeweiligen Verwendungszwecke abgestimmt werden müssen, um eine maximale Funktionalität, Haltbarkeit und Anwendungssicherheit zu gewährleisten.

Die Zukunft der Pulververedelung wird von weiteren technologischen Fortschritten und einem verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit geprägt sein. Die Entwicklung neuer Verfahren zur Verbesserung der Produkteigenschaften, wie z. B. die gezielte Freisetzung von Inhaltsstoffen oder die Erhöhung der Nährstoffstabilität, wird weiter vorangetrieben werden. Gleichzeitig wird die Nachfrage nach personalisierten Lebensmitteln und funktionellen Nahrungsergänzungsmitteln die Branche dazu anregen, noch flexiblere und effizientere Produktionsmethoden zu entwickeln. (zs)