Anbau und Vermarktung von Süßkartoffeln
Seltene Kombination: süß und gesund
Züchtung, Anbau und die Vermarktung von Süßkartoffeln stecken hierzulande noch in den Kinderschuhen. Süßkartoffel ist nicht nur ein gesundes und leckeres Gemüse. Sie ist vielseitig anwendbar, gut lagerfähig und wird hierzulande mit Erfolg angebaut. Die Fachzeitschrift “Kartoffelbau”, erscheint im DLG-Verlag, startet in Heft 1/2025 eine Serie über die Ipomoea batatas, besser bekannt als Süßkartoffel.
Süßkartoffeln? Sind das nicht diese etwas unförmigen bräunlichen, manchmal auch lilafarbenen Knollen, die im Supermarkt immer neben den Kartoffeln liegen? Die sollen ja als Pommes ganz gut schmecken ...
So oder so ähnlich dürfte wohl der Wissensstand bei den meisten von uns sein. Eine nicht repräsentative Umfrage unter Freunden und Bekannten ergab jedenfalls ein wenig inniges Verhältnis zu diesem Produkt. Allerdings zu Unrecht, denn die Süßkartoffel ist nicht nur ein ausgesprochen gesundes und zudem noch leckeres Gemüse, sie ist auch vielseitig anwendbar, gut lagerfähig und wird nicht zuletzt auch hierzulande mit Erfolg angebaut. Doch dazu später.
Zunächst dürfen Sie beruhigt sein: Auch in den USA, einem großen Anbauland und traditionellen Verbraucher, ist der Wissensstand über Süßkartoffeln ... sagen wir mal ... begrenzt. Sicher, sie gehört zum Thanksgiving-Dinner genauso dazu wie der Truthahn, und sie lässt sich wunderbar unkompliziert im Ofen backen – aber sehr viel weiter reicht die Nutzung vor allem in den privaten Küchen doch nicht.

Dies zu ändern, hat sich die North Carolina Sweetpotato Commission aus dem US-Anbauland Nr. 1 auf die Fahnen geschrieben (Kasten). Zu den zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen gehört nicht zuletzt die Öffentlichkeitsarbeit. Und so reiste also eine Gruppe Journalisten, Bloggerinnen und Influenzerinnen aus Europa und den USA zur besten Erntezeit im November 2024 durch North Carolina, um jedes Glied der Wertschöpfungskette aus der Nähe zu betrachten.
Vielseitiges Windengewächs
Beginnen wir am besten mit Herkunft und Biologie des Gemüses: Die Süßkartoffel (Ipomoea batatas), auch Batate genannt, gehört zur Familie der Windengewächse in der Ordnung der Nachtschattenartigen. Mit der Kartoffel (aus der Familie der Nachtschattengewächse) ist sie damit nur entfernt verwandt.
Als Herkunft der mehrjährigen krautigen Kletterpflanze werden zumeist die tropischen Regionen Mittel- und Südamerikas genannt, wenngleich einige neuere Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass sich die Gattung im Paläozän in Asien entwickelt haben könnte. Sicher ist jedenfalls, dass die Süßkartoffel von allen lateinamerikanischen Hochkulturen angebaut wurde. Mit den Spaniern gelangte sie im 16. Jahrhundert nach Südostasien – in deren Kolonie auf den Philippinen. Freigelassene Sklaven brachten sie wiederum von Amerika nach Afrika.
So wird die Kultur heute in fast allen wärmeren Ländern der Tropen, Subtropen und gemäßigten Zonen der Erde angebaut und landet damit nach Kartoffeln und Maniok auf dem dritten Platz der weltweiten Produktion von Wurzel- und Knollennahrungspflanzen. In Zahlen: Auf etwa 8 Mio. ha., wurden 2022 mit einem Durchschnittsertrag von 114 dt laut FAO-Angaben gut 86,4 Mio. t erzeugt. Die zehn größten Anbauländer, die zusammen über 80 % der gesamten Erntemenge produzieren, werden mit großem Abstand von China angeführt. Dort allein wächst schon über die Hälfte der Welternte, es folgen mehrere afrikanische Staaten – Malawi, Tansania oder Nigeria – auf Platz 8 landet schließlich Indien, auf Platz 9 die USA. Dort wiederum konzentriert sich der Anbau hauptsächlich auf North Carolina.
In Europa werden auch Süßkartoffeln produziert, vor allem in Spanien, Portugal und Italien. In Deutschland fristet die wärmeliebende Kultur mit um die 200 ha dagegen eine ziemliche Nischenrolle. Allerdings gab es bereits einige Versuche und hier und da findet sich auch ein erfolgreich direktvermarktender Anbauer. Damit befassen wir uns ausführlicher in einem der folgenden Artikel.
Vermehrung meist über Stecklinge
Theoretisch zumindest kann das Gemüse auf drei verschiedenen Wegen vermehrt werden. Die Pflanze blüht und bildet Samen aus. Davon jedoch nur wenig, außerdem ist die Keimfähigkeit schlecht, spielt diese Art meist keine Rolle. Möglich ist die Vermehrung über Sprossstecklinge: Dafür werden 30 bis 45 mm lange Stecklinge geschnitten, die untersten Blätter entfernt und schräg in Substrat gesteckt, um neue Wurzeln zu bilden.
Werden große Mengen sortenreiner Stecklinge benötigt, so werden diese meist über Speicherwurzeln erzeugt. Die Knollen werden nebeneinander in Substrat gelegt, sehr schnell wachsen neue Sprosse, die weitervermehrt oder ausgepflanzt werden können. Für die Pflanzung werden 22 bis 30 cm lange Stücke mit ausreichend Sprossknoten abgeschnitten. Die wärmeliebende Kultur mag am liebsten Temperaturen von 24 °C oder mehr. Bei unter 10 °C hört sie auf zu wachsen, bei Frost stirbt sie ab. Vor allem die Jungpflanzen brauchen regelmäßige Niederschläge, aber auf keinen Fall Staunässe. Deshalb werden sie in Dämme gepflanzt, deren Anordnung und damit die Mechanisierung ist dem Kartoffelanbau sehr ähnlich. Nach 90 bis 130 Tagen sind die Speicherknollen erntereif.
Krankheiten und Schädlinge
Auch Unkräuter, Krankheiten und Schad-erreger finden sich vor allem bei regelmäßigem Anbau auf Süßkartoffelfeldern ein. Üblich sind wie beim Kartoffelanbau Anbaupausen von drei Jahren. Zu den pilzlichen Erregern zählen Fusarium-, Ceratocystis- und Rhizopus-Arten, vor allem Fusarium oxysporum (f. sp. batatas) bedroht mit der dadurch ausgelösten Stängelfäule den Anbau in den USA. Zu den Viren, die die Süßkartoffel befallen, gehören verschiedene Mosaikviren und der Internal Cork Virus.
Ähnlich wie beim Kartoffelanbau gehören Nematoden zu den Hauptfeinden des Anbauers, darunter verschiedene Meloidogyne-Arten (Wurzelknollennematoden, deren nördliche Verwandte auch hierzulande Möhren oder Zwiebeln schädigen) und Rotylenchulus reniformis.
Unter den Insekten ist vor allem Cylas formicarius, der Süßkartoffelkäfer, als wirtschaftlich bedeutendster zu nennen. Sowohl Larven als auch adulte Tiere fressen an den Wurzeln und können auch im Lager schädigen. Der Fraß der Larven löst in den Knollen die Herstellung von bitteren und giftigen Terpenoiden aus, damit sind sie für den Menschen ungenießbar. Auch Mäuse können durch Fraß große Schäden anrichten.
Unkräuter haben bis zum Bestandesschluss recht leichtes Spiel, da die Kultur ziemlich konkurrenzschwach ist. Das macht regelmäßige Regulierungsmaßnahmen nötig.
Vielseitig und lecker …
Je nach Anbauregion und züchterischer Bearbeitung gibt es über tausend Sorten. Die äußere Form reicht von kugelig bis lang gestreckt, die größten und interessantesten Unterschiede gibt es aber in der Farbe: Sie reicht von fast Weiß und mit heller Schale – z. B. Sorte Bonita – über Orange – wie die in North Carolina überwiegend angebaute Sorte Covington – Rot mit orangefarbenem Fruchtfleisch – Beauregard – Lila außen und hell innen – Murasaki – bis zu knalligem Lila außen und innen – Okinawa oder Purple Majesty. Letztere werden z. B. auch gern zur Herstellung von Naturfarben verwendet.
Auch der Geschmack der Früchte kann erstaunlich variieren. Das Verhältnis von Stärke zu Maltose, einer Zuckerart – bestimmt über die Intensität der Süße und darüber, ob sie eher etwas trocken oder besonders aromatisch schmeckt. Auch nussige, säuerliche oder karamellige Geschmacksnoten sind zu entdecken. Gegessen werden können übrigens alle Teile der Pflanze, so gelten in Asien auch die Blätter als Delikatesse, in Afrika wird das Kraut wie Spinat zubereitet.
Aber auch die Speicherwurzeln alleine können so vielseitig verarbeitet werden wie kaum ein anderes Gemüse. Die traditionelle Zubereitung in den USA ist sicher die im Ofen (oder wenn es schnell gehen muss, in der Mikrowelle) mit Schale gebackene Variante. Sie ist untrennbar verbunden mit dem wichtigsten Familienfest Thanksgiving. Aber auch gekocht, frittiert, überbacken oder gebraten sind sie ein Geschmackserlebnis, dazu wegen ihrer leichten Verdaulichkeit eine ideale Babynahrung. Zudem lassen sich daraus die leckersten Süßspeisen herstellen – Gebäck, Brötchen, sogar Eis. Und nicht zuletzt kann man Bataten auch trinken: Etwa als Imojōchū in Japan und Soju in Korea.
... und auch noch gesund
Nun sind ja auch andere Sachen lecker und vielseitig, aber wenige sind tatsächlich auch noch richtig gesund. Süßkartoffeln enthalten kein Fett, bestehen zu 80 % aus Wasser und haben weniger als ein Viertel der Kohlenhydrate von beispielsweise Reis. Dafür sind sie voll von wichtigen Nähr- und Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien, darunter Eisen, Selen und Kalzium. Und sie sind reich an Beta-Carotin, einem Antioxidans, das der Körper in Vitamin A umwandelt. Nicht zuletzt hat sie einen niedrigen glykämischen Index, weshalb sie sehr gut für Diabetiker geeignet ist (Abb.). In der Literatur werden vor allem folgende gesundheitliche Vorteile erwähnt:
- immunstimulierende Wirkung, enthalten Vitamin C und Eisen sowie Folsäure,
- schützen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. gehören zu den empfohlenen Lebensmitteln bei Herzkrankheiten,
- reich an Ballaststoffen und daher sehr gut für die Darmgesundheit und verdauungsfördernd,
- können Magenbeschwerden wie Völlegefühl, Blähungen usw. vorbeugen,
- enthalten viel Kalium, hilfreich bei Bluthochdruck,
- werden aufgrund ihres geringen Kalorien- und hohen Nährstoffgehalts zur Gewichtsabnahme eingesetzt.
All diese Argumente haben dazu geführt, dass die Süßkartoffel im Jahr 2019 von der amerikanischen CSPI (Center for Science in the Public Interest) zum gesündesten Gemüse der Welt erklärt wurde. Das muss auch die NASA mitbekommen haben, denn die hat Ipomoea batatas tatsächlich als mögliche Nutzpflanze für längere Weltraumexpeditionen, beispielsweise zum Mars, auserkoren. Zum einen wegen des einfachen und unkomplizierten Anbaus und zum anderen wegen der tollen Inhaltsstoffe. Das ist doch ein wunderbares Gesprächsthema für das nächste gemeinsame Familienessen – zum Beispiel ein leckeres Süßkartoffelpüree?

Catrin Hahn
Freie Agrarjournalistin, Berlin
Catrin.hahn@hahn-agrar.de
Die Süßkartoffel ist im warmen, feuchten Klima der südöstlichen Länder der USA schon lange zu Hause, war sie doch schon im 19. Jahrhundert ein Grundnahrungsmittel der dortigen Bevölkerung. In der Blütezeit der Kultur Ende der 1930er-Jahre wurden auf gut 40.000 ha in North Carolina Süßkartoffeln angebaut, das war etwa ein Zehntel der gesamten US-amerikanischen Produktion. Mit beginnendem Wohlstand in den 1950er-Jahren ereilte die Kultur ein ähnliches Schicksal wie Hafer hierzulande, sie wurde etwas unmodern.
Dennoch war sie Bestandteil des traditionellen Thanksgiving-Festmahls und damit aus der amerikanischen Küche kaum wegzudenken. Und sie war und ist, erklärt David L. Godwin, eine wichtige Proteinquelle, wenn auch (damals) nur begrenzt lagerfähig und mit etwa 8 t/ha auch nicht übermäßig ertragreich. Wenig später begann dank des Engagements einiger weniger Farmer eine Erfolgsgeschichte, die die Süßkartoffel zum Exportschlager, North Carolina zum wichtigsten Anbauland machte.
David Godwins Großvater, Inhaber von Godwin Produce Comp. Inc., kaufte 1936 als junger Farmer zwei Traktoren und pflanzte die ersten 8 ha Süßkartoffeln, ein Jahr später waren es schon 243 ha. Er lieferte an ein Handelsunternehmen, das mit dem Export begann und zunehmend mehr Ware nachfragte.
So suchte sich Godwin Verbündete und binnen weniger Jahre wurden Johnston County und die darin gelegene Stadt Benson, etwa eine knappe Stunde südlich von North Carolinas Hauptstadt Raleigh gelegen, zum Zentrum des US-amerikanischen Anbaus.
1959 gründeten sechs Farmer gemeinsam die North Carolina Sweetpotato Commission NCSPC, um Forschung, Anbau und Vermarktung zu fördern, zu ihrem Vorsitzenden wählten sie niemand anderen als David Godwins Großvater. Kontakte zur NC State Universität wurden geknüpft, der dortige Züchtungsleiter Dr. Henry Covington widmete sich der Kultur. Seine Forschung führt bald zur Ertragsexplosion auf die heute üblichen gut 19 t/ha. Auch Ernte, Lagerung und Verarbeitung wurden perfektioniert, sodass Süßkartoffeln heute rund ums Jahr zur Verfügung stehen. Die mit über 90 % Anbauanteil heute am meisten verbreitete Sorte trägt dem damaligen Züchter zu Ehren den Namen Covington.
Heute hat die NCSPC über 400 Mitglieder – Anbauer, Vermarkter und Verarbeiter –, die sich immer noch jeder Facette der Warenkette widmen. Den Vorsitz hat David L. Godwin, Enkel des ersten Vorsitzenden, inne. Als aktuelle Hauptziele bezeichnet er neben der weiteren Optimierung von Anbau und Lagerung Themen wie Verpackung oder Konsumentenwünsche bei der Verarbeitung.