Positiver Wandel braucht positives Framing
Aktives Gestalten macht Transformationsprozesse zum Erfolgserlebnis
Aktuelle geopolitische Krisen, die digitale Transformation und der politische Paradigmenwechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit statt stetiger Ertragssteigerung: Die Erfahrung der Umbrüche in der Landwirtschaft sind zuletzt vielfältig gewesen. Unter welchen Bedingungen Veränderungen als Chancen begriffen werden können, war Thema auf der DLG-Wintertagung 2024.
Wie Betroffene Wandel wahrnehmen, hängt immer auch vom „Framing“ ab. Das betonte Prof. Ewald Frie während des Impulsforums „Wandel erleben – Wandel gestalten: Was bedeuten Umbrüche in der Landwirtschaft für die Betroffenen?“ jetzt auf der DLG-Wintertagung 2024 in Leipzig. Das Framing, also die Art und Weise, wie Betroffene über die Realität kommunizieren, entscheide folglich darüber, ob Wandel als etwas Positives oder Negatives erlebt werde.
Wer sich für einen Lebensweg außerhalb des Ländlichen Raumes entscheidet, begeht keine Landflucht, sondert wählt lediglich eine andere Alternative.
Geschwister erzählen Erfolgsgeschichten
Frie, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen, schildert in seinem preisgekrönten Sachbuch „Ein Hof und elf Geschwister: Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben“ die Auswirkungen des Wandels in der Landwirtschaft am Beispiel seiner Herkunftsfamilie und deren Familienbetrieb im Münsterland. Dabei nimmt er den Zeitraum der Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre in den Blick. Für sein Buch hat Frie seine Geschwister interviewt. Die Geschwister erzählten „Erfolgsgeschichten“, erläuterte Frie während der Wintertagung – egal, ob sie die Betriebsnachfolge angetreten, eine Karriere in der Landwirtschaft gesucht oder einen beruflichen Weg außerhalb der Agrarbranche beschritten hätten.
„Höfesterben“ und „Landflucht“ negativ konnotiert
Begriffe, die den Wandel in der Landwirtschaft beschreiben, seien bisweilen negativ konnotiert, beobachtete Frie. „Höfesterben“ oder „Landflucht“ würden entsprechend für ein „negatives Framing“ sorgen. Wer sich für einen Lebensweg außerhalb des Ländlichen Raumes entscheide, begehe keine Landflucht, entscheide sich lediglich für eine andere Alternative, stellte der Historiker und Buchautor klar. Dass der Ausstieg aus einem landwirtschaftlichen Betrieb unter ökonomischen Gesichtspunkten eine vernünftige Alternative unter mehreren Optionen sein könne, stellte auch Dr. Heike Müller, Landfrauen Mecklenburg-Vorpommern, fest. Begrifflichkeiten wie „Höfesterben“ würden eine solche Entscheidung aber negativ besetzen.
Passiv Transformierte erleben „Schreckreize“
Professor Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle verwies darauf, dass das Erleben von Transformationsprozessen dann positiv verlaufe, wenn sich vom Wandel Betroffene als Gestalter des Prozesses erleben würden. Bekämen Betroffene dagegen das Gefühl, sie würden „transformiert“, sei das Empfinden negativ und löse einen „Schreckreiz“ aus, sagte Balmann, der auch Vorsitzender des DLG-Ausschusses Entwicklung ländlicher Räume ist.
In Bezug auf die aktuellen Bauernproteste und den Frust in der Branche über das agrarpolitische System verwies Dr. Heike Müller darauf, dass die Rahmenbedingungen in der Agrarpolitik in Zukunft so gesetzt werden müssten, dass sich die Abhängigkeit von öffentlichen Transfers mehr und mehr verringere und die landwirtschaftlichen Betriebe „aus sich selbst heraus“ profitabel sein könnten.
Balmann betonte in dem Zusammenhang, dass man sich in der Vergangenheit auf EU-Ebene auf eine Agrarpolitik mit staatlichen Transfers verständigt habe. Staatliche Transfers wiederum würden Abhängigkeit von Regularien bedingen. Die Landwirtschaft als gesellschaftliche Gruppe müsse daher in sich einen Konsens und sich selbst hinterfragen – um sich diskursiv wegzubewegen von der „Mittelorientierung“ hin zur „Zielorientierung“, sagte Balmann unter Bezug auf das Leitthema der DLG-Wintertagung 2024 „Ziele statt Zügel – Unternehmen machen lassen“.
Koalitionen auf dem Land gefragt
Mit Blick auf die gegenwärtigen Bauernproteste stellte der Historiker Frie fest, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft dazu geführt habe, dass die ländliche Gesellschaft „entbäuerlicht“ worden sei. Die gegenwärtigen Bauernproteste seien keine Proteste „des Landes gegen die Stadt“, stellte Frie klar. Auch im Ländlichen Raum würden Bauern im Alltag Konflikte austragen, beispielsweise „mit denjenigen, die während der Feldarbeit an den Feldern vorbeijoggen.“ Eine Zukunftsaufgabe bestehe folglich darin, „Koalitionen und Verbindungsräume auf dem Land zu schaffen.“
Stefanie Pionke, DLG-Kommunikation