Frau vor Plakat
Agrarexpertin aus Argentinien: Isabel Lizaso. Foto: DLG

„Regierungen und Regularien ändern sich häufig“

Agrarexpertin Isabel Maria Lizaso über Direktsaat und südamerikanische Agrarpolitik

Zur Grünen Woche fand das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) als wichtige internationale Konferenz zu zentralen Zukunftsfragen der globalen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik statt. Das GFFA bot Gelegenheit, über den Tellerrand zu schauen und mit Expert:innen aus der Landwirtschaft weltweit in den Austausch zu treten. 
Im Interview gibt Isabel Maria Lizaso, Agrarunternehmerin aus Argentinien und Mitglied im Verband der Direktsaaterzeuger in dem südamerikanischen Land, Einblick in das dortige Zusammenspiel von Landwirtschaft und Politik und in Zielsetzungen zur Nachhaltigkeit. Die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) ist Mitglied im GFFA. 

Landwirtinnen und Landwirte müssen von Beginn an bei der Entwicklung neuer Gesetze und politischer Zielsetzungen und Vorgaben rund um Nachhaltigkeit involviert werden. 

Was sind die größten Hürden, um die Wertschöpfungskette für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Argentinien widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen?

Isabel Maria Lizaso: Eine der größten Hürden liegt im politischen System selbst, das instabil und von vielen Wechseln geprägt ist. Dadurch ändern sich auch die Regularien für die Agrarwirtschaft häufig. Hinzu kommen wirtschaftliche Unsicherheiten: Die hohe Inflation in Argentinien ist ein generelles Problem. Das ist für Landwirte ein schwieriges Umfeld, um längerfristige Planungen anzustellen. Verstärkt wird dies dadurch, dass viele Erzeuger auf gepachtetem Land wirtschaften, und Pachtverträge in der Regel nur für ein Jahr abgeschlossen werden.

Das klingt in der Tat nach schwierigen Voraussetzungen. Haben Landwirte in diesem Umfeld überhaupt die Möglichkeiten, sich intensiv um Nachhaltigkeit zu kümmern?

Klar, das ist nicht einfach. Letztlich sind das die Bedingungen, unter denen wir Landwirte in Argentinien seit ungefähr 20 Jahren arbeiten. Und dennoch: In unserem Verband für Direktsaat-Erzeuger, Aapresid, setzen wir uns mit Nachdruck für unsere wertvollste Ressource, den Boden, ein. Nahezu 90 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte in Argentinien arbeitet im Direktsaatverfahren. Fast 15 Prozent der Erzeuger bauen Deckfrüchte beziehungsweise Zwischenfrüchte zur ganzjährigen Bodenbedeckung an. Damit wird die Bodengesundheit nachweislich verbessert und CO2 gebunden.

Der Anbau von Zwischenfrüchten, generell die Bodengesundheit, gewinnt auch in der EU-Agrarpolitik an Bedeutung. Doch die Erweiterung der Fruchtfolge um Zwischenfrüchte und andere nachhaltige Anbaumethoden brauchen Zeit, um ihre optimale Wirkung zu entfalten. Bei Pachtverträgen mit einjähriger Laufzeit sicher eine große Herausforderung für die Landwirte…

Das ist korrekt. Deshalb freut es mich als Aapresid-Mitglied umso mehr, dass unsere Erzeuger diese Methoden trotzdem in solch hohem Maße anwenden. Dahinter steckt einfach die tiefe Überzeugung, dass der Boden unsere wertvollste Ressource ist – und Grundvoraussetzung für eine nachhaltig erfolgreiche Landwirtschaft. Außerdem setzen wir auf erfolgreiche Vernetzung, um nachhaltig zu wirtschaften. 

Auf welche Weise genau?

Aapresid hat ein Netzwerk zur Schädlingsbekämpfung, Pest Management Network, kurz PMN, aufgebaut. In diesem Netzwerk tauschen sich Landwirte, Experten und Unternehmen der Agrarwirtschaft laufend aus über neue Resistenzen oder Kontrollstrategien für Schädlinge und greifen dazu auf Monitorings und überregional vernetzte Datenbanken zurück. In unserem Carbon Network tauschen wir uns aus über Methoden, um möglichst viel CO2 im Boden zu binden und dadurch den Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft zu reduzieren. 

Politik und Handelspartner aus der EU stellen wachsende Anforderungen an Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft, das betrifft auch und in zunehmendem Maße die nachhaltige Erzeugung von Importware. Beispielhaft dafür stehen die im Rahmen des EU-Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsprogramms Green Deal diskutierten Maßnahmen. Wie stellt sich die Landwirtschaft in Argentinien nach Ihren Erfahrungen darauf ein? 

In unserem Verband haben wir 2008 ein Zertifikat entwickelt, das hohe Umwelt- und Sozialstandards in der landwirtschaftlichen Produktion misst und transparent macht. Das Siegel heißt Certified Sustainable Agriculture, kurz CSA, und ist unter anderem vom Internationalen Handelszentrum (ITC) und dem EU-Dachverband der Mischfutterproduzenten, Fefac, anerkannt. Wir haben dieses Thema also schon viel länger auf der Agenda, als die Diskussionen um den Green Deal in der EU laufen. In der EU und auch in anderen Teilen der Welt ist übrigens nach meiner Ansicht eine wichtige Grundvoraussetzung in der Diskussion um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu beachten, die leider nicht immer ausreichend beherzigt wird…

Und zwar?

Landwirtinnen und Landwirte müssen von Beginn an bei der Entwicklung neuer Gesetze und politischer Zielsetzungen und Vorgaben rund um Nachhaltigkeit involviert werden. Letztlich müssen die Erzeuger bei allen agrarpolitischen Entscheidungen ausführlich gehört werden. Schließlich sind sie die Experten für die landwirtschaftliche Produktion und kennen die natürlichen Voraussetzungen, unter denen sie arbeiten, am besten. Der Schutz der natürlichen Ressourcen liegt in ihrem ureigenen Interesse. 

Wie schätzen Sie die zukünftige Perspektive für die Landwirtschaft in Argentinien ein?

Wir haben seit rund einem Monat eine neue Regierung. Obwohl diese Regierung gerade erst neu gestartet ist, hat sie ein aus meiner Sicht fähiges Team in der Agrarpolitik aufgestellt. Das gibt mir Hoffnung. 

Stefanie Pionke, DLG-Kommunikation