Aufbruch in eine neue Agrarpolitik

Hubertus Paetow: „Agrardiesel Debatte ist Auslöser für den Frust der Landwirte

Das neue agrarpolitische Jahr 2024 startet so unerfreulich, wie das alte aufgehört hat. Die Debatte um die Abschaffung der Steuerrückvergütung für Agrardiesel spitzt sich weiter zu. Diese Woche sind Landwirtinnen und Landwirte im ganzen Land gegen eine Agrarpolitik, die sie als zunehmend richtungslos und verfehlt erleben, auf die Straße gegangen. Für den Unmut zeigten breite Teile unserer Gesellschaft großes Verständnis, und es war wichtig, dass die Landwirtinnen und Landwirte den Extremisten, die versuchten, die berechtigten Proteste für ihre antidemokratische Agenda zu missbrauchen, ein eindeutiges Stopp-Signal entgegengehalten haben, schreibt DLG-Präsident Hubertus Paetow im Editorial im Mitgliedernewsletter# 51 Ende Dezember 2023.  

Mehrbelastung im Ackerbau rund 25 €/ha

Zwar ist die Bundesregierung inzwischen teilweise zurückgerudert: Sie hat die von vornherein sachlich fragwürdige Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge kassiert und das Ende der Steuerrückvergütung für Agrardiesel über einen Zeitraum von drei Jahren gestreckt. In Zahlen ausgedrückt bedeutet eine vollständige Abschaffung der Steuerrückvergütung auf Agrardiesel eine durchschnittliche Mehrbelastung im Ackerbau von rund 25 € pro Hektar. Ein Durchschnittsbetrieb, dessen Größe das Bundeslandwirtschaftsministerium aktuell mit 63 ha angibt, bekommt rund 1.500 € im Jahr nicht mehr erstattet. Der Betrag ist natürlich als Gewinnbestandteil relevant, wird aber keinen gesunden Betrieb in existenzielle Schwierigkeiten bringen und zeigt deshalb vor allem eines: Die Agrardiesel-Debatte ist nur der Auslöser und nicht die eigentliche Ursache für den Frust der Landwirte, der sich gerade Bahn bricht. Die Agrardiesel-Pläne sind der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Glyphosat zur bodenschonenden Unkrautkontrolle

Denn dieses Vorhaben fügt sich nahtlos ein in eine Reihe an Beispielen, die das Unvermögen der aktuellen Agrarpolitik illustrieren, belastbare Antworten auf gegenwärtige Herausforderungen zu finden. Wichtige Aspekte, wie etwa die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte im Vergleich zu ihren Berufskollegen in der EU, werden auch bei den Abschaffungsplänen für die Steuerrückvergütung überhaupt nicht berücksichtigt. So wird Agrardiesel hierzulande schon heute deutlich höher besteuert als in Frankreich, Spanien oder Belgien. Auch ein schrittweises Abschaffen der Steuerrückvergütung wird diese Kluft verbreitern und das Ziel, Wettbewerbsgleichheit auf dem EU-Agrarmarkt zu schaffen, in noch weitere Ferne rücken.

Im Übrigen fehlt für eine echte Klimawirkung eine Förderpolitik für alternative Antriebe und Energieeinsparung in der Landwirtschaft. Eine parallele Absenkung der Energiesteuer auf Biokraftstoffe könnte beispielsweise unmittelbar die Emissionen senken, ohne die Einkommen der Landwirte zu belasten. Und auch eine weitere Zulassung von Glyphosat zur bodenschonenden Unkrautkontrolle senkt den Dieselverbrauch und wäre damit ein Ausgleich für den Wegfall der Steuererstattung.

Landwirte konstruktiv unterstützen

Mit anderen Worten: Landwirte leisten gerne ihren Beitrag zur Staatsfinanzierung, wenn sie auf der anderen Seite von übermäßiger Regulierung entlastet werden.

An dieser Stelle sei eines klargestellt: Landwirte agieren als Unternehmer dynamisch und haben daher keinerlei Vorbehalte, sich auf Veränderungen einzulassen, sie sind - im Gegenteil - innovationsfreudig. Mehr Umwelt- und Klimaschutz, noch mehr Nachhaltigkeit in der Agrarproduktion: In diesen Zielen herrscht Konsens zwischen Landwirtschaft, Politik und Gesellschaft. Konsens herrscht seit Zukunftskommission und Borchert-Kommission auch über die Mittel und Wege, um diese Ziele zu erreichen. Aber statt Landwirte auf diesem Weg konstruktiv zu unterstützen, zum Beispiel durch eine tragfähige Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung oder wissenschaftlich begründete Programme zur Pflanzenschutzreduktion, überfrachtet sie die Politik mit bürokratischen und zum Teil völlig praxisfernen Auflagen, die noch nicht einmal den selbstgesteckten Zielen dienen.

Das illustrieren die unseligen und langwierigen Debatten über die SUR, die Richtlinie zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das Gezerre um die weitere Zulassung von Glyphosat oder den Einsatz von modernen Züchtungstechnologien. Wissenschaftlich fundierte Expertise, Einschätzungen aus der Praxis und von Stakeholdern zu solchen Themen gibt es zur Genüge – bloß verfestigt sich der Eindruck, dass Fachlichkeit und Zielorientierung im agrarpolitischen Dialog keine Rolle mehr spielen.

Praxisferne Vorschläge wie ein Pflanzenschutzverbot in sensiblen Gebieten können jederzeit wieder auf die Agenda gespült werden. 

SUR gestoppt

Stattdessen werden Landwirte mit willkürlichen, teilweise ideologisch motivierten Auflagen konfrontiert. Zwar ist die geplante EU-Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) vorerst gestoppt. Doch praxisferne Vorschläge wie ein Pflanzenschutzverbot in sogenannten sensiblen Gebieten können jederzeit wieder auf die Agenda gespült werden. Moderne Züchtungstechnologien, die unter anderem einen entscheidenden Beitrag zur Ressourcenschonung im Spannungsfeld von Klimawandel und Ernährungssicherung leisten können, werden der hiesigen Landwirtschaft fernab von sachlichen Argumenten vorenthalten.

Die Liste der Beispiele ließe sich noch stark erweitern. Klar ist daher: Wir brauchen einen Aufbruch in eine neue Agrarpolitik, in der Vernunft, wissenschaftliche Expertise und Zielorientierung wieder Gehör finden und die die Akteure dabei unterstützt, die Landwirtschaft dauerhaft zukunftsfähig aufzustellen. 


Ihr Hubertus Paetow,
DLG-Präsident

DLG-Präsident Hubertus Paetow
Hubertus Paetow. Foto: DLG