Wir schließen eine Lücke!
Interview mit Dr. Harald Reubold vom DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel
Dr. Harald Reubold ist am DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel seit 34 Jahren als Prüfingenieur tätig. Er hat die Prüfung und Bewertung von elastischen Bodenbelägen in der Landwirtschaft in dieser Zeit entwickelt und maßgeblich vorangebracht. In Kooperation mit wichtigen Herstellern elastischer Stallbodenbeläge konnte er 2022 als Obmann des entsprechenden Normungsausschusses der DIN wesentliche Teile der Prüfvorschriften der DLG erfolgreich in die Normen 3762 (Stallbodenbeläge – Bestimmung der Migration polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK)) und 3763 (Elastische Stallbodenbeläge im Lauf- und Liegebereich von Rindern und Milchkühen – Anforderungen und Prüfung) überführen. 2024 kommt nun mit der DIN 7861 eine weitere Norm mit dem Titel „Elastische Stallbodenbeläge im Bewegungs-, Ruhe- und Liegebereich von Pferden – Anforderungen und Prüfung“ hinzu. Wir haben im Interview mit Dr. Reubold über den Normungsprozess und seine Einschätzung zu den Zukunftsperspektiven der Prüfung von Bodenbelägen gesprochen.
Was war Ihre Motivation, die eigentlich proprietären DLG-Prüfvorschriften als DIN-Normen öffentlich zu machen?
In den vielfältigen Voraussetzungen verschiedener Förderprogramme ist immer wieder von „weichen“ oder „elastischen“ Böden die Rede. Jedoch waren diese Begriffe – mit Ausnahme der DLG-Prüfprogramme – bis dato nirgends allgemeinverbindlich definiert. Über verschiedene Anfragen wurde uns klar, dass für eine solche Definition hilfsweise die DLG-Prüfung herangezogen wurde. Dies war insofern problematisch, als in den DLG-Prüfungen, im Rahmen der freiwilligen Prüfung, teilweise unterschiedliche Kriterien untersucht und bewertet werden, Mit der neuen DIN für elastischen Bodenbeläge für Pferde und Festlegung der erforderlichen Rutschfestigkeit, aber auch den anderen Bewertungsmaßstäben aus dem ehemaligen DLG-Prüfprogramm haben Behörden, Hersteller und Anwender jetzt eindeutige und klare Kriterien an der Hand.
Wie kam es zur Normung für Bodenbeläge im Pferdebereich?
Im Rahmen der Erarbeitung und Veröffentlichung der DIN-Normen 3763 und 3762 für den Rinderbereich wurde im Normungsausschuss relativ schnell deutlich, dass die genannten Wissenslücken im Pferdebereich noch wesentlich größer sind und dringend geschlossen werden mussten. Im Pferdebereich ist neben anderen Kriterien insbesondere die Rutschfestigkeit ein wichtiges Thema, und das auf mehreren Ebenen: Zum einen gilt es aus Gründen des Tierwohls natürlich zu verhindern, dass Pferde bei ihren arttypisch schreckbedingten ruckartigen Bewegungen ausrutschen und sich verletzen. Zum anderen kann eine solche Verletzung aber auch immense finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen. Man stelle sich ein Sportpferd mit Olympiaperspektive vor, das bereits als Jungpferd über 500.000 Euro gekostet hat, anschließend nicht mehr sportlich einsetzbar und damit quasi wertlos ist. Wie schnell kommt es hier zu Diskussionen, und zwar nicht nur zwischen Besitzer und Reiter bzw. Trainer, sondern auch mit dem Landwirt, auf dessen Hof das Tier eingestallt ist. Indem wir diese Lücke schließen, schaffen wir auch Rechtssicherheit für den Landwirt.
Wie läuft ein solches Normungsverfahren ab?
Üblicherweise erkennt das Deutsche Institut für Normung (DIN) im Rahmen ihres ständigen Marktscreenings einen Normungsbedarf. Im Fall der jetzt entstandenen DIN-Normen für elastische Stallbodenbeläge war der Auslöser dafür, ein Normungsverfahren anzustoßen, die Erarbeitung einer ISO-Norm in diesem Bereich. Im Rahmen dieses Normungsprozesses wurde das DIN zu einer fachlichen Stellungname aufgefordert.
Ist ein Normungsbedarf erkannt, tritt das DIN dann an alle interessierten Fachkreise wie Hersteller, Experten aus Forschung und Beratung, aber auch interessierte Anwender heran und lädt zu einem orientierenden runden Tisch. Diese Runde schlägt dann weitere potentielle Teilnehmer vor und schlussendlich konstituiert sich der Gesamtheit der Stakeholder der entsprechende Normungsausschuss. Dieser betreut das weitere Normungsverfahren, erarbeitet die zunächst initiierte Norm selbst sowie weitere Normen im thematischen Umfeld. Zu den Sitzungen selbst lädt der „Obmann“ genannte Vorsitzende des Ausschusses ein und leitet diese. Dankenswerterweise darf ich diese Funktion im Normungsausschuss wahrnehmen. Der fertige Normungsentwurf wird dann innerhalb des DIN noch einer hausinternen Qualitätskontrolle unterzogen, um inhaltliche oder sprachliche Unzulänglichkeiten auszumerzen. Ist eine Norm verabschiedet, wird sie für einen definierten Zeitraum öffentlich ausgelegt. Auf diese Weise erhalten auch andere, am Normungsprozess nicht beteiligte Stakeholder noch die Möglichkeit zur Kommentierung oder gar Verbesserung, denn der Normungsausschuss muss sich anschließend mit jeder Eingabe beschäftigen, diese bewerten und ggf. in die Norm integrieren.
Zur Person:
Dr. Harald Reubold, 62 Jahre alt, ist seit mittlerweile 34 Jahren im Testzentrum Technik und Betriebsmittel der DLG als Prüfingenieur tätig. Hauptschwerpunkt seiner Tätigkeit sind Stallböden und Matratzen für Liegebuchten, darüber hinaus gehören aber auch die Prüfungen von Folien & Netzen zur Futterkonservierung und von Einstreu im Tierbereich zu seinen Aufgaben.
Dr. Reubold hat von 1981 bis 1987 an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Agrarwissenschaften studiert und sich bereits in seiner Abschlussarbeit mit der Untersuchung zur Tierangepasstheit von Liegeboxenlaufställen anhand von Leistungs- und Gesundheitsparametern beschäftigt.
Bevor er zum Jahresbeginn 1990 ans DLG-Testzentrum wechselte war er für etwas mehr als zwei Jahre bei der damaligen Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung (BALM) in Frankfurt am Main angestellt.
Dr. Reubold hat gemeinsam mit den Mitglieder des zuständigen Technical Committe für die DLG in den 1990er-Jahren ein Prüfprogramm für elastische Stallbodenbeläge für verschiedene, wichtige Einsatzbereiche entwickelt, das erstmals klare Kriterien für die Tiergerechtheit messbar gemacht hat. 2008 promovierte er berufsbegleitend am Institut für Landtechnik am Fachbereich Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement der JLU Gießen bei Prof. Dr. Hermann Seufert über die Entwicklung geeigneter Parameter zur Beurteilung von elastischen Laufgangauflagen in Liegeboxenlaufställen für Milchkühe.
Was sind die wesentlichen Inhalte der DIN 7861?
Ähnlich wie in der DIN 3763 für Kälber, Rinder und Milchkühe sind in der DIN 7861 alle relevanten Anforderungen an elastische Stallbodenbeläge im Bewegungs-, Ruhe- und Liegebereich von Pferden zusammengefasst. Hinzu kommen die Vorschriften, wie man in einer entsprechenden Prüfung die genannten Parameter messen kann und wie die gemessenen Werte zu bewerten sind. Mit der DIN 7861 wurde damit erstmals der Stand der Technik für elastische Bodenbeläge im Pferdebereich allgemeinverbindlich festgelegt. Das schafft Klarheit zwischen Lieferanten und Kunden und nutzt – weil die Vorschriften von der Tiergerechtheit ausgehen – vor allem den Tieren.
Konkret festgelegt wurden unter den tierspezifischen Eigenschaften Parameter wie Verformbarkeit und Elastizität bei Punkt- und Flächenbelastung, Rutschfestigkeit und PAK-Migration, das heißt dem Schutz der Tiere und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Chemikalien (PAK = polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe). Hinzu kommen Kriterien zur Beständigkeit gegenüber mechanischen Einflüssen wie Abrieb, Dauertritt und Reinigung mit dem Hochdruckreiniger sowie gegenüber typischen, im Stallbereich auftretenden Säuren.
Welche Auswirkungen hat das für Hersteller und Nutzer?
Die Hersteller von elastischen Stallbodenbelägen haben nun erstmals ein klares Regelwerk, an dem sie sich bei Entwicklung und Produktion orientieren können. Gleiches gilt im Wesentlichen für die Pferdebetriebe, die sich bei einer Investition darauf verlassen können, dass der Hersteller eines geprüften Bodenbelags den Spagat zwischen Tiergerechtheit auf der einen und langer Haltbarkeit auf der anderen Seite gut gemeistert hat. Eine Norm erleichtert gegebenenfalls einen Produktwechsel, weil für alle dieselben einheitlichen und verbindlichen Standards gelten. Für einen Stallbetreiber ist ein genormter Laufbelag aber auch eine Absicherung, falls es zu Diskussionen kommt, wenn z. B. ein Tier sich beim Ausrutschen verletzt haben sollte. Langfristig könnte es natürlich sein, dass z. B. Verordnungen oder Förderprogramme auf die Einhaltung der entsprechenden DIN-Normen verweisen.
Und wie geht es jetzt weiter?
Die am Normungsprozess beteiligten Hersteller haben bereits mit der Veröffentlichung der Norm die ersten Produkte gemäß den DIN-Vorschriften zertifizieren lassen. Unser Ziel ist es aber, dass möglichst viele Produkte die entsprechenden Zertifikate erhalten und die Betriebe in der Praxis für ihre Investitionen eine breite Produktauswahl haben. Deshalb stehen wir allen Herstellern bei Prüfung und Bewertung als Prüfinstitut aber auch vorab bereits beratend gerne zur Seite. Wenn es ähnlich läuft wie im Rinderbereich, wird die Norm insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der Produkte im Markt beitragen.
Mehr Informationen
Der Stallboden ist die einzige Stalleinrichtung, die von den Tieren 24 Stunden täglich genutzt wird. Elastische Stallbodenbeläge von guter Qualität unterstützen das Tierwohl. Die DLG TestService prüft, ob das Tier sich artgerecht verhalten kann und es durch die Nutzung des Bodensystems keinen Schaden nimmt.
Weitere Informationen zur Prüfung von Bodenbelägen für die Rinder- und Pferdehaltung finden Sie hier.