Ist der Einsatz von multivariaten statistischen Verfahren zur Ermittlung von Kundenwünschen ein vielversprechendes Instrument zur Steigerung des Produkt- und somit Unternehmenserfolgs? Dies wurde im Rahmen eines Projektes zur Eignung der Conjoint-Analyse als multivariates statistisches Verfahren für die Produktneuentwicklung von veganen Nahrungsergänzungsmitteln in einem Start-Up analysiert.
Lebensmittelunternehmen unterliegen einem starken Wettbewerbsdruck, der zu einer hohen Innovationsbereitschaft führt. Jedoch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit von Neuprodukten schwer vorherzusehen und über 70 % scheitern am Markt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, wie u. a. Mängel bei der strategischen Innovationsplanung, eine unzureichende oder fehlende Marktbeurteilung bzw. Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse. Der Einsatz von multivariaten statistischen Verfahren zur Ermittlung von Kundenwünschen ist ein vielversprechendes Instrument zur Steigerung des Produkt- und somit Unternehmenserfolgs. Aufgrund ihrer Komplexität und dem daraus resultierenden Ressourcenaufwand werden diese Methoden allerdings bisher eher bei größeren Unternehmen eingesetzt. Daraus leitet sich die Fragestellung ab, inwiefern eine Implementierung in kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen realisierbar ist. Dies wurde im Rahmen eines Projektes zur Eignung der Conjoint-Analyse als multivariates statistisches Verfahren für die Produktneuentwicklung von veganen Nahrungsergänzungsmitteln in einem Start-Up analysiert.
Projektziel
Das Ziel war es, herauszufinden, aus welchen Produktmerkmalen sich das für Verbraucher*innen optimale Produkt zusammensetzt. Zur Eingrenzung der Merkmale wurde ein Fragebogen bezüglich Verbraucherpräferenzen bei Nahrungsergänzungsmitteln erstellt und mittels Faktoranalyse ausgewertet. Die resultierenden Merkmale wurden in einer weiteren Umfrage erhoben und mittels Conjoint-Analyse ließen sich die wichtigsten Produktmerkmale identifizieren.
Conjoint-Analyse
Die Conjoint-Analyse ist eine im Marketing bzw. in der Markt- und Konsumentenforschung vielfach genutzte Methode zur Präferenzmessung, welche in ihrer Bedeutung seit ihrer Entwicklung 1964 in den letzten Jahren zunimmt. Sie dient dazu, Präferenzen und Einstellungen von Konsumierenden zu analysieren sowie Prognosen bezüglich ihrer Kaufabsichten abzuleiten. Dazu werden geeignete Produktmerkmale bzw. Teilnutzen ausgewählt, miteinander kombiniert und daraus verschiedene Produktalternativen (Stimuli) generiert. Unter einem Teilnutzen wird das Maß für den Beitrag einer Ausprägung am Gesamtnutzen verstanden. Mittels Bewertung der potenziellen Einzeleigenschaften durch Verbraucher kann anschließend ein Produkt entwickelt werden, welches ein optimales Güterbündel darstellt, den größten Kundennutzen bietet und im Rahmen einer Kaufentscheidung voraussichtlich ausgewählt wird.
Die Durchführung einer Conjoint-Analyse erfolgt laut Backhaus et. al (2018) nach den folgenden Schritten.
- Auswahl der Produktmerkmale / Attribute: Die Attribute müssen präferenzrelevant, beeinflussbar, realisierbar und anzahlmäßig begrenzt sein.
- Entwicklung des Erhebungsdesigns: Entscheidung zwischen Profil- oder Zwei-Faktor-Methode und vollständigem oder reduziertem Design.
- Bewertung der Stimuli: Präferenzordnung der Stimuli entsprechend der Nutzenvorstellungen der Befragten.
- Schätzung der Nutzenwerte: Ermittlung der Teilnutzenwerte, Ableitung der Gesamtnutzenwerte und relativen Wichtigkeiten der Attribute.
- Aggregation der Nutzenwerte: Normierung der Teilnutzenwerte und Ermittlung des Gesamtnutzenwertes aller Befragten.
Kombination von Faktor- und Conjoint-Analyse
Eine Herausforderung dabei ist die Auswahl der geeigneten Produktmerkmale (Attribute). Je komplexer ein Produkt ist, desto mehr mögliche Produktmerkmale ergeben sich. Da sich bei der Conjoint-Analyse die Anzahl der Stimuli in Abhängigkeit der ausgewählten Attribute exponentiell steigert, ist eine sinnvolle Eingrenzung der Attribute notwendig. Hierfür ist der Einsatz einer Faktoranalyse ein möglicher Lösungsweg.
Die Faktoranalyse gehört ebenfalls zu den Verfahren der multivariaten Statistik. Sie ermöglicht eine Zusammenfassung mehrerer Merkmale (Variablen) zu wenigen voneinander unabhängigen Faktoren. Dies dient der Datenstrukturierung und -reduktion, wodurch die Interpretation der Daten erleichtert und der Arbeitsaufwand für anschließende Analysen verringert wird.
Durch die Kombination der Faktor- und Conjoint-Analyse lässt sich ermitteln, welche Attribute die Kaufentscheidung besonders positiv beeinflussen können.
Ermittlung der optimalen Produktzusammensetzung
Für den Bereich vegane Nahrungsergänzungsmittel stellten sich mittels Faktoranalyse die Produktmerkmale Preis (niedrig und hoch), Umweltaspekt (Bio und nicht-Bio) und Verpackung (Kunststoffdose und Papierbeutel) als besonders wichtig heraus, woraus sich acht Stimuli ergaben.
Preis | Niedrigster Preis | Höchster Preis |
Summe Rankings | 23 | 13 |
Teilnutzenwert | 1,25 | -1,25 |
Mittelwert aus Rankings | 5,75 | 3,25 |
Nutzenspannne | 2,5 | |
Summe Nutzenspannnen | 7,5 | |
Re. Wichtigkeit | 33,3 | |
Umweltaspekt | Bio | nicht Bio |
Summe Rankings | 25 | 11 |
Teilnutzenwert | 1,75 | -1,75 |
Mittelwert aus Rankings | 6,25 | 2,75 |
Nutzenspannne | 3,5 | |
Summe Nutzenspannnen | 7,5 | |
Re. Wichtigkeit | 46,67 | |
Verpackung | Kunststoffdose | Papierbeutel |
Summe Rankings | 15 | 21 |
Teilnutzenwert | -1,75 |
|
Mittelwert aus Rankings | 3,75 | 5,25 |
Nutzenspannne | 1,5 | |
Summe Nutzenspannnen | 7,5 | |
Re. Wichtigkeit | 20 |
Es wurde als Erhebungsdesign die Profilmethode mit vollständigem Profil gewählt und die Befragung mittels soSciSurvey realisiert. An der Befragung nahmen 48 Personen (Nutzer) teil. Die Bewertung der Stimuli erfolgte mittels Rangvergabe durch die Teilnehmenden der Studie.
Die Berechnung der Teilnutzenwerte erfolgte auf Grundlage der vergebenen Ränge, wobei angenommen wurde, dass ein additives Nutzenmodell vorliegt, das besagt, dass die Summe der Teilnutzen den Gesamtnutzen bestimmen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass dem Umweltaspekt mit rund 47 % die höchste relative Wichtigkeit zugeordnet wurde, gefolgt vom Preis mit 33 % und der Verpackung mit 20 %. Das optimale vegane Nahrungsergänzungsmittel würde sich demzufolge aus den Attributen niedriger Preis, Bio und Papierbeutel zusammensetzen.
Fazit – Eignung multivariater statistischer Verfahren für KMU
Die Conjoint-Analyse ist eine geeignete Methode zur Bewertung von Produktmerkmalen und Ermittlung von Verbraucherpräferenzen. Sie liefert nachvollziehbare und ausdrucksstarke Ergebnisse, welche für die zukünftige Produktentwicklung hilfreich sind und aus denen sich Ideen für Verbesserungen im Bereich der Produktneuentwicklung ableiten lassen. Allerdings muss die Einschränkung gemacht werden, dass diese Methode komplex ist und einen hohen Aufwand an Ressourcen bedeutet. Vor allem die Vorbereitung inklusive der Konzeptionierung einer Umfrage sowie die Akquise von geeigneten Teilnehmenden in einer ausreichend großen Anzahl sowie die Aufbereitung der Daten zur Auswertung sind sehr zeitintensiv.
Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet der Einsatz von Marktforschungsmethoden wie der Conjoint-Analyse einen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Es besteht daher der Bedarf an standardisierten Beratungsdienstleistungen, welche die Implementierung multivariater statistischer Verfahren für Innovationsprozesse in diesen Unternehmen erleichtern.
Autoren:
Carina Wiche, Hochschule Anhalt, Dr. Martin Bertz, Vanatari International GmbH, Prof. Dr. Karsten Paditz, Berufsakademie Sachsen, Staatliche Studienakademie Dresden - Kontakt: Karsten.Paditz@ba-sachsen.de
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