Smart Farming

Die Zukunft der Milchviehwirtschaft

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren nahezu alle Bereiche des Lebens durchdrungen und verändert – auch die Landwirtschaft bleibt davon nicht unberührt. Unter dem Begriff „Smart Farming“ versteht man den Einsatz digitaler Technologien, um landwirtschaftliche Prozesse effizienter, präziser und nachhaltiger zu gestalten. Was schon möglich ist, was die Erwartungen an diesen Prozess sind und wo auch Grenzen sind, erfahren Sie hier. 

Laut einer aktuellen Studie von Bitkom und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) nutzen bereits 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland mindestens eine digitale Technologie. Foto: iStock

Von der automatisierten Bodenanalyse über GPS-gesteuerte Traktoren bis hin zu Drohnen, die Felder überwachen, bieten moderne Technologien neue Wege, um Produktionsabläufe zu optimieren und gleichzeitig Ressourcen wie Wasser, Energie und Dünger zu schonen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung werden Landwirte zunehmend zu „Datenmanagern“. Der Einsatz von Sensoren, Internet-of-Things-(IoT-)Technologien und Softwarelösungen ermöglicht es, riesige Mengen an Informationen über Bodenbeschaffenheit, Wetter, Pflanzenwachstum und Tiergesundheit zu sammeln und in Echtzeit auszuwerten. Durch die Analyse dieser Daten können landwirtschaftliche Entscheidungen präziser getroffen werden, was zu höheren Erträgen, niedrigeren Kosten und einer nachhaltigeren Nutzung von natürlichen Ressourcen führt.

In der Tierhaltung, speziell der Milchviehwirtschaft, eröffnen digitale Technologien ebenfalls neue Möglichkeiten. Automatisierte Systeme und Künstliche Intelligenz können nicht nur den Arbeitsaufwand reduzieren, sondern auch das Tierwohl verbessern und die Effizienz der Milchproduktion steigern. Besonders in diesem Bereich zeigt sich, wie stark die Digitalisierung das Potenzial hat, landwirtschaftliche Prozesse zu transformieren und zukunftssicher zu gestalten.

Zahlen, Daten, Fakten zur Digitalisierung in der Landwirtschaft

Die Digitalisierung schreitet in der Landwirtschaft schnell voran und verändert die Arbeitsweise vieler Betriebe nachhaltig. Laut einer aktuellen Studie von Bitkom und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) nutzen bereits 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland mindestens eine digitale Technologie. Dies zeigt, dass die Branche die Potenziale der Digitalisierung erkannt hat und zunehmend umsetzt.

  • 69 Prozent der Höfe setzen GPS-gesteuerte Landmaschinen ein, was eine deutliche Steigerung gegenüber den 58 Prozent vor zwei Jahren darstellt.
  • 68 Prozent der Betriebe verwenden digitale Ackerschlagkarteien oder Herdenmanagementsysteme, um Zuchtzyklen und weitere Daten effizient zu verwalten.
  • Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe (46 Prozent) hat Farm- oder Herdenmanagementsysteme integriert, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 32 Prozent im Jahr 2022.

Auch im Bereich des Pflanzenschutzes und der Düngung zeigt sich ein deutlicher Trend zur Digitalisierung. Bereits 36 Prozent der Betriebe nutzen teilflächenspezifische Düngerausbringungssysteme, während 30 Prozent ähnliche Systeme für den Pflanzenschutz verwenden. Dies führt zu einer gezielteren und ressourcenschonenden Landwirtschaft (Abb. 1).
 

Basis: Alle befragten Landwirtinnen und Landwirte (n = 500) *nur Veredlung/Futterbau **nur Ackerbau/SonderkulturenQuelle: Bitkom Research 2024

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Künstliche Intelligenz: ein Treiber der Innovation

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). 47 Prozent der Betriebe beschäftigen sich aktuell mit den Einsatzmöglichkeiten von KI, während 9 Prozent diese bereits aktiv nutzen. Die größte Anwendung von KI sehen die Landwirte bei Klima- und Wettervorhersagen (54 Prozent), gefolgt von Marktanalyse und Preisprognosen (36 Prozent) sowie der Ernte- und Produktionsplanung (28 Prozent) (Abb. 2). Auch der Pflanzenschutz wird zunehmend durch KI unterstützt, etwa durch automatische Krankheitsdiagnosen bei Pflanzen.

Größere Betriebe nutzen KI verstärkt: Bei Höfen mit 50 bis 99 Hektar beschäftigen sich 38 Prozent mit der Technologie, während es bei Betrieben mit über 99 Hektar bereits 52 Prozent sind. Dies verdeutlicht, dass die Größe des Betriebes einen wesentlichen Einfluss auf den Einsatz digitaler Technologien hat.

Digitalisierung als Chance für Nachhaltigkeit und Effizienz

Die Mehrheit der Landwirte erkennt die Vorteile der Digitalisierung. 79 Prozent der Befragten sehen die Digitalisierung als Chance für ihren Betrieb, und 80 Prozent sind überzeugt, dass sie durch digitale Technologien eine umweltschonendere Landwirtschaft betreiben können. Besonders hervorgehoben werden dabei die Einsparung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln durch gezielte Anwendungen (91 Prozent). Zudem geben 67 Prozent der Landwirte an, dass digitale Technologien langfristig zur Kostensenkung beitragen, während 69 Prozent eine Steigerung des Tierwohls durch den Einsatz solcher Systeme erwarten.

 

Basis: Alle befragten Landwirtinnen und Landwirte, die KI einsetzen, es planen oder diskutieren (n = 206) Mehrfachnennungen möglichQuelle: Bitkom Research 2024

Technologien in der Milchviehwirtschaft

In der Milchviehhaltung kommen bereits zahlreiche Technologien zum Einsatz, die den Betrieb effizienter gestalten und das Tierwohl verbessern. Ein zentraler Bestandteil sind Melkroboter, die den Melkprozess automatisieren und es ermöglichen, dass Kühe jederzeit gemolken werden können, ohne dass Personal vor Ort sein muss. Gleichzeitig erfassen diese Roboter wichtige Daten zur Milchmenge, Milchqualität und zum Verhalten der Kühe, was den Landwirten wertvolle Informationen für das Herdenmanagement liefert. Die Digitalisierung gerade im Kuhstall ist kein neues Phänomen. Melkroboter gibt es seit den 1990er-Jahren. Der erste vollautomatische Melkroboter wurde schon 1992  auf den Markt gebracht. Seitdem haben sich Melkroboter stetig weiterentwickelt und sind heute in vielen Milchviehbetrieben weltweit im Einsatz.

Zudem spielen Sensoren und Tracking-Systeme eine entscheidende Rolle. Diese Systeme, die an den Kühen oder in den Stallungen angebracht sind, messen kontinuierlich Gesundheitsdaten wie Temperatur, Bewegung und das Fressverhalten. Dadurch können Landwirte Krankheiten frühzeitig erkennen und die Gesundheit ihrer Tiere gezielt überwachen.

Ein weiteres hilfreiches System sind Fütterungsautomaten, die die Fütterung der Kühe automatisieren und sicherstellen, dass jede Kuh die passende Menge und Zusammensetzung des Futters erhält. Dies trägt zur Verbesserung der Futtereffizienz bei und reduziert gleichzeitig Futterabfälle. Zusammen sorgen diese Technologien für einen reibungsloseren Ablauf in der Milchviehhaltung und steigern die Effizienz und Produktivität des Betriebs.

Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im Kuhstall

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet in der Milchviehwirtschaft völlig neue Möglichkeiten. KI basiert auf der Analyse großer Datenmengen und ermöglicht es, Muster zu erkennen und darauf aufbauend Entscheidungen zu treffen. Diese Technologien lassen sich insbesondere in den folgenden Bereichen einsetzen:
 

a) Frühwarnsysteme für Tiergesundheit
Eines der größten Potenziale von KI in der Milchviehwirtschaft liegt im Gesundheitsmanagement der Kühe. Durch die Verarbeitung von Sensordaten kann KI ungewöhnliches Verhalten oder physiologische Abweichungen frühzeitig erkennen. Zum Beispiel können Fressverhalten, Bewegungsmuster oder die Milchproduktion analysiert werden, um Anzeichen von Krankheiten wie Mastitis oder Lahmheit zu identifizieren, bevor sie offensichtlich werden. Dies ermöglicht eine schnelle Behandlung und reduziert das Risiko von Leistungseinbußen oder hohen Tierarztkosten.

b) Optimierung 
der Fütterung 
KI kann auch zur Verbesserung der Fütterung eingesetzt werden. Durch die Analyse der individuellen Bedürfnisse jeder Kuh – basierend auf Gewicht, Alter, Milchleistung und Gesundheitszustand – können KI-Systeme maßgeschneiderte Futterpläne erstellen. Dies führt zu einer optimalen Futterverwertung, verbessert die Gesundheit der Tiere und reduziert gleichzeitig Futterkosten.

c) Automatisiertes Melkmanagement
Beim Einsatz von Melkrobotern kann KI dazu beitragen, den gesamten Melkprozess zu optimieren. Die gesammelten Daten über die Milchleistung, die Gesundheit des Euters und den allgemeinen Zustand der Kühe werden kontinuierlich analysiert, um Vorhersagen über die Milchproduktion zu treffen und potenzielle Probleme zu erkennen. Das verbessert die Effizienz des Melkprozesses und die Milchqualität.

d) Vorhersagemodelle für Produktions- und Markttrends
Ein weiterer Bereich, in dem KI großes Potenzial bietet, ist die Vorhersage der Milchproduktion sowie die Analyse von Marktdaten. KI-Systeme können Daten über Futterqualität, Klima, Gesundheitszustand der Herde und andere Faktoren nutzen, um genauere Prognosen über die zukünftige Milchproduktion zu erstellen. Dies hilft Landwirten, sich besser auf Marktentwicklungen einzustellen und effizienter zu planen.

Herausforderungen bei der Digitalisierung und dem Einsatz von KI

Trotz der vielen Vorteile stehen Landwirte bei der Implementierung digitaler Technologien und KI-Systeme vor mehreren Herausforderungen. Hohe Investitionskosten sind dabei eine der größten Hürden, wie 75 Prozent der Landwirte angeben. Zusätzlich erschweren mehr Bürokratie (61 Prozent) und eine mangelnde Standardisierung der Systeme (59 Prozent) den Einsatz digitaler Lösungen. Auch die oft unzureichende Internetversorgung (51 Prozent) auf dem Land stellt ein Hemmnis dar. Darüber hinaus müssen Landwirte sicherstellen, dass sie über das nötige technische Know-how verfügen, um die großen Mengen an Daten sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig die Datensicherheit zu gewährleisten.

Zukunftsaussichten

Die Zukunft der Milchviehwirtschaft ist eng mit der weiteren Digitalisierung verbunden. KI-basierte Systeme werden zunehmend intelligenter und können immer komplexere Aufgaben übernehmen. Langfristig könnten autonome Systeme in der Lage sein, den gesamten Betrieb zu überwachen und Entscheidungen in Echtzeit zu treffen – von der Fütterung bis zur Gesundheitsüberwachung. Dies wird nicht nur die Effizienz und Produktivität steigern, sondern auch das Tierwohl und die Nachhaltigkeit verbessern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Milchviehwirtschaft große Chancen bieten, die Effizienz zu steigern, die Produktion zu optimieren und das Wohl der Tiere zu verbessern. Gleichzeitig müssen jedoch die Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Kosten, Datenmanagement und Schulung, berücksichtigt werden. Die technologische Entwicklung in diesem Bereich wird weiter voranschreiten und die Art und Weise, wie Milchviehbetriebe arbeiten, grundlegend verändern.

Jana Moritz
Referentin Digital Farming & Food Tech 
Bitkom e. V., Berlin
J.moritz@bitkom.org 

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