Das 15. Pangborn Sensory Science Symposium in Nantes (Frankreich) stand unter dem Fachthema „Meeting new challenges in a changing world“. Rund 1.000 Sensoriker, Qualitätsmanager, Produktentwickler sowie Marketingexperten und Statistiker aus Wissenschaft und Praxis trafen sich zum länderübergreifenden Erfahrungsaustausch. Präsentiert wurden rund 80 Fachvorträge, 480 wissenschaftliche Poster und eine Foyerausstellung rund um die sensorische Analyse und Konsumentenforschung.
Eröffnet wurde das Symposium mit einem Rückblick auf 30 Jahre Pangborn Symposien, der den Wandel von wichtigen Basisthemen zur Sinnesphysiologie und Methodenentwicklung hin zu Nachhaltigkeit, alternativen Proteinen und Co-Creations zeigte, in denen die Sensorik heute immer mehr verbraucherorientiert und interdisziplinär Anwendung findet.
Verbraucherforschung
Der Verbraucher steht im Mittelpunkt des Geschehens. Dies verdeutlichte unter anderem Pascaline Lepeltier, die beste Sommeliére Frankreichs, die in New York City anspruchsvolle Genießerinnen mit Foodpairing-Kompositionen aus Wein und feinen Gerichten verzaubert. Herausforderungen, die sich bei der Betrachtung des Verbraucherverhaltens und der Interpretation sensorischer Fragestellungen durch Kulturunterschiede ergeben, thematisierten Léra Borodistky (University of California San Diego) und Daniele Asioli von der University of Reading. Denn einerseits sind es die Worte und der Sprachgebrauch in den unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen, andererseits aber auch die Divergenz hinsichtlich Ernährung zwischen Stadt und Land bzw. zwischen den Ländern, die maßgebend sind, um Akzeptanz und Präferenz von
Produkten zu verstehen. Hinzu kommen das Ausmaß der Religionsausübung und die finanziellen Möglichkeiten der Konsumenten. So sei die Akzeptanz neuer Lebensmittel beispielsweise auch davon abhängig, ob ein Verbraucher gemeinsam mit seiner Peergroup regelmäßig Restaurants besuche. Ein wesentliches Problem der aktuellen Verbraucherforschung bestehe darin, dass viele Verbraucherdaten nur einmalig erhoben sowie manchmal falsch interpretiert würden. Die Dateien könnten fehlbar, unsicher und instabil sein, da das Thema der Kultur(unterschiede) oft zu weit gefasst werde. Zukünftig gilt es deshalb, die Datenqualität zu verbessern, indem die Zuverlässigkeit und Validität von Forschungsmethoden neben dem Einsatz neuer Technologien um interdisziplinäre Ansätze und die Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen erweitert wird.
Ein Themenschwerpunkt lag auf der effizienten Nutzung von Sensorik für die Produktentwicklung. So wurde im Workshop „Bottling a Celebrity“ mittels Conceptional Profiling ein Whisky-Konzept mit Namen und Profil des britischen Schauspielers James Cosmo entwickelt. Co-Creation Gruppen britischer und schottischer Konsumenten halfen die Rolle des Schauspielers als Markenbotschafter für das Produkt zu verstehen und ein Konsumententest ergab das zutreffenste Flaschendesign.
Zuletzt konnten sich die Teilnehmenden bei einer Verkostung des Whiskys von der Produktentwicklung selbst überzeugen. Aber nicht nur hier, sondern auch in weiteren Projekten spielen Konsumententests eine wichtige Rolle im „Product ecodevelopment“, wie Ronan Symoneaux im Plenarvortrag ausführte. Die Beteiligung von Konsumenten bei Co-Creation Prozessen von nachhaltigeren Produkten, also im „Consumer led ECO-Development“-Prozess ist elementar, um schon früh im Produkt-Design die Vorstellungen der Verbraucher einzubinden, wobei neben Aussehen, Geruch und Textur auch Verpackungsaspekte zu eruieren sind.
ist die aktuell Gesellschaft reif für nachhaltige Produkte, die optisch sensorisch oft weniger kräftige Farben und in der Textur unpraktischere recycelbare Materialien beinhalten?
Interessant diesbezüglich war auch der Beitrag von Nicolas Bouché, Experience Director bei Decatlon, der die Frage in den Raum warf, inwiefern die aktuell naturferne Gesellschaft reif und bereit für nachhaltige Produkte sei, die optisch sensorisch oft weniger kräftige, vielleicht altmodische Farben und in der Textur unpraktischere recycelbare Materialien beinhalten. Auf dieser „Spielwiese für Kreative und Wahrnehmungsexperten“ bedarf es sensorischer Methoden, um die Verbraucherakzeptanz und gleichzeitig Umweltauswirkungen zugunsten eines günstigeren CO2-Fußabdrucks zu optimieren.
Sensorik & Reformulierung
Auf die sensorischen Anforderungen der Jüngsten ging Andrea Maier-Nöth von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen ein und veranschaulichte, dass eine Reduktion von Salz, Zucker und Fett in Kindergerichten durchaus möglich sei, ohne die hedonische Akzeptanz stark zu beeinträchtigen und, dass insbesondere Kindertagesstätten als Partner für die Bildung eines gesunden und genussreichen Ernährungsverhaltens gewonnen werden sollten. Die Session zum Thema „Culinary“ und der Workshop „Innovations for Health, Sustainability and Deliciousness“, geleitet von Agnès Giboreau, Jean-Xavier Guinard, Laura Vazquez machten deutlich, wie gerade auch die vielfältigen Tools der Lebensmittelsensorik die Ernährungs-Transformation unterstützen.
Alternative Proteine
Wenn auch nicht so im Vordergrund wie bei der Tagung im letzten Jahr, spielten neueste Erkenntnisse zu alternativen Proteinen auch dieses Mal eine wesentliche Rolle. So zeigte Yifan Zhang von der Wageningen University, dass es vor allem von der Saftigkeit alternativer Fleischpasteten und -frikadellen abhängt, ob ein Produkt akzeptiert wird oder nicht. Der Grad der Saftigkeit nimmt auch Einfluss auf die Wahrnehmung weiterer Texturattribute. Die Studie zeigte aber auch, dass der Zeitpunkt für die Beurteilung der Saftigkeit bereits beim Kauvorgang und nicht erst beim Schlucken stattfindet, was in erster Linie auf die Serumsfreisetzung während des Kauens zurückzuführen sei.
Neue Methoden
Viele Marktforscher beschäftigten sich derzeit mit der Zuverlässigkeit von inkompletten Block Designs und der Simulationsforschung bzgl. idealer Blockgrößen. Diese Lösungsansätze könnten auch zu exakteren Berechnungen von Ergebnissen bei neuen „Sorting-Methoden“ genutzt werden. Verschiedene Sensometrics-Workshops informierten über das Clustern von Verbrauchertest- und CATA-Daten und zeigten, wie sich Daten aus der Produktentwicklung noch erfolgreicher auswerten lassen. Die Sensory Science Community nutzte diesen informellen Gedankenaustausch und das Knüpfen neuer Fachkontakte in Präsenz und plant schon jetzt die 11. Eurosense 2024 in Dublin bzw. Pangborn 2025 unter dem Motto „Connecting senses and minds“ in Philadelphia/USA.
Autoren: Kathrin Heim, Prof. Dr. Martina Sokolowsky, Prof. Dr. Jörg Meie, DLG-Ausschuss Sensorik│sensorik@DLG.org