Pflanzenschutz

Hungern am gedeckten Tisch

Soeben kommen die Kulturen aus einem wieder mal zu milden und teils sehr trockenen Winter. Was bedeutet das für Entwicklung, Abreife und Ernte der Druschfrüchte? Unsere Autoren beleuchten agrarmeteorologische Aspekte vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung.

Dünger auf dem Feld
In frühjahrs- und vorsommertrockenen Gebieten wirkt die Düngung mitunter deutlich verzögert. Foto: Dreyer

Nach einem wiederum durchschnittlich zu milden Winter, der jedoch auch die eine oder andere Frostperiode aufwies, starteten die Winterungen 2025 in gutem Zustand nur geringfügig phänologisch verfrüht in die Vegetationsphase. Auch die Sommergetreide konnten bei nahezu idealen Bedingungen zur Saatbettbereitung und Aussaat in etwa zu den klimatologisch normalen Terminen gesät werden. Das Auflaufen war zwar etwas zögerlich. Das lag vor allem daran, dass es in etlichen Nächten noch recht niedrige, teils in den Frostbereich gesunkene Tiefstwerte der Lufttemperatur gab. Begleitet war die Entwicklung durch eine Niederschlagsarmut in den Wintermonaten und im März, die auch noch bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels Mitte April anhielt.

So war der Winter durch ein Niederschlagsdefizit von fünf bis 30 Prozent (%) unter den langjährigen Mittelwerten gekennzeichnet. Im März fehlten im Flächenmittel über Deutschland etwa 75 % der normalerweise erwartbaren Niederschlagssumme bei einer großen regionalen Spannweite zwischen 50 und nahe 90 %. Im April änderte sich daran nicht viel. Die beschriebene Witterung hat zur Folge, dass die Bodenfeuchte in weiten Teilen Deutschlands zu Beginn des stärksten Wasserverbrauchs der Kulturpflanzen zwar noch im optimalen Versorgungsbereich zu finden war. Allerdings lagen die Werte bei klimatologischer Betrachtung deutlich auf der zu trockenen Seite der Verteilung. Die aktuelle Niederschlagsarmut hatte auch Auswirkungen auf die Düngung: Während eine zeitige Düngung im Februar durch die noch vorhandene Bodenfeuchte bzw. anschließende Niederschläge zügig in Lösung ging und somit direkt nach der Düngung pflanzenverfügbar wurde, kam eine Düngung im März wegen der häufig ausbleibenden Niederschläge oftmals nicht mehr rechtzeitig zur Wirkung. Selbst Harnstoff, der gemeinhin als ausgesprochen gut wasserlöslich gilt, lag nach der Düngung oft tage- oder sogar wochenlang wirkungslos an der Bodenoberfläche. Unter diesen Umständen wachsen die Pflanzen gewissermaßen am „gedeckten Tisch“ in eine Hungerphase hinein. Auch hier zeigt sich wieder, dass viel Aufmerksamkeit auf Maßnahmen der Risikostreuung zur Minimierung trockenheitsbedingter Ertragseinbußen liegen muss, die Bodenbearbeitung, Sortenwahl und weitere agronomische sowie kaufmännische Maßnahmen umfassen.

Zunahme von Trockenphasen –  Anpassung der Düngung

Besonders in den seit jeher von Frühjahrs- und Vorsommertrockenheit betroffenen Gebieten (z. B. Mittel- und Ostdeutschland) hat die Zahl der niederschlagsfreien Tage in den letzten Jahren noch weiter zugenommen (Abb. 1, Seite 20), sodass die Wirkung der Stickstoff-und Schwefeldüngung im Frühjahr häufig nicht mehr sicher gegeben ist. Die Pflanzen wachsen dann unter Ausnutzung der Feuchtigkeit in tieferen Bodenschichten weiter, während Stickstoff und Schwefel trotz Düngung früher oder später knapp werden. Derartiges ist in den Trockengebieten heute so ziemlich die Regel, wo-rauf man sich auch in der Düngestrategie einstellen muss. Eine zeitige, startbetonte Düngung unter Ausnutzung der Winterbodenfeuchte ist – eine entsprechende Befahrbarkeit vorausgesetzt – in sehr vielen Fällen eine „sichere Bank“. Zahlreiche Versuchsergebnisse und praktische Erfahrungen zeigen, dass die 1. N-Gabe richtig sitzen muss.

Es ist normal, dass bei steigenden Lufttemperaturwerten und zunehmender Globalstrahlung im Laufe des Frühjahrs, meist ab Ende März, der Verdunstungsanspruch unserer Kulturpflanzenarten die erwartbare Niederschlagsmenge überschreitet, damit die klimatische Wasserbilanz negativ wird und in der Folge die Bodenfeuchte sinkt. In Normaljahren wird das Minimum im Durchschnitt über ganz Deutschland bei Werten zwischen 60 und 70 % der nutzbaren Feldkapazität (% nFK) zwischen Ende Juli und Ende August erreicht, wobei es auch hier beachtenswerte regionale Unterschiede gibt, die einen Bereich zwischen 45 und 85 % nFK aufspannen. Der Bodenfeuchterückgang im Frühjahr und bis in den Sommer hinein wird durch den in diesem Zeitraum auftretenden Niederschlag in der Größenordnung zwischen 200 und 400 mm gedämpft. Dieses Wasser dient vornehmlich der Ertragsbildung, weil es einerseits die Lösung und den Transport von Nährstoffen sicherstellt und durch die aktuelle Evapotranspiration Verdunstungskälte produziert. Dadurch werden die Bestände „klimatisiert“, was dazu dient, Temperaturspitzen abzuflachen. Steht nicht genügend Bodenwasser zur Verfügung, können beide Prozesse die Ertragsbildung nur schwächer unterstützen. Ertragsminderung ist die Folge.
 

Trockene Getreidepflanzen
Ein Wasserdefizit beeinflusst auch die Nährstoffversorgung. Foto: Camara
Hand auf trockenem Ackerboden
Wenn das Wasser fehlt, bringt die Düngung nichts. Foto: Agrarfoto

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Was macht eine „­normale“ Ernte aus?

Zu einer erfolgreichen Anbausaison gehört eine möglichst optimale Ertragsbildung über einen normalen Zeitraum – der bei den am meisten angebauten Arten zwischen dem Vegetationsbeginn im Frühjahr und der Ernte im Sommer in Deutschland im Flächenmittel etwas mehr als vier Monate ausmacht. So kann man beispielsweise für den Winterraps nach dem Vegetationsbeginn das Stadium der Knospenbildung im Mittel für den 28. März eines Jahres erwarten, die Ernte beginnt normalerweise um den 23. Juli. Beim Winterweizen setzt nach dem Vegetationsbeginn das Schossen um den 3. April ein, die Gelbreife wird am 17. Juli erreicht. Dieser folgt dann nach etwas mehr als zwei Wochen, um den 2. August, der Erntebeginn. Es versteht sich von selbst, dass auch bei diesen Angaben neben den Effekten des Einzeljahres regionale, sortenspezifische und agronomische Variationen auftreten.

Eine erfolgreiche Ernte schließt sich dann an, wenn neben dem Ertrag die Wetterbedingungen zur Ernte günstig sind, sodass die Kulturen möglichst zügig hintereinander, über längere Zeitabschnitte ohne Unterbrechungen bei guten Feldbefahrbarkeitsbedingungen und einer Kornfeuchte, die keine nennenswerte Nachtrocknungsbedürftigkeit zeigt, gedroschen, eingefahren und eingelagert werden können. Zur Ermittlung der dafür im Normalfall zur Verfügung stehenden Zeit bedarf es nicht nur der agrarmeteorologischen oder agrarklimatologischen Betrachtung, die man über Klimagebiete ableiten kann, sondern auch der betriebsindividuellen Kenngrößen des verfügbaren Technikeinsatzes. Es lassen sich deshalb keine generellen Aussagen treffen. Die in den Klimagebieten zusammengefassten Mähdruschstunden variieren bei einer Eintreffwahrscheinlichkeit von 80 % und einer anzustrebenden Kornfeuchte von unter 14 % beim Getreide je nach Klimagebiet zwischen unter zehn bis über 90 Stunden in dem jeweiligen mittleren regionalen phänologischen Erntefenster. Die geringste verfügbare Zeitspanne ist in den Küstenregionen verfügbar. Es folgen die Mittelgebirgslagen und die nördlichen Tieflandregionen bis hin zu den Regionen unterhalb 500 m Höhe über NN in den bekannten Ackerebenen. Die meisten Mähdruschstunden bieten Regionen vom Jerichower Land bis zum Barnim und dem Märkischen Oderland sowie in den Flusstälern längs des Rheins und seiner Nebenflüsse Main, Mosel, Neckar und wiederum deren Nebenflüssen.

Sowohl für die Feldbefahrbarkeit als auch für die verfügbaren Mähdruschstunden stehen heute beispielsweise über das KTBL und den Deutschen Wetterdienst internetbasierte und in gewissen Grenzen individuell justierbare Entscheidungshilfesysteme zur Verfügung, die unterstützend für die Arbeitsplanung sein können.

Abb. 1: Jahreszeitenvorhersage der Bodenfeuchte unter Gras vom 1. März 2025 (Abweichungen der Monatsmittel von 1991–2020)

Verschiebungen durch den Klimawandel

Durch die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte gibt es auch Verschiebungen bei den phänologischen Entwicklungsphasen in Auftrittszeitpunkt und Länge (Abb. 2) sowie bei den Feldarbeitstagen zur Ernte und den Mähdruschstunden im engeren Sinne. Letztgenannte ändern sich gar nicht so sehr in der verfügbaren Zeit. 
Allerdings sind deutliche Verschiebungen zum Teil innerhalb der Regionen zu beobachten, zurückzuführen auf eine kleinteiligere Niederschlagsverteilung durch die das Niederschlagsgeschehen stärker dominierenden und örtlich variableren Schauer. Da diese Prozesse nicht beeinflusst und auch nur vergleichsweise kurzfristig vorhergesagt werden können, bleibt nur, ein hohes Maß an Flexibilität im Rahmen der betrieblichen Gegebenheiten zu sichern, um das Erntegut in erwarteter Menge und gewünschter Qualität bei brauchbaren Wetterbedingungen ernten und einfahren zu können.

Diagramm
Abb. 2: Verschiebung der Vegetationsphasen: Phänologie Winterroggen in Deutschland 1961–1990 und 1991–2020, Beginn und Dauer in Tagen

Falk Böttcher
Deutscher Wetterdienst 
Agrarmeteorologische Beratungsstelle
falk.boettcher@dwd.de 

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