Phytophthora-Stämme
Gesunderhaltung der Kartoffelbestände wird herausfordernder
Kraut- und Knollenfäule ist eine stetige Bedrohung für gesunde Kartoffelbestände. Besorgniserregend sind neue Phytophthora-Stämme (EuroBlight-Typen), die meist aggressiver sind, sich schneller ausbreiten und gegen viele eingesetzte Fungizide resistent sind. Kartoffelbau sprach mit Albert Schirring, Crop Manager bei Bayer, über die Populationsdynamik, Resistenzsituation und Kontrollmöglichkeiten von Phytophthora infestans.
Kartoffelbau: In den letzten Jahren hat die europäische Landwirtschaft wichtige Fungizid-Wirkstoffe verloren und eine drastische Beschleunigung der Resistenzentwicklung erlebt. Wie stellt sich die Situation aktuell im Kartoffelanbau dar?
Schirring: Grundsätzlich ist festzustellen, dass Phytophthora mittlerweile ein europäisches Problem darstellt und dieses nur auf europäischer Ebene angegangen werden kann. Das erfordert u. a. eine Sensibilisierung der politischen Entscheidungsträger und der Zulassungsbehörden. Es müssen die Auswirkungen der Populationsdynamik von Phytophthora infestans und das daraus resultierende Bedrohungsszenario auf den Agrar- und Lebensmittelsektor in Europa richtig einordnet werden. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit mit Landwirten, Partnern aus der Wertschöpfungskette und Zulieferern erforderlich, um eine Akzeptanz für die notwendige Forschung in Echtzeit und ein engmaschiges Monitoring zu schaffen. In diesem Kontext möchte ich auf das Positionspapier von Copa-Cogeca aus 2024 an die EU-Kommission aufmerksam machen, was genau dieses Problem anspricht. Dahinter steht in erster Linie die Forderung an die Regulierungsbehörden, den Landwirten ausreichenden Zugang zu wirksamen Pflanzenschutzlösungen zu sichern. Von der Politik erwarten wir, dass zudem endlich Gesetze und die regulatorischen Voraussetzungen verabschiedet werden, um Lösungen mit neuen Züchtungstechniken zu beschleunigen. Uns sollte bewusst sein, dass gesunde Kartoffeln ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährungssicherheit sind.
Kartoffelbau: Wie lässt sich die aktuelle Phytophthora-Situation in Europa beschreiben?
Schirring: In einem Monitoring wurden in 2023 und 2024 umfangreiche Sensitivitätsdaten aus ganz Europa erhoben. Erschreckend ist, dass der Anteil resistenter Phytophthora-Stämme gegen Fungizide im Vergleich zu 2022 dramatisch angestiegen ist.
Wir wissen, dass in den letzten Jahren die europäische Landwirtschaft einen Rückgang der verfügbaren Fungizide (z. B. Mancozeb) sowie eine drastische Beschleunigung der Resistenzentwicklung erlebt hat. Günstige Witterungsbedingungen für den Pilz und ein teilweise übermäßiger Einsatz bestimmter Wirkungsmechanismen haben diese Problematik im schwierigen, d. h. feuchten Jahr 2024 noch verschärft. Während zuvor EU_36 der dominierende EuroBlight-Typ der Kraut- und Knollenfäule war, zeigen die neuesten Daten für 2023 und 2024 einen explosionsartigen Anstieg des neuen Typs EU_43. Diese Sub-Population hat sich vor allem in den nordeuropäischen Kartoffelanbauländern schnell ausgebreitet und weist eine vollständige Resistenz gegenüber den häufig eingesetzten CAA-Fungiziden (Carbonsäureamiden, FRAC-Gruppe 40) auf.
2023 tauchte zudem erstmals ein neuer Typ, der EU_46 auf, der sich während nur einer Saison zum fünftgrößten Krautfäule-Stamm in Europa ausgebreitet hat. Er zeigt bereits Resistenzen gegen die „modernsten“ Fungizide mit der neuesten Wirkungsweise, die Oxysterol-bindenden Protein-Inhibitoren (OSBPIs, FRAC-Gruppe 49).
Was noch gefährlicher ist: Stämme der EuroBlight-Typen EU_43 und EU_46 können eine Doppelresistenz sowohl gegen CAAs als auch gegen OSBPIs aufweisen. Wir befürchten, dass sich diese Krautfäule-Stämme mit Doppel-Resistenzen nun so schnell in Deutschland ausbreiten, wie es der zuvor dominierende EU_36-Typ, auch ohne Fungizid-Resistenzen, schaffen konnte.
Kartoffelbau: Ist diese Resistenzentwicklung noch aufzuhalten?
Schirring: Die Verschiebungen innerhalb der P.-infestans-Stämme machen deutlich, dass das Resistenzverhalten auf jeden Fall sehr differenziert betrachtet werden muss. Die richtige Pflanzenschutzstrategie entscheidet über den Kartoffelanbau der Zukunft. In den jüngsten Leitlinien des Experten-Ausschusses für Fungizidresistenzen (FRAC) wird betont, wie wichtig die Mischung und der Wechsel zwischen Wirkstoffgruppen ist und die Anzahl der Anwendung einzelner Wirkstoffgruppen begrenzt ist. Praktiker sollten konsequent Fungizide mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen einsetzen, um der Selektion resistenter und aggressiver EuroBlight-Typen wirksam zu begegnen. Zum Spritzstart sollten keine CAA- und OSBPI-Fungizide eingesetzt werden, denn infiziertes Pflanzgut oder befallene Durchwuchskartoffeln können die Ausbreitung dieser neuen Krautfäule-Stämme beschleunigen.
Es lohnt auch der Blick in unser Nachbarland Niederlande. Dort hat man eine Phytophthora-Task-Force gebildet, die einen integrativen Bekämpfungsansatz entwickelt hat. Bei uns besteht diesbezüglich noch Nachholbedarf. Die niederländischen Ansätze lassen sich jedoch gut auf deutsche Verhältnisse übertragen, um auch hier den hohen Selektionsdruck dauerhaft zu reduzieren.
Dementsprechend gibt es eine Reihe von Elementen, die von den Landwirten genutzt werden können. Empfehlenswert ist die konsequente Bekämpfung von Ausfallkartoffeln sowie die strikte Einhaltung der Fruchtfolge (max. alle 3 Jahre Kartoffeln auf derselben Fläche). Niederländische Kartoffelproduzenten sind verpflichtet, Kartoffelabfallhaufen auf dem Acker mit Folie abzudecken, um die Verbreitung von Sporen zu minimieren. Wer das versäumt, zahlt ein Bußgeld. Beim Pflanzenschutz gilt die Anti-Resistenz-Strategie für Fungizide gemäß FRAC. Das bedeutet: Immer Wirkungsmechanismen alternieren und Einzelwirkstoff-Produkte gegen Phytophthora nur in Mischungen einsetzen. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Nutzung toleranter/resistenter Sorten. Für die Zukunft wäre eine farbliche Kennzeichnung des Pflanzgutes hilfreich, damit bei der Sortenwahl mögliche Anfälligkeiten gegenüber unterschiedlichen Phytophthora-Stämmen Berücksichtigung finden. Die Task Force Phytophthora hat kürzlich eine farbcodierte Liste für die Sortentoleranzen gegenüber Phytophthora veröffentlicht. Diese Liste sowie weitere Informationen sind auf der Homepage des Vereins Brancheorganisatie (BO) Akkerbouw abrufbar.
Mit Blick auf die Rolle latenter Infektionen in Pflanzkartoffeln sind ebenfalls noch Fragen offen. Es besteht beispielsweise ein großes Interesse an einer Kontrollstrategie zur Bestimmung und Reduktion des Verbreitungsrisikos von doppelt fungizidresistentem Primärinokulum.
Kartoffelbau: Welchen Input können Landwirte von Bayer erwarten?
Schirring: Ein unverzichtbarer Baustein ist unser Wirkstoff Fluopicolide, der im Kartoffelfungizid Infinito enthalten ist. In unternehmensinternen Testreihen über mehrere Jahre haben wir den Wirkstoff auf seine Sensitivität gegenüber den unterschiedlichen EuroBlight-Typen von P. infestans untersucht. Die erfreuliche Nachricht: Der Wirkstoff ist nach wie vor europaweit voll wirksam. Das kommt nicht von ungefähr. Wir haben ein striktes Anwendungsregime mit klaren Empfehlungen für die landwirtschaftliche Praxis. Der Erhalt der Wirksamkeit des Produkts steht über allem.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine zunehmende Bedrohung durch Phytophthora-Resistenzen den Bedarf an leistungsfähigen Fungiziden, wie z. B. das Mischprodukt Infinito (FRAC-Gruppe 43 und Gruppe 28), unterstreicht. Mit dem einzigartigen Wirkungsmechanismus von Fluopicolide in Infinito stellt Bayer einen wichtigen Baustein für das Resistenzmanagement in der Hauptwachstumsphase zur Verfügung. Durch einen ständigen Wirkstoffwechsel und die Kombination verschiedener Wirkmechanismen im Spritzprogramm können Kartoffelproduzenten sich gegen neue EuroBlight-Typen der Kraut- und Knollenfäule stemmen und somit die Wirksamkeit der Bekämpfungsmaßnahmen sowie der Sorten-Toleranzen erhalten und damit den vermarktbaren Kartoffelertrag absichern.
Das Gespräch wurde geführt von der Redaktion Kartoffelbau