„Die eine Politik gibt es nicht “

Prof. Jan-Henning Feil, Keynote-Speaker auf den DLG-Unternehmertagen 2024, im Interview zu “Bürokratie managen - Freiraum schaffen”

Auflagen, Nachweise, Sanktionen – viele Betriebsleiter werden durch bürokratische Prozesse belastet und nicht selten überfordert oder gar abgehängt. Auf den DLG-Unternehmertagen 2024 denken wir nach vorne! Wie lassen sich Freiräume für eine erfolgreiche und nachhaltige Landwirtschaft im Wettbewerb schaffen? Wie lassen sich regulative Vorgaben effizienter bewältigen? Wie bekommt man den Bürokratieaufwand besser gemanagt? Im DLG-Interview spricht Keynote-Speaker Prof. Jan-Henning Feil von der Fachhochschule Soest zum Tagungsthema “Bürokratie managen - Freiraum schaffen”.  

Der Druck auf die Verfügbarkeit von Flächen ist so groß wie noch nie.

DLG: Herr Prof. Feil, die deutsche Landwirtschaft kritisiert einerseits die Unsicherheit über die Zukunft der Landwirtschaft. Anderseits werden politische Entscheidungen wie das Düngegesetz im Bundesrat oder die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die Sustainable Use Regulation (SUR) im Europaparlament ausgehebelt. Wann sind klare Vorgaben unausweichlich?

Prof. Jan-Henning Feil: Klare Richtlinien sind in den Fällen unausweichlich, in denen die landwirtschaftliche Produktion zweifelsfrei deutliche Externalitäten, also negative Effekte und Kosten für Dritte verursacht. Dies war damals bei der Einführung der Düngeverordnung klar der Fall. Diese müssen dann aber auch mit Augenmaß getroffen werden und langfristig Bestand haben, um der Landwirtschaft einen klar definierten unternehmerischen Handlungsrahmen für die Zukunft zu geben. Beides war bei der SUR offensichtlich nicht gegeben. 

Wieso kann die Politik den von Landwirten geforderten Bürokratieabbau nicht kurzerhand umsetzen?

Es gibt nicht DIE eine Politik. Wir haben es mit agrarpolitischen Akteuren auf Europa-, Staats- und Länderebene zu tun. Diese haben oft unterschiedliche Interessen. Das macht es schwierig. Außerdem standen die gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren, zumindest bis zum Beginn des Ukrainekonflikts, einem potentiellen Bürokratieabbau geradezu diametral entgegen. Die Politik reagiert auf sowas leider immer nur mit einem Mehr an Regulierung, hier hat man den Bogen teilweise sehr deutlich überspannt.

Mit zwei neuen Öko-Regeln will die Ampel-Regierung die Akzeptanz in der Landwirtschaft erhöhen. Woran liegt das mangelnde Interesse in der Landwirtschaft an den Umweltleistungen in der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)? 

Umweltleistungen sind öffentliche Güter, für die es bekanntermaßen keinen Marktpreis gibt. Deshalb zahlt die Politik dem Landwirt für diese Leistungen generell eine Kompensationszahlung, zumeist in Form eines flächenbezogenen Beitrages im Umfang der Fläche, auf der diese Umweltleistungen „produziert“ werden. Landwirte sind Unternehmer und stehen solchen staatlichen Kompensationszahlungen dafür, dass sie ihren wichtigsten Produktionsfaktor aus der marktbezogenen Produktion nehmen sollen, grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dies trifft insbesondere in Zeiten wie diesen zu, in denen der Druck auf die Verfügbarkeit des Produktionsfaktors Fläche so groß ist wie noch nie zuvor.

Landwirte wollen Dünge- und Pflanzenschutzmittel effizient einsetzen. Wie kann Smart Farming auch auf mittleren und kleinen Betrieben Einzug halten?

Gemeinsam mit mehreren mittleren und kleinen Betrieben, Maschinengemeinschaften und der DEULA im Kreis Warendorf gehen wir in einem größeren Europäischen Innovationsprojekt „DigitalFarmPraxis“ seit Anfang 2020 genau dieser Frage nach. Wir haben bislang herausgefunden, dass sich die Anwendung von Precision- und Smart Farming-Technologien auch für mittlere und kleine Betriebe durchaus sehr deutlich rechnen kann. Es wurde hierbei auch deutlich, dass gerade in klein strukturierten Regionen für die betriebliche Adaption und das Management solcher Technologien ein großes Potential in der überbetrieblichen Kooperation liegt. Man steht dann nicht mehr alleine „wie der Ochs vorm Tor“. 

Branchenfremde Investoren treten verstärkt als Käufer von Betrieben auf. Geplante Agrarstrukturgesetze, die solche Zugriffe einschränken sollen, scheitern am Widerstand der Landwirte, die Eingriffe in ihre unternehmerische Entscheidung befürchten. Kann hier Entrepreneurship ein neuer Zugang sein?

Zu einem gewissen Grad ja. Mit einer verstärkten unternehmerischen Aktivität auf dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, auch und gerade in Bezug auf das Betreten ganz neuer Pfade, schafft man sich Unabhängigkeit. Auch gegenüber dem nach wie vor zunehmenden Druck auf den Bodenmärkten, welcher durch branchenfremde Investoren mit verursacht wird. Unsere Untersuchungen zeigen außerdem, dass hiermit insbesondere auch die nachfolgende Generation leichter für eine potentielle Betriebsübernahme zu begeistern ist.

Dokumentation zur Düngung
Vor jeder Düngergabe sind Landwirte verpflichtet, eine Düngebedarfsermittlung anzufertigen. Foto: Amazone

Mit einer verstärkten unternehmerischen Aktivität verschaffen sich Landwirte mehr Unabhängigkeit.

Zur Person

Prof. Dr. Jan-Henning Feil leitet bis Ende August 2024 das Fachgebiet Agrarökonomie und Digital Farm Management an der Fachhochschule Soest. Ab 1. September 2024 übernimmt er die Fakultät Produktionsökonomik und betriebliches Datenmanagement an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Der Wissenschaftler und Landwirt hält Lehrveranstaltungen zu seinen Forschungsgebieten Management der Digitalisierung in der Agrarwirtschaft, Innovative Methoden und Instrumente des Controllings, Agrarstrukturwandel und Entrepreneurship. Feil ist auf den DLG-Unternehmertagen am 11. September 2024 in Oldenburg Keynote-Speaker zum Tagungsthema “Bürokratie abbauen -Freiraum schaffen”.