Direktsaat

Ackerbau neu erlernen

Die Brüder Bernd und Claus Günther haben ihren Landwirtschaftsbetrieb umgebaut und dabei sowohl ertragreicher als auch klimafest gemacht. Wichtigster Bestandteil: die Umstellung auf Direktsaat.

Einfache Antworten, das müssen wir in allen Belangen unseres Lebens gelegentlich lernen, sind zwar meist einfach, aber leider fast immer nicht besonders hilfreich. Sie gaukeln Lösungen vor, versprechen schnelle Besserung – nur um anschließend zu versagen. Erfolg versprechen meist die etwas komplexeren Ansätze, diejenigen, für die man seinen Kopf angestrengt und die Umstände im eigenen Umfeld genau analysiert hat.

Zwei Betriebsleiter, die ein komplexes System verstanden und für ihren Betrieb passend umgesetzt haben – und andere gern daran teilhaben lassen –, sind die Brüder Bernd und Claus Günther aus Fuchsstadt bei Würzburg.

Bernd, Landwirtschaftsmeister, und Claus, Diplomkaufmann, verfügen zusammen über eine geglückte Kombination aus Eigenschaften und Talenten. So sind sie in der Lage, die lange Reise, die sie mit ihrem Betrieb angetreten haben, zu meistern. Diese Reise ist keine Kaffeefahrt, nicht mal eine Gruppenreise. Wer sie antritt, muss einen langen Atem haben, Widerstand aushalten und geduldig sein. Unterstützung findet er nur bei ein paar wenigen Mitstreitern im deutschsprachigen Raum, aber dafür vielen im oft weit entfernten Ausland. 

Seit 20 Jahren Energieerzeugung

Schon die Eltern von Bernd und Claus Günther hatten vor Jahrzehnten Weitsicht bewiesen, als sie in den Siebzigern mit ihrem Schweinemastbetrieb aus dem Dorf an den Ortsrand zogen. Nach der Übergabe an die Söhne vor knapp 20 Jahren setzten jene die Strategie fort – den Betrieb immer an den Gegebenheiten zu messen und auszurichten. Das Argument: „das haben wir schon immer so gemacht“ scheint im Hause Günther nicht viel Gewicht zu haben.

Die Köckerling Ultima CS 600 mit AFC-Scharen ist eine der Schlüsselmaschinen auf dem Betrieb Günther.
Claus (links) und Bernd Günther vor der Väderstad Tempo V12.

So hat die Familie auch schon früh die Vorteile der Biogaserzeugung entdeckt. 2004, direkt nach der verheißungsvollen EEG-Novelle, wurde die Biogasanlage mit heute drei 1.550-kW-Jenbacher-Motoren geplant, gebaut und hoch flexibel betrieben. Nachdem die Schweinemast nur wenige Jahre später aufgegeben wurde, bestimmt die Energiepflanzenerzeugung nun die Abläufe im Betrieb: Der größte Teil der Erträge von den inzwischen 540 ha Eigentums- und Pachtflächen dient der Substraterzeugung. Weitere Mengen kommen von benachbarten Betrieben, die dafür Gärreste zurückerhalten. Erst wenn die Anlage „satt“ ist, werden auch mal Marktfrüchte verkauft. 

Auf der einen Seite erlaubt diese Struktur zwar eine komfortable Fruchtfolge, in der sich Halm- und Blattfrüchte immer abwechseln. Gleichzeitig bringt der Energiepflanzenanbau in Sachen Bodenbelastung einige Probleme mit sich. Doch dazu später.

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Guter Boden, doch auch viel Erosion

Auf den ersten Blick mag der Standort – am Rand der Ochsenfurter Gau etwa zehn Kilometer südlich von Würzburg gelegen, Ackerzahlen bei einem Durchschnitt von 72 bis knapp unter die 100 – dem einen oder anderen Leser vielleicht ein sehnsüchtiges Zungeschnalzen entlocken. Allerdings stellt er auch erhebliche Anforderungen an seine Bewirtschafter: Das Weinklima, das überall in der Nachbarschaft Weinstöcke gedeihen lässt, bedeutet sehr warme Sommer mit auch schon mal längeren Trockenperioden. Die sehr hügelige Landschaft war immer schon der Erosion ausgesetzt, weswegen schon die Eltern Günther im Jahr 2000 mit der Mulchsaat begannen. Viele Starkniederschläge und Stürme sollten jedoch noch folgen, in deren Folge Bernd und Claus trotz Mulchsaat ihrem Ackerboden talabwärts nachschauten, bis eine Entscheidung reifte.

Unerklärliche Ertragsunterschiede

Es war schließlich die Übernahme von 60 ha neuer Pachtflächen im Jahr 2016, die die eingangs erwähnte Reise einleitete. Trotz gleicher Bewirtschaftung ergaben sich immer wieder unerklärliche Ertragsunterschiede. Bernd, nach dessen Überzeugung Pachtflächen wie Kredite, also mit maximaler Sorgfalt zu behandeln sind, probierte verschiedene Maßnahmen aus. Doch weder Mulchsaat noch der intensive Zwischenfruchtanbau brachten einen Erfolg. 

Bei einer Veranstaltung an der Hochschule Triesdorf lernte er ein Jahr später Uli Zink kennen. Der Landwirt aus Sachsen-Anhalt gilt in Deutschland als Direktsaat-Pionier und -Instanz. Er riet den Günthers, die Albrecht/Kinsey-Bodenanalyse auszuprobieren, um Genaueres über die Kationenaustauschkapazität und damit die Nährstoffverhältnisse in ihrem Boden zu erfahren. Das erwies sich nicht gleich im ersten Versuch als erfolgreich – Bernd Günther musste lernen, dass Labor nicht gleich Labor ist. Doch im zweiten Anlauf ging alles gut, und bald schien es den Betriebsleitern folgerichtig, auch das System der Direktsaat – so eng verknüpft mit der Theorie von Albrecht und Kinsey – auszuprobieren. „So kam ich also“, fasst Bernd Günther lächelnd zusammen, „vom Düngungssystem zur Direktsaat und nicht andersherum wie die meisten Leute ...“ Hilfreich in diesem Zusammenhang ist sicherlich, dass Claus Günther, der mehrere Sprachen beherrscht, die meist fremdsprachige Direktsaat-Literatur im Original studieren konnte.

Nach ersten Versuchen im Jahr 2018 fiel dann schon 2022 die Entscheidung, ganz auf die Direktsaat umzusteigen. Ein drastischer Schritt, unterscheidet sich doch die Direktsaat in weit mehr als nur den Sä- und Bodenbearbeitungsgeräten von den anderen Methoden der Bewirtschaftung. Bernd Günther beschreibt den Moment der Entscheidung so: „Ich stand im Mai 2022 an einem hängigen Schlag, von dem die frisch gedrillten Zuckerrüben gerade durch ein Gewitter mit starkem Niederschlag weggespült wurden. Seit 20 Jahren hab ich mir Bodenschäden und Erosion angesehen. Ob durch die Dürre 2003 und 2015, die endlose Trockenheit und Hitze ab 2018, dazwischen immer wieder Stark-regen und Stürme. Ich hatte genug und entschied an Ort und Stelle, ab jetzt komplett auf Direktsaat umzusteigen.“

Betriebsspiegel 

  • Bernd Günther Landwirtschaft 
  • Standorte Fuchsstadt und Gut Darstadt 
  • 10 km südlich von Würzburg, Rand des Ochsenfurter Gau 
  • Marktfrucht- und Futterbaubetrieb, Biogasanlage 
  • 4 MA 
  • 540 ha AF mit durchschnittlich 72 BP, davon 480 ha Lösslehm (72–98 BP), 65 ha 
  • Muschelkalkverwitterung mit bis zu 65 % Tongehalt (32–55 BP)

Klima:

Duchschnittlich 605 mm Niederschlag
301 m über NN
Mittlere Jahrestemperatur: 10,2 °C

Anbauflächen 2024: 

ZR 110 ha (Biogas)
Silomais 110 ha
GPS-Gemenge 180 ha
Winterweizen 40 ha
Grünroggen, Liniensorte Mais bzw. Hirse 65 ha
Ausgleichsflächen für PV-Freiflächenanlage: 35 ha Hamsterflächen

BGA Günther GbR:

2004 errichtet
3 BHKW mit 1,5 MW Leistung, install. Leistung 4,3 MW
Flexibilisierte Lieferung nach Fahrplan: 10 Mio. kWh/Jahr
Gärsubstratanfall: 18.500 m3, Separation

Maschinenbesatz:

Köckerling Ultima CS 600 und AFC-Schare
Väderstad Tempo V12 und Thomson Wheels
Leeb GS 6000
Erntearbeiten ausgelagert 

 

Direktsaatseminar in Fuchsstadt

Abnehmende Fruchtbarkeit, Erosion, Pflanzenschutzprobleme und Klimawandel – die Probleme im Pflanzenbau sind so zahlreich, dass eigentlich niemand mehr die Augen davor verschließen kann. Allerdings hat Bernd Günther die Erfahrung gemacht, dass viele Landwirte reflexartig andere Entscheidungen treffen wollen als er: „Die Kollegen wollen oft die Probleme mit mehr Bodenbearbeitung lösen, das ist aber ein Irrweg.“ 

Doch es gibt auch die – oftmals jüngeren – Landwirte, die neue Wege suchen. Bei einem Direktsaatseminar für bayerische Landwirte Anfang Mai erklärten Bernd und Claus Günther den zahlreich angereisten Besuchern ihre Erfahrungen aus den letzten Jahren. „Die Bodenchemie, mit der -biologie und der -physik eng verbunden, ist ein sehr fein abgestimmtes System, wie ein Uhrwerk mit ganz vielen Rädchen.“ Dabei darf keines fehlen – die Rädchen sind in diesem Fall die Makro- und Mikronährstoffe, die das Bodenleben im Gleichgewicht halten und damit die Pflanze ernähren. Bernd Günther beschreibt es in seinem Vortrag so: „Für unsere Flächen ergibt die Kinsey-Analyse, dass immer genug Calcium da ist, der Schwefel immer und das Magnesium ab und zu im Mangel ist, Kali dank des Gärsubstrates immer genug. Bei den Mikronährstoffen sind Bor und Zink oft, Molybdän und Kobalt immer und Kupfer zum Teil im Mangel.“

Die Düngung nach Kinsey, ergänzt ab dem Frühjahr um die Düngung nach den Ergebnissen der selbst durchgeführten Blattsaftanalysen, hat auf dem Betrieb Günther eine ausgewogene Ernährung zur Folge, die sehr gesunde, nährstoffreiche Pflanzen aufwachsen lässt. Halmeinkürzung im Getreide sei nicht mehr notwendig. Bis in die Biogasanlage wirke sich das aus: „Unsere Anlage braucht keine Spurenelementzugabe – denn was im Boden fehlt, fehlt auch im Fermenter.“
Doch natürlich bringe dieses neue Düngesystem eine deutliche Umstellung in der Herangehensweise mit sich: „Die Düngung nach Kinsey ist ziemlich arbeitsintensiv. Und sie ist ein neues Themenfeld, das erst mal verstanden werden muss!“

Ein „Regenwurmklo“. Normalerweise, erklärt Prof. Bernhard Göbel am Bodenprofil, hinterlassen Regenwürmer ihren Kot an der Bodenoberfläche. Der hier habe es wohl nicht geschafft ...
Wurzeln wachsen in alte Regenwurmgänge nur zu gerne ein.
Lösskindel sind typisch für Böden, deren oberste Humusschicht bereits durch Erosion abgetragen wurde.

Usere Böden verzeihen sehr schnell

Wenig später erläuterte Bernd Günther auch die Zusammenhänge zwischen Direktsaat und Bodenbiologie: „Dank der ausgeglichenen Nährstoffverhältnisse und der daraufhin widerstandsfähigen Pflanzen haben wir nur wenig Fungizidbedarf. Die Bodenbiologie dankt uns den permanenten Bewuchs, die überwiegend organische Düngung, die Zwischenfruchtmischungen und deren Wurzelexsudate, ebenso den Gemengeanbau in der Fruchtfolge und natürlich die Beweidung mit Schafen, die wir so oft wie möglich durchführen. Keinen Sauerstoff mit der Bodenbearbeitung in den Boden einzubringen und den dort vorhandenen Kohlenstoff im Boden zu halten – darauf legen wir größten Wert.“
Für die Bodenphysik hat der ungestörte Boden natürlich auch größte Folgen: „Wir haben im Boden ein sehr pilzlastiges Milieu. Der Bewuchs an der Oberfläche und die Wurzeln als „Baustahlmatten des Bodens“ sorgen für Stabilität, die Regenwürmer drainieren unsere Böden. Wenn wir überhaupt mal Oberflächenabfluss haben, dann ist das ganz klares Wasser ohne jeden Feinbodenanteil.“ Der gute und gesunde Zustand der Böden, erklärt Bernd Günther anschaulich, sei ganz leicht daran zu erkennen, dass die Böden kurzzeitige Überbelastungen schnell wegsteckten: „Unsere Böden verzeihen sehr schnell.“

Das bestätigt auch Claus Günther anschließend im Gespräch: „Die Direktsaat reduziert insgesamt massiv die Schlepperstunden, das gibt den Böden Ruhe und bringt für uns weniger Verschleiß. Zur Ernte sind die Ansprüche an die Befahrbarkeit dann aber extrem: Wir fahren mit Agrar-Lkw und Silagesattelauflieger unter den Maishäcksler. Hinterher siehst du keine Fahrspur.“ Tatsächlich stimmt wohl der an diesem Tag mehrfach fallende Satz: „Direktsäer haben Feldwege, auf denen Mais wächst.“

Zahlen zur Direktsaat

  • DS-Fläche weltweit: 180 Mio. ha
  • DS-Fläche in Deutschland: 18.000 ha bei 11,7 Mio. ha Ackerfläche
  • Jede Bodenbearbeitung kostet 25 l Wasser (Zwischenfrüchte in DS sparen dagegen Wasser)
  • 1 l Diesel verursacht 6 bis 8 € Vollkosten
  • 1 mm Bodenerosion bedeuten 15 t Bodenverlust/ha
  • 1 mm Bodenneubildung dauert 15 Jahre

(Bernd Günther)

Mit einer Standardmaschine ist es nicht getan

Später gibt Claus Günther Neulingen noch einen wichtigen Rat auf den Weg: „Gebt nicht auf, wenn eine Technologie nicht funktioniert. Es gibt keine Maschinen von der Stange – man muss immer nachbessern. Wir haben es zum Beispiel erst mit der Väderstad Rapid probiert, das hat nicht geklappt. Die Köckerling Ultima ging dann super. Andere erleben genau das Gegenteil.“ Ein Netzwerk aufzubauen und sich dort auszutauschen, das hält Claus Günther für lebensnotwendig in einem Bereich, der ein von der Wissenschaft eher wenig beachtetes Dasein fristet.

Die beiden Brüder sind mit ihrer vor zwei Jahren gefällten Entscheidung sehr zufrieden. Bernd Günther fasst es am Ende seines Vortrages so zusammen: „Maximaler Erosionsschutz, höchste Wassereffizienz, weniger Pflanzenschutzaufwand, extrem tragfähige Böden, weniger Wurzel-unkräuter, hohe Erträge – bodenfreundlicher und kostengünstiger kann man nicht wirtschaften. Wir haben letztes Jahr unser GPS-Gemisch aus Triticale, Wicke und Erbse mit 60 t Frischmasse geerntet, das ist Maisniveau.“

Vorteile kommen nicht gratis

Natürlich kommen diese Vorteile nicht gratis auf den Hof: „Ihr müsst den Ackerbau neu erlernen“, erinnert Bernd Günther die Anwesenden. „Ihr braucht ein anderes ackerbauliches und technisches Verständnis. Die Saatguteinbettung hat ab sofort höchste Priorität, eure Sämaschinen müssen mit viel Ausprobieren an die Direktsaat und die Betriebs- und Standortgegebenheiten angepasst werden. Und dabei steht ihr unter ständiger Beobachtung, denn ihr seid als Direktsäer Einzelkämpfer in eurer Region. Was glaubt ihr, wie oft mir einer erklärt, warum es bei ihm nicht funktioniert. Die Leute haben aber keine Erfahrung!“

Für viele Berufskollegen sei es auch schwer vorstellbar, fährt Bernd Günther fort, dass das System Direktsaat nicht in erster Linie ein maschinenbezogenes System sei, sondern ein gesamtbetriebliches Konzept, das viel gedankliche Vorarbeit brauche: „Direktsaat beginnt im Kopf. Der chilenisch-deutsche Direktsaatpionier Rolf Derpsch hat Grundsätze zur Direktsaat formuliert, da kommt die Maschine erst an siebenter Stelle. Denn Direktsaat ist nicht die Technik per se, sondern die Hausaufgaben vorher.“ (Abbildung unten)

Eine Sache allerdings sei – bislang jedenfalls – nicht diskutierbar, mit ihr steht und fällt das gesamte System: „Glyphosat ist systemrelevant.“ Hier sei der Punkt, wo die Politik es in der Hand habe, ihre Beteuerungen zum Natur- und Umweltschutz wahrzumachen. Ideologie und einfache Antworten sind hier – wie oft im Leben – nicht hilfreich.

Abbildung: Rolf Derpsch – Grundsätze zur Direktsaat

  1. Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln
  2. Bodenuntersuchungen durchführen
  3. Schlecht drainierte Flächen meiden
  4. Bodenverdichtungen beseitigen
  5. Bodenoberfläche einebnen
  6. Bodenbedeckung herstellen
  7. Direktsaatmaschine kaufen
  8. Auf einer Teilfläche beginnen
  9. Ausgewogene Fruchtfolge mit Zwischenfruchtanbau
  10. Neue Entwicklungen beachten

Catrin Hahn
freie Agrarjournalistin
catrin.hahn@hahn-agrar.de