100 Jahre Traktorentests

- von Wilmot F. Crozier zum DLG-PowerMix

Weshalb gibt es eigentlich Leistungs- und Verbrauchsmessungen an Traktoren? Wir fassen die Entwicklung der Traktorprüfungen zusammen - vom Nebrasca Test Act bis zum DLG PowerMix als heutigem Platin-Standard.

 

Traktorenprüfungen haben eine sehr lange Tradition. Ihre Ursprünge haben sie im Nebraska Tractor Test Act von 1919, einem Gesetz im gleichnamigen US-Bundesstaat. Dieses ging zurück auf die schlechten Erfahrungen, die Wilmot F. Crozier, ein dortiger Farmer mit seinen ersten Traktoren machte: Sein 1916 gekaufter Ford Model B – von der Ford Tractor Company aus Minneapolis, die wider Erwarten außer dem Namen nichts mit der bekannten Automarke gemein hatte – wurde er als 8- bis 16 PS-Schlepper beworben, der einen Zweischarpflug ziehen sollte. Doch der Traktor konnte diese Erwartungen nicht erfüllen. Außerdem war Betriebsfestigkeit Glückssache, denn der Traktor war schon vor Erhalt der Rechnung zum ersten Mal defekt. Auch der Austausch gegen ein 1917er-Modell und nachfolgend ein Little Bull-Traktor brachten keine Abhilfe. Erst mit seiner vierten Kaufentscheidung in drei Jahren, einem Rumely OilPull, wurde Crozier glücklich. Mit seiner Wahl zum Senator in die Nebraska Legislature 1919 setzte dort das oben genannte Gesetz durch. Aufgrund dieses Gesetz durfte und darf bis heute kein Traktor mehr in Nebraska ohne Erlaubnis verkauft werden. Eine Erlaubnis erhielt ein Hersteller oder Händler nur, wenn der Traktor die gemachten Werbeaussagen im Beisein von drei Prüfingenieuren unter Beweis stellte und man eine Werkstatt mit gut bestücktem Ersatzteillager unterhielt.

Bild eines Ford-Traktors "Model B" aus 2016
Der Stein des Anstoßes: Ein Ford (Minneapolis) Model B

Prüfungen ab 1920

Schwarzweiß-Bild aus 1929 zeigt einen Traktor vor einem Zugleistungsmesswagen
Bremswagen von 1929

Nach der ersten erfolgreichen Prüfung an einem John Deere Waterloo Boy Model N am 31. März 1920 ging es Schlag auf Schlag: 65 erfolgreiche Prüfungen im ersten Jahr, insgesamt 172 Prüfungen bis 1930 – alle am Nebraska Tractor Test Laboratory (NTTL), das am Department of Agricultural Engineering der University of Nebraska eingerichtet wurde. Ende 1950 und Anfang 1960 wurde der Nebraska Tractor Test Act dahingehend gelockert, dass er seitdem nur für landwirtschaftliche Zugmaschinen über 20 PS angewendet wurde.

Bereits 1929 zogen die deutschen Ingenieure nach: Am Schlepperprüffeld Potsdam-Bornim ging der vom Institut für Landmaschinenkunde der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin gebaute erste deutsche Zugleistungsmesswagen in Betrieb. Wie an den Stahlrädern mit Greifern unschwer erkennbar, wurde damals noch auf unbefestigtem Untergrund geprüft, aber – wie auch in den USA – bereits während der Zugleistungsmessung der Kraftstoffverbrauch bestimmt. Während die Landtechnikprüfungen der DDR weiter in Bornim blieben, kamen die Traktorprüfungen über die KTL-Prüffelder Schloss Rauischholzhausen bei Marburg und Darmstadt Kranichstein letztlich vor 50 Jahren an die neu gegründete DLG-Prüfstelle für Landmaschinen in Groß-Umstadt, dem heutigen DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel. Hier laufen die Stränge der Geschichte dann auch zusammen: Im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurde das NTTL 1986 zur offiziellen US-amerikanischen und das DLG-Testzentrum Groß-Umstadt zur offiziellen deutschen OECD-Teststation. Die Prüfungen nach OECD-Code 2 sind ein am aktuellen Stand der Technik ausgerichtetes Prüfprogramm zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher und Forst-Traktoren. Die wichtigsten Eckdaten sowie eine Suchmöglichkeit unter den Kurzfassungen finden sich unter www.oecd.org.

Der DLG-PowerMix

Wie viele Prüfverfahren stehen auch die OECD-Code-2-Prüfungen ständig in der Kritik. Vor allem aus der Praxis wurde und wird bemängelt, dass sie aus stationären Messungen von Zapfwellenleistung, Hubkraft und Hydraulikleistung sowie der Zugleistung vor dem Bremswagen bestehen und der entsprechende Motor-Betriebspunkt für die einzelnen Messungen genau vorgegeben ist. Im Prinzip ähnelt dies der Kritik an den gesetzlich vorgegebenen Fahrzyklen von Pkw auf Motoren- und Rollenprüfständen zur Bestimmung der Emissionen und damit der Besteuerung. Dort haben die Hersteller viele Freiheitsgrade, was das „Abklemmen“ von Zusatzverbrauchern wie Lichtmaschine und Klimaanlage, Verwendung minimalen Fahrzeuggewichts, Anpassung der Motorsteuerung oder hohen Luftdruck und damit geringeren Abrollwiderstand in den Reifen angeht. Kurz gesagt: Es fehlt der Praxisbezug.

Aus diesem Grund haben die Fahrzeugtechnik-Ingenieure am DLG-Testzentrum 2005 mit dem DLG-PowerMix eine neue Generation der Traktorenprüfungen etabliert, die heute den „Platin-Standard“ internationaler Traktortests darstellt. Wie bei der realen Arbeit auf Hof und Feld werden Zug-, Zapfwellen- und Hydraulikleistung kombiniert angefordert. In den ersten Jahren wurde hierfür der um das PowerMix-Modul erweiterte DLG-Zugleistungsmesswagen genutzt, seit 2015 werden die Messungen auf dem DLG-Rollenprüfstand durchgeführt.

 

Bild eines Traktors vor dem DLG-Zugleistungsmesswagen
Der heutige DLG-Zugleistungsmesswagen
Bild zeigt einen Fendt-Weinbergschlepper auf dem DLG-Rollenprüfstand
Der DLG-Rollenprüfstand bieten vielfältige Prüfmöglichkeiten für Traktoren

Die 14 Belastungszyklen des DLG PowerMix

Die Grundlage für die Sollwertkurven der heute insgesamt 14 Belastungszyklen (siehe Tabelle) lieferten Leistungsmessungen im Feld mit echten Anbaugeräten. Um die Verbrauchswerte von Traktoren aus unterschiedlichen Leistungsklassen vergleichen zu können, werden diese als spezifischer Kraftstoffverbrauch, d. h. in Gramm pro Kilowattstunde (g/kWh) angegeben. Heutige, moderne Motoren erreichen dabei – trotz umfangreicher Abgasreinigung – Werte von deutlich unter 300 g/kWh.

Nr. Belastungstyp Belastung des Traktors entspricht in der Praxis
1 Zugarbeit 100 % Schweres Pflügen
2 Zugarbeit 60 % Mittelschweres Pflügen (leichte Böden, unterdimensionierter Pflug)
3 Zugarbeit 100 % Tiefes Grubbern
4 Zugarbeit 60 % Mittelschweres Grubbern (z. B. Stoppelbearbeitung)
5 Zug- und Zapfwellenarbeit 100 % Schwere Arbeiten mit der Kreiselegge (z. B. tiefe Bearbeitung)
6 Zug- und Zapfwellenarbeit 70 % Mittelschwere Arbeiten mit der Kreiselegge
7 Zug- und Zapfwellenarbeit 40 % Leichte Arbeiten mit der Kreiselegge (z. B. oberflächliche Bearbeitung, leichte Böden)
8 Zug- und Zapfwellenarbeit 100 % Schwere Mäharbeiten (z. B. 1. Schnitt oder mit Aufbereiter)
9 Zug- und Zapfwellenarbeit 70 % Mittelschwere Zapfwellenarbeit (z. B. 2. Schnitt oder geringerer Ertrag)
10 Zug- und Zapfwellenarbeit 40 % Leichte Mäharbeiten (z. B. nur Frontmähwerk)
11 Zug-, Zapfwellen- und Hydraulikarbeit 100 % Miststreuen
12 Zug-, Zapfwellen- und Hydraulikarbeit 60 % Ballenpressen
13 Transportarbeit 100 % Schwere Transportarbeit (z. B. Bergfahrten)
14 Transportarbeit 25 % Leichte Transportfahrten (z. B. in der Ebene)

Auf dem DLG-Rollprüfstand können heute der spezifische Kraftstoff- und AdBlue-Verbrauch von Traktoren mit bis zu 700 kW (1.000 PS) gemessen werden. Während der Messungen steht der Traktor auf vier Stahlrollen mit jeweils 2 m Durchmesser, die von Elektromotoren angetrieben und gebremst werden können. Diese sind zwischen 2,05 m und 6,00 m auf den erforderlichen Achsabstand einstellbar. Insgesamt rund 35 t bringt jede Einheit aus Rolle, Elektromotor und Motorhalterung auf die Waage – stabil genug, um maximale Achslasten von 30 t, d. h. insgesamt maximal 60 t tatsächliches Gewicht des Traktors aufnehmen zu können. Die maximal übertragbare Zugkraft pro Rad beträgt dabei 135 kN bzw. 13,8 t. Neu ist auch eine Klimaanlage, die durch Austausch von 100.000 m³ Luft pro Stunde für eine gleichbleibende Raumtemperatur von 25 °C in der Prüfhalle sorgt. Seit der Umstellung des Prüfverfahrens auf den neuen Rollprüfstand sind die Prüfmöglichkeiten mit dem DLG PowerMix weiter verbessert worden. Damit stehen den Landwirten nun praxisnahe Verbrauchs- und Leistungswerte für alle wichtigen Traktortypen zur Verfügung.

Chiptuning ausgeschlossen

Vor dem Hintergrund, dass es bei modernen Traktoren heute kein Problem mehr ist, durch Änderungen der Motorsteuerungssoftware die Leistung eines Motors zu erhöhen
bzw. den Kraftstoffverbrauch zu senken, fragen Praktiker beim DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel immer wieder nach, ob die geprüften Maschinen tatsächlich der Serie
entsprechen. Schließlich sind die DLG-Prüfungen freiwillig und die Testmaschinen werden vom Hersteller für die Prüfung zur Verfügung gestellt.

Aus den genannten Gründen ist ein wichtiger Bestandteil des DLG-PowerMix, dass der Hersteller die Serienmäßigkeit und die Zulassungsdaten verbindlich bestätigt, um theoretisch
möglichen Tuningvorwürfen begegnen zu können. Zusätzlich durchläuft jeder Schlepper nach seinem Eintreffen im DLG-Testzentrum eine Leistungsmessung an der Zapfwelle. Diese dient zunächst dazu, die Belastungswerte für die Messungen im folgenden DLG-PowerMix festzulegen. Im Rahmen dieser Leistungsmessung nehmen die DLG-Prüfingenieure aber
die Volllastkurve und die dazugehörigen Verbräuche sowie die Stickoxid-Emissionen auf, die mit den offiziellen Zulassungsdaten verglichen werden.

Insbesondere die Abgasnachkontrolle, die in Anlehnung an die Richtlinie 97/68/EG durchgeführt wird, würde eine übermäßige Optimierung auf Kraftstoffersparnis offenlegen: Bei einer Überprüfung der Messmethode – mit der übrigens alle international führenden Prüfstellen arbeiten – durch die DLG konnte nachgewiesen werden, dass bei einer Kraftstoffeinsparung von ca. 10 % ein gleichzeitiger Anstieg der Stickoxide (NOx) um bis zu 80 % festzustellen ist. In manchen Betriebspunkten stiegen die NOx-Werte sogar um über 200 % an. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass bereits eine kleine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs zu einem deutlichen Anstieg der gebildeten Stickoxide führt. Nachmessungen an bereits regulär geprüften Traktoren , die der DLG von Landwirten ohne Wissen der Hersteller zur Verfügung gestellt wurden, ergaben hier auch nur Abweichungen, die im Rahmen der Serienstreuung liegen.

 

Darstellung der Ergebnisse in neuen Zahlenwerten

Mit dem aktuellen Test eines New Holland T6.180 Dynamic Command hat das DLG-Testzentrum die Ergebnisse aus dem DLG-PowerMix um weitere Zahlenwerte ergänzt. Statt wie bisher den Dieselverbrauch nur konkret, d.h. in Gramm pro Arbeitsstunde (g/kWh), anzugeben, wurden nun weitere praxisorientierte Werte angegeben. So ergibt sich aus dem DLG PowerMix-Mittelwert der zuvor skalierten Feldzyklus-Arbeitsbreiten und der mittleren Fahrgeschwindigkeit die Flächenleistung in Hektar pro Stunde oder aus der virtuellen Beladung des Anhängers und dem daraus resultierenden tatsächlichen Gewicht von Traktor und Anhänger zusammen die Transportleistung in Tonnenkilometern pro Stunde. Aus diesen Werten kann man dann auf den Verbrauch pro Hektar oder Tonnenkilometer zurückrechnen. Mit solchen Zahlen findet der Landwirt eine neue Ergebnisdarstellung des DLG PowerMix mit zusätzlichen praxisrelevanten Zahlenwerten vor.

Werkbild eines New-Holland-Traktors mit Pflug
New Holland T6.180 Dynamic Command (Werkbild)

New Holland T6.180 Dynamic Command

Das neueste Modell der T6-Baureihe, der T6.180 Dynamic Command, rundet die Modellreihe ab und ergänzt den einzigen 6-Zylinder-Traktor der Baureihe um das 8-stufige Semi-Powershift-Getriebe Dynamic Command mit Doppelkupplung.  Damit sind nun - mit Ausnahme des T6.125 - alle Modelle der Baureihe mit drei Getriebeoptionen erhältlich: Electro Command, Dynamic Command und Auto Command. Der Traktor wird von einem NEF-Motor mit 6,7 l Hubraum angetrieben, der die Anforderungen der Abgasstufe IV mit HI-eSCR ohne Abgasrückführung erfüllt. Beim Dynamic Command-Getriebe haben die vier geraden und vier ungeraden Gänge jeweils eigene Wellen und Kupplungen. Beim Gangwechsel öffnet sich eine Kupplung, während sich die andere gleichzeitig schließt, was einen sanften und effizienten Gangwechsel ermöglicht. Das Schalten zwischen den drei Gruppen erfolgt automatisch.