Wenn der Grasaufwuchs den Takt bestimmt
Abkalbungen im Block
Michael Gowing ist ein Milchviehhalter in Irland. Sein Betrieb liegt im Herzen von Irland, in den Midlands, einer viehreichen Region. Es ist Anfang März und vor acht Wochen, Anfang Januar, hat Michaels 500-köpfige Milchviehherde begonnen zu kalben. Die Arbeitsbelastung in diesen Wochen ist enorm. Aber die Vorteile überwiegen.
Knapp 500 Abkalbungen in zehn Wochen
Michaels Herde hat Anfang März zu ungefähr 93 % abgekalbt, mehr als 380 Kälber sind auf seiner Farm in den letzten Wochen geboren worden. Ziel ist es, dass traditionell zum St. Patrick´s Day am 17. März, dem vielleicht wichtigsten irischen Feiertag, alle Kühe abgekalbt haben. Diese Wochen der Blockabkalbungen sind sehr arbeitsintensiv: Michael muss nicht nur die Geburten bewältigen, es beginnt auch wieder der Melkbetrieb. Dazu müssen die Färsen angelernt werden und die Kälber sind zu versorgen. Dabei sind die Wochen vor der Blockabkalbung relativ ruhig, schließlich fällt der Melkbetrieb für einige Wochen weg, aber wenn es beginnt, dann heftig. Der Abkalbebereich ist mit Kameras ausgestattet, sodass Michael in der Nacht das Geschehen erst mal aus dem Schlafzimmer beobachten kann. Selten brauchen seine Kühe Geburtshilfe, den Tierarzt hat er die letzten Jahre nicht gebraucht.
Sein wirksamstes Mittel, um diese Arbeitsspitzen zu bewältigen, ist seine Liebe zum Beruf, oder, wie er sagt, dass sein Hobby auch gleichzeitig sein Beruf ist. Seine Familie betreibt in der 9. Generation Milchviehwirtschaft, er hat 2010 den Betrieb gekauft. Sowohl sein Bruder wie auch sein Vater haben ihre eigenen Milchviehbetriebe in Irland.
Mit drei weiteren Arbeitskräften, zwei Vollzeit- und einer Teilzeitkraft, bewirtschaftet Michael den Betrieb. Seit letztem Oktober unterstützen ihn zwei nepalesische Mitarbeiter, die vorher auf einem Milchviehbetrieb in Saudi-Arabien gearbeitet haben. Irland hat eine hohe Einwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus allen Bereichen. Seine Teilzeitkraft stammt aus der Nachbarschaft. Gleich zu Beginn des Gespräches verrät der erfolgreiche Landwirt seine Formel für eine erfolgreiche Blockabkalbung – sich selbst ein Stoppdatum setzen. So wird jede Kuh aus der Herde entfernt, die bis zu einem bestimmten Datum nicht aufgenommen hat – und sei es selbst die Höchstlaktierende. Alle Kühe werden auf Michaels Farm von ihm künstlich besamt. Die Brunsterkennung erfolgt durch Sensoren an Halsbändern. Letztes Jahr hat Michael an einem Versuch teilgenommen. Dabei wurden 250 Kühe und Färsen synchronisiert und mit gesextem Sperma besamt. Ziel der Untersuchung ist es, wie man die Nutzung von Synchronisation und Einsatz von gesextem Sperma miteinander kombinieren kann und welche Effekte erzielt werden. Die Konzeptionsrate liegt bei den Färsen mit gesextem Sperma bei 73 %, bei den Kühen mit gesextem Sperma bei 59 %, bei konventionellem Sperma bei ca. 70 %. Die Trächtigkeitsuntersuchung erfolgt mit Ultraschall, über die Tiergesundheitsdaten des Halsbandsensors sowie dem Milchträchtigkeitstest.
Damit seine Kühe möglichst lange in seiner Herde bleiben (seine älteste Kuh ist 14 Jahre alt, die durchschnittliche Lakationsanzahl ist 6,2 Laktationen), muss die Fruchtbarkeit stimmen. Die für ihn wesentlichen Faktoren für eine gute fruchtbare Herde sind neben dem Economic Breeding Index (ein irischer Zuchtwert) die Fütterung, eine sehr gute Mineralstoffversorgung, ein gutes Impfprogramm zur Vermeidung von infektiösen (Abort-)Ursachen wie zum Beispiel Leptospiren und eine perfekte Kälberaufzucht. Michael ist überzeugt davon, dass im ersten Lebensjahr der Grundstein für die Lebensleistung einer Kuh gelegt wird. Diesen Grundsatz seiner Tätigkeit lebt der passionierte Milchfarmer, und mit entsprechend viel Sorgfalt gestaltet er die Kälberaufzucht.
Lebensversicherung Kolostrum drenchen
Jedes Kalb, männlich oder weiblich, nachts oder tags geboren, wird von Micheal mit vier Litern Kolostrum gedrencht. Das bezeichnet er als natürlichste, effektivste und kostengünstigste Lebensversicherung für das Kalb. Er stellt nur sicher, dass es auch jedes Kalb bekommt. Auch die Bullkälber, die meist für den Verkauf bestimmt sind, werden trotz des relativen Arbeitsaufwands gedrencht. Michael möchte keine Lücke entstehen lassen auf seinem Betrieb, die Eintrittspforten für Infektionserreger sein könnten. Bei so vielen Jungtieren in einem kurzen Zeitraum müssen alle gesund bleiben. Die Gefahr ist viel zu groß, dass von einem nicht gut versorgten Teil der Herde ein Infektionsherd ausgeht und die ganze Jungtiergruppe mit sich reißt. Insofern macht er in der Kolostrumversorgung von Verkaufs- und Remontierungstieren keinen Unterschied, wie es bei Berufskollegen aus Gründen der Zeitersparnis nicht unüblich ist.
Die Mutterkühe werden im Zeitraum von zwei bis acht Wochen vor der Geburt gegen Rota- und Coronaviren geimpft und so ist die Biestmilch mit diesen Antikörpern noch mal besonders angereichert. Auf dem Betrieb wird die Kolostrumqualität mit einem Brix-Refraktometer bestimmt. 22 Brix und mehr sind gut genug, um als Erstgemelk gedrencht zu werden. Kolostrum mit einem geringeren Brixwert findet Verwendung bei zwei, drei Tage alte Kälbern. Bei der Blockabkalbung tritt eigentlich nie das Problem auf, dass zu wenig Biestmilch auf dem Hof ist. Für den Notfall aber hat Michael dennoch ein paar Liter gutes Kolostrum eingefroren. Die Arbeitswege sind kurz auf dem Betrieb. Direkt gegenüber dem geräumigen Abkalbebereich liegt der Kälberstall. Eine große Halle, die gut zu misten und zu reinigen ist, gut ausgeleuchtet. Hier gibt es Einzelboxen und drei große Gruppenboxen. Hygiene ist bei einer so großen Anzahl von Kälbern ein wichtiger Aspekt der Gesunderhaltung.
Alle Kälber verbleiben in der ersten Lebenswoche in Einzelboxen. Dort erhalten sie mit einem Nuckeleimer Vollmilchtränke. Nach dieser Einzelphase gehen die Kälber in die Gruppenbuchten an den Tränkeautomaten. Hier sind es die überwiegend weiblichen Tiere, aber auch einige Bullenkälber, die Micheal für seine eigene Herde remontiert. Michael probiert viele unterschiedliche Fleischrassen als Vatertiere aus und seine Beef-on-dairy-Kälber sind dementsprechend bunt gemischt. Zu sehen sind hier Kreuzungen aus Aberdeen Angus, Herford, Charolais, Belgian Blue, Simmentaler, Aubrac. Die Kälber, die zum Verkauf bestimmt sind, verlassen meist mit 14 Tagen den Betrieb. Der Landwirt hat einen guten Ruf in der Umgebung und deshalb feste Abnehmer in der Region. Er muss nicht exportieren. Das ist ihm wichtig, denn er mag seine Tiere und er möchte, dass es ihnen auch noch nach dem Verlassen des Betriebes gut geht.
Blockabkalbung und Gruppen-haltung sind unmittelbar miteinander verknüpft
Zurück in den drei Gruppenbuchten sieht man gut entwickelte, kräftige Kälber, die ihr Gruppenleben sichtlich genießen. Sie machen Wettrennen, messen ihre Kräfte, kuscheln, trinken gemeinsam. Die Überlegungen, die in Deutschland derzeit bemüht werden zur mindestens paarweisen Aufzucht von Kälbern, erscheinen einem hier fremd. Die Vorteile einer Gruppenhaltung sind hier offensichtlich, aber natürlich auch durch die Blockabkalbung gefördert. Denn wo sieht man eine so große, altershomogene Kälbergruppe ansonsten?
Die Fütterung in der Gruppenhaltung übernimmt der Tränkeautomat. Schon vor gut zehn Jahren hat sich Michael für diesen Tränkeautomaten entschieden, und er ist sehr zufrieden damit. Die Kaufentscheidung für dieses Modell ist durch die Möglichkeit der Kombifütterung von Milchaustauscher und Vollmilch gefallen. Michael hat so viel Transitmilch zur Verfügung, dass es für ihn unökonomisch wäre, stattdessen Milchpulver zu vertränken. Außerdem ist Vollmilch in seinen Augen immer noch das beste Produkt für Kälber. Er wertet sie nur noch auf! Und zwar mit einem Prä- und Postbiotikum zur Unterstützung des Darmmikrobioms sowie Milchaustauscher. Mit der Beimischung von Milchaustauscher möchte er auf einen Trockenmassegehalt in der angemischten Milch von 15 % kommen. Bei einem üblichen Trockenmassegehalt von ungefähr 12,5 % in der Vollmilch fügt er noch dementsprechend viel Milchaustauscher hinzu. Während der ersten Lebenswochen erhalten die Kälber am Tränkeautomaten bis zu zehn Liter dieser aufgewerteten Vollmilchtränke. Michael hat mehrere Vorträge zur metabolischen Programmierung von Kälbern gehört und für ihn bewahrheitet sich dieser Ansatz sehr stark in der Praxis. Das, was er macht, ist teuer, wenn er seine Rechnung nur auf das erste Lebensjahr seiner Kälber beschränkt. Wenn er aber die Kosten auf die gesamte Aufzuchtperiode umrechnet, bis seine Färsen mit 24 Monaten abkalben, dann ist diese Aufzucht unterm Strich ökonomischer. Und zudem ist sie motivierender für ihn selbst und seine Mitarbeiter, da es mehr Spaß macht, mit guten und gesunden Jungtieren zu arbeiten.
Individueller Startpunkt von Festfutter
Sobald es das Wetter zulässt, kann Michael die Türen der Gruppenboxen nach außen öffnen und die Tiere können das erste Gras zu sich nehmen. Er beobachtet, dass jedes Tier seinem eigenen Rhythmus folgt – ebenso wie bei der Aufnahme von Kraft- und Raufutter. Festfutter und Wasser bietet er den Tieren ab der ersten Lebenswoche an. Werden die Tiere nicht durch Hunger angetrieben, Festfutter aufzunehmen, so hat jedes Kalb seinen eigenen individuellen Zeitpunkt, wann es anfängt, Heu zu knabbern, das Gras auszuprobieren oder Kälberkorn zu probieren. Die Abtränkephase beginnt Micheal mit seinen Kälbern im Alter von ca. 80 Lebenstagen, er gestaltet sie dann über drei Wochen. Das Absetzgewicht liegt bei den Kälbern zwischen 100 und 110 kg Lebendgewicht. Kontrolle über die Kälberentwicklung macht er tatsächlich rein über das Auge. Ihm ist es wichtig, dass die Kälber bei der schrittweisen Reduzierung der Tränke nicht einen Wachstumseinbruch erleiden, sondern dass ihre Entwicklung ungebremst weiter vonstattengeht. Sieht er, dass ein Kalb mehr Tränkeanrechte braucht als seine Gruppenmitglieder, so gibt er es ihm gerne auf individueller Basis. Im ersten Winter, nachdem sie im Sommer einen guten Weidegang hatten, füttert Michael diesen Jungtieren eine gute Grassilage und zwei Kilogramm Kraftfutter. Seinen belegten Färsen, vor der Abkalbung, füttert er kein Kraftfutter mehr. Hier befürchtet er, dass sie verfetten, und er hält hier die Kraftfuttergabe auch für ineffizient.