Den heimischen Wald langfristig an den Klimawandel anpassen

Klimaanpassung des Waldes, der Waldbewirtschaftung und der holzbasierten Wertschöpfung - Eine langfristige Herausforderung

Nicht nur der Wald, sondern die gesamte Waldbewirtschaftung und die holzbasierten Wertschöpfungsketten werden durch den Klimawandel vor langfristige Herausforderungen gestellt. Im nachfolgenden Beitrag werden unterschiedliche Handlungsfelder zur Klimaanpassung aufgezeigt. 

Im Jahr 2021 wurde für die Schadensjahre 2018 - 2020 ein Schadholzaufkommen von 177 Mio. m³ (etwa drei Jahreseinschläge), 285. Tsd. ha wiederzubewaldende Kahlflächen und ein wirtschaftlicher Schaden von 12,7 Mrd. Euro (etwa das Zehnfache des jährlichen Nettounternehmensgewinns des Wirtschaftsbereiches) ausgewiesen. Diese Schäden haben die Folgen des Klimawandels unmittelbar aufgezeigt und den Bedarf nach Anpassung des Waldes, der Forstwirtschaft und der holzbasierten Wertschöpfung an den Klimawandel verdeutlicht.
 

Klimaangepasster Waldumbau

Laut dem BMEL sind seit dem Jahr 2018 – verursacht durch Waldschäden – mittlerweile über 0,5 Mio. ha Kahlflächen wiederzubewalden. Auf vielen Kalamitätsflächen dürften die bisherigen Hauptbaumarten nicht mehr klimaangepasst sein. Waldeigentümer stehen daher vor der Entscheidung entweder hohe Investitionskosten für eine aktive, klimaangepasste Wiederbewaldung der Kalamitätsflächen zu leisten oder auf eine passive Wiederbewaldung durch natürliche Sukzession zu setzen. Während durch eine passive Wiederbewaldungsstrategie hohe Investitionskosten eingespart werden können, wären die entstehenden Sukzessionsflächen zumindest auf Jahrzehnte mit ertragsschwächeren Pionierbaumarten bestockt, da ertragsstarke Ersatzbaumarten, wenn überhaupt, nur langfristig natürlich einwandern könnten.

Von Rosenkranz et al. (2023) wurden die langfristigen ökonomischen Auswirkungen dieser beiden kontrastierenden Wiederbewaldungsstrategien für Kalamitätsflächen mit einem Simulationsmodell für den deutschen Wald analysiert (Abbildung 1).

Björn Seintsch, Leiter des Arbeitsbereichs Waldwirtschaft in Deutschland, Thünen-Institut für Waldwirtschaft, Hamburg
Björn Seintsch, Leiter des Arbeitsbereichs Waldwirtschaft in Deutschland, Thünen-Institut für Waldwirtschaft, Hamburg
Abbildung 1: Kultur- und Läuterungskosten einer aktiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen (HIA-Szenario) und einer passiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen durch Sukzession mit Birke (LIA-Szenario) sowie des aktiven, klimaresilienten Waldumbaus der regulären Endnutzungsbestände (Quelle: Rosenkranz et al. 2023)
Abbildung 1: Kultur- und Läuterungskosten einer aktiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen (HIA-Szenario) und einer passiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen durch Sukzession mit Birke (LIA-Szenario) sowie des aktiven, klimaresilienten Waldumbaus der regulären Endnutzungsbestände (Quelle: Rosenkranz et al. 2023)

Die Ergebnisse zeigen, dass Passivität bei der Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen langfristig zu sinkenden Holzvorräten und -erntemengen sowie zu schlechterem Betriebserfolg führen wird. In Abbildung 2 ist der Holzeinschlag bei einer aktiven Wiederbewaldung (High Intensity Adaptation = HIA-Szenario) und bei einer passiven Wiederbewaldung (Low Intensity Adaptation = LIA -Szenario) im Zeitverlauf dargestellt. Da für die Baumarten Überlebenswahrscheinlichkeiten bei einem deutlichen Klimawandel (RCP 8.5-Szenario) unterstellt wurden, fallen in der ersten Simulationsperiode hohe Anteile der Altbestände aus und der Gesamteinschlag beläuft sich in beiden Szenarien auf 109 Mio. m³/a. Während der Holzeinschlag im LIA-Szenario danach kontinuierlich rückläufig ist (54 Mio. m³/a zum Ende), bewegt sich der Holzeinschlag im HIA-Szenario danach auf einem relativ konstanten Niveau von 80 Mio. m³/a. Eine aktive Wiederbewaldung mit klimaangepassten und ertragsstarken Baumarten ist daher langfristig ökonomisch vorteilhafter. Die aktive Wiederbewaldung erfordert jedoch erheblichen finanziellen Input der heutigen Generation zugunsten künftiger Generationen (Rosenkranz et al. 2023).

Abbildung 2: Holzeinschlag bei einer aktiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen (HIA-Szenario) und bei einer passiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen durch Sukzession mit Birke (LIA-Szenario) sowie des aktiven, klimaresilienten Waldumbaus der regulären Endnutzungsbestände (Quelle: Rosenkranz et al. 2023)
Abbildung 2: Holzeinschlag bei einer aktiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen (HIA-Szenario) und bei einer passiven Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen durch Sukzession mit Birke (LIA-Szenario) sowie des aktiven, klimaresilienten Waldumbaus der regulären Endnutzungsbestände (Quelle: Rosenkranz et al. 2023)

Waldumbau von Risikostandorten

Maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Waldumbaukosten hat, ob proaktiv oder reaktiv gehandelt wird. Bei einem proaktiven Handeln, vor dem Eintritt von Kalamitätsereignissen, sind die Kultur- und Läuterungskosten für den Folgebestand überwiegend geringer und die waldbaulichen Handlungsfreiheiten höher. Da die Ausgangsbestände auf Risikostandorten auch vorzeitig umgebaut werden müssten, sind jedoch Hiebsunreifeverluste in Kauf zu nehmen. Bei einem reaktiven Handeln nach Kalamitätsereignissen sind die Kosten für die Etablierung des Folgebestandes deutlich höher und auch die Handlungsfreiheiten sind eingeschränkt. Neben einer klimaangepassten Baumartenwahl wären auch die Umtriebszeiten kritisch zu überprüfen, da sich mit steigendem Bestandesalter auch die Ausfallrisiken erhöhen.
 

Neue forstbetriebliche Ertragsmöglichkeiten

Nach dem Testbetriebsnetz Forst (TBN-Forst) erzielten Privatwaldbetriebe im Vorkalamitätsjahr 2017 durch Holzerträge 86 % des Gesamtertrages in den Produktbereichen 1-3 (TBN-Forst), so das BMEL. Der Fichte kommt als „Brotbaum“ eine herausragende Bedeutung in den Forstbetrieben zu: Im Mehrjahresmittel werden zwei Drittel der Holzverkaufserträge mit der Fichte erzielt (Ermisch et al. 2013). Laut dem BMEL hatten öffentliche Fördermittel im Jahr 2017 mit 8,46 Euro/ha einen Anteil von 2 % an der Ertragsentstehung der TBN-Privatwaldbetriebe. Die Forstbetriebe haben somit ihre Erträge bisher durch Rohholz erzielt und die von der Gesellschaft nachgefragten weiteren Ökosystemleistungen, insbesondere Klima- und Biodiversitätsschutz, führten nur zu marginalen forstbetrieblichen Erträgen. Ebenso hatten öffentliche Mittel bisher nur einen geringen Anteil.

Angesichts eines hohen Investitionsbedarfs für klimaangepassten Waldumbau stellt sich für Forstbetriebe zunehmend die Frage, wie zukünftige Erträge generiert werden sollen, wenn die ertragsstarke Fichte im Klimawandel ausfällt. Mit dem Bundesförderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ können Forstbetriebe seit wenigen Jahren für die Klimaanpassung sowie zusätzliche Klima- und Biodiversitätsschutzleistungen honoriert werden. Hierfür müssen sie sich zur Einhaltung von elf beziehungsweise zwölf übergesetzlichen und über die Anforderungen der Forstzertifizierung hinausgehende Kriterien verpflichten. Weiterhin könnten neue Geschäftsfelder erschlossen werden, wie sie sich aktuell beispielsweise durch erneuerbare Energien oder Bestattungswälder bieten. Darüber hinaus wären innovative, zusätzliche Geschäftsfelder zu entwickeln. 
 

Forstbetriebliches Risikovorsorgemanagement

Es ist zu erwarten, dass durch den Klimawandel die Häufigkeit und Intensität von Extremwettereignissen zunimmt. Forstbetriebe werden immer öfter von Schadensereignissen betroffen sein. Vor diesem Hintergrund sind, neben einer allgemeinen Anpassung der Waldbewirtschaftung an den Klimawandel, insbesondere Risikovorsorgemaßnahmen sowie Krisenmanagementpläne zu entwickeln. Im Hinblick auf häufigere Dürreperioden wären beispielsweise temporäre Bewässerungsmöglichkeiten für Forstkulturen (bei Bedarf) sowie zusätzliche Brandschutzmaßnahmen (zum Beispiel Anlage von Löschteichen oder Brandschutzstreifen) zu prüfen. Im Hinblick auf ein hohes Kalamitätsholzaufkommen wäre zum Beispiel die Bildung von forstbetrieblichen Rücklagen oder Versicherungslösungen zur Schadensbewältigung oder das Vorhandensein von (überbetrieblichen) Nasslagerplätzen eine Option.          
 

Anpassung der holzbasierten Wertschöpfung

Wie aus der Abbildung 3 ersichtlich wird, stützen sich die inländische Rohholzverwendung im Jahr 2022 insgesamt zu 77 % und die stofflichen Rohholzverwender zu 93 % auf Nadelholz, während das Laubholz zu 79 % energetisch genutzt wird. In Folge des Klimawandels müssen sich alle Rohholzverwender auf ein „Post-Fichten-Zeitalter“ einstellen. Langfristig ist mit höheren Flächenanteilen des Laubholzes mit geringerem Rohholzaufkommen und einem breiten Spektrum an Baumarten und Holzqualitäten zu rechnen. Dieses veränderte Rohholzaufkommen wird auch bei den stofflichen Verwendern grundlegende Anpassungen erforderlich machen: Die holzbasierte Wertschöpfung aus Laubholz ist zwingend zu erhöhen. Werden keine neuen, innovativen Technologien und Produkte für das veränderte Rohholzaufkommen entwickelt, ist mit Produktionsverlagerungen ins Ausland zu rechnen.

Abbildung 3: Inlandsverwendung an Rohholz der 1. Verarbeitungsstufe 2022 (Quelle: Thünen-Institut für Waldwirtschaft)
Abbildung 3: Inlandsverwendung an Rohholz der 1. Verarbeitungsstufe 2022 (Quelle: Thünen-Institut für Waldwirtschaft)

Zusammenfassung

Zu den Auswirkungen des Klimawandels bestehen im hohen Maße Risiken (= Auswirkungen und Eintrittswahrscheinlichkeiten sind bekannt), Unsicherheiten (= Auswirkungen sind bekannt und Eintrittswahrscheinlichkeiten sind unbekannt) und Ungewissheiten (= Auswirkungen und Eintrittswahrscheinlichkeiten sind unbekannt). Diese Risken, Unsicherheiten und Ungewissheiten sind offen zu kommunizieren und das adaptive Klimaanpassungsmanagement kontinuierlich an neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis anzupassen. Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs bei der Klimaanpassung, bedarf es auch Mut zu Fehlern.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Anpassung an den Klimawandel nicht nur den Wald, sondern die gesamte Waldbewirtschaftung und holzbasierte Wertschöpfung betreffen wird und alle Beteiligten vor große und langfristige Herausforderungen stellt.

Quellen

Bolte A, Höhl M, Hennig P, Schad T, Kroiher F, Seintsch B, Englert H, Rosenkranz L (2021): Zukunftsaufgabe Waldanpassung. AFZ Wald 76(4):12-16

Ermisch N, Seintsch B, Dieter M (2013): Analyse des TBN-Forst zum Erlösbeitrag der Holzartengruppen: Holzartengruppe Fichte 2003 bis 2011 konstant mit höchstem Erlösbeitrag. AFZ Der Wald 68(23):6-9

Möhring B, Bitter A, Bub G, Dieter M, Dög M, Hanewinkel M, Graf von Hatzfeld N, Köhler J, Ontrup G, Rosenberger R, Seintsch B, Thoma F (2021) Schadenssumme insgesamt 12,7 Mrd. Euro: Abschätzung der ökonomischen Schäden der Extremwetterereignisse der Jahre 2018 bis 2020 in der Forstwirtschaft. Holz Zentralbl 147(9):155-158

Rosenkranz L, Arnim G von, Englert H, Husmann K, Regelmann C, Roering H-W, Rosenberger R, Seintsch B, Dieter M, Möhring B (2023) Alternative forest management strategies to adapt to climate

  • Björn Seintsch
    Björn Seintsch

    Leiter des Arbeitsbereichs Waldwirtschaft in Deutschland, Thünen-Institut für Waldwirtschaft, Hamburg