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Trends bei Traktoren

Einsatz von alternativen Kraftstoffen und Leistungselektrik

Die Agritechnica gilt weltweit als wichtigste Neuheiten-Plattform für Landtechnik. Ein besonderer Besuchermagnet sind auf der Messe vom 12. bis 18. November 2023 in Hannover die Traktoren-Neuheiten. Informieren Sie sich vorab über die wichtigsten Trends bei Traktoren!

Die Traktorentwicklung war in den letzten Jahren stark von der Abgasgesetzgebung geprägt. Common-Rail-Einspritzung, Vierventiltechnik, Turbolader, Ladeluftkühlung und die elektronische Motorsteuerung stellen bei Dieselaggregaten, die der aktuell gültigen EU-Abgasstufe V entsprechen, die motortechnischen Grundpfeiler dar, um die Anforderungen an Leistung, Verbrauch und Emissionen erfüllen zu können. Bei den Leistungsklassen von 56 bis 560 kW sind auch die Abgasnachbehandlungssysteme Dieseloxidationskatalysator (DOC), Dieselpartikelfilter (DPF) und Selektive Katalytische Reduktion (SCR) unabdingbar, ergänzt werden diese teilweise durch die Abgasrückführung (AGR). Viele Hersteller haben ihre Abgasstufe-V-Aggregate mittlerweile für die Verwendung von HVO (Hydrotreated Vegetable Oil/hydriertes Pflanzenöl) freigegeben. Um konventionelle Dieselmotoren ist es in den vergangenen zwei Jahren ansonsten aber eher etwas ruhiger geworden.

Alternative Kraftstoffe

Mit der CO2-Problematik in den Vordergrund gerückt sind dafür Verbrennungsmotoren für alternative Kraftstoffe. Cummins kündigte mit dem 6-Zylinder-Aggregat „Fuel-Agnostic X15“ (14,9 Liter Hubraum) Anfang 2022 als erster Hersteller eine Motorenplattform für mehrere Kraftstoffe an (Diesel/HVO, Methan und Wasserstoff). Basis ist ein einheitlicher Grundmotor, der sich mit verschiedenen Zylinderkopfmodulen kombinieren lässt. Einen ähnlichen Weg geht FPT mit dem vor einem Jahr als „multi-fuel single base engine“ vorgestellten XC13 (6 Zylinder, 12.9 Liter Hubraum). Mit dem neuen Cursor-X-Konzept soll ebenfalls ein Baukasten mit Zylinderkopfmodulen für Diesel/HVO, Methan, Wasserstoff und weitere erneuerbare Kraftstoffe dargestellt werden.

AGCO Power kündigte mit der Core-Baureihe ebenfalls eine neue Motorenplattform an. Erster Vertreter war der Core 75 mit 6 Zylindern und 7,5 Liter Hubraum, der in der neuen Traktorbaureihe Fendt 700 Gen7 zur Anwendung kommt und auch mit HVO betrieben werden kann. Diese Plattform soll in Zukunft ebenfalls so weiterentwickelt werden können, dass sich auch sonstige alternative Kraftstoffe verwenden lassen, je nach Marktentwicklung. Mit dem für die neue Fendt-Baureihe 600 Vario vorgesehenen Core 50 steht bereits ein nächstes Motormodell in den Startlöchern. Mit einer Maximalleistung von 224 PS (inklusive DynamicPower) wird die 200-PS-Marke von diesem 4-Zylindermotor mit 5,0 Liter Hubraum bei Traktoren erstmals deutlich geknackt – bei einer Nenndrehzahl von lediglich 1900 min-1.

Neben Cummins und FPT arbeiten weitere Hersteller von Nonroad-Antriebstechnik an H2-Verbrennungsmotoren, darunter Deutz, JCB und Liebherr. Dieser Ansatz wird derzeit auch in der Nutzfahrzeugbranche als wirtschaftlichste und praktikabelste Lösung angesehen, um mit dem kohlenstofffreien Wasserstoff kurz- und mittelfristig CO2-Reduktionen erzielen zu können. Voraussetzung hierfür ist aber immer, dass dieser aus grünen Quellen stammt. Auf den Fahrzeugen mitgeführt werden kann Wasserstoff – wie Methan – gasförmig in Druckbehältern oder flüssig in isolierten Tanks. Die Motortechnologien für diese beiden Energieträger sind sich ebenfalls ähnlich (Otto-Verfahren oder High Pressure Direct Injection, HPDI).

Gasmotoren-Durchbruch dank LNG

Gasmotoren-Durchbruch dank LNG jetzt auch in der Landwirtschaft?
New Holland profitierte bisher schon von der langjährigen Erfahrung der Konzernschwester Iveco/FPT und brachte 2022 mit dem T6.180 Methane Power als erster Hersteller einen Serientraktor mit Gasmotor auf den Markt. Das Methan wird hier gasförmig in Form von CNG (Compressed Natural Gas) in Druckbehältern mitgeführt. Da die Energiedichte von CNG pro Liter Tankvolumen im Vergleich zu Diesel bei nur rund einem Fünftel liegt, sind die Einsatzzeiten von solchen Fahrzeugen generell eingeschränkt. Wesentlich besser sieht das Verhältnis beim tiefkalten, flüssigen LNG (Liquefied Natural Gas) aus, weshalb dieses schon seit Jahren im Lkw-Fernverkehr eingesetzt wird. Bei Traktoren war LNG bisher kaum ein Thema, weil sich die üblichen zylinderförmigen, vakuum-isolierten Tanks schlecht in den knappen Bauraum integrieren lassen und weil aufgrund von längeren Standzeiten größere Mengen an Boil-off-Gas (Abdampfverluste) entstehen können.

Autarkes Kühlsystem

New Holland präsentiert mit dem T7.270 Methane Power LNG jetzt einen Gastraktor mit LNG-Tanks, bei denen sich diese Probleme umgehen lassen sollen. Dank einer speziellen Doppelwand-Technologie müssen die vakuum-isolierten LNG-Tanks nicht mehr zwingend eine zylindrische Form aufweisen und können so besser an traktortypische Platzverhältnisse angepasst werden – ähnlich wie Dieseltanks.

Beim T7.270 LNG können damit 200 Kilogramm Methan mitgeführt werden, was im Vergleich zu den rund 30 Kilogramm des T6.180 Methane Power rund sieben Mal mehr ist (bezogen auf die integrierten CNG-Behälter). Der Boil-off-Gas-Problematik tritt New Holland mit einem „Cryo-Cooler“ entgegen, der das Methan ständig unter minus 162 Grad Celsius und somit in flüssigem Zustand hält. Die für den elektrisch angetriebenen Kühler erforderliche Energie ist sehr gering und kommt aus einer Batterie, die entweder über eine externe Stromquelle oder den integrierten IC-Generator geladen werden kann (Betrieb mit Boil-off-Gas). Damit könnten LNG-Gasmotorenkonzepte jetzt auch in der Landwirtschaft zu einer geeigneten Antriebsoption werden, verbunden mit der Chance, eigenes Biogas (Bio-LNG) als Fahrzeugtreibstoff in CO2-neutralen Kreisläufen verwenden zu können.

Genügend Zeit zum Laden

Die Batterietechnik wird stetig weiterentwickelt und in den vergangenen Jahren konnten sowohl die gravimetrischen als auch die volumetrischen Energiedichten laufend erhöht werden (Wh/kg resp. Wh/l). Aus heutiger Sicht dürften Batterien aber immer relativ groß und schwer bleiben, weshalb sich damit ausgerüstete Fahrzeuge in erster Linie für leichte und mittelschwere Anwendungen eignen oder für periodisch wiederkehrende Arbeiten, bei welchen genug Zeit für das Zwischenladen vorhanden ist. In der Landwirtschaft liegen solche Bedingungen u. a. bei kleineren Traktoren vor, die jetzt nach und nach auf den Markt kommen.

Rigitrac baut den Kompakttraktor SKE 40 Electric (Dauer-/Peakleistung Fahrantrieb 40/64 kW, Batteriekapazität 50 kWh) seit diesem Jahr in Kleinserie. Für 2024 angekündigt sind der Schmalspurtraktor Fendt e107 V Vario (Dauer-/Peakleistung 55/66 kW, Batteriekapazität 100 kWh) und der New Holland T4 Electric Power (Dauer-/Peakleistung 55/89 kW, Batteriekapazität 110 kWh). Die Ladeleistungen mit Wechselstrom (AC) liegen bei allen drei Modellen bei 22 kW, bei denjenigen mit Gleichstrom (DC) zwischen 80 und 100 kW.

Brennstoffzellenantriebe stecken noch in den Kinderschuhen

Brennstoffzellenantriebe zählen ebenfalls zu den elektrischen Systemen. Der Strom kommt hier aber nicht aus der Steckdose, sondern wird erst auf dem Fahrzeug aus Wasserstoff erzeugt. Da Brennstoffzellen nicht schnell auf Lastwechsel reagieren können und das Wirkungsgradoptimum zudem im mittleren Lastbereich liegt, werden diese bei Fahrzeugantrieben immer mit Pufferbatterien kombiniert. Meistens stellt die Brennstoffzelle das Hauptelement dar und die Batterie das Zusatzelement, das Lastspitzen abdeckt und Bremsenergie speichern kann. Die Brennstoffzelle lässt sich aber auch als „Range Extender“ einsetzen, um die Reichweite von batterieelektrischen Fahrzeugen zu vergrößern.

Aktuelle Prototypen/Studien gibt es u. a. von Fendt. Der im Rahmen des Forschungsprojektes H2Agrar entwickelte HELIOS (hydrogen-electric operated tractor system) arbeitet mit einer 100-kW-Brennstoffzelle und einer 25-kWh-Pufferbatterie. Er kann somit dem Konzept „Brennstoffzelle als Hauptantrieb“ zugeordnet werden. In fünf über dem Kabinendach montierten Hochdruckbehältern können insgesamt 21 kg Wasserstoff mitgeführt werden (700 bar). Genügend Energie für die geforderten Einsatzzeiten/Reichweiten mitführen zu können, stellt auch bei Brennstoffzellenfahrzeugen generell eine große Herausforderung dar.

Beim DLG-Wettbewerb „AgriFuture Concept Winner 2023“ reichte Fendt zudem die Studie einer mobilen Brennstoffzelle ein, die aus grünem Methanol Strom erzeugen und damit die Batterie des Fendt e107 V Vario laufend nachladen kann. Das flüssige Methanol wird in einem 60-Liter-Treibstofftank mitgeführt und muss weder unter Druck gesetzt noch gekühlt werden. Die Brennstoffzelle weist eine Leistung von 15 kW auf und kann aus 60 Liter Methanol rund 100 kWh elektrische Energie erzeugen. Bei tiefer/mittlerer Auslastung lässt sich die Einsatzzeit des batterieelektrischen Traktors e107 V Vario somit verdoppeln. Angebaut wird das Brennstoffzellenmodul am Front- oder Heckkraftheber, die elektrische Verbindung erfolgt über einen AEF-Stecker. Diese Lösung entspricht dem Konzept „Brennstoffzelle als Range Extender“.

Hybridisierung: Lösung für mittlere Traktoren?

CNH präsentiert mit dem Steyr Hybrid CVT ein modulares Hybridkonzept für mittlere und große Standardtraktoren. Der vorgestellte Prototyp basiert auf einem Serienmodell der 6-Zylinder-Einstiegsklasse (Leistung 180 PS, Radstand < 2,8 Meter), der Dieselmotor leistet hier aber 260 PS. Vom Original 1:1 übernommen wird das bekannte hydrostatisch-mechanische Stufenlosgetriebe. Komplett neu ist hingegen der Vorderachsträger mit gefederter Einzelradaufhängung und zwei integrierten E-Maschinen. Der Generator wird vom Dieselmotor über eine Übersetzungsstufe angetrieben und gibt die erzeugte elektrische Leistung (bis 75 kW) über die Leistungselektronik an den E-Motor weiter. Dieser wandelt die elektrische Energie zurück in mechanische Energie, die über ein zweistufiges Getriebe zum Tellerrad des Vorderachs-Differenzialgetriebes geleitet wird. Der Antrieb der Vorderachse kann aber weiterhin auch mechanisch über eine klassische Lamellenkupplung erfolgen. Im elektrischen Zweig gibt es zudem SuperCaps (elektrostatische Energiespeicher, die in kurzer Zeit viel Leistung aufnehmen und abgeben, aber nur wenig Energie speichern können), einen Bremswiderstand sowie je eine AEF-Hochvoltsteckdose vorne und hinten.

Diese Komponenten und die seriell-parallele Hybridstruktur ermöglichen zahlreiche Funktionen, die bei Traktoren neu sind. Hierzu zählen der variable, aktiv gesteuerte Vorlauf der Vorderachse (E-Steering), die elektrische Boost-Funktion zum schnellen Beschleunigen beim Transport (E-Boost), der Ausgleich von Lastspitzen (E-Torque-Filling), das rein diesel-elektrische Fahren bei leichten Arbeiten und der schnelle Richtungswechsel mit jeweils tiefen Motordrehzahlen (E-CVT-Modus / E-Shuttle) sowie der Bremsretarder mit 20 kW Dauerleistung (E-Braking). Weitere Funktionen sind u. a. die variable Drehmomentverteilung zwischen den Achsen (E-Torque-Vectoring) und die Abgabe von elektrischer Leistung bis 75 kW an Anbaugeräte (E-Implement).

Evolutionäre Weiterentwicklung bei Getrieben

Das Hybridkonzept von CNH lässt sich in den Trend zu gesamtheitlichen Antriebskonzepten einordnen, die über die bisherigen Dieselmotor-Getriebe-Systeme hinausgehen und so neue Funktionen ermöglichen. Bisherige Beispiele hierfür sind das Getriebe-/Allradantriebskonzept VarioDrive von Fendt und das eAutoPowr-Getriebe von John Deere mit elektrisch-mechanischer Leistungsverzweigung und der Möglichkeit zur Stromabgabe an Arbeitsgeräte. Fendt stellte VarioDrive 2015 für die 1000er-Baureihe erstmals vor und zieht dieses Konzept seither sukzessive nach unten in tiefere Leistungsklassen. Nach den Baureihen 900 und 700 hält der verspannungsfreie und bis 25 Stundenkilometer permanent eingeschaltete Allradantrieb jetzt auch in der neuen 4-Zylinder-Baureihe 600 Vario Einzug. John Deere verbaut das eAutoPowr seit 2022 im 8R-Topmodell 8R410, für das es vorher keine stufenlose Getriebeoption gab.

Neue Stufen- und Stufenlosgetriebe wurden in den vergangenen zwei Jahren nicht bekannt, es gab aber interessante Weiterentwicklungen. Claas verwendet das Stufenlosgetriebe Eccom 5.5 von ZF, das zusammen mit einem neuen Pumpenverteilergetriebe für die bisherige Xerion-Baureihe (4200/4500/5000) zum Modelljahr 2023 hin eingeführt wurde, auch bei den neuen Xerion-Modellen der 12er-Serie (Maximalleistung bis 653 PS). Aufgrund der hohen Drehmomente des 15,6-Liter-Aggregates mit sechs Zylindern und Turbocompound aus dem Hause Mercedes-Benz wird beim Pumpengetriebe hier aber noch eine „Hochtreiberstufe“ integriert. Damit können die Getriebeeingangsmomente heruntergesetzt und die Motorleistungen mit höheren Drehzahlen übertragen werden. Zur Agritechnica stellt Claas zudem einen neuen Frontlader-Modus für die Traktormodelle Arion 500 und 600 mit eigenen Stufenlosgetrieben (EQ200/EQ220) vor. Damit wird beim Einfahren in Schüttgut- oder Misthaufen eine Drehmoment-/Schubkraftsteuerung über das Fahrpedal möglich, wie das bei Rad- oder Teleskopladern mit hydrodynamischen Drehmomentwandlern der Fall ist. Das Befüllen der Frontladerwerkzeuge soll damit einfacher und komfortabler werden.

Angepasste Fahrwerkstechnik

Die Fahrwerkstechnik gewinnt mit den zunehmenden Leistungen und Gewichten von Großtraktoren weiterhin an Bedeutung. Claas entwickelte für die 12er-Xerion-Baureihe deshalb neue Triangel-Raupenlaufwerke, die im eigenen Haus gebaut werden. Diese Bauweise drängte sich auf, weil auch die neuen Flaggschiffe mit Achsschenkellenkung und nicht – wie in dieser Leistungsklasse sonst üblichen – Knicklenkung daherkommen. Das große Antriebsrad der Raupenlaufwerke ist zusammen mit den beiden Umlenkrollen auf einem Hauptrahmen gelagert, der um +/- 10 Grad pendeln kann. Die Boogie-Aufhängung der beiden Zwischenrollen ist in eine separate Schwinge integriert, die über Gummielemente gedämpft wird. In Europa werden die 12er-Modelle ausschließlich mit den ebenfalls Terratrac genannten Raupenlaufwerken angeboten. Für Märkte mit weniger strikten Breitenvorgaben gibt es die Zugtraktoren aber auch mit Radfahrwerken. Montieren lassen sich hier Zwillingsreifen mit der Dimension 800/70R42 und somit einem Außendurchmesser von 2,15 Metern, was bei den „knickgelenkten Wettbewerbern“ bislang nicht angeboten wird.

Nachgelegt hat auch Case IH als Pionier in Sachen 4-Raupen-Fahrwerke und Triangel-Raupen bei Großtraktoren. Um die 778 PS Maximalleistung des neuen Flaggschiffes Quadtrac 715 (6-Zylinder-Motor mit 15,9 Liter Hubraum und 2-stufiger Turboaufladung) auf den Boden zu bringen, wurden die Raupenlaufwerke um 10 Zentimeter verlängert und der Durchmesser des Antriebsrades auf über 100 Zentimeter vergrößert. Neu können diese auch mit der Laufwerksfederung PowerFlex geordert werden, die nicht nur für mehr Komfort, sondern auch für eine bessere Bodenanpassung sorgt. Gefederte Triangel-Raupenlaufwerke gab es bisher nur für Großmähdrescher, nicht aber für schwere Zugtraktoren.

Reifendruckverstellanlagen (Central Tire Inflation System – CTIS) werden von den Traktorenherstellern zunehmend ab Werk angeboten, sowohl integrierte Lösungen als auch solche mit außengeführten Leitungen. Aufgrund der weltweit zunehmenden Bedeutung von Stummelachsen – u. a. getrieben durch die mechanische Unkrautbekämpfung – passt Fendt mit „VarioFlex Duals“ das in Übersee bewährte System mit 3-Meter-Stummelachse und Duo-Radnabe auf eine zulassungsfähige Außenbreite kleiner als 2,55 Meter für Europa an. Die Nutzung von Radgewichten und der integrierten Reifendruckverstellanlage VarioGrip ist weiterhin möglich.

Laufende Weiterentwicklung bei Komfortfunktionen

Viele Hersteller stellten für ihre Traktorbaureihen neue und teilweise größere Kabinen mit digitalen Bedien- und Anzeigesystemen vor (Beispiele: Bedienkonzept FendtONE oder 8S-Kabine von Massey Ferguson). In der jüngeren Vergangenheit lief die Entwicklung bei Kabinen und Bediensystemen aber eher im „evolutionären“ Bereich ab.

Case IH stellt mit „Adaptive 360°-Arbeitsbeleuchtung“ ein Beleuchtungssystem vor, das eine homogene Ausleuchtung rund um den Traktor ermöglicht, ohne die Anzahl der Scheinwerfer zu erhöhen. Ein wichtiges Element sind die ausklappbaren Halter vorne auf halber Kabinenhöhe. Die Einstellungen der hierauf montierten Scheinwerfer lassen sich zusammen mit denjenigen auf den Heckkotflügeln von der Kabine aus vornehmen und anschließend abspeichern. Über den Modus „Anbaugeräte-Automatik“ im Beleuchtungsmenu des Traktorterminals können die hinterlegten Geräte/Arbeitsbreiten abgerufen werden, bei ISOBUS-Geräten erfolgt dies beim Ankuppeln automatisch. Damit entfällt die Wahl zwischen dem ständigen Nachjustieren der Arbeitsscheinwerfer und einer einmaligen Kompromisseinstellung für verschiedene Geräte.

Bisherige Tempomaten werden meistens nach den Raddrehzahlen und somit der theoretischen Fahrgeschwindigkeit gesteuert. Der durch Zugwiderstände oder Steigungen/Gefälle verursachte Schlupf (positiv oder negativ) wird in der Regel nicht berücksichtigt. Fendt legt bei der Funktion „Real Speed Cruise Control“ neu die effektiven Fahrgeschwindigkeiten zugrunde, die über GPS oder Radarsensoren erfasst werden und verbessert damit die Einhaltung der SOLL-Geschwindigkeit. Vorteilhaft ist das u. a. beim Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln.

Mit ErgoSteer führt Fendt zudem eine Joy-Stick-Lenkung in der linken Armlehne ein – zusätzlich zum Lenkrad. Hierüber lässt sich auch der Fahrtrichtungswechsel vornehmen und die Spurführung aktivieren. Durch eine Selbstzentrierung ist ein exaktes Geradeausfahren jederzeit möglich, die Lenkempfindlichkeit kann im Traktorterminal individuell eingestellt werden. Interessant dabei: ErgoSteer kann bei allen Traktoren mit FendtONE nachgerüstet werden.

Hydraulische Oberlenker

Bei heutigen Traktoren erfolgt die Zugkraftregelung in der Regel über die Unterlenker. Das Anheben oder Absenken des 3-Punkt-Krafthebers führt oft dazu, dass die Lage von Bodenbearbeitungsgeräten nicht mehr parallel zum Boden ist, was sich negativ auf die Arbeitsqualität auswirken kann. Um dies zu optimieren, bindet Claas bei der multidimensionalen 3-Punkt-Regelung neu auch den hydraulischen Oberlenker mit ein. Zur Ermittlung der Lage werden am Arbeitsgerät vorne und hinten Höhenmesssensoren montiert, welche die Signale an die Steuerungselektronik des Traktors übermitteln. Diese werden über ein zusätzliches Hydrauliksteuergerät in eine Regelvorgabe für die Oberlenkerlänge umgesetzt, was zu einer automatischen Anpassung der Gerätelängsneigung führt.

Autonomie bringt neue Herausforderungen

Automatische Lenksysteme und Programmiermöglichkeiten für wiederkehrende Bediensequenzen, wie am Vorgewende, gibt es bei Traktoren schon seit Jahren. In einem nächsten Schritt wird nun versucht, die Traktor-Geräte-Einheiten zu „autonomisieren“. Je nach Autonomie-Level soll der Fahrer die Arbeitsprozesse nur noch überwachen müssen, im Extremfall soll es ihn gar nicht mehr brauchen. Mehrere Hersteller stellen deshalb Systeme zur Hof-Feld-Überführung von vollautonomen Fahrzeugen oder zur Überwachung der Arbeitsqualität vor. Ein Beispiel hierfür ist das „Vehicle Transportation System“ VTS von Krone/Lemken für die autonome „Verfahrenstechnische Einheit“ VTE. Über eine Deichsel kann das Fahrzeug mitsamt den Anbaugeräten von einem „normalen“ Traktor zum Feld gebracht werden. Die Lenkstrategie wird an die Geschwindigkeit angepasst, sodass es bei hohen Geschwindigkeiten stabil und in Kurven/Einfahrten eng nachläuft. Die Betriebsbremse des autonomen Zugfahrzeuges, das auf der Straße bei Verwendung des neuen VTS-Systems als Anhängefahrzeug gilt, wird über ein übliches 2-Leiter-Druckluftbremssystem betätigt.

Follow-Me-Modus

New Holland geht mit dem batterieelektrischen Traktor T4 Electric Power einen etwas anderen Weg und stellt für diesen Traktor interessante Autonomie- und Sicherheitsfunktionen vor, die für die Praxis bereits in naher Zukunft von Nutzen sein könnten. Die am Kabinendach und vorne in der Motorhaube montierten Kamerasysteme ermöglichen u. a. eine auf das Kabinenterminal übertragbare 360-Grad-Traktorrundumsicht, eine Erkennung von Heckanbaugeräten für das vereinfachte Ankuppeln sowie eine automatische Zapfwellenabschaltung, wenn Personen der Gelenkwelle zu nahekommen. Daneben gibt es die Funktionen „Route Mode“ (Traktor folgt einer festgelegten Fahrabfolge, beispielsweise in Obstplantagen), „Invisible Bucket“ (verbesserte Übersicht bei Frontladerarbeiten durch „Wegretouchieren“ der Anbauwerkzeuge auf dem Kabinenterminal) und „Follow-Me“.

Besonders interessant dürfte der „Follow-Me-Modus“ für Arbeiten sein, bei denen der Fahrer stetig auf- und absteigen muss, um das Fahrzeug einige Meter vorwärtszubewegen, wie das beispielsweise bei der manuellen Gemüseernte oder beim Erstellen von Zäunen der Fall ist. Hierfür muss der Fahrer den Modus auf dem Traktorterminal aktivieren und sich danach zur „Identifikation“ in den Fronterkennungsbereich des Traktors begeben. Dieser folgt dann nur dieser Person. Ergänzend dazu gibt es eine Gestensteuerung, dank welcher der Traktor auch über Handzeichen Fahranweisungen entgegennehmen kann.


Roger J. Stirnimann,
Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, Bern-Zollikofen/Schweiz