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„Erträge von Wintergerste und Winterweizen sind stabiler“

Prof. Knut Schmidtke zur Ernährungssicherung unter Einhaltung planetarer Grenzen

Die Ernährung sichern. Das steht für den Wissenschaftler Prof. Knut Schmidtke an erster Stelle. Angesichts der großen und zunehmend komplexen Verantwortung für Umwelt-, Natur- und Tierschutz ist für ihn ressourcenschonende Produktion in der Landwirtschaft notwendig.  „Wir müssen uns in der Landwirtschaft, unabhängig davon, ob wir konventionell oder biologisch wirtschaften, beiden Zielen, sowohl die Ernährung zu sichern als auch die planetaren Grenzen einzuhalten, eng verpflichtet fühlen. So muss der ökologische Landbau konsequenter als bisher bestrebt sein, die standortgegebenen Möglichkeiten der Erzielung ansprechender Erträge durch gutes Management zu realisieren, gleichzeitig aber auch einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zur Senkung der Emission klimarelevanter Spurengase leisten“. Darüber, wie diese Ziele erreicht werden können, spricht Prof. Schmidtke im Interview mit dem DLG-Mitglieder-Newsletter. Der Wissenschaftler war Referent auf der Senior-DLG-Tagung 2023 auf der hessischen Staatsdomäne Gladbacherhof.

DLG-Mitglieder-Newsletter: Herr Schmidtke, eine Ihrer Thesen lautet: Die Betriebe müssen Geld verdienen, sonst gibt es keine nachhaltige Entwicklung. Langfristig werden wir das Ziel 25 Prozent Ökolandbau in der EU bis 2030 auch nur schaffen, wenn Bio wirtschaftlich tragfähig ist. Wie ist das zu stemmen?

Prof. Knut Schmidtke: 25 Prozent Biolandbau in der EU wird nur gelingen, wenn auch die Nachfrage nach biologisch erzeugten Lebens- und Futtermitteln in gleichem Maße zunimmt und dabei auch über ansprechende Preise ausreichend hohe Gewinne in der biologischen Landwirtschaft erzielt werden. Ökologischer Landbau muss auch wirtschaftlich attraktiv bleiben, nur so lässt sich das Ziel 25 Prozent Biolandbau erreichen. Biokost in der Gemeinschaftsverpflegung deutlich stärker als bisher zu verankern, ist ein Weg, die Nachfrage nach Biolebensmitteln zu steigern. Gleichzeitig muss der Mehrwert von Biolebensmitteln für die Verbraucherinnen und Verbraucher klarer als bisher herausgestellt werden: Biolandbau und Biolebensmittel sichern eine lebenswerte Zukunft und sind gesund für Umwelt und Mensch. Auf diesem Weg lassen sich dann auch Umsätze mit Biolebensmitteln im Lebensmitteleinzel- und Naturkostfachhandel weiter deutlich steigern und die Einkommen in der Biolandwirtschaft ausbauen. 

Welche Erfahrungen können sie aus dem konventionellen auf den ökologischen Anbau übertragen.

Schmidtke: Im konventionellen Landbau wurde zeitiger und umfangreicher auf reduzierte Bodenbearbeitung, Strip-Till und Direktsaat gesetzt und hierfür erfolgreiche pflanzenbauliche Managementstrategien entwickelt sowie die Technik optimiert. Hiervon hat auch der ökologische Landbau profitiert, der im Vergleich zum konventionellen Landbau erst verzögert reduzierte Bodenbearbeitung in die Praxis eingeführt hat, da hier das Unkrautmanagement eine besondere Herausforderung darstellt.   

Wie lässt sich das Nährstoff-Management in der viehlosen Ackerwirtschaft steigern?

Schmidtke: Um die Stickstoffversorgung im viehlosen Ackerbau zu verbessern, müssen hier einerseits verstärkt Leguminosen im Zwischenfruchtbau integriert werden, auch durch Erdklee- oder Weißkleeuntersaaten in Körnerleguminosen. Bedeutender ist aber auch im viehlosen ökologischen Ackerbau die Integration von Futterleguminosen wie Rot-, und Weißklee oder Luzerne im überjährigen Hauptfruchtbau, um die Stickstoffversorgung in der Fruchtfolge für hohe Ertragsleistungen absichern zu können.

Die Hauptfrucht-Futterleguminosen müssen allerdings mindestens 3 Mal pro Jahr geschnitten und das Erntegut abgefahren werden, um eine hohe symbiotische N2-Fixierleistung sicherstellen zu können. Das Schnittgut der Futterleguminosen sollte dann als Substrat in eine Biogasanlage oder in einem viehhaltenden Bio-Kooperationsbetrieb verfüttert werden. Gärreste aus der Biogasanlage und Wirtschaftsdüngemittel vom Kooperationsbetrieb müssen dann aber möglichst in nährstoffäquivalenten Mengen zum gelieferten Schnittgut der Futterleguminosen in den viehlos wirtschaftenden Bio-Ackerbaubetrieb zurückfließen, um hier eine gute N-Versorgung zu gewährleisten. Futterleguminosen-Schnittgut kann auch als Transfermulch zu anderen Pflanzenbeständen eingesetzt oder mit Zugabe von Stroh kompostiert werden. Hierdurch lässt sich innerbetrieblich Stickstoff im viehlosen Ackerbaubetrieb rezyklieren.

Zum Ersatz von Nährstoffexporten wie Kalium und Phosphor sind viehlos wirtschaftende Ackerbaubetriebe auf den Einsatz von im Biolandbau zugelassenen mineralischen Düngemitteln wie Rohphosphat, Kieserit oder Kaliumsulfat und Grüngut- oder Bioabfallkomposte angewiesen, um die Nährstoffversorgung dauerhaft sicherstellen zu können.  

Die Ressource Wasser dürfte in den kommenden Jahren der begrenzende Faktor sein. Inwieweit kann die Forschung hier bereits Ergebnisse für die Praxis liefern?

Schmidtke: Der Klimawandel führt bereits heute in Teilen Deutschlands zu geringeren Jahresniederschlägen und zunehmend trocken-heißen Perioden in Juni, Juli und August. Deshalb werden Winterungen zukünftig eine größere Rolle spielen, da sie einen größeren Teil ihrer Erträge unter Bedingungen besserer Wasserversorgung und mit besserer Wassernutzungseffizienz vollziehen können. So sind die Ertragsleistungen von Wintergerste und Winterweizen in den zurückliegenden Jahren stabiler als bei Sommergerste oder Sommerweizen ausgefallen. Tiefwurzelnde Pflanzen wie Hafer, Sonnenblume, Sojabohne oder Luzerne sind in der Lage, auf tiefgründigen Böden Trockenphasen deutlich besser zu überstehen als flachwurzelnde Arten wie die Ackerbohne, Erbse und die Kartoffel. Durch Forschung konnte auch gezeigt werden, dass vergleichsweise neue Arten Vorteile für den Ackerbau unter begrenztem Wasserangebot aufweisen. So erwies sich die Hirse auch unter unseren Bedingungen als vergleichsweise hitze- und trockentolerant und der Spitzwegerich im Ackerfutterbau aufgrund seines tiefreichenden Wurzelsystems als ertragsstärker als einige Futtergräser.   

Der Wissenstransfer zur Beratung ist vernachlässigt worden. Wie kann sich dieser Zustand verbessern?

Schmidtke: In erster Linie dadurch, dass uns allen stärker bewusst wird, dass wir eine Transformation der Landwirtschaft nur schaffen werden, wenn wir neben einer leistungsfähigen Agrarforschung vor allem auch eine ausgezeichnete Beratung und einen breit aufgestellten Wissenstransfer bereitstellen - eine Beratung und eine Art des Wissenstransfers aus der Forschung, die auf hohe Akzeptanz in der Praxis stoßen und zugleich motivierend wirken, in der Landwirtschaft auch die erforderlichen Änderungen rasch umzusetzen. Der wirtschaftliche Erfolg der Betriebe muss dabei stets ein Kernelement der Beratung sein. 

Ernährung sichern, planetare Grenzen einhalten - wie können Betriebe das schaffen?

Schmidtke:  Wir müssen uns in der Landwirtschaft, unabhängig davon, ob wir konventionell oder biologisch wirtschaften, beiden Zielen, sowohl die Ernährung zu sichern als auch die planetaren Grenzen einzuhalten, eng verpflichtet fühlen.  So muss der ökologische Landbau konsequenter als bisher bestrebt sein, die standortgegebenen Möglichkeiten der Erzielung ansprechender Erträge durch gutes Management zu realisieren, gleichzeitig aber auch einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zur Senkung der Emission klimarelevanter Spurengase leisten. Ressourcen wie Nährstoffe, Wasser und Boden gilt es effizienter zu nutzen und wo immer möglich zu rezyklieren und zu regenerieren.

Im konventionellen Landbau stellt sich die Frage anders: Welche Ertragsleistungen in der Tier- und Pflanzenproduktion sind noch vereinbar mit dem Ziel, planetare Grenzen einhalten zu können? In vielen Fällen werden hier beide Ziele nur vereinbar sein, wenn die Intensität zurückgefahren wird, d.h. weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel eingesetzt und die Intensität in der Tierhaltung zurückgenommen werden, um die Emission klimarelevanter Spurengase zu senken und Biodiversität hier mehr Raum bieten zu können. 


Das Interview führte Daphne Huber, agrarticker.de,
Redaktion DLG-Mitgliedernewsletter
d.huber@dlg.de

Zur Person

Prof. Knut Schmidtke, vormals Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) mit Sitz in der Schweiz, wird Anfang 2024 wieder seine Funktion als Hochschullehrer für Ökologischen Landbau an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD) in der Fakultät Landbau, Umwelt und Chemie wahrnehmen. Prof. Schmidtke war Referent auf der Senior-DLG-Tagung im Mai 2023 auf der hessischen Staatsdomäne Gladbacherhof in Villmar. (da)